Einleitung
Psalm 88 und Psalm 89 gehören zusammen. Zusammen bilden sie den Schlussteil des dritten Buches der Psalmen. Beide Schreiber dieser Psalmen, Heman (Psalm 88) und Ethan (Psalm 89), sind Esrachiter (Ps 88,1; Ps 89,1). Sie schrieben beide nur einen einzigen Psalm unter ihrem Namen. Sie schrieben auch beide eine Unterweisung im Hinblick auf die Maskilim, d. h. eine Unterweisung über die Wege Gottes in der Endzeit, um Einsicht in sie zu gewinnen.
Der erste Psalm des dritten Buches der Psalmen, Psalm 73, weist darauf hin, dass der Psalmist die Wege Gottes (Ps 73,16) mit dem Volk nicht verstanden hat. Die Lösung ist, dass wir nur im Heiligtum die Wege Gottes lernen (Ps 73,17). Das dritte Buch der Psalmen ist in erster Linie das Buch des Heiligtums, es ist das „3. Buch Mose“ der Psalmen.
In den Psalmen 74–87 sehen wir prophetisch die Erfahrungen und geistlichen Übungen des treuen Überrestes, sowohl der zwei als auch der zehn Stämme. Sie werden ein schreckliches Leiden durchmachen, ein Leiden, das zu ihrer Läuterung führen wird.
Psalm 88 und Psalm 89 fassen dann diese Wege Gottes in zwei Maskil-Psalmen zusammen.
Das Merkmal von Psalm 89 ist das Vertrauen auf Gott auf der Grundlage seiner Verheißungen. Dieses Vertrauen gilt umso mehr, als die äußeren Umstände keine Grundlage für die Erfüllung dieser Verheißungen bieten. Das bedeutet, dass ihre Erfüllung auf Gnade beruht. Diese Gnade nimmt Gestalt an in Christus, in dem alle Verheißungen Gottes Ja und Amen sind (2Kor 1,20). Er wird sie erfüllen, ja, Er ist die Erfüllung.
Psalm 89 besteht aus zwei Teilen:
1. die Verse 2–38 enthalten eine Beschreibung des Bundes.
2. Die Verse 39–52 beschreiben den Zusammenhang zwischen dem Bund und dem Leiden.
Die Unterweisung von Psalm 89 ist, dass das Leiden nicht im Widerspruch zu Gottes Treue zu seinem Bund steht. Im Gegenteil, dieser Psalm ist ein Lobgesang für die Treue Gottes durch das Leiden hindurch!
Vers 1 ist die Überschrift und Vers 53 der Schluss des Psalms und der Schluss des dritten Buches der Psalmen.
1 Überschrift
1 Ein Maskil von Ethan, dem Esrachiter.
Für den Ausdruck „Maskil“ siehe die Erklärung zu Psalm 32,1.
Er ist „von Ethan, dem Esrachiter“. Es ist der einzige Psalm von ihm unter diesem Namen in den Psalmen. Ethan ist ein Weiser, ein Levit und ein Sänger (1Kön 5,11; 1Chr 15,17.19). In 1. Chronika 6 finden wir Heman, Asaph und Ethan nebeneinander (1Chr 6,18–28). Alle drei sind Leviten: Heman aus Kehat, Asaph aus Gersom und Ethan aus Merari.
2 - 5 Gottes Güte und Treue
2 Die Gütigkeiten des HERRN will ich besingen in Ewigkeit, von Geschlecht zu Geschlecht mit meinem Mund kundmachen deine Treue.
3 Denn ich sagte: In Ewigkeit wird die Güte gebaut werden; die Himmel, in ihnen wirst du feststellen deine Treue.
4 Einen Bund habe ich mit meinem Auserwählten geschlossen, habe David, meinem Knecht, geschworen:
5 „Bis in Ewigkeit will ich feststellen deine Nachkommen, und auf alle Geschlechter hin bauen deinen Thron.“ – Sela.
Der Psalmist, in dem wir den Geist des Überrestes sprechen hören, ist tief beeindruckt von „den Gütigkeiten des Herrn“ (Vers 2). Dies bezieht sich, wie die Verse 4 und 5 zeigen, auf die Gütigkeiten des HERRN gegenüber David, der ihn zum König über sein Volk machte. Noch größere Ausdrücke der Gütigkeiten werden dem großen Sohn Davids zugeschrieben, durch den Gottes Gütigkeiten in alle Welt fließt. Von dieser Gütigkeiten, sagt er, wird er „in Ewigkeit“ singen.
Untrennbar mit diesen Ausdrücken „der in Ewigkeit ist“, ist Gottes „Treue“ verbunden. Gott wird alle Verheißungen, die Er David und dem Sohn Davids gegeben hat, treu erfüllen. Er hat sie in einem Bund festgestellt, den Er mit David geschlossen hat. Diese Bundesverheißungen wird Ethan „von Geschlecht zu Geschlecht“ mit seinem „Mund kundmachen“ das heißt verkünden. Er macht sie zu einem Psalm, der zur Ehre Gottes von Geschlecht zu Geschlecht gesungen werden kann.
In diesem Psalm geht es um die Güte, chesed, die Bundestreue des HERRN gegenüber dem treuen Überrest. In Psalm 88 geht es um das Leiden des Überrestes und das Leiden von Christus. Psalm 89 macht deutlich, dass Gott seinen Segen durch seinen Bund nur auf dem Weg des Leidens geben kann. Christus musste leiden, das Blut des neuen Bundes musste vergossen werden, um die Güte Gottes zu beweisen.
Das sind die Wege Gottes. Die Grundlage der Segnungen Gottes ist das Leiden Christi. Der Empfang dieser Segnungen erfolgt durch das Leiden der Gläubigen, in diesem Fall des Überrestes Israels. Auch für uns gilt: „Wenn wir nämlich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden“ (Röm 8,17).
Wichtig ist, dass man dem HERRN in Bezug auf seinen Bund vertrauen oder sich auf Ihn verlassen kann. Er denkt ewig an den Bund, den Er mit Abraham geschlossen hat (Ps 105,8.9). In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass der Name Ethan bedeutet: beständig, standhaft. Der Bund Gottes ist beständig. Nicht umsonst gibt der HERR im weiteren Verlauf des Psalms die Garantie, dass Er seine Treue nicht verleugnen wird (Vers 34). Das Wort „treu“, das „zuverlässig“ bedeutet, kommt in diesem Psalm siebenmal vor. Das ist einmalig und unterstreicht die Bedeutung dieses Wortes als Thema dieses Psalms.
Ethan spricht mit großer Gewissheit – „denn ich sagte“ – von „der Güte“ und „deiner Treue“ (Vers 3). Das sind unerschütterliche Eigenschaften Gottes. Er hat zu Gott gesagt: „In Ewigkeit wird die Güte gebaut werden“. Seine Güte gegenüber David wird als ein Haus dargestellt, das „in Ewigkeit … gebaut“ werden wird. Der HERR selbst baut dieses Haus für David (2Sam 7,11). Es ist also ein Haus mit einer Beständigkeit ohne Enddatum, unvergänglich, ewig. Seine Güte währt ewig.
Für die Treue Gottes gilt dasselbe, denn „die Himmel, in ihnen wirst du feststellen deine Treue“. So wie die Himmelskörper am Himmel fest und beständig sind, so ist auch seine Treue fest. An seiner Treue ändert sich nichts, so wie die Sonne, der Mond und die Sterne ihre Position nicht verändern. Alles, was auf der Erde geschieht, wo sich so vieles ändert, kann seine Treue nicht im Geringsten schmälern (Jer 33,20.21).
Dann sagt Ethan, worauf sich Gottes Güte und Treue beziehen: auf einen „Bund“, den Gott „mit meinem Auserwählten“ geschlossen hat (Vers 4; vgl. Ps 78,70.71). Gott gab David unbedingte und ewige Bundesverheißungen (2Sam 7,11–16; Jes 55,3). Diese Verheißungen sind fest und sicher. Gott hat seinen Bund sogar mit einem Eid bekräftigt.
Es ist ein Bund, bei dem Gott allein alle Verpflichtungen auf sich nimmt. David ist der Auserwählte Gottes (1Chr 28,4). Ohne Rücksicht auf irgendwelche Bedingungen hat Gott seinem Knecht David geschworen: „Bis in Ewigkeit will ich feststellen deine Nachkommen“ (Vers 5; vgl. 2Sam 7,12.13).
Es ist die Rede von dem Bund Gottes mit Abraham, mit Israel und mit David. Der Bund wurde auch mit David, dem Mann nach Gottes Herzen, geschlossen. Das wird in diesem Psalm hervorgehoben. In 2. Samuel 7 finden wir den Hintergrund zu diesem Psalm (2Sam 7,8–16). David ist der von Gott erwählte Gesalbte (Verse 4.21). Dennoch wird dieser Gesalbte von Gott selbst verworfen und verstoßen (Vers 39).
Damit ist er ein Typus desjenigen, der mehr ist als David, der Sohn Davids, der auch der Herr Davids ist. Er ist der Auserwählte, der Gesalbte, der Christus. Aber … der Christus musste dies erleiden und so in seine Herrlichkeit eingehen (Lk 24,26). Der Unterschied besteht darin, dass David wegen seiner eigenen Sünden verworfen wurde – indem sein Sohn Absalom die Macht ergriff und ihn vertrieb –, während Christus wegen der Sünden anderer verworfen wurde. Sein Leiden ist stellvertretend für den Überrest (Jes 53,1–12).
Gott verspricht feierlich, dass immer ein Nachkomme Davids auf dem Thron sitzen wird. Er wird seinen Thron „auf alle Geschlechter hin bauen“ (vgl. Lk 1,31–33). Er wird dabei nicht versagen, auch wenn es manchmal so aussieht, wie wir später im Psalm lesen. Gottes Verheißung ist ebenso unveränderlich wie seine Güte und seine Treue. Wer dieser Gott ist, der solche unbedingten Verheißungen geben kann, wird in den folgenden Versen eindrucksvoll dargestellt.
6 - 9 Wer ist wie Gott?
6 Und die Himmel werden deine Wunder preisen, HERR, und deine Treue in der Versammlung der Heiligen.
7 Denn wer in den Wolken ist mit dem HERRN zu vergleichen? Wer ist dem HERRN gleich unter den Söhnen der Starken?
8 [Er ist] ein Gott, schrecklich in der Versammlung der Heiligen, und furchtbar über alle, die rings um ihn her sind.
9 HERR, Gott der Heerscharen, wer ist mächtig wie du, o Jah? Und deine Treue ist rings um dich her.
Gott, der David einen ewigen Thron zusichert, sitzt selbst auf dem Thron, von dem aus Er das Universum regiert. Er ist der Gegenstand des Lobes der Himmel, die durch den Mund der Bewohner der Himmel seine Wunder preisen (Vers 6; vgl. Lk 2,13.14). Seine „Treue“ wird gepriesen „in der Versammlung der Heiligen“, wobei wir an die Versammlung des Gottesvolkes, d. h. den Überrest, auf der Erde denken können. In Vers 2 wird der HERR vom Psalmisten groß gemacht. Ab Vers 6 sehen wir die Antwort der Himmel, die ebenfalls beginnen, den HERRN zu preisen.
In der Frage „wer in den Wolken ist mit dem HERRN zu vergleichen?“ (Vers 7), steht die Antwort. Natürlich gibt es niemanden, der sich mit Ihm messen kann, nicht an Weisheit und Verstand und nicht an Kraft. Das gilt auch für die Frage: „Wer ist dem HERRN gleich unter den Söhnen der Starken“, also den Engelsfürsten. Natürlich ist niemand wie Er.
Die Realität ist, dass Gott „schrecklich in der Versammlung der Heiligen“ ist (Vers 8). Seine Macht, seine Heiligkeit, seine Gerechtigkeit erfüllen alle mit großer Ehrfurcht, sogar die Engel, die den Menschen an Kraft weit übertreffen. Die Engel stehen und gehen auf seinen Befehl hin (vgl. 1Kön 22,19–22). Er ist „furchtbar über alle, die rings um ihn her sind“. Er ist von zahllosen Engeln umgeben, gehört aber nicht zu einem Kreis, von dem es heißt, Er sei der Erste. Er ist weit über die Engel erhaben (Heb 1,5–13). Er ist der Schöpfer, und sie sind nur Geschöpfe, das Werk seiner Hände, dienende Geister, die Er aussenden kann (Heb 1,14).
Tief beeindruckt von der großen Erhöhung Gottes, ruft Ethan aus: „HERR, Gott der Heerscharen, wer ist mächtig wie du, o Jah?“ (Vers 9). Er nennt Gott den „Gott der Heerscharen“, weil Gott über allen irdischen und himmlischen Heerscharen steht. Alle Mächte, ob gut oder böse, sind Ihm untertan, und Er befiehlt ihnen (vgl. 1Kön 22,20–23). Kein Heer kann seinen eigenen Weg gehen.
Der HERR, Jah, „ist mächtig“. Niemand ist Ihm an Macht gleich, niemand kann mit Ihm verglichen werden (Jes 40,25). Er ist der „HERR“, der Gott des Bundes mit David. Er ist nicht ein Gott der Willkür, sondern der Treue. Seine Treue „ist rings um“ ihn her, sie gehört zu seinem Wesen und zeigt sich in seinem Handeln. Er ist in seinen Verheißungen vollkommen vertrauenswürdig. Alle seine Handlungen resultieren aus seiner Treue. Er ist mächtig, Er ist treu. Das bedeutet, dass Er alles, was Er in seinem Bund versprochen hat, auch zu erfüllen vermag. Seine Allmacht und seine Treue werden in der folgenden Passage deutlich.
10 - 15 Beweise für Gottes Allmacht
10 Du beherrschst das Toben des Meeres; erheben sich seine Wogen – du stillst sie.
11 Du hast Rahab zertreten wie einen Erschlagenen; mit deinem starken Arm hast du deine Feinde zerstreut.
12 Dein sind die Himmel, und dein ist die Erde; der Erdkreis und seine Fülle, du hast sie gegründet.
13 Norden und Süden, du hast sie erschaffen; Tabor und Hermon jubeln in deinem Namen.
14 Du hast einen gewaltigen Arm, stark ist deine Hand, hoch deine Rechte.
15 Gerechtigkeit und Gericht sind die Grundfeste deines Thrones; Güte und Wahrheit gehen vor deinem Angesicht her.
Gott hat in der Vergangenheit bewiesen, wozu Er unter allen Umständen fähig ist. Er „beherrschst das Toben des Meeres“, und „erheben sich seine Wogen“ – Er „stillt sie“ (Vers 10; Ps 107,29). Es gibt kaum etwas, woran Gottes Macht und Herrschaft über alle Dinge deutlicher wird als an seiner Autorität über das Meer und die Wogen. So machtlos der Mensch gegenüber einem Sturm, einem Orkan oder einem Tsunami ist, so souverän und ruhig herrscht Er über sie (Hiob 38,8–11). Auch der Herr Jesus hat diese Autorität, was beweist, dass Er Gott ist (Mk 4,39).
Das übermütige Meer ist ein Bild für die gottfeindlichen Nationen, über die Er ebenfalls herrscht (Jes 17,12.13). Ein Beispiel für seine Herrschaft über das übermütige Meer ist, dass Er Rahab „wie einen Erschlagenen“ zertreten hat (Vers 11). Er, und zwar ausdrücklich Er und niemand sonst, hat das getan. Rahab steht für Ägypten, aber in einer Weise, die die böse Macht dahinter offenbart (Jes 30,7; 51,9.10; vgl. Off 13,1–18). Was Er mit Ägypten getan hat, hat Er mit allen seinen Feinden getan. Er hat sie mit seinem starken Arm zerstreut.
„Die Himmel“ sind Sein, auch „die Erde“ ist Sein (Vers 12). Dies ist erstens so, weil Er die Himmel und die Erde geschaffen hat, Er hat als Schöpfer ein Recht auf die Himmel und die Erde (Ps 24,1.2). Allerdings sind die geschaffenen Himmel durch die Anwesenheit böser Mächte verunreinigt und die Erde durch den Sündenfall. Eines Tages werden die Himmel von der Anwesenheit dieser bösen Mächte gereinigt werden, und auch die Erde wird Gott unterworfen sein. Das kann geschehen, weil der Schöpfer auch der Erlöser geworden ist. Als Erlöser wird Er zweitens wieder Besitz von der Schöpfung ergreifen (Off 5,1–10; 10,2).
Der Himmel gehört Ihm, selbstverständlich, dort wohnt Er. Auf der Erde scheint dies angesichts der dort herrschenden Sünde noch nicht der Fall zu sein. Doch der Glaube bejaht dies: „Dein ist die Erde.“ „Der Erdkreis und seine Fülle“, gehört Ihm, weil Er „sie gegründet“ hat (vgl. Ps 24,1.2).
Seine Herrschaft betrifft „Norden und Süden“, denn sie wurden von Ihm geschaffen (Vers 13). Der Norden ist das, was verborgen oder dunkel ist, wo es kalt ist. Der Süden ist das, was im Licht ist, wo es warm ist. Nichts ist vor Ihm verborgen, denn Er hat alles geschaffen. „Er weiß, was in der Finsternis ist, und bei ihm wohnt das Licht“ (Dan 2,22). Wo es licht ist, ist es wegen seiner Gegenwart.
Die Berge „Tabor und Hermon“ erheben sich über die Landschaft. In ihrer Pracht und Größe sind sie gleichsam der Mund der Erde, der sich öffnet, um Gottes Namen freudig zu singen. Der Tabor ist ein Berg westlich des Jordans, und der Hermon östlich davon. Das bedeutet, dass Gott die ganze Erde in vier Himmelsrichtungen erschaffen hat, und dass durch das auffällige Erscheinen von Tabor und Hermon die Schöpfung gleichsam dem Namen des HERRN zujubelt.
Alles, was Er geschaffen hat, offenbart seine Allmacht, seine höchste Macht. Er hat „einen gewaltigen Arm“ (Vers 14). Seine „Hand ist stark“. Mit seiner Hand wirkt Er, was Er will. Seine „Rechte ist hoch“. Was Er tut, übersteigt das Denken und die Macht des Menschen. Gott verwirklicht seine Pläne in Situationen, in denen für die Menschen alles hoffnungslos ist.
Die „Grundfeste deines Throns“, des Throns, auf dem Er sitzt und von dem aus Er alles regiert und über alles herrscht, sind „Gerechtigkeit und Gericht“ (Vers 15). Er handelt mit allem und jedem in vollkommener Gerechtigkeit und wird allem und jedem gerecht. Dabei gehen Ihm „Güte und Wahrheit“ voraus. Sie sind gewissermaßen seine Herolde, die verkünden, dass Er mit seinem Segen kommen wird. Sie stellen seine Offenbarung als Liebe und Licht in Aussicht (1Joh 4,8.16; 1,5). Der Weg, den Er auf der Erde geht, und alle seine Werke tragen den Stempel dessen, was Er in seiner Güte und Treue ist.
In dieser Welt gibt es ein Sprichwort: Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut. Aus diesem Grund hat der französische Philosoph Montesquieu die „trias politica“ entwickelt. Die trias politica – die Theorie der drei Gewalten oder die Gewaltenteilung – ist eine Verfassungstheorie, in der der Staat in drei Organe aufgeteilt ist, die sich gegenseitig in ihrer Funktion überwachen. Bei Gott ist das nicht der Fall. Er hat absolute Macht, Er ist der Allmächtige (Vers 14), und Er verbindet dies mit absoluter Gerechtigkeit, Güte und Wahrheit oder Treue (Vers 15).
16 - 19 Das Volk dieses Gottes
16 Glückselig das Volk, das den Jubelschall kennt! HERR, im Licht deines Angesichts wandeln sie.
17 In deinem Namen frohlocken sie den ganzen Tag, und durch deine Gerechtigkeit werden sie erhöht.
18 Denn die Zierde ihrer Stärke bist du; und durch deine Gunst wird unser Horn erhöht werden.
19 Denn der HERR ist unser Schild, und der Heilige Israels ist unser König.
Auf die Beschreibung der Erhöhung Gottes folgt das Glückseligpreisen des Volkes, das diesen Gott als seinen HERRN kennt (Vers 16). Dieses Volk kennt „den Jubelschall“ der Posaune (vgl. 4Mo 23,21b). Dies erinnert an das Fest des Posaunenschals, das bei Neumond gefeiert wird (3Mo 23,24; 4Mo 29,1). Dieses Fest weist auf die Wiederherstellung der Beziehung zwischen Gott und seinem Volk hin. Hier liegt die Betonung auf dem Blasen der Posaune als Startsignal, um dem HERRN Loblieder zu singen (Vers 17) und zuversichtlich im Licht seiner Gegenwart zu wandeln (Verse 18.19).
In Israel beginnt der Monat immer mit Neumond. Am fünfzehnten des Monats, dem Beginn des Laubhüttenfestes, ist Vollmond. Dann reflektiert der Mond, der sein Licht von der Sonne erhält, das Licht der Sonne. Am ersten Tag ist davon nichts zu sehen. Das zeigt im Bild, dass das Zeugnis Israels verdunkelt ist. Gleichzeitig ist dies auch der Wendepunkt hin zu der Zeit, in der der Mond wieder zu scheinen beginnen wird. In geistlicher Hinsicht wird Israel einen Vollmond haben – das heißt, den Beginn des Laubhüttenfestes –, wenn die Gemeinde entrückt wird. Das Licht, das Israel wieder empfangen wird, kommt von Gott. Gott wird sein Volk von seinen Feinden befreien (Ps 81,4).
Wenn sie von ihren Feinden befreit sind, werden sie wieder „im Licht deines Angesichts wandeln“. Sie müssen nicht einmal warten, bis ihre Feinde besiegt sind, denn sie können sich schon jetzt im Glauben in dem HERRN freuen. Auch wir können schon jetzt wissen, dass wir mehr als Überwinder sind in dem, der uns liebt. Das bedeutet, dass sie in seiner Gunst und im Bewusstsein seiner Aufmerksamkeit leben, dass Er sich wieder um sie kümmert. Gott, der sein Angesicht so lange vor ihnen verbergen musste, hat sich ihnen in Gnade wieder zugewandt.
Dieses Wandeln im Licht bewirkt Freude: „In deinem Namen frohlocken sie den ganzen Tag“ (Vers 17). Ein Volk, das einen solchen König hat, ist von großer Freude erfüllt. Ihre Freude gilt Ihm; sie sind Ihm dankbar für die Veränderung, die Er in ihrer Not bewirkt hat. Sie finden ihr Glück in Ihm, in dem, was Er ist, in seiner Regierung und seinem Schutz. So ist es „den ganzen Tag“. Dies bezieht sich auf die Zeit des Tausendjährigen Friedensreiches. Gott, ihr König, ist immer derselbe. Deshalb ist ihre Freude immer gegenwärtig. Diese Freude kann auch bei uns immer gegenwärtig sein (Phil 4,4).
Er hat sie aus dem Staub emporgehoben. Sie sind nicht mehr der Schwanz der Völker, sondern Gott hat sie durch seine „Gerechtigkeit“ erhöht und sie zum Haupt der Völker gemacht (Spr 14,34). Ihre hohe Stellung verdanken sie sicherlich seiner Gnade. Aber es ist eine Gnade, die auf Gerechtigkeit beruht, denn der Herr Jesus hat am Kreuz von Golgatha das dafür notwendige Werk getan.
Sie verherrlichen Gott für das, was Er an ihnen und für sie getan hat (Vers 18). Sie führen alles auf Ihn zurück. Er ist „die Zierde ihrer Stärke“. Was sie sind, sind sie durch Ihn. Von dieser Kraft ist jetzt nichts zu sehen, aber sie wissen es und sagen es im Glauben: „Durch deine Gunst wird unser Horn“ – das Horn ist ein Bild der Stärke – „erhöht.“ Er wird ihnen ihre erhabene Position der Herrschaft als Beweis seines Wohlgefallens an ihnen geben. Sie haben es nicht verdient, sondern Er gibt es ihnen aus Gnade.
Sie erkennen, dass sie von ihrem König, dem Messias, beschützt werden (Vers 19). Er ist ihr „Schild“, Er hat Ihn ihnen als Schild gegeben. Sie nennen den Heiligen Israels „unseren König“. Dies bezieht sich wiederum vor allem auf den Herrn Jesus. Er ist von Gott seinem Volk als König gegeben worden. Er wird als „der Heilige Israels“, regieren, und zwar in vollkommener Übereinstimmung mit der Heiligkeit Gottes.
„Der Heilige Israels“ ist der Titel Gottes im Buch Jesaja. Jesaja verwendet diesen Titel 25-mal für den Gott, der Ihm als der dreimal heilige Gott erschienen ist (Jes 6,1). Israel hat Ihn immer wieder verspottet, geprüft und gekränkt (Ps 78,40.41). Und doch wird derselbe Gott sie beschützen.
20 - 30 Der Bund mit David
20 Einst redetest du im Gesicht zu deinen Frommen und sagtest: Hilfe habe ich auf einen Mächtigen gelegt, ich habe einen Auserwählten erhöht aus dem Volk.
21 Ich habe David gefunden, meinen Knecht – mit meinem heiligen Öl habe ich ihn gesalbt –,
22 mit dem meine Hand fest bleiben soll, und mein Arm soll ihn stärken.
23 Nicht soll ihn drängen der Feind, und der Sohn der Ungerechtigkeit ihn nicht bedrücken;
24 und ich will seine Bedränger vor ihm zerschmettern, und seine Hasser will ich schlagen.
25 Und meine Treue und meine Güte werden mit ihm sein, und durch meinen Namen wird sein Horn erhöht werden.
26 Und ich will seine Hand an das Meer legen, und seine Rechte an die Ströme.
27 Er wird mir zurufen: Mein Vater bist du, mein Gott, und der Fels meiner Rettung!
28 So will auch ich ihn zum Erstgeborenen machen, zum Höchsten der Könige der Erde.
29 Ewig will ich ihm meine Güte bewahren, und mein Bund soll ihm fest bleiben.
30 Und ich will seinen Samen einsetzen auf ewig, und seinen Thron wie die Tage der Himmel.
Wir haben bisher zwei Dinge gesehen: erstens, dass Gott, der Heilige Israels, König ist (Vers 19), und zweitens, dass Gott einen Bund mit David, seinem Auserwählten, geschlossen hat (Verse 4.5). Diese beiden Dinge werden nun weiter verdeutlicht.
Ethan erinnert Gott daran, was Er über den Bund mit David gesagt hat. Die erste Ankündigung davon machte Er „im Gesicht“ (Vers 20). Über dieses Gesicht ist nichts weiter bekannt. Vielleicht hat es mit dem zu tun, was Samuel zu Saul sagt, nämlich dass er nicht mehr König sein wird und Gott David als einen Mann nach seinem Herzen erwählt hat (1Sam 13,14). Samuel sagt dies vielleicht zu Saul, weil Gott es ihm irgendwie klar gemacht hat, vielleicht in einem Gesicht. Oder als David gesalbt wurde, hat Gott Samuel in einem Gesicht deutlich gemacht, dass David derjenige ist, der gesalbt werden soll (1Sam 16,11–13).
Der Psalmist spricht zu Gott von David als „deinem Heiligen“ [Darby-Übersetzung], der der „aus dem Volk Auserwählte“ ist. Zuerst nannte sich der HERR „der Heilige Israels“ (Vers 19), Er, der sich selbst um Israels willen geheiligt hat (vgl. Joh 17,19). Und nun spricht der HERR durch den Psalmisten von David als „deinem Heiligen“, das heißt, Er hat David auserwählt, ihn gesalbt (Vers 21), um König zu sein (vgl. Joh 17,17).
Gott nennt David „einen Mächtigen“. Er ist nicht aus sich selbst heraus mächtig, sondern weil Gott ihn mit „Hilfe“ versorgt hat (vgl. 1Mo 49,24). Gott hat ihm die Kraft gegeben, mächtig zu sein. Davids Stärke ist seine Sorge um die Schafe, die er vor dem Löwen und dem Bären beschützt. Er selbst sagt dazu: „Der HERR, der mich aus den Klauen des Löwen und aus den Klauen des Bären errettet hat“ (1Sam 17,34–37).
Dieser Hirtenjunge, der mit Gottes Hilfe mächtig ist, ist von Gott „aus dem Volk auserwählt“. Die Erwählung Davids ist allein Gottes Sache. Davids bescheidene Herkunft und sein einfacher Beruf machen umso deutlicher, dass Gott ihn erhöht und ihm diese hohe Stellung gegeben hat (2Sam 7,8; Ps 78,70–72).
Gott hat David erwählt. Gleichzeitig hat Gott jemanden gesucht, der Ihm als Knecht dient (Vers 21; Apg 13,22). Er hat ihn in David gefunden, den Er „meinen Knecht“ nennt. David ist nicht nur ein Knecht, wenn er König wird, sondern er ist bereits ein Knecht, wenn er Schafe weidet und hütet. Bei dieser Arbeit hat er Eigenschaften gezeigt, die für Gott von besonderem Wert sind, wenn er als sein Vertreter über sein Volk regiert.
Wir hören die Freude in der Stimme Gottes, wenn Er sagt: „Mit meinem heiligen Öl habe ich ihn gesalbt.“ Ethan nannte David „deinen Heiligen“ (Vers 19), und Gott salbte David mit „meinem heiligen Öl“. Er tat dies durch die Hand Samuels (1Sam 16,13). Alles an der Berufung Davids trägt das Zeichen der Heiligkeit.
Gott hat große Freude an David. David wird der Gesalbte und „mein Knecht“ genannt. In beidem ist er ein Typus für Christus, den Gesalbten, der in erster Linie der Knecht des HERRN genannt wird. Der Knecht des HERRN (Jes 52,13) ist der Gesalbte des HERRN (Jes 61,1). Vom Herrn Jesus steht geschrieben, dass Gott Ihn – Er ist der Christus, das heißt der Gesalbte – mit Freudenöl, mehr als seine Genossen, gesalbt hat (Ps 45,7.8).
Die Salbung erfolgt im Hinblick auf einen zu verrichtenden Dienst. Durch die Salbung wird ein Mensch in diesen Dienst eingeweiht. Die Salbung spricht für uns von dem Heiligen Geist, mit dem jeder Gläubige gesalbt ist (1Joh 2,20). Durch den Geist können wir dem Herzen Gottes eine Freude sein. Das ist so, wenn wir uns vom Geist leiten lassen. Bei dem Herrn Jesus war das auf der Erde immer und vollkommen der Fall. Deshalb ist Er dem Herzen Gottes immer eine Freude gewesen.
Gott verspricht, dass Er David in seinem Dienst für Ihm mit seiner Hand fest bleiben soll (Vers 22). Er garantiert den Erfolg seines Dienstes, denn Er wird ihn beschützen und verteidigen. Mit seiner Hand ist Er immer bei ihm. David wird seinen Dienst verrichten können, weil Gottes Arm ihn „stärken soll“. Auch hier werden Gottes „Hand“ und Gottes „Arm“ erwähnt (vgl. Vers 14).
Gott, der allmächtige Gott, ermächtigt David. So werden alle zuvor in diesem Psalm erwähnten Eigenschaften Gottes nun in Davids Dienst gestellt. Gottes Hand und Arm sind mit ihm so fest verbunden wie seine eigene Hand und sein eigener Arm mit seinem Körper. Alles geschieht durch Ihn. Er hält seinen Bund und lässt ihn Wirklichkeit werden. Deshalb ist ein Scheitern ausgeschlossen.
David ist der Vorläufer dessen, der sowohl der Sohn als auch der Herr Davids ist, der Christus Gottes, der Auserwählte, der Knecht des HERRN, der durch Leiden gehen musste, um danach verherrlicht zu werden (Phil 2,5–11).
Weil der HERR sein Schild ist, gibt es keine feindliche Macht, die David unter Druck setzen oder ihn überwältigen könnte (Vers 23). Wer gegen David antritt, tritt gegen den Allmächtigen an. Und wer kann sich schon mit Aussicht auf Erfolg gegen den Allmächtigen stellen? Allein die Annahme zeugt von großer Torheit. Auch gibt es keinen „Sohn der Ungerechtigkeit“, der ihn „bedrücken“ wird. Gott wird dafür sorgen, dass David nicht in seine Hände fällt.
Der Gott, der in der Vergangenheit Rahab zertreten hat (Vers 11), wird seine große Macht vor den Augen seines auserwählten Königs zeigen, indem Er „seine Bedränger vor ihm zerschmettert“ (Vers 24). Er braucht keinen Gegner zu fürchten, denn Gott wird sich um ihn kümmern. Selbst „seine Hasser“, wird Gott mit tödlichen Plagen „schlagen“. Niemand wird eine Chance haben, dem von Gott gesalbten König Schaden zuzufügen, denn Gott schützt ihn mit seiner Macht.
Der Schutz Gottes besteht in seiner „Treue“ und seiner „Güte“ (Vers 25). Diese Eigenschaften Gottes, die wir in Vers 15b ausführlich betrachtet haben, sind sozusagen die Beschützer seines Bundes. Sie werden mit ihm, seinem erwählten König, sein. In seiner Treue wird Er David vor Schaden bewahren, und in seiner Güte wird Er ihn leiten. Das Horn, das die Macht des Königs symbolisiert, wird von David durch den Namen des HERRN erhoben werden (vgl. Vers 18). Seine Macht beruht auf dem Namen Gottes, der alles umfasst, was Gott ist und gesagt hat.
Alles in und um den König verweist auf Gott, den Gott, der über die Wogen des Meeres herrscht (Vers 8). Daher ist ein riesiges Gebiet seiner Herrschaft unterworfen. Weil Gott seine Hand regiert, wird er „seine Hand an das Meer legen, und seine Rechte an die Ströme“ (Vers 26). Dies deutet auf seine allgemeine Herrschaft hin, die ihre volle Erfüllung in der unbegrenzten Herrschaft des Messias – das heißt des Christus, der sowohl Herr als auch Sohn Davids ist – finden wird.
Gott beweist seine Vorliebe für David nicht nur dadurch, dass Er ihm ein großes Gebiet gibt, um darüber zu herrschen. Vor allem hat Er David in eine persönliche Beziehung zu sich selbst gebracht (Vers 27). Die Beziehung zwischen David und Gott ist die eines Sohnes zu seinem Vater (vgl. 2Sam 7,14). Dies gilt in einem vollkommenen Sinn für den Herrn Jesus (Heb 1,5).
Dass David Gott anruft: „Du bist mein Vater“, bedeutet, dass er Gott als den Ursprung seines Königtums anerkennt. In diesem Sinn ist Gott auch der Vater seines Volkes, Er ist ihr Ursprung (5Mo 32,6b). David konnte nicht „Abba, Vater“ sagen, was der neutestamentliche Gläubige durch den in ihm wohnenden Heiligen Geist sagen kann (Röm 8,15.16; Gal 4,5.6). Der Heilige Geist wirkt in David, aber Er wohnt nicht in ihm. Der Heilige Geist wirkte im Alten Testament zwar auf der Erde, wohnte aber noch nicht auf ihr. Er kam erst um auf der Erde zu wohnen, nachdem der Herr Jesus nach seinem Werk am Kreuz zu Gott zurückgekehrt war (Joh 7,37–39; 14,16.17; 15,26; 16,13.14).
David nennt Gott auch „meinen Gott und den Fels meiner Rettung“. In seiner persönlichen Beziehung zu Gott, „meinem Gott“, kennt er Ihn als „den Fels meiner Rettung“. David ist geborgen in der Kluft des Felsens, des geschlagenen Felsens; der Fels ist Christus (1Kor 10,4). Damit bringt er zum Ausdruck, dass sein Gott seine einzige Zuversicht und Hoffnung in allen Zeiten ist. Gott ist der unerschütterliche Fels, der ihn zur vollen Rettung führen wird.
Gottes Gnade geht sogar noch weiter. David wird von Gott zu seinem „Erstgeborenen“ (Vers 28) und damit zum Erben gemacht. David ist nicht der erstgeborene Sohn Isais. Er ist der jüngste Sohn. „Erstgeboren“ bezeichnet also nicht die Reihenfolge der Geburt, sondern einen Ehrenplatz vor den anderen. Gott macht ihn zum „Höchsten der Könige der Erde“. Beide Namen gelten wiederum besonders für den Herrn Jesus, den König der Könige (vgl. Kol 1,15.18; Röm 8,29; Off 1,5).
Nichts kann Gottes Güte beenden, die aus seiner Treue zu seinem Bund mit David resultiert (Vers 29). Er wird seine Güte ihm gegenüber „ewig“ bewahren. Gott schloss seinen Bund mit David nicht auf der Grundlage des Gesetzes, sondern auf der Grundlage des Blutes des neuen Bundes, das durch den Mittler vergossen wurde. Dieser neue Bund „soll ihm fest bleiben“. Nichts kann Ihn dazu bringen, diesem Bund untreu zu werden. Er wird absolut alles erfüllen, wozu Er sich in diesem Bund verpflichtet hat.
Gott wird „seinen Samen einsetzen auf ewig“ (Vers 30). Hier dürfen wir besonders an den Herrn Jesus, den Sohn Davids, denken. Gott hat Ihn im Sinn. Der Messias wird auf „seinem Thron“ im Friedensreich sitzen. Seine Regierung wird sein „wie die Tage der Himmel“. In seiner Regierung wird Er den Himmel auf die Erde bringen und die Tage auf der Erde wie die Tage des Himmels machen (vgl. 5Mo 11,21; Jes 66,22).
31 - 38 Wenn … so … aber
31 Wenn seine Söhne mein Gesetz verlassen und nicht wandeln in meinen Rechten,
32 wenn sie meine Satzungen entweihen und meine Gebote nicht halten,
33 so werde ich ihre Übertretung mit der Rute heimsuchen, und ihre Ungerechtigkeit mit Schlägen.
34 Aber meine Güte werde ich nicht von ihm weichen lassen und meine Treue nicht verleugnen.
35 Nicht werde ich entweihen meinen Bund und nicht ändern, was hervorgegangen ist aus meinen Lippen.
36 Einmal habe ich geschworen bei meiner Heiligkeit: Wenn ich David belüge!
37 Sein Same wird ewig sein und sein Thron wie die Sonne vor mir;
38 ewig wird er feststehen wie der Mond; und der Zeuge in den Wolken ist treu. – Sela.
Der Bund mit David, d. h. der alte Bund, bedeutet, dass seine Söhne Gottes „Gesetz“ nicht ungestraft „verlassen“ können (Vers 31). Das Gesetz ist der Ausdruck von Gottes Willen für ihr gesamtes soziales und religiöses Leben. Wenn sie das Gesetz verlassen, wandeln sie nicht in Gottes „Rechten“, die Er für bestimmte Aspekte ihres Lebens gegeben hat.
Auch seine „Satzungen“, seine Regeln für den Umgang mit Ihm und untereinander, können sie nicht „entweihen“, ohne dass dies Konsequenzen hätte (Vers 32). Wenn sie sie entweihen, d. h. sie als gewöhnliche, menschliche Gesetze betrachten, die sie absichtlich ignorieren können, werden sie bestraft. Ebenso wird das Versäumnis, Gottes „Gebote“ zu halten, Gottes Strafe über sie bringen. Seine Gebote sind ein ausdrücklicher Ausdruck seines Willens.
Wenn Davids Nachkommen all diese verschiedenen Manifestationen des Willens Gottes nicht beherzigen, wird Er „ihre Übertretung mit der Rute heimsuchen, und ihre Ungerechtigkeit mit Schlägen“ (Vers 33; vgl. Jes 10,5). Gott hat dies getan, indem Er die Assyrer und die Babylonier die zehn Stämme bzw. die zwei Stämme aus dem Land vertreiben ließ. Er benutzte diese Nationen, um sein Volk zu strafen und mit der Rute zu schlagen.
Trotzdem hat Er seine „Güte“ nicht von David „weichen lassen“ (Vers 34). Es ist unmöglich, dass Er in seiner Treue zu seinem Bund versagt. Gott hat mit seinem ungehorsamen Volk nicht endgültig Schluss gemacht. Er wird nicht in Verlegenheit gebracht wegen ihrer Untreue. Gott bewahrt für die Erfüllung seines Bundes immer einen Überrest gemäß der Erwählung der Gnade (Röm 9,27–29; 11,5).
Diese Gnade ist möglich, weil Christus als Mittler des neuen Bundes den Fluch des ersten oder alten Bundes auf sich genommen hat. Gott konnte natürlich nicht gegen den Inhalt des Bundes handeln, das heißt, Er musste die Sünde und das Versagen des Volkes bestrafen. Doch wenn Gott sein Ziel erreichen wollte, musste Christus die Strafe des Volkes tragen, sonst wäre der Bund nichtig.
Mit deutlichen Worten erklärt Gott die Festigkeit seines Bundes (Vers 35). Er nennt ihn „mein Bund“. Er hat ihn geschlossen und seine Erfüllung garantiert. Deshalb wird Er ihn „nicht entweihen“, indem Er nicht danach handelt. Was hervorgegangen ist aus seinen Lippen, sind keine unbedachten Äußerungen, wie es bei uns oft der Fall ist. Er ändert nicht, was Er gesagt hat, Er ändert nicht die Bedingungen, sondern hält seine ursprüngliche Vereinbarung ein.
Was Er gesagt hat, hat Er geschworen (Vers 36). Es ist die mächtigste Art, etwas zu versprechen, was bei Ihm gleichzeitig die absolute Erfüllung zur rechten Zeit und auf die rechte Weise bedeutet. Er hat „bei meiner Heiligkeit“ geschworen. Er entweiht seinen Bund nicht, wie Er in Vers 35 sagt, weil es seiner Heiligkeit widerspricht. Er ist vollkommen heilig, vollkommen abgegrenzt vom Bösen und von der Sünde.
Gott sagt dies alles, um sein schwaches, oft zweifelndes Volk davon zu überzeugen, dass Er seine Verheißungen erfüllt. Als zusätzliche Bestätigung sagt Er: „Wenn ich David belüge!“ (vgl. Heb 6,17.18). Es ist unmöglich, dass Gott lügt, denn Er kann nicht lügen (Tit 1,2; 4Mo 23,19). Lügen ist seinem Wesen völlig fremd.
Er hat gesagt, dass Davids Same ewig sein wird, also wird sie ewig bleiben (Vers 37). Es wird immer jemand aus seinem Samen auf seinem Thron sitzen. Das ist kein anderer als der Messias, der Sohn Davids und zugleich Gottes Sohn ist. Sein Thron „wie die Sonne vor mir“ bedeutet, dass Gott diesen Thron immer sieht. Hier ist eine Regierung, die seiner Heiligkeit vollkommen und ununterbrochen entspricht. Daher ist dieser Thron so fest, „wie die Sonne“ am Himmel steht.
Die Herrschaft des Messias wird ewig „feststehen wie der Mond“ (Vers 38). Der Mond ist mit der Sonne verbunden; er bezieht sein Licht von der Sonne. Die Sonne steht fest, der Mond währt ewig. Beide symbolisieren die Herrschaft des Lichts im Friedensreich (1Mo 1,14–16). Sowohl die Stellung als auch die Dauer der Herrschaft sind unveränderlich. Das Reich des Messias ist ein ewiges Reich (Dan 2,44).
Der Mond ist „der Zeuge in den Wolken“. Dieser Zeuge „ist treu“. Der Mond verändert sein Aussehen. Er geht in einem Zyklus von Neumond zu Vollmond und von Vollmond zu Neumond. Trotz dieser Veränderungen gibt es keine Überraschungen. Es ist ein treues Bild, das jeden Monat wiederkehrt. Auf diese Weise weist Gott auf seine Treue hin, die ewig bleibt, auch wenn sie für den Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt deutlicher erkennbar ist als zu einem anderen.
39 - 46 Verworfen und verstoßen
39 Du aber hast verworfen und verstoßen, bist sehr zornig gewesen gegen deinen Gesalbten;
40 du hast verworfen den Bund deines Knechtes, hast zu Boden entweiht seine Krone;
41 du hast niedergerissen alle seine Mauern, hast seine Festungen in Trümmer gelegt.
42 Alle, die auf dem Weg vorübergehen, haben ihn beraubt; er ist zum Hohn geworden seinen Nachbarn.
43 Du hast die Rechte seiner Bedränger erhöht, hast alle seine Feinde erfreut;
44 auch hast du zurückgewandt die Schärfe seines Schwertes und hast ihn nicht bestehen lassen im Kampf;
45 du hast aufhören lassen seinen Glanz und zur Erde gestürzt seinen Thron;
46 du hast die Tage seiner Jugend verkürzt, mit Schmach hast du ihn bedeckt. – Sela.
Die gegenwärtige Situation steht im Widerspruch zur Festigkeit und Erfüllung des Bundes und erinnert an Neumond. Es ist Nacht, ohne das Licht des Mondes. David, der erwählte König, ist von Gott verworfen und verstoßen worden (Vers 39). David wird durch seine eigene Schuld verworfen. Auch seine Nachkommen, das Volk Israel, ist durch seine eigenen Sünden verstoßen worden. Auch Christus, der Herr und Sohn Davids, wurde verworfen und verstoßen. Aber nicht wegen seiner eigenen Schuld, sondern weil Er zum Schuldopfer geworden ist (Jes 53,10). Dies ermöglichte es Gott, David und seinen Nachkommen seine Güte zu erweisen.
Wir befinden uns in der Zeit unmittelbar vor der Erfüllung der Verheißung, in der Zeit der großen Drangsal. Gott ist zornig über sein Volk und die Nachkommen seines gesalbten Königs geworden, weil sie Ihm untreu geworden sind. Nach Ansicht des gläubigen Überrestes hat Gott den alten Bund mit seinem Knecht verworfen (Vers 40). Gott hat seine Krone, die Krone der Königswürde, „zu Boden entweiht“. Von der früheren Größe und Ehre ist nichts mehr übrig.
Die Stadt Gottes, die Stadt Davids, ist eine Ruine geworden (Vers 41). Die Stadt ist durch die Brüche in den Mauern frei zugänglich geworden. Die Verteidigungsanlagen sind zusammengebrochen, die Festungen liegen in Trümmer. Ethan führt dies auf das Handeln Gottes zurück.
Infolge des Wegfalls des Schutzes ist die Stadt Davids von denen geplündert worden, „die auf dem Weg vorbeikommen“ (Vers 42). Es gibt auch keine Achtung mehr vor der Stadt. Für „seine Nachbarn“, die benachbarten Völker, ist sie „zum Hohn geworden“.
Gott hat den Bedrängern nicht nur Zugang zur Stadt verschafft, sondern auch „die Rechte seiner Bedränger erhöht“ (Vers 43). Er hat ihnen die Kraft dazu gegeben und ihnen Macht über sein Volk verliehen. Dadurch hat Er „alle seine Feinde erfreut“, allerdings im Sinn von Schadenfreude.
Im Gegensatz dazu hat Er das Schwert seines Volkes gegen sich selbst gerichtet (Vers 44). Er hat ihm seine Macht vorenthalten und ihn dadurch „nicht bestehen lassen im Kampf“. Sie sind besiegt, umgekommen, zerstreut, verschleppt oder geflohen.
Er hat den Glanz des Königs zum Verschwinden gebracht, es ist nichts mehr davon übrig (Vers 45). Alle Pracht, die sein Königtum kennzeichnete, ist verschwunden. Auch von seiner Herrschaft ist nichts mehr übrig, denn Er hat „zur Erde gestürzt seinen Thron“. Es gibt nichts mehr zu regieren, denn das Volk ist in die umliegenden Länder zerstreut oder in Gefangenschaft weggeführt worden.
Die glorreiche Herrschaft Davids und seines ersten Nachfolgers, seines Sohnes Salomo, währte nur kurze Zeit. Wegen der Untreue Salomos hat Gott „die Tage seiner Jugend verkürzt“, d. h. des Königreiches Israel (Vers 46). Die Dinge wurden immer schlimmer. Gott konnte die Tage des Wohlstandes und der jugendlichen Schönheit nicht verlängern. Er musste seinen Thron den Nationen überlassen und „bedeckte“ sein Volk „mit Schmach“.
47 - 52 Bis wann?
47 Bis wann, HERR, willst du dich immerfort verbergen, soll wie Feuer brennen dein Grimm?
48 Gedenke, was meine Lebensdauer ist, zu welcher Nichtigkeit du alle Menschenkinder erschaffen hast!
49 Welcher Mann lebt und wird den Tod nicht sehen, wird seine Seele befreien von der Gewalt des Scheols? – Sela.
50 Wo sind, o Herr, deine früheren Gütigkeiten, die du David zugeschworen hast in deiner Treue?
51 Gedenke, Herr, des Hohnes deiner Knechte, dass ich in meinem Innern trage [den Hohn] all der vielen Völker,
52 womit deine Feinde verhöhnt haben, HERR, womit sie verhöhnt haben die Fußstapfen deines Gesalbten!
Der Überrest fragt erneut, „bis wann“ diese Situation andauern wird (Vers 47; Ps 13,2.3). Jetzt ist es eine Frage der Verzweiflung angesichts der Umstände. Sie erleben, dass Gott sich vor ihnen verbirgt. Wird Er dies „immerfort“ tun (vgl. Ps 77,7–9)? Zugleich ist die Frage „bis wann“ auch eine Frage, in der die Hoffnung auf ein Ende des Leidens mitschwingt. Aber bis wann „soll wie Feuer brennen“ Gottes „Grimm“?
Die Frage ist, bis wann die Treue Gottes zu seinem Bund, bis wann seine Güte, unsichtbar bleibt. Der Psalmist vertraut auf den HERRN, aber die Bedrängnis ist groß. Wenn die Zeit nicht verkürzt wird, wird niemand vom Überrest am Leben bleiben (vgl. Mt 24,22). Wie steht es nun mit der Güte und Treue des HERRN?
Der erste Grund für die Fragen ist die große Bedrängnis (Verse 47–49). Der zweite Grund ist, dass die Güte und Treue des HERRN auf dem Spiel stehen (Vers 50), der Bund, den Er mit einem Eid versprochen hat. Der dritte Grund schließlich ist die Schmach, die über den Überrest und damit über die Ehre des Namens Gottes und seines Christus, seines Gesalbten, kommen wird (Verse 51.52). Deshalb lehrt der Herr Jesus den Überrest zu beten: „Geheiligt werde dein Name“ (Mt 6,9b).
Sie bitten Gott, sich daran zu erinnern, was ihre „Lebensdauer“ ist (Vers 48). Wenn Er noch etwas von seinem Bund erfüllen will, soll Er es schnell tun, sonst ist ihr Leben zu Ende. Er soll daran denken „zu welcher Nichtigkeit“ Er „alle Menschenkinder erschaffen“ hat. Wenn Er sie nur so kurze Zeit leben lässt, warum macht Er es ihnen dann auch noch so schwer? Irgendwann stirbt jeder Mensch (Vers 49). Niemand entgeht dem, denn niemand kann „seine Seele befreien von der Gewalt des Scheols“.
Dann kommt die Frage an den „Herrn“, Adonai, wo seine „früheren Gütigkeiten“ sind (Vers 50). Wo sind sie geblieben? Er hat doch David „zugeschworen“ in seiner „Treue“? Doch davon ist nichts mehr zu spüren. Hat Gott vergessen, was Er in seiner Treue geschworen hat?
Ein weiterer Aspekt, der den Überrest vor Gott bringt, ist der Hohn, den seine Knechte erleiden (Vers 51). Denkt der Herr auch daran? „All die vielen Völker“ verhöhnen sie. Sie schütteln den Hohn nicht ab, sondern tragen sie in ihrem Innern mit sich herum. Alle Hohn berührt sie tief und bleibt, solange es kein Ergebnis, keine Antwort, keine Erfüllung des Bundes gibt.
Schließlich weisen sie den HERRN darauf hin, dass die Feinde nicht ihre Feinde sind, sondern seine, „deine Feinde“ (Vers 52). Seine Feinde lästern auch nicht in erster Linie über ihre Taten, sondern über „die Fußstapfen deines Gesalbten“. Der Gesalbte Gottes ist David und über ihm der Messias.
Die Feinde Christi haben Ihn als „König der Juden“ geschmäht und verspottet. Sie haben den Weg Gottes geschmäht, den Er mit dem Messias gegangen ist. Dass Gottes König als Baby in eine Zimmermannsfamilie hineingeboren wurde und sein Leben in Erniedrigung lebte, ist Anlass für den Unglauben, Ihn zu schmähen. Alle Spötter werden Ihn zu ihrem Entsetzen wiedersehen, dann als Richter.
53 Amen, ja, Amen!
53 Gepriesen sei der HERR in Ewigkeit! Amen, ja, Amen!
Auch wenn Ethan davon spricht, dass Gott sich nicht zeigt, glaubt er, dass Gott da ist und alle seine Verheißungen erfüllen wird. Deshalb sagt er: „Gepriesen sei der HERR in Ewigkeit!“ Der HERR wohnt bei den Lobgesängen Israels (Ps 22,4). Der Sieg wird errungen, wenn wir beginnen, den HERRN zu loben (2Chr 20,21.22), so auch hier im dritten Buch der Psalmen. Ethan unterstreicht sein Lob mit einem zuversichtlichen „Amen, ja, Amen!“ Es ist sicher und gewiss.
Der Psalmist geht in Psalm 73, dem ersten Psalm des dritten Buches der Psalmen, in das Heiligtum (Ps 73,17), wo der HERR für immer gepriesen wird. Das tut er auch und besonders in Zeiten der Prüfung, in Zeiten der Schwierigkeiten hier im letzten Psalm dieses dritten Buches. Der geläuterte Glaube antwortet mit „Amen, ja, Amen“ und preist den Namen des HERRN.
So triumphiert der Glaube über die Umstände. Durch die Dunkelheit hindurch sieht der Gläubige das Licht der Hoffnung. Diese Hoffnung ist das Vertrauen auf den, der seine Verheißungen des Bundes erfüllen wird, auch wenn alles diese Erfüllung zu verhindern scheint.