Einleitung
Psalm 78 arbeitet aus, was im letzten Vers von Psalm 77 steht: „Du hast dein Volk wie eine Herde durch die Hand Moses und Aarons geleitet“ (Ps 77,21). Die Geschichte des Volkes Israel wird zur Veranschaulichung verwendet, um die Wege Gottes mit seinem Volk in der Vergangenheit zu beschreiben. Das Ziel ist, dass der treue Überrest Israels – die Maskilim, die Weisen oder Verständigen – daraus Lektionen ziehen. Der Auszug des Volkes Israel aus Ägypten in das verheißene Land ist ein Typus oder ein Beispiel für die Rückkehr der zehn Stämme nach Israel in der Zukunft, nach der großen Drangsal (vgl. Jes 11,16; 51,9–11; Jer 16,14.15; Hes 20,34–36; Mt 24,31). Die Geschichte und auch die Plagen in diesem Psalm werden nicht chronologisch, sondern thematisch, in einer geistlichen Reihenfolge beschrieben.
Die Psalmen 73–77 stellen Fragen über den unverständlichen Weg, den Gott mit seinem Volk Israel geht. Psalm 78 beantwortet sie. Der Psalmist und Prophet Asaph zeigt anhand der Geschichte sowohl die Untreue des Volkes als auch die Treue Gottes als Grund auf, warum Gott den Weg gewählt hat, den Er mit seinem Volk gegangen ist. Die Geschichte des Volkes Gottes offenbart seine anhaltende Untreue. Gottes Antwort darauf zeigt seine gnädige Erwählung, durch die Er seine Segenspläne für das Volk dennoch ausführt. Gott liebt und beschützt sein Volk, und dazu gehört auch, dass Er es bestraft und züchtigt, wenn es von Ihm abweicht.
Der Zweck des Psalms ist es, uns Lektionen aus der Vergangenheit zu erteilen. In der Geschichte des irdischen Volkes Gottes wird uns ein Spiegel vorgehalten, um uns zu zeigen, wozu wir fähig sind (vgl. Jak 1,22–24). Das soll uns davor warnen, nicht in dieselben Fehler zu verfallen (1Kor 10,6.11). Es geht auch darum, uns in dieser Geschichte zu zeigen, wozu Gott trotz unseres Versagens fähig ist.
Eine Einteilung des Psalms:
Verse 1–4 Kernbotschaft: Aufruf zur Weisheit.
Verse 5–8 Aufruf zur Weitergabe von Generation zu Generation.
Verse 9–16 Die Rebellion des Menschen im Gegensatz zur fürsorglichen Hand Gottes.
Verse 17–31 Das Versagen Israels und die Treue Gottes.
Verse 32–37 Oberflächliche Reue.
Verse 38–64 Das Gericht über die Völker und über Israel.
Verse 65–72 Die Antwort Gottes: David als Vorbild für den Herrn Jesus, den Sohn Davids.
1 - 4 Weitergeben, was Gott getan hat
1 Ein Maskil von Asaph.
Horche, mein Volk, auf mein Gesetz! Neigt euer Ohr zu den Worten meines Mundes!
2 Ich will meinen Mund auftun zu einem Spruch, will Rätsel hervorströmen lassen aus der Vorzeit.
3 Was wir gehört und erfahren und unsere Väter uns erzählt haben,
4 wollen wir ihren Söhnen nicht verhehlen, [sondern] dem künftigen Geschlecht den Ruhm des HERRN und seine Stärke und seine Wunderwerke, die er getan hat, erzählen.
Für den Ausdruck „Maskil“ (Vers 1a) siehe die Erklärung zu Psalm 32,1. Dies ist der zehnte von insgesamt dreizehn Psalmen, die „ein Maskil“ sind, die so genannten Maskil-Psalmen (Psalmen 32; 42, 44; 45; 52; 53; 54; 55; 74; 78; 88; 89; 142). Die Maskil-Psalmen beinhalten Unterweisungen für den treuen Überrest Israels in der Endzeit.
Für den Ausdruck „von Asaph“ siehe die Erklärung zu Psalm 50,1.
Asaph spricht das Volk Gottes als „mein Volk“ an (Vers 1b). Damit zeigt er an, dass er nicht außerhalb von ihnen steht, sondern ein Teil von ihnen ist. Er bittet sie, auf sein „Gesetz“, oder seine „Unterweisung“ zu „horchen“, denn er hat ihnen wichtige Dinge zu sagen (vgl. 5Mo 4,1; Jes 1,2). Es ist ähnlich wie bei Mose in 5. Mose 32, wo er durch sein Lied die Geschichte Israels nutzt, um das Volk zu unterweisen (5Mo 32,5–38). Wie Asaph beginnt auch Mose mit dem Aufruf: „Höre die Worte meines Mundes“ (5Mo 32,1.2). Mose sagt dies zu Himmel und Erde, damit sie Zeugen sind. Asaph sagt es zu Gottes Volk.
Sie sollen auch nicht nur zuhören, sondern ihr Ohr zu den Worten seines Mundes neigen. Damit ist gemeint, dass sie aufmerksam zuhören und bereit sind, das Gesagte zu tun.
Nachdem der erste Vers zur Aufmerksamkeit aufgerufen hat, gibt der zweite Vers den Wunsch wider, dem Hörer/Leser klarzumachen, dass der wörtliche Sinn eine höhere oder tiefere Bedeutung hat. Dies kann nur derjenige verstehen, der sich mit dem Psalm beschäftigt. Asaph möchte seinem Volk mit „einem Spruch“ dienen (Vers 2; vgl. Spr 1,6). Das Wort für „Spruch“ ist mashal, was soviel wie Unterweisung durch Vergleich oder Gleichnis bedeutet. Es bezieht sich auf „Rätsel … aus der Vorzeit“, die von ihm ans Licht gebracht werden, um eine neue Generation zu unterweisen. Diese Rätsel, d. h. rätselhafte Rede, sind ein reicher Schatz, denn er wird sie aus seinem Mund „hervorströmen lassen“.
Das Besondere an der Mashal, dem Gleichnis, in Psalm 78 ist, dass der Psalmist, inspiriert durch den Heiligen Geist, die alte Geschichte Israels als Gleichnis verwendet, um daraus Unterweisungen zu ziehen. In anderen Fällen wird normalerweise eine fiktive Geschichte als Gleichnis verwendet, während es sich hier um eine wirklich geschehene Geschichte handelt, die Geschichte der Erlösung in der Vergangenheit.
Der Herr Jesus erfüllt dieses Wort von Asaph, indem Er Gleichnisse verwendet. Der Geist Gottes bezieht sich auf diesen Vers in Matthäus 13, wenn Er von dem Herrn Jesus sagt: „Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu den Volksmengen, und ohne Gleichnis redete er nicht zu ihnen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht: „Ich werde meinen Mund auftun in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war““ (Mt 13,34.35). In Matthäus 13 stellt der Herr die „Rätsel … aus der Vorzeit“ auf eine neue Art und Weise ins Licht, indem Er Gleichnisse oder Vergleiche verwendet. Wir sehen in diesem Zitat auch, dass Asaph ein „Prophet“ genannt wird.
Der Psalmist und Prophet Asaph gibt die Geschichte Israels aus der Sicht Gottes wieder. Dabei stützt er sich auf das, was er von „unseren Vätern“ gehört hat (Vers 3). Wieder betont er seine Verbundenheit mit seinem Volk, indem er nun von ihren gemeinsamen Vätern, „unseren Vätern“, spricht. Er und sie haben es gehört und wissen es. Sie sind sich dessen bewusst. Ihre Väter haben es „uns“, d. h. ihm und seinen Zeitgenossen, erzählt.
Es ist eine wichtige Anweisung für Eltern heute, das, was sie aus dem Wort Gottes im Umgang mit Gott gelernt haben, an ihre Kinder und Enkelkinder weiterzugeben (vgl. 2Mo 12,26.27; 13,14–16). Wenn sie es weitergeben, wird es für die Eltern wieder großartig. Sie werden Gott dafür immer wieder loben und preisen.
Es legt allen, die es gehört haben, die Verantwortung auf, das Gehörte nicht vor „ihren Söhnen“, d. h. vor allen, die zum Volk Gottes gehören, zu verhehlen (Vers 4). Das Gebot lautet, „dem künftigen Geschlecht“ von den Taten Gottes zu erzählen. Diese Taten nennt er „den Ruhm des HERRN und seine Stärke und seine Wunderwerke, die er getan hat“.
Es ist eine Freude, all die verschiedenen Taten Gottes an diejenigen weiterzugeben, die nach uns kommen. Gott ist es wert, dass man Ihm wegen all seiner Taten, oder Ruhmestaten, rühmt und Ihn preist. Es sind zu Recht „Ruhmestaten“, Taten die man rühmt“. Gott offenbart seine Macht in diesen Taten. Auch die Wunderwerke, die Er vollbracht hat, bringen sein Volk dazu, Ihn zu preisen. Alles, worin Gott sich offenbart, hat diese Wirkung auf diejenigen, die ein Auge dafür haben.
Mit unseren Kindern und Enkelkindern darüber zu sprechen, ist in der Praxis nicht immer einfach. Wichtig ist vor allem, dass sie bei uns sehen, dass der Glaube für uns keine rationale Angelegenheit ist, sondern dass er unser ganzes Leben durchdringt. Unser Glaubensleben muss frisch sein, so wie das Manna, das jeden Morgen frisch ausgeteilt wurde. Lämmer können nicht von altem Gras leben, sondern von jungen, frischen Grashalmen.
5 - 8 Weitergeben, was Gott gesagt hat
5 Denn er hat ein Zeugnis aufgerichtet in Jakob und ein Gesetz gestellt in Israel, die er unseren Vätern geboten hat, damit sie sie ihren Söhnen mitteilten;
6 damit das künftige Geschlecht sie kennte, die Söhne, die geboren werden sollten, [und] sie aufständen und sie ihren Söhnen erzählten;
7 und auf Gott ihr Vertrauen setzten und die Taten Gottes nicht vergäßen und seine Gebote bewahrten;
8 und nicht würden wie ihre Väter, ein widersetzliches und widerspenstiges Geschlecht, ein Geschlecht, das sein Herz nicht befestigte und dessen Geist nicht treu war gegen Gott.
Gott hat sich in seiner Macht und in seinen Wundern offenbart. Er hat sich auch in „einem Zeugnis“ und „einem Gesetz“ offenbart, die Er seinem Volk gegeben hat (Vers 5). Das „Zeugnis“ richtet sich mehr an das Volk, zu dem das Gesetz Gottes kommt, für das das Gesetz Gottes bestimmt ist. Das „Gesetz“ bezieht sich mehr auf Gott, der das Gesetz gegeben hat, auf die Autorität des Gesetzes, das von Ihm kommt.
Alles, was das Volk Gottes tut, hat seinen Ursprung in Gottes Wort. Nicht die Erfahrung bestimmt unser Leben, sondern das, was Gott „aufgerichtet“ und „gestellt“ hat. Das Zeugnis ist „aufgerichtet in Jakob“. Das bezieht sich auf die Praxis des Volkes, wie das Volk ein Zeugnis Gottes für die Völker um sich herum sein kann. Das Gesetz ist „gestellt in Israel“. Das bezieht sich auf die Stellung des Volkes, was das Volk für Gott bedeutet, was Er aus ihm gemacht hat. Daraus folgt, dass es in Übereinstimmung mit dem Gesetz leben muss, um Ihm Freude zu bereiten.
Diese beiden Aspekte hat Gott „unseren Vätern geboten, damit sie sie ihren Söhnen mitteilten“ (vgl. 5Mo 6,7; 4,9). Die Söhne sollen lernen, von Gott zu zeugen und zur Ehre Gottes zu leben, und dies dann an ihre Söhnen weitergeben (Vers 6). Das ist nur möglich, wenn sie Gottes Wort lernen.
Die Weitergabe von Gottes Wort an das künftige Geschlecht ist auch für uns eine wichtige Aufgabe. Timotheus, als geistliches Kind des Paulus, erhält nicht nur die Bestätigung, dass das, was er von Paulus gehört hat, die Wahrheit ist, sondern er soll diese Wahrheit auch selbst unverändert weitergeben (2Tim 2,2). Das ist der übliche Weg, die Wahrheit weiterzugeben.
Paulus gibt Timotheus keine besondere Vollmacht zum Predigen. Diese Vollmacht wird vom Herrn selbst erteilt (Mt 28,19). Auch ordiniert Paulus ihn nicht in besonderer Weise. In der Bibel gibt es kein offizielles Predigtrecht, das nur von theologisch ausgebildeten Menschen ausgeübt werden sollte. Die Weitergabe der Wahrheit des Wortes Gottes liegt in der Verantwortung eines jeden Gläubigen. Das gilt besonders für Eltern gegenüber ihren Kindern und für Großeltern gegenüber ihren Enkeln.
Die Eltern müssen ihre Kinder durch ihr Beispiel und ihre Unterweisung lehren, „auf Gott ihr Vertrauen“ zu „setzen“ (Vers 7; vgl. Spr 22,19). Was die Kinder von den Eltern hören, bleibt manchmal haften, manchmal nicht; was sie von den Eltern sehen, werden sie sich merken; was sie mit ihren Eltern bei der Ausübung des Glaubens erleben, werden sie verstehen und sich zu Herzen nehmen.
Diejenigen, die ihre Hoffnung auf irgendetwas oder irgendjemanden anderes als Gott setzen, bitten um Elend. Wir vermeiden dies, wenn wir „die Taten Gottes nicht vergessen“. Gottes Taten bezeugen, dass das Hoffen auf Ihn niemals enttäuscht. Unmittelbar damit verbunden ist, „seine Gebote bewahren“. Die Hoffnung oder das Vertrauen auf Gott ist nur für diejenigen gerechtfertigt, die auf Ihn hören mit dem Wunsch, das zu tun, was Er sagt.
Indem sie Gott, seine Taten und seine Gebote im Auge behalten, werden die Kinder davor bewahrt, wie ihre Väter zu werden (Vers 8). Asaph hält den Kindern vor Augen, wie Gott über ihre Väter urteilt: Es ist „ein widersetzliches und widerspenstiges Geschlecht“. Der Grund dafür ist, dass dieses Geschlecht „sein Herz nicht befestigte und dessen Geist nicht treu war gegen Gott“.
Die Warnung bezieht sich auf ein klares Beispiel. Er sagt nicht: „Sie sollen nicht werden wie die Völker, die von Gott nichts wissen“, sondern: „Sie sollen nicht werden wie ihre Väter“. Böse Beispiele aus dem eigenen Land sind viel verderblicher als die von Fremden. Lasst uns aus diesen Versen lernen, dass es nicht ratsam ist, in allen Dingen in die Fußstapfen der Väter zu treten.
Wenn kein Vertrauen auf Gott in Herz und Geist vorhanden ist, sind Rebellion und Ungehorsam die Folge. Wenn das Herz auf Gott ausgerichtet ist, dann wird der Götzendienst weggetan (1Sam 7,3), einschließlich des Ungehorsams (1Sam 15,23). Das „Herz“ ist die Schaltzentrale allen Lebens (Spr 4,23). Der „Geist“ ist dazu bestimmt, mit Gott Gemeinschaft zu haben. Der Geist kann sich jedoch mit vielen anderen Dingen als Gott beschäftigen, untreu werden und sich verunreinigen (2Kor 7,1). Deshalb soll das Volk Gottes mit seinem Geist auf der Hut sein, wie der Prophet Maleachi zweimal und deshalb mit Nachdruck sagt (Mal 2,15.16).
9 - 11 Ungehorsam und Vergesslich
9 Die Söhne Ephraims, gerüstete Bogenschützen, kehrten um am Tag des Kampfes.
10 Sie hielten nicht den Bund Gottes und weigerten sich, in seinem Gesetz zu wandeln;
11 und sie vergaßen seine Taten und seine Wunderwerke, die er sie hatte schauen lassen.
Trotz der Taten Gottes und seines Gesetzes haben sich „die Söhne Ephraims“ von Gott entfernt (Vers 9). Die Söhne Ephraims sind die zehn Stämme. Ab Vers 12 werden sie mit dem ganzen Volk Israel in Verbindung gebracht. Mit anderen Worten: Das Verhalten Ephraims steht für das Verhalten des ganzen Volkes. Als Ruben aufgrund seines Verhaltens das Recht auf die Erstgeburt verwirkte, erhielt Joseph, Rahels Erstgeborener, dieses Recht. Ephraim, der Sohn Josephs, der Höhere Manasses (1Mo 48,17–20), wurde zum Anführer. Als Israel das Land Kanaan in Besitz nahm, stand es unter der Führung von Josua, der aus dem Stamm Ephraim stammte. Als die Bundeslade in das Land gebracht wurde, geschah dies in Silo, das in Ephraim lag.
Ephraim war der privilegierteste Stamm, aber er versagte immer wieder. Die Söhne Ephraims waren „gerüstete Bogenschützen“, aber zu dem Zeitpunkt, an dem sie ihre Waffen und ihr Können hätten einsetzen sollen, nämlich „am Tag des Kampfes“, kehrten sie um und waren geflohen. Es ist nicht bekannt, um welches Ereignis es sich hier handelt. Es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass sie nicht an die Interessen Gottes dachten. Sie legten mehr Wert auf ihr eigenes Leben als auf die Arbeit für Gott und sein Volk.
Ihre feige Haltung am Tag des Kampfes war das Ergebnis einer falschen Gesinnung des Herzens. Das zeigte sich daran, dass sie den Bund Gottes nicht hielten. Das geht aus der Anklage hervor, die gegen sie erhoben wurde: „Sie hielten nicht den Bund Gottes“ (Vers 10). Wenn wir etwas nicht halten, bedeutet das, dass wir anfällig für falsche Entscheidungen werden oder uns dem Unglück ausliefern. „Nicht halten“ bedeutet auch „nicht behüten“, was bedeutet, dass etwas beschädigt oder weggenommen werden kann.
Zu der schuldhaften Nichteinhaltung des Bundes Gottes kam die bewusste Weigerung, „in seinem Gesetz zu wandeln“. Das „Gesetz“ ist hier „die Unterweisung“ Gottes. Es ist das gleiche Wort wie „maskil“ in Vers 1. Durch die Unterweisung lernt man die Worte Gottes und damit seinen Willen kennen.
So hatten sie sich von Gott abgewandt; sie hatten Ihn aus den Augen verloren, und Er war nicht mehr in ihren Herzen. Gott war nicht ihre Hoffnung (Vers 7), und so vergaßen sie „seine Taten und seine Wunderwerke, die er sie hatte schauen lassen“ (Vers 11). Im 5. Buch Mose hält Mose dem Volk regelmäßig vor Augen, was sie mit ihren eigenen Augen von Gottes Taten gesehen hatten und noch sehen würden (5Mo 4,3.9.34; 7,19.22; 9,4; 10,21; 11,7.23).
Gott zeigt uns seine Taten und seine Wunderwerke, um sein Wort zu bestätigen und unseren Glauben zu stärken. Wenn jedoch keine persönliche Beziehung zu Ihm besteht, haben seine vergangenen Taten keine Wirkung mehr auf uns, weil uns der Glaube fehlt. Diejenigen, die das Wunder der Reinigung von ihren früheren Sünden vergessen, werden blind und kurzsichtig (2Pet 1,9).
12 - 16 Gott erlöst und pflegt
12 Er tat Wunder vor ihren Vätern, im Land Ägypten, auf dem Feld Zoans.
13 Er spaltete das Meer und ließ sie hindurchgehen und ließ die Wasser stehen wie einen Damm.
14 Und er leitete sie am Tag mit der Wolke und die ganze Nacht mit dem Licht eines Feuers.
15 Er spaltete Felsen in der Wüste und tränkte sie reichlich wie aus Tiefen.
16 Und er ließ Bäche hervorkommen aus dem Felsen und Wasser herablaufen wie Flüsse.
Asaph fährt fort, Beispiele dafür zu nennen, welche „Wunder“ Gott „vor ihren Väter“ tat. Er beginnt mit den Wundern „im Land Ägypten, auf dem Feld Zoans“ (Vers 12). Zoan oder Tanis war zur Zeit des Mose die Hauptstadt Ägyptens. Das Volk Israel wohnte in einem Vorort, der zwanzig Kilometer von Zoan entfernt war und Avaris hieß. Der Schreiber (TJ) besuchte Avaris und sah einen Friedhof mit männlichen Säuglingen. [Wer sich dafür interessiert, kann dies in T. Mahoneys Buch Patterns of evidence nachlesen.] Asaph erinnert hier an das Wunder der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens. Dies ist das große Wunder des Anfangs, aus dem alle nachfolgenden Wunder hervorgegangen sind.
Wie deutlich griff Gott damals durch all die Plagen ein, die Er über Ägypten brachte. Was für Ägypten Plagen waren, waren für Gottes Volk Wunder Gottes (2Mo 3,20; 4,21; 7,3; 11,9.10). Zoan ist der Name der alten Hauptstadt Ägyptens, dem Sitz der Weisheit (Jes 19,11). Aber diese Weisheit konnte keine der Plagen aufhalten, die Gott über Ägypten brachte.
Und wie hat Er sich ihnen danach gewidmet. Als sie vor dem Roten Meer standen und nicht mehr wussten, wohin sie gehen sollten, „spaltete“ Er „das Meer und ließ sie hindurchgehen“ (Vers 13). Gott spaltete das Wasser. Das Wort „spalten“ weist darauf hin, dass Gott eine mächtige Tat vollbrachte. Das Ergebnis war eine Mauer aus Wasser links und rechts vom Volk (2Mo 14,21.22). Gott herrscht über alle Elemente der Natur, weil Er sie geschaffen hat.
Einmal in der Wüste leitete Er sein Volk (Vers 14). Er tat dies „am Tag mit der Wolke und die ganze Nacht mit dem Licht eines Feuers“. Dass Er sie auf diese Weise durch die Wüste leitete, ist ein großes Wunder. Die Wolke am Tag war nicht nur ein Wegweiser, sondern auch eine Art Schirm, der vor der Hitze der Sonne schützte. In der Nacht fehlte das leuchtende Feuer nicht einen Augenblick. Es war kein gewöhnliches Licht, sondern ein Feuer, das Licht verbreitete. Das deutet darauf hin, dass der Gott, der sein Volk in der Nacht leitete, dies als ein Gott tat, der die Sünde auch in der Finsternis sieht und richtet (Heb 12,29).
So einfach wie Gott das Meer spaltete (Vers 13), so einfach „spaltete“ Er „Felsen“ (Vers 15). Dies ist ein weiteres Wunder. Der Ort des Geschehens ist „die Wüste“. Eine Wüste ist ein unfruchtbarer Ort, an dem der Tod regiert und an dem es an Wasser mangelt. Gott gab seinem Volk Wasser aus dem gespaltenen Felsen und „tränkte sie reichlich wie aus Tiefen“.
Aus dem Felsen ließ Er „Bäche hervorkommen“ und „Wasser herablaufen wie Flüsse“ (Vers 16). Alles spricht von einem gewaltigen, unaufhörlichen Strom von Wasser. Dass sie immer Wasser zu trinken hatten, verdankten sie der Fürsorge Gottes für sie. Gott konnte ihnen diese Fürsorge geben, weil Er das Kommen seines Sohnes, Jesus Christus, erwartete.
Deshalb heißt es in 1. Korinther 10 von diesem Felsen, aus dem die Wasserströme kamen: „Der Fels aber war der Christus“ (1Kor 10,4). Christus ist die Quelle und das Fundament des Segens. Jeden Segen, den Gott seinem Volk je geschenkt hat und noch schenken wird, schenkt Er nur, weil Christus der Erlöser des Volkes ist. Das ist Er geworden, weil Er wie der Felsen geschlagen wurde. Er wurde von Gott für die Sünden seines Volkes geschlagen (Jes 53,10; Sach 13,7).
Für uns, die wir in der Zeit nach Christi Kommen und Himmelfahrt leben, ist es nicht anders. Auch wir verdanken jeden Segen Christus und dem von Ihm vollbrachten Werk. Das Wasser in Fülle spricht von seinem Geist, den Er ohne Maß denen gibt, die glauben (Joh 7,38.39; 3,34). Das Wasser spricht auch von seinem Wort, in dem alle Segnungen für uns offenbart sind (Eph 5,26). Es ist das Wasser des Wortes, das durch das Wirken des Heiligen Geistes lebendig wird. Lebendiges Wasser bedeutet im Hebräischen Wasser, das geflossen ist.
Beim Laubhüttenfest schöpfte ein Priester mit einem goldenen Krug an jedem Tag des siebentägigen Festes Wasser aus dem Brunnen Siloam. Unter lautem Jubel (Jes 12,3) schüttete der Hohepriester das Wasser in ein silbernes Becken neben dem kupfernen Brandopferaltar, um an das Wasser aus dem Felsen in der Wüste zu erinnern. Am achten Tag des Festes deutete der Herr Jesus an, dass Er die Erfüllung dieses prophetischen Bildes war (Joh 7,37–39).
17 - 22 Das Volk versucht Gott
17 Doch sie fuhren weiter fort, gegen ihn zu sündigen, indem sie gegen den Höchsten widerspenstig waren in der Wüste.
18 Und sie versuchten Gott in ihren Herzen, indem sie Speise forderten für ihre Gier.
19 Und sie redeten gegen Gott; sie sprachen: Sollte Gott in der Wüste einen Tisch bereiten können?
20 Siehe, den Felsen hat er geschlagen, und Wasser flossen heraus, und Bäche strömten; wird er auch Brot geben können, oder wird er seinem Volk Fleisch verschaffen?
21 Darum, als der HERR es hörte, ergrimmte er, und Feuer entzündete sich gegen Jakob, und auch Zorn stieg auf gegen Israel,
22 weil sie Gott nicht glaubten und nicht vertrauten auf seine Rettung.
Das Wort „doch“ (Vers 17) weist auf den Gegensatz zum Vorhergehenden hin. Gott hatte seine Macht und seine Fürsorge reichlich bewiesen. Und „doch“ hatte es keine positive Wirkung auf die Untreue des Volkes Gottes. Es ist eine dramatische Feststellung: „sie fuhren weiter fort, gegen ihn zu sündigen“ (vgl. 4Mo 21,4–7), und das, obwohl Gott so viel Gutes für sie getan hatte. Das zeugt von großer Undankbarkeit.
Sie waren „gegen den Höchsten widerspenstig … in der Wüste“. Das war nicht nur Undankbarkeit, sondern eine große Frechheit und Kühnheit. Sie befanden sich in der Wüste und waren völlig abhängig von Ihm. Anstatt sich vor Ihm zu demütigen, waren sie anmaßend gegen „den Höchsten“. Indem Asaph Gott so nennt, zeigt er den enormen Gegensatz zwischen dem Mensch und Gott.
„Sie versuchten“ den höchsten Gott „in ihrem Herzen“ (Vers 18). Sie wollten, dass Er bewies, dass Er sich wirklich um sie kümmerte. Dann würden sie an Ihn glauben und Ihm gehorchen. Er musste sie mit „Speise für ihre Gier“ versorgen. Nach all den Beweisen, die Gott für seine treue Fürsorge gegeben hatte, war dies keine Schwäche, sondern Rebellion.
Sie hatten eine Abneigung gegen das Manna entwickelt und wollten Nahrung nach ihrem eigenen Geschmack (4Mo 11,5). Im übertragenen Sinn bedeutet das, dass sie genug von Christus hatten und sich nach der Nahrung der Welt sehnten. Das Manna ist ein Bild für Christus (Joh 6,30–33). Wenn Er das Herz nicht mehr füllt, ist das der Beginn des Verfalls des geistlichen Lebens.
Das Volk „redete gegen Gott“ (Vers 19). Sie sprachen aus einem rebellischen, ungläubigen Herzen. Gott hatte ihnen während der ganzen Wüstenwanderung „in der Wüste einen Tisch bereitet“. Und dann sprechen sie dreist, ob Gott „in der Wüste einen Tisch bereiten“ könnte! Das ist kein Zweifel an Gott, sondern eine Verleugnung von Gott. Das zeigt die Härte (vgl. Mk 6,51.52) und den Abfall ihrer Herzen.
Was das Wunder der Fülle des Wassers betrifft, das Er ihnen aus dem Felsen gegeben hatte, so sehen wir das Gleiche. Sie wussten es: „Den Felsen hat er geschlagen, und Wasser flossen heraus, und Bäche strömten“ (Vers 20). Hatte dieses Wunder und die reichliche Versorgung irgendeine Auswirkung auf ihr Vertrauen auf Gott? Keineswegs (vgl. Joh 2,23–25). Im Gegenteil, sie fragten sich, ob Er auch Brot geben und sein Volk mit Fleisch versorgen könnte. Anstatt Gott nach seiner Erlösung und Fürsorge zu vertrauen, forderten sie Ihn heraus, seine Macht erneut zu zeigen.
Die Reaktion des Volkes auf vergangene Wunder zeigt, dass diese Wunder kein Garant für das Vertrauen auf Gott sind, wenn neue Schwierigkeiten auftreten. Es ist gut, dass wir uns an Wunder erinnern. Diese Erinnerung wirkt sich aber nur dann positiv auf unseren Glauben aus, wenn wir Ihm heute in den neuen Schwierigkeiten glauben und vertrauen.
Sich auf frühere Erfahrungen zu verlassen, ist kontraproduktiv, wenn uns in den gegenwärtigen Schwierigkeiten der Glaube fehlt. Erfahrung kann den Glauben stärken, aber der Glaube muss vorhanden sein, um diese Erfahrung zu nutzen (vgl. 2Pet 1,6). Wenn wir uns in Schwierigkeiten befinden und der Glaube vorhanden ist, dann vertraut dieser Glaube auf Gott, der seinen eigenen Sohn nicht verschont hat. Dieser Glaube drückt sich in der festen Zuversicht aus, dass Gott mit seinem Sohn uns auch alles schenken wird (Röm 8,31.32).
Der HERR hat alle diese hochmütigen Herausforderungen an Ihn gehört (Vers 21). Der Name HERR wird in diesen Psalmen nicht oft verwendet. Dass dieser Name hier verwendet wird, unterstreicht die Tatsache, dass die Sünde des Volkes eine Sünde gegen den Bund mit dem HERRN ist. Diese absichtliche Verleugnung seines Auftretens in Güte in der Vergangenheit hat seinen Zorn aufsteigen lassen. Als ob der HERR seinen eigenen Bund nicht halten würde. Es ist nicht möglich, dem gegenüber gleichgültig zu sein. Das Feuer seines Zorns „entzündete sich gegen Jakob“. Jakob ist wieder der Name des Volkes Gottes in seiner Praxis gesehen (Vers 5).
Sein „Zorn stieg auf gegen Israel“. Israel ist wiederum (Vers 5) die Bezeichnung für Gottes Volk in dem, was es durch Ihn geworden ist. Weil sie sich ihrer Stellung so unwürdig verhielten, entbrannte Gottes Zorn gegen sie (4Mo 11,1–3). Gott ist langsam zum Zorn, aber sein Zorn entzündet sich, wenn man in der Sünde verharrt. Er lässt sich nicht spotten (Gal 6,7a). Sein Zorn zeigte sich in der Erfüllung ihrer Begierden, deren Erfüllung gleichzeitig ein Gericht Gottes über ihren Unglauben war (Vers 31).
Der Grund für das Entzünden von Gottes Zorn war, dass „sie Gott nicht glaubten“ und „nicht vertrauten auf seine Rettung“ (Vers 22). Anstatt dem HERRN aufgrund der Rettung und der Wunderzeichen, die Er vollbracht hatte, zu vertrauen, benutzten die Israeliten dieselben Wunderzeichen als Argument, um zu bezweifeln, dass Gott die Macht hatte, zu erlösen.
Unglaube ist eine schwere Sünde. Aus ihm entstehen alle anderen Sünden. Nicht an Gott zu glauben bedeutet, Ihn als nicht glaubenswürdig abzulehnen. Es steht in direktem Zusammenhang mit dem Vertrauen auf Ihn. Sie vertrauten nicht auf seine Verheißungen, ihnen seine Rettung zu geben, das heißt, sie mit seinem Frieden zu segnen. Und das, obwohl Er ihnen seine Rettung bereits durch die Befreiung aus der Sklaverei gegeben hatte.
23 - 31 Brot, Fleisch und Gier
23 Und doch hatte er den Wolken oben geboten und die Türen des Himmels geöffnet
24 und Manna auf sie regnen lassen, damit sie äßen, und ihnen Himmelsgetreide gegeben.
25 Der Mensch aß Brot der Starken, Speise sandte er ihnen bis zur Sättigung.
26 Er führte den Ostwind herbei am Himmel, und durch seine Stärke trieb er den Südwind herbei;
27 und er ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub und geflügelte Vögel wie Sand der Meere,
28 und ließ es fallen in ihr Lager, rings um ihre Wohnungen.
29 Und sie aßen und sättigten sich sehr, und was sie begehrten, führte er ihnen zu.
30 Noch hatten sie sich nicht abgewandt von ihrer Gier, noch war ihre Speise in ihrem Mund,
31 da stieg der Zorn Gottes gegen sie auf; und er würgte unter ihren Kräftigen, und die Jünglinge Israels streckte er nieder.
Erneut weist Asaph darauf hin, und nun ausführlicher und eindrucksvoller, wie Gott sein Volk in der Wüste mit allem versorgte, was es brauchte. In schöner, poetischer Sprache spricht er davon, wie Gott „den Wolken oben geboten“ und „die Türen des Himmels geöffnet“ hatte (Vers 23). Alle Elemente der Natur stehen unter seinem Befehl. Er hat die ganze Schöpfung durch das Aussprechen von Befehlen erschaffen (Ps 33,9). Wenn es nötig ist, greift Er in den natürlichen Lauf der Schöpfung ein und befiehlt den einzelnen Elementen, das zu tun, was Ihm gefällt (Jos 10,12.13).
Der Himmel ist das Lagerhaus der Nahrung für sein Volk. Er öffnete ihn und ließ „Manna auf sie regnen, damit sie äßen“ (Vers 24). Die Tatsache, dass Gott Manna auf sie regnen ließ, deutet darauf hin, dass Er seinem Volk das Leben schenkte und es segnete, und zwar in Hülle und Fülle. Dieses Manna war auch kein gewöhnliches Brot. Asaph nennt es „Himmelsgetreide“. Das Manna war himmlischen Ursprungs, es war Brot vom Himmel (Ps 105,40; 2Mo 16,4; Joh 6,31; vgl. 1Kor 10,3). Daran konnten die Israeliten erkennen, dass der Himmel, dass Gott selbst für sie sorgte. Gott wollte, dass sie wüssten, dass sie von Ihm abhängig waren.
Von dieser himmlischen Speise aß „der Mensch“, das heißt, das ganze Volk (Vers 25). Es gab keinen Mangel, denn Gott gab „bis zur Sättigung“. Er gibt niemals spärlich; Er gibt keine Almosen. Wenn Er gibt, dann immer nach dem Reichtum seiner Gnade. Wenn Gott gibt, wird der Gläubige immer feststellen, dass sein Becher überläuft (Ps 23,5b).
Die himmlische Speise wird als „Brot der Starken“ und „Speise“ bezeichnet. „Brot der Mächtigen“ bedeutet, dass diese Nahrung von den Engeln an das Volk Gottes gegeben wurde. Der Begriff „Speise“ unterstreicht, dass es sich um Nahrung handelt, die auf einer Reise verzehrt wird. Es ist ein Hauptbestandteil der Mahlzeit, nicht eine Beilage.
Auch der Wind steht unter seinem Befehl (Vers 26). Er setzt ihn ein, wenn Er will, und bestimmt, von welcher Seite der Wind kommen soll. Um seinem Volk Speise zu geben, öffnete Er nicht, wie beim Manna, die Türen des Himmels. Er benutzte den Wind. Hier „führte“ Er „den Ostwind herbei am Himmel, und durch seine Stärke trieb er den Südwind herbei“.
Wie beim Manna „ließ er Fleisch auf sie regnen“ (Vers 27). Er ließ Fleisch auf sie regnen „wie Staub“. Er sandte „geflügelte Vögel wie Sand der Meere“, d. h. in einer so großen Menge, dass sie sich zu Tode essen konnten (4Mo 11,33). Er bestimmte auch, wo das Fleisch im Lager, das Asaph „ihr [wörtlich: sein] Lager“ nennt, landete (Vers 28). Es fiel „in sein Lager“ und „rings um seine Wohnungen“. Gott wohnte bei seinem Volk.
Der Gedanke an seine Anwesenheit unter ihnen hätte sie davon abhalten sollen, ihren Begierden nachzugehen. Doch davon konnte keine Rede sein. Es fiel auch „rings um seine Wohnungen“, d. h. die Stiftshütte mit ihren verschiedenen Räumen. Würden die Menschen zur Vernunft kommen, wenn Er es dort fallen ließ?
Aber an Gott dachten sie dabei nicht. Als sie erhalten hatten, was sie sich gewünscht hatten, stürzten sie sich auf die Speisen und „wurden satt“ (Vers 29). Es gab keinen Dank an Gott. Als sie satt waren, schauten sie mit begehrlichen Augen auf den Vorrat an Fleisch, der noch da war. Ihre Mägen waren voll, aber sie waren immer noch nicht satt, das heißt, ihre Gier, ihre Lust, war nicht gestillt (Vers 30). Unersättlich schwelgten sie weiter und kauten auf dem letzten Stückchen Fleisch herum, das sie in den Mund stecken konnten und noch nicht verschlungen hatten.
Während sie ihr Essen im Mund hatten, „stieg der Zorn Gottes gegen sie auf“ (Vers 31; 4Mo 11,33). Manchmal wartet Gott lange, bis Er seinen Zorn zum Ausdruck bringt. Wenn Er uns ermahnt, „langsam zum Zorn“ zu sein (Jak 1,19), ermahnt Er uns, eine Eigenschaft von sich selbst zu zeigen. In diesem Fall war Gott schnell, seinen Zorn zu zeigen, weil es sich um eine Sünde des Abfalls handelte, die eine seit langem bestehende Abneigung seines Volkes offenbarte.
Gott richtete Selbst. Sein Gericht „würgte unter ihren Kräftigen“. Die „Kräftigen“ sind diejenigen, die sich am meisten gelabt haben, die Unersättlichsten. Eine weitere Kategorie, die von seinem Gericht betroffen war, waren „die Jünglinge Israels“, die prominentesten und stärksten. „Jünglinge“ erinnert an die Ermahnung, „die jugendlichen Begierden“ zu fliehen“ (2Tim 2,22).
32 - 39 Gericht, Barmherzigkeit und Vergebung
32 Bei all dem sündigten sie wieder und glaubten nicht durch seine Wunderwerke.
33 Da ließ er im Hauch hinschwinden ihre Tage, und ihre Jahre in Schrecken.
34 Wenn er sie tötete, dann fragten sie nach ihm und kehrten um und suchten Gott eifrig;
35 und sie erinnerten sich daran, dass Gott ihr Fels sei, und Gott, der Höchste, ihr Erlöser.
36 Und sie heuchelten ihm mit ihrem Mund, und mit ihrer Zunge belogen sie ihn;
37 denn ihr Herz war nicht fest gegen ihn, und sie blieben seinem Bund nicht treu.
38 Er aber war barmherzig, er vergab die Ungerechtigkeit und vertilgte [sie] nicht; und oftmals wandte er seinen Zorn ab und ließ nicht erwachen seinen ganzen Grimm.
39 Und er gedachte daran, dass sie Fleisch seien, ein Hauch, der dahinfährt und nicht wiederkehrt.
„Bei all dem“, d. h. bei all seiner Güte und seiner Züchtigungen und seiner Wunderwerke, „sündigten sie wieder“ (Vers 32; vgl. Off 16,8–11). Gott ließ nichts unversucht, um sein Volk in der Treue zu halten oder es zur Treue zu Ihm zurückzuführen. Es gab bei ihnen ein unverbesserliches Herz, das „nicht durch seine Wunderwerke glaubte“ (vgl. Joh 12,37; Mk 8,16–21). Die größten Wunder sind nutzlos, wenn der Wille zum Glauben fehlt.
Als Folge ihres Unglaubens „ließ er im Hauch hinschwinden ihre Tage, und ihre Jahre in Schrecken“ (Vers 33). Ein Leben ohne die Einbeziehung Gottes ist „ein Hauch“, leer und sinnlos. Es gibt nichts von bleibendem Wert. So war das Leben für den Großteil des Volkes Gottes in der Wüste. Wenn Gott aus dem Leben vertrieben wird, ist es leer. Diese Leere ist mit Schrecken, mit Angst erfüllt. Dies ist ein Gericht Gottes.
Dieses ernsthafte Verhalten mit ihnen, das Er sie sogar „tötete“, hatte zur Folge, dass sie umkehrten und ernsthaft Gott suchten (Vers 34). Das ist immer der Zweck jeder Zuchtmaßnahme, die Gott gegen sein Volk ergreift. Züchtigung ist ein Ausdruck seiner Liebe und seines Interesses an ihnen (Heb 12,5–11). Er wollte sie segnen, was nur geschehen konnte, wenn sie im Gehorsam zu Ihm lebten. Wenn sie davon abwichen, züchtigte Er sie, damit sie zu Ihm zurückkehrten und Ihn suchten.
Durch die Züchtigung „erinnerten sie sich daran, dass Gott ihr Fels sei“ (Vers 35; vgl. 5Mo 32,4.15.31; Ri 3,15; 4,3). Sie erinnerten sich daran, dass Gott ihre einzige Sicherheit und ihr einziger Schutz war. Das hatten sie vergessen, als sie ihren eigenen Begierden folgten. Durch Gottes Züchtigung wurden sie wieder daran erinnert. Es war nicht nur eine vage Erinnerung an Gott, sondern Er hatte wieder ihre Aufmerksamkeit. Er ist der allmächtige „Gott“. Er ist „der Höchste“, der Gott, der über allen Dingen steht und über alle Dinge wacht. Er war „ihr Erlöser“, der sie aus Ägypten befreit hatte.
Ihr Bekenntnis war jedoch nicht mehr als ein Lippenbekenntnis (Vers 36). Ihre Rückkehr zu Gott war Heuchelei (vgl. Joh 6,26). Asaph ist sich darüber im Klaren: Sie schmeichelten Gott und logen Ihn an. Mit ihrem Mund und ihrer Zunge sagten sie alles Mögliche, was sie nicht meinten. Sie versprachen alles Mögliche, was sie nicht hielten. Sie benutzten Schmeicheleien und Lügen, um Gott zu manipulieren. Als ob sie Gott täuschen könnten. Alles, worum sie sich sorgten, war, von seiner Züchtigung befreit zu werden.
Ihr Lippenbekenntnis kam aus einem Herzen, das „nicht fest gegen ihn“ war (Vers 37). Sie sagten mit ihrem Mund etwas ganz anderes als das, was in ihrem Herzen war. Sie hatten nicht den Wunsch, bei Ihm zu sein und seinen Willen zu tun. Auch „blieben sie seinem Bund nicht treu“. Er war mit ihnen eine Bundesbeziehung eingegangen. Dabei ging es um Treue. Er war treu, aber sie waren untreu und folgten in ihrem Herzen anderen Göttern.
Trotz dessen, was das Volk Gottes getan hatte, folgte auf all diese Abneigung und Untreue ein göttliches „aber“ (Vers 38). Anstatt sein widerspenstiges Volk zu richten, „war er barmherzig, er vergab die Ungerechtigkeit“. Seine Barmherzigkeit bestand darin, ihre Schuld zu vergeben (wörtlich: zu bedecken, zu sühnen). Gott ist barmherzig, aber Er ist auch heilig. Deshalb muss Er eine gerechte Grundlage haben, um sein Volk zu verschonen. Diese hat Er in dem Werk seines Sohnes am Kreuz von Golgatha gefunden. Dort hat Er die Schuld gesühnt.
Aufgrund von Barmherzigkeit und Sühne hat Gott sein Volk nicht vernichtet, sondern „oftmals wandte er seinen Zorn ab“. Gott wandte seinen Zorn nicht nur einmal ab und verschonte sie, sondern Er tat dies wiederholt. Das Volk hat Ihn in der Wüste wiederholt zum Zorn gereizt, und ebenso wiederholt hat Gott seinen Zorn nicht über sie ausgeschüttet, sondern war barmherzig. So geht Er auch heute noch mit uns um.
Gott konnte so handeln, weil Er das Werk seines Sohnes voraussah (Röm 3,25). Er wandte seinen Zorn nicht von seinem Sohn ab, sondern brachte ihn über Ihn. Gegen sein Volk „ließ er nicht erwachen seinen ganzen Grimm“. Seinen ganzen Grimm entzündete gegen seinen Sohn in den Stunden, als Er durch Ihn zur Sünde gemacht wurde.
Ein Beweis für seine Barmherzigkeit ist, dass „er daran gedachte, dass sie Fleisch seien“, dass sie schwache Geschöpfe waren (Vers 39; vgl. Ps 103,14; Mt 26,41). Diese Barmherzigkeit mildert nicht die Schuld seines Volkes, sondern zeigt einen Gott, der sein Volk durch und durch kennt. Sein Volk dachte, es sei stark und brauche Gott nicht. Diese hohe Meinung von sich selbst beweist, wie zerbrechlich sie waren. In ihrem Stolz waren sie blind für die Tatsache, dass sie nicht mehr waren als „ein Hauch, der dahinfährt und nicht wiederkehrt“ (vgl. Jes 2,22).
40 - 51 Gottes Stärke in der Erlösung
40 Wie oft waren sie widerspenstig gegen ihn in der Wüste, betrübten ihn in der Einöde!
41 Und sie versuchten Gott wieder und kränkten den Heiligen Israels.
42 Sie erinnerten sich nicht an seine Hand, an den Tag, als er sie vom Bedränger erlöste,
43 als er seine Zeichen tat in Ägypten und seine Wunder auf dem Feld Zoans.
44 Er verwandelte ihre Ströme in Blut, sodass sie ihre fließenden Wasser nicht trinken konnten.
45 Er sandte Hundsfliegen unter sie, die sie fraßen, und Frösche, die ihnen Verderben brachten.
46 Und er gab dem Vertilger ihren Ertrag, und ihre Arbeit der Heuschrecke.
47 Ihren Weinstock schlug er nieder mit Hagel, und ihre Maulbeerfeigenbäume mit großen Hagelkörnern.
48 Und er gab ihr Vieh dem Hagel preis und ihre Herden den Blitzen.
49 Er ließ seine Zornglut gegen sie los, Wut und Grimm und Drangsal, eine Schar von Unglücksengeln.
50 Er bahnte seinem Zorn einen Weg, entzog nicht dem Tod ihre Seele und gab ihr Leben der Pest preis.
51 Und er schlug alle Erstgeburt in Ägypten, die Erstlinge der Kraft in den Zelten Hams.
Asaph kommt auf das Verhalten des Volkes in der Wüste zurück (Vers 40). Wie oft haben sie Gott dort verhöhnt! Es ist, als ob Widerspenstigkeit das Kennzeichen der gesamten Wüstenwanderung war. Sie verhöhnten Ihn, indem sie seine Liebe und Treue immer wieder kritisierten und in Frage stellten. Seine Barmherzigkeit (Vers 38) wurde nicht gewürdigt.
Durch ihren Ungehorsam und ihre Widerspenstigkeit haben sie Ihn betrübt. Alle Sünden der Menschen, und besonders die seines Volkes, betrüben Gott. Sein Zorn ruht auf ihnen, und Er wird seinem Zorn freien Lauf lassen, wenn ein Mensch in seinen Sünden verharrt. Gott ist nicht unempfindlich gegenüber der Sünde. Die Sünde trifft Ihn, den Heiligen, tief in seinem Herzen und verursacht Schmerz und Leid.
Sie versuchten Gott „wieder“. Sie waren unverbesserlich und lernten nie. Immer wieder forderten sie Gott heraus, um zu zeigen, ob Er in der Lage sei, ihre Begierden zu befriedigen. Es ist, als ob man die Sonne bittet, zu scheinen, während man vom Sonnenlicht geblendet ist.
Mit all ihren Fragen – die alle aus einem ungläubigen und widerspenstigen Herzen kamen – „kränkten“ – oder „verhöhnten“ oder „provozierten“ – sie „den Heiligen Israels“. Die Kränkung lag darin, dass sie Ihn trotz seiner erwiesenen Erlösungskraft (Vers 42) für unfähig hielten, ihre Begierden zu stillen. Wenn sie Ihn für fähig hielten, würden sie Ihm vertrauen. Er hatte reichlich bewiesen, dass man Ihm vertrauen konnte und dass Er zu allem fähig war. Ihn nun zu zwingen, sich selbst zu beweisen, zeigte, dass Gott für sie ein enger, begrenzter Gott war, der nicht in der Lage war, ihnen zu geben, was sie wollten.
Das ist eine äußerst dreiste Haltung, denn sie hatten es mit niemand anderem zu tun als mit „dem Heiligen Israels“. Er, der Heilige Israels, der ihr König war (Ps 89,19) und der des Lobes würdig ist (Ps 71,22). Dieser Name Gottes ist charakteristisch für das Buch Jesaja. Er ist ein Hinweis auf die Tatsache, dass Er einzigartig ist, mit niemandem vergleichbar.
Die Tatsache, dass sie dies nicht sahen, änderte nichts an der Schwere ihrer Widerspenstigkeit. Sie stellten sich gegen den, der „der Heilige“ ist. Der HERR hat sich für die Seinen geheiligt, das ist Israel und das sind wir. In seiner Heiligkeit hatte Er „Israel“ an sich gebunden. Das bedeutete, dass sie durch seine Gegenwart unter ihnen geheiligt waren und dass sie sich auch heilig verhalten sollten, um den Segen seiner Gegenwart unter ihnen zu erfahren. Er sagte zu seinem Volk damals und sagt zu seinem Volk heute: „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1Pet 1,16; 3Mo 20,7).
Die Menschen schränkten auch den Herrn Jesus in seiner Macht ein, als Er am Kreuz hing. In ihrer Dreistigkeit und ihrem Unglauben sagten sie zu Ihm: „Wenn du Gottes Sohn bist, [so] steige herab vom Kreuz! … und wir wollen an ihn glauben“ (Mt 27,39–44). Die gleiche herausfordernde Sprache wird auch heute noch verwendet. Man hört sie in Äußerungen wie: „Wenn Gott Liebe ist, dann soll Er etwas gegen das Elend in der Welt tun.“
All ihre falschen Gedanken über Gott kamen daher, dass sie sich „nicht an seine Hand“ erinnerten (Vers 42). Gott hat seine Macht so oft zu ihren Gunsten bewiesen. Asaph erinnert das Volk „an den Tag, als er sie vom Bedränger erlöste“ (vgl. 2Mo 13,3). Wie oft vergessen auch wir die große Gnade und Macht Gottes, durch die wir von der Macht der Sünde befreit worden sind. Diese Vergesslichkeit führt dazu, dass wir Gott untreu werden, wenn wir in Schwierigkeiten geraten. Dann beginnen wir, an seiner Macht zu zweifeln. Wenn wir nicht bald umkehren, werden wir widerspenstig und beschuldigen Ihn, uns nicht helfen zu können.
Asaph beschreibt dann detailliert die Macht, die Gott am Tag ihrer Erlösung zeigte. Er verweist darauf, dass Gott „seine Zeichen tat in Ägypten und seine Wunder auf dem Feld Zoans“ (Vers 43; vgl. Vers 12). Gott tat seine Zeichen, um sein Volk auf den Zweck der Erlösung hinzuweisen. Dieser Zweck war, dass Er bei ihnen wohnen, mit ihnen feiern und Gemeinschaft mit ihnen haben wollte (2Mo 5,1). Gott tat seine Wunder, um sein Volk zu ermutigen, sich Ihm anzuvertrauen. Seine Wunder zeigen seine Macht, die Er zu ihren Gunsten gegen ihre Bedränger einsetzte. Sie verleugneten und missachteten diese Macht durch ihre widerspenstige, ungläubige Haltung Ihm gegenüber.
Als erstes von Gottes Zeichen und Wundern erinnert Asaph daran, dass Gott „ihre Ströme in Blut verwandelte, sodass sie ihre fließenden Wasser nicht trinken konnten“ (Vers 44; 2Mo 7,19–21). Dies ist die erste Plage, die Gott über Ägypten brachte. Wasser steht für das, was erfrischt und Leben spendet. Vergossenes Blut steht für den Tod. Das Leben in der Welt der Sünde gibt kein Leben, sondern den Tod. Das war es, wohin Gottes Volk zurückkehrte, als es sich von Gott abwandte.
Das zweite von Asaph erwähnte Zeichen und Wunder sind die „Hundsfliegen“, die Er „unter sie“ sandte, „die sie fraßen“ (Vers 45; 2Mo 8,17). Dies ist die vierte Plage, die Gott über Ägypten brachte, wobei Gosen und damit sein Volk verschont blieben (2Mo 8,18.19). Die Hundsfliegen, möglicherweise eine Mischung aus allen Arten von Ungeziefer, trugen alle möglichen Krankheiten in sich. Die Folge war, dass das Leben des Volkes ruiniert wurde.
Als Anwendung für unsere Zeit können wir an alle Arten von Irritationen, Eifersucht, Mobbing, gegenseitiges Belästigen auf alle möglichen Arten denken. Diese Dinge verderben die Atmosphäre zwischen Menschen und können das Leben unerträglich machen. Laute Musik bei den Nachbarn, schlechtes Benehmen im Straßenverkehr, herausforderndes Verhalten im Geschäft und so viele andere Dinge, die einem ein schlechtes Gefühl geben können. Asaph erinnert uns daran, dass auch die Hundsfliegen ihre Arbeit bei uns tun werden, wenn wir Gott den Rücken kehren. Die Hundsfliegen sind wie „die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben“ (Hld 2,15).
Das dritte Zeichen und Wunder sind die „Frösche, die ihnen Verderben brachten“ (2Mo 7,26–29). Dies ist die zweite Plage, die Gott über Ägypten brachte. Frösche sind ein Bild für unreine Geister, insbesondere für sexuelle Unreinheit (Off 16,13–15). Diese Plage hat die Welt überrollt und dringt auch in die Häuser von Christen ein. Manchmal unaufgefordert durch Werbeprospekte im Briefkasten, aber leider auch, weil Menschen im Internet nach ihr in ihren Wohnungen suchen. Die Unreinheit kommt in die Schlafzimmer, in die Betten. Die Warnung in Hebräer 13 ist in diesem Zusammenhang wichtig und bedeutsam (Heb 13,4).
Die Frösche kamen in die Öfen und die Backtröge, was darauf hindeutet, dass sie mit dem Essen vermischt waren. Die Wirkung der Aufnahme, des „Essens“, durch die Massenmedien der Unreinheit darf nicht außer Acht gelassen werden. Die Homo-Ehe und ihre kirchliche Weihe sind zur Praxis geworden. Diejenigen, die es selbst nicht praktizieren, rechtfertigen es. Die Liebe kommt doch von Gott, oder?
Diese Unreinheit ist das Ergebnis der Nichtanerkennung Gottes. Deshalb gibt Er eine Plage wie diese. Die Anwendung auf unsere Tage ist klar (Röm 1,24–28). Der Mensch, der Gott nicht anerkennt, bringt diese Plage über sich selbst. Der Mensch, der Gott nicht anerkennt, entehrt sich selbst. Die Begierden, die er zu befriedigen sucht, entspringen aus seiner Abkehr von Gott. Die Rückkehr zu Ihm ist das einzige Mittel, das hilft, die Plage zu vertreiben.
Das vierte Zeichen und Wunder sind „der Vertilger“, der Gott „ihren Ertrag“ gab, und „die Heuschrecke“, der Gott „ihre Arbeit“ gab (Vers 46; 2Mo 10,12–15). Dies ist die achte Plage, die Gott über Ägypten brachte. Aufgrund eines Ostwindes wurde eine noch nie dagewesene Menge von Heuschrecken über Ägypten gebracht. Es war das Heer des HERRN (Joel 2,11.25). Alles, was nicht schon durch frühere Gerichte zerstört worden war, wurde abgefressen. In ganz Ägypten gab es kein einziges grünes Blatt mehr. Die Abkehr von Gott setzte allem Wohlstand ein Ende.
Das fünfte Zeichen und Wunder sind „die Hagelkörner“ (Vers 47; 2Mo 9,22–25). Dies ist die siebte Plage, die Gott über Ägypten brachte. Gott sandte aus dem „Hagelvorrat“ den Hagel herab, den Er „für die Zeit der Bedrängnis, für den Tag des Kampfes und der Schlacht“ aufgespart hat (Hiob 38,22.23). Dieser Tag war für Ägypten gekommen.
Die Weinstöcke des Nahen Ostens, und noch mehr die Maulbeerfeigenbäume, sind kälteempfindlich. Durch Hagelkörner „schlug er“ ihren Weinstock „nieder“. Der Wein ist ein Bild für die Freude. Gott setzte aller irdischen Freude ein Ende für diejenigen, die ohne Ihn Freude suchten. Durch große Hagelkörner schlug Er „ihre Maulbeerfeigenbäume“ nieder. Der Feigenbaum steht für Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit der Welt ist nicht von Dauer, sondern geht durch Gottes Gerichte zugrunde.
Der Hagel schlug nicht nur die Früchte des Landes, sondern auch die Tiere (Vers 48). Ihr Vieh und ihre Herden gab Er „dem Hagel“ und „den Blitzen“, die den Hagel begleiteten, preis (2Mo 9,24). Die Welt wird von vielen Gerichten heimgesucht werden, auch von einem großen Hagel (Off 16,21). Die Angehörigen des Volkes Gottes werden diesen nur entgehen, wenn sie bei Gott Zuflucht suchen (vgl. Jes 32,2).
In all diesen Plagen ließ Gott „seine Zornglut gegen sie los, Wut und Grimm und Drangsal, eine Schar von Unglücksengeln“ (Vers 49). Die Kombination dieser Worte zeigt, wie zornig Gott durch die Rebellion und die Widerspenstigkeit seines Volkes geworden war. Er benutzte „eine Schar von Unglücksengeln“, um seinen brennenden Zorn auszuführen. Auf seinen Befehl hin brachten sie das Unglück über Ägypten (vgl. 2Mo 12,23; Heb 11,28; Off 9,13–16).
Asaph erwähnt ein sechstes Zeichen und Wunder: die Pest über das Vieh (Vers 50; 2Mo 9,2–6). Asaph sagt über dieses Zeichen, dass Gott dadurch „seinem Zorn einen Weg bahnte“. Er hielt seinen Zorn nicht mehr zurück, sondern ließ ihm freien Lauf. Ein plötzlicher Ausbruch der Pest war der Beweis dafür, dass Gott am Werk war. Damit traf Er die Ägypter in ihren Lebensgrundlagen. Er „entzog nicht dem Tod ihre Seele und gab ihr Leben der Pest preis“.
Das letzte von Asaph erwähnte Zeichen und Wunder ist der Tod „aller Erstgeburt in Ägypten, die Erstlinge der Kraft in den Zelten Hams“ (Vers 51; Ps 136,10; 2Mo 4,22.23; 11,4.5; 12,29.30). Dies ist die zehnte und letzte Plage in Ägypten. Ägypten stammt von Ham ab (1Mo 10,6; Ps 105,23). Der Erstgeborene ist ein Symbol der Stärke (1Mo 49,3). Der älteste Sohn ist der größte Stolz der Orientalen. Nach östlichem Brauch hängt das Überleben des Namens, der Familie, vom ältesten Sohn ab. Er repräsentiert die Stärke der ganzen Familie. Der erstgeborene Sohn ist für ihn wertvoller als seine Besitztümer und seine Gesundheit.
Die ganze Hoffnung des natürlichen Menschen richtet sich auf den Erstgeborenen. Deshalb zerstörte Gott alle ihre Hoffnungen, indem Er ihre Erstgeborenen schlug. Es gab kein Haus in ganz Ägypten, in dem es nicht einen Toten gab. Das war der endgültige Schlag. Gottes Gericht war wahllos. Es traf alle, von den höchsten bis zu den niedrigsten Mitgliedern der Gesellschaft (Hiob 34,19.20).
52 - 55 Geleitet in der Wüste und ins Land gebracht
52 Und er ließ sein Volk wegziehen wie Schafe und leitete sie wie eine Herde in der Wüste;
53 und er führte sie sicher, sodass sie sich nicht fürchteten; und ihre Feinde bedeckte das Meer.
54 Und er brachte sie in sein heiliges Gebiet, zu diesem Berg, den seine Rechte erworben hat.
55 Und er vertrieb Nationen vor ihnen und verloste sie als Schnur des Erbteils und ließ die Stämme Israels in ihren Zelten wohnen.
Nach diesem letzten Gericht (Vers 51) ließ der Pharao das Volk Gottes wegziehen. Asaph sagt hier, dass Gott sein Volk wie Schafe wegziehen ließ (Vers 52). Der Pharao wird von Gott gezwungen, das Volk freizulassen. Gott hat sich immer wieder für sein Volk eingesetzt. Dass Er sie „wie Schafe“ wegziehen ließ, weist auf ihre Verletzlichkeit, ihre Wehrlosigkeit hin, und darauf, dass sie völlig von Gottes Schutz und Fürsorge abhängig waren.
Sie verdankten ihre Befreiung nicht ihrer eigenen Kraft. Gott ist hier der gute Hirte, der seine Schafe in die Freiheit geführt hat (vgl. Joh 10,3). Weiter unten, in den Versen 70 und 71, sehen wir, dass Er David erlaubte, als Hirte für sein Volk zu handeln. In einem prophetischen Sinn spricht es davon, dass Gott Mensch wurde, um als Sohn Davids der gute Hirte zu sein.
Nachdem sie weggegangen waren, „leitete“ Er sie „wie eine Herde in der Wüste“. Er sorgte dafür, dass sie zusammenblieben und nicht zerstreut wurden. Die Wüste ist ein Gebiet, das ein Mensch nicht durchqueren kann, ohne den Weg zu kennen oder ohne einen guten Führer. Für das Volk war es ein völlig unbekannter Weg. Deshalb waren sie völlig auf die Leitung Gottes angewiesen.
Asaph bezeugt, dass Gott sie „sicher führte, sodass sie sich nicht fürchteten“ (Vers 53). Gott sorgte für Sicherheit inmitten aller Gefahren der „großen und schrecklichen Wüste“ (5Mo 8,15; vgl. Jer 2,6). Der Feind konnte sie nicht mehr schrecken, denn „ihre Feinde bedeckte das Meer“ (2Mo 14,27–30). Die Sklaverei lag hinter ihnen, ebenso wie die Leichen der Sklaventreiber. Während der Reise durch die Wüste sorgte Gott für sie, solange die Reise dauerte.
So brachte Er „sie in sein heiliges Gebiet, zu diesem Berg, den seine Rechte erworben hat“ (Vers 54). Mose und die Israeliten erwähnten dies bereits in dem Lied, das sie unmittelbar nach der Erlösung sangen (2Mo 15,17). Gott brachte sein Volk „in sein heiliges Gebiet“. Das Land, das Er für sie erwählt hatte (Hes 20,6), gehört Ihm. Es ist heilig, weil Er heilig ist. Was Sein ist, muss dem entsprechen, wer und was Er ist.
Mit „diesem Berg“ ist das ganze Land gemeint (2Mo 15,17a; Jes 57,13). „Seine Rechte“ hat dieses Land erworben. Die rechte Hand steht für Macht und Ehre. Er hat seine Macht bewiesen, indem Er „Nationen vor ihnen“ vertrieben hat (Vers 55). Dann verloste Er sie „als Schnur des Erbteils“. Historisch gesehen sind wir beim Buch Josua angelangt. Allen Stämmen wurde ein Teil des Landes als Erbe zugeteilt (Jos 13,7; 14,1–5; vgl. Ps 16,6).
Schließlich ließ Er „die Stämme Israels in ihren Zelten wohnen“. Nach der Sklaverei in Ägypten und den Wanderungen in der Wüste hatte das Volk nun Ruhe gefunden. Jetzt konnten sie all die Segnungen genießen, die Gott für sie in diesem Land vorbereitet hatte.
56 - 58 Das Zurückweichen des Volkes
56 Aber sie versuchten Gott, den Höchsten, und waren widerspenstig gegen ihn, und seine Zeugnisse bewahrten sie nicht.
57 Und sie wichen zurück und handelten treulos wie ihre Väter; sie wandten sich um wie ein trügerischer Bogen.
58 Und sie erbitterten ihn durch ihre Höhen und reizten ihn zur Eifersucht durch ihre geschnitzten Bilder.
Nach der Fülle von Beweisen für Gottes Treue und Fürsorge für sein Volk folgt ein menschliches „aber“ (Vers 56). Anstatt dankbar zu sein, „versuchten sie Gott, den Höchsten, und waren widerspenstig gegen ihn“ (vgl. Vers 41). Dies ist eine größere Sünde als in der Wüste. In der Wüste war alles trocken und tot. Im Land hingegen waren sie von Segnungen umgeben. Hier sehen wir, dass sowohl Schwierigkeiten als auch Segnungen den Menschen Gott untreu machen, wenn er nicht sieht, dass Gott sowohl in den Schwierigkeiten als auch in den Segnungen für ihn da ist. Hier sind wir historisch im Buch der Richter angekommen.
Die Segnungen haben sie nicht dankbar, sondern undankbar gemacht. Sie waren nicht zufrieden mit dem, was Gott ihnen gegeben hatte. Immer wieder verließen sie Ihn, wie wir im Buch der Richter sehen. Sie widersetzten sich Ihm mit ihrem sündigen Verhalten, denn „seine Zeugnisse bewahrten sie nicht“. Was Gott gesagt hatte, interessierte sie nicht.
Der nächste Schritt weg von Ihm war, dass sie „zurückwichen und treulos handelten wie ihre Väter“ (Vers 57). „Sie wandten sich um wie ein trügerischer Bogen“, das heißt, sie wurden der Erwartung nicht gerecht. Gott wollte, dass sie den Nationen um sie herum ein Zeuge für Ihn sind, aber sie wurden dem nicht gerecht. Sie verleugneten ihre Berufung.
Anstatt Gott zu ehren, begannen sie, Götzen anzubeten (Vers 58). „Sie erbitterten ihn durch ihre Höhen“, das heißt, sie bauten Altäre, um den Götzen zu opfern (Ri 2,11–13). Das war ein großer Affront gegen Gott, der sie geführt, genährt und gesegnet hatte. Jeder vernünftig denkende Mensch muss verstehen, dass Gott dadurch zum Zorn gereizt wurde. Welcher Mensch würde eine so große Undankbarkeit für geleistete Dienste für normal halten und sie hinnehmen?
Sie „reizten ihn zur Eifersucht durch ihre geschnitzten Bilder“. Dies ist eine völlig berechtigte Eifersucht. Welcher vernünftig denkende Mann wird nicht eifersüchtig, wenn er feststellt, dass seine Frau sich in einen anderen Mann verliebt und ihm untreu wird (Spr 6,32–34)? Gott ist ein eifersüchtiger Gott (2Mo 20,5; 34,14). Er kann sich nicht zurücklehnen und nichts tun, wenn sein Volk Ihm untreu wird, anderen Göttern nachläuft und ihnen anhängt (5Mo 32,16.21; vgl. 2Kor 11,2.3).
59 - 64 Dem Gericht übergeben
59 Gott hörte es und ergrimmte, und er verachtete Israel sehr.
60 Und er verließ die Wohnung in Silo, das Zelt, das er unter den Menschen aufgeschlagen hatte.
61 Und er gab in die Gefangenschaft seine Kraft, und seine Herrlichkeit in die Hand des Bedrängers.
62 Und er gab sein Volk dem Schwert preis, und gegen sein Erbteil ergrimmte er.
63 Seine Jünglinge fraß das Feuer, und seine Jungfrauen wurden nicht besungen;
64 seine Priester fielen durchs Schwert, und seine Witwen weinten nicht.
Gott hat all die Abkehr und die Untreue seines Volkes gehört, d. h. bemerkt (Vers 59). Es geht hier um ihre Worte, und auch um ihre Taten und die Gesinnung ihres Herzens. Sie waren nicht plötzlich abtrünnig und untreu geworden, sondern hatten sich vorher überlegt, was sie tun würden. Es waren bewusste, überlegte und bedachte Handlungen der Abkehr und Untreue. Gott „ergrimmte“ deshalb zu Recht.
In der Tat wiederholt sich die Geschichte. Die Geschichte lehrt uns, dass der Mensch nichts aus der Geschichte lernt. Schon während der Wüstenwanderung hat das Volk den HERRN so sehr gereizt, dass Er voller Zorn über sie war (Vers 21). Auf Seiten des Volkes ist es eine Wiederholung von Sachen, es folgt einem bestimmten Muster.
Seine Gesinnung über sie änderte sich völlig, als sie sich immer abkehrten. Er „verachtete“ sie „sehr“. Verachtung ist ein Gefühl, das durch eine Handlung hervorgerufen wird, die Ekel hervorruft. Das war aber noch nicht alles. Sie führte zu einer Handlung, die diese Verachtung zum Ausdruck brachte, und das ist die Ablehnung. Was verachtet wird, wird abgelehnt. Es ging nicht darum, einmal eine sündige Handlung zu begehen, sondern ein Leben der Ausschweifung zu führen. Das war die Situation seines Volkes geworden.
Wir sehen das in den Tagen, als die beiden Söhne Elis, Hophni und Pinehas, Priester des HERRN in der Stiftshütte in Silo waren (1Sam 1,3). Hophni und Pinehas traten die Rechte Gottes mit Füßen und veranlassten das Volk, das Opfer des HERRN zu verachten (1Sam 2,12–17.22). Weil Priester und Volk Gott verachteten, verachtete Gott das Volk (1Sam 2,30). Bei diesem Volk konnte Er nicht mehr wohnen.
Die Stiftshütte befand sich damals, seit den Tagen Josuas, in Silo (Jos 18,1.8; Ri 18,31; 21,12.19; 1Sam 1,3; 2,14; 4,3.4). Silo lag im Gebiet des Stammes Ephraim. Wegen des skandalösen Verhaltens von Elis beiden Söhnen „verließ“ Gott „die Wohnung in Silo“ (Vers 60). Die Stiftshütte war „das Zelt, das er unter den Menschen aufgeschlagen hatte“. Dies schien das Ende von Gottes Erlösungsabsicht zu sein. Diese Absicht war, bei seinem Volk zu wohnen.
Das hatte Er bis zu diesem Augenblick getan. Aber wegen der anhaltenden Abkehr des Volkes konnte Er das nicht mehr tun. Wohnen bedeutet, Ruhe zu haben. „Silo“ bedeutet „Ruhe“. Diese Ruhe war wegen der fortgesetzten Sünde des Volkes verschwunden. Gott wurde gewissermaßen aus seiner Wohnung vertrieben. Das war ein schmerzlicher Moment für Gott und auch für das Volk, obwohl das Volk als Ganzes das Ausmaß nicht erkannte.
Die Bundeslade war das sichtbare Zeugnis der Gegenwart und Macht Gottes. Die Bundeslade wurde auch „die Lade deiner Stärke“ genannt (Ps 132,8). Als die Söhne Elis die Lade als Maskottchen im Kampf gegen die Philister einsetzen wollten, gab Gott „in die Gefangenschaft seine Kraft“, d. h. Er gab die Lade in die Hand der Philister (Vers 61; 1Sam 4,17).
Er gab „seine Herrlichkeit in die Hand des Bedrängers“, was bedeutet, dass die Herrlichkeit Israel verließ und im Land der Philister landete (1Sam 4,21.22). Die Tatsache, dass Gott seine Herrlichkeit beibehielt und seine Macht auch dort demonstrierte, ist hier nicht das Thema. Es geht um die Lektionen, die das Volk aus der Geschichte seines Unglaubens ziehen soll.
Gott „gab sein Volk dem Schwert preis“, das ist das Schwert der Philister (Vers 62; 1Sam 4,2.10). „Gegen sein Erbteil“, d. h. sein Land und sein Volk, „ergrimmte er“, es wurde zum Gegenstand seines Zorns. Es gab nichts mehr, was für Ihn attraktiv war. So sehr hatten sie Ihn durch ihre Taten verhöhnt und entehrt. Auf dem Land, auf das sein Auge zuerst mit Wohlwollen geschaut hatte, ruhte nun sein Zorn. Wir sehen, dass Gott alles tat. Er verließ seine Wohnung, Er gab seine Kraft und seine Herrlichkeit auf, Er gab sein Volk preis.
Die „Jünglinge“ wurden durch das Feuer des Gerichts getötet (Vers 63). Dies geschah in der Schlacht gegen die Philister. Die Folge war, dass „seine Jungfrauen nicht besungen wurden“. Damit ist gemeint, dass der junge Mann seiner jungen Braut kein Lied zur Hochzeit singen konnte. Mit dem Tod der jungen Männer waren keine Hochzeiten mehr möglich. Dies bedeutete das Ende des Volkes.
Die Priester Hophni und Pinehas fielen durch das Schwert der Philister (Vers 64; 1Sam 4,11). Sie, die das Bindeglied zwischen dem Volk und Gott waren, waren getötet worden. Ihre Witwen hatten nicht um sie geweint (vgl. Hiob 27,15), so groß war der Schock über das Unglück, das über das Volk gekommen war. Möglicherweise hatten sie wegen der erbeuteten Lade geweint (1Sam 4,21). Auf jeden Fall bedeuteten der Tod der Priester und das Verschwinden der Lade eine Unterbrechung des Gottesdienstes für Gott.
65 - 72 Gott erwählte Juda, Zion und David
65 Da erwachte wie ein Schlafender der Herr, wie ein Held, der vom Wein jauchzt;
66 und er schlug seine Feinde von hinten, gab ihnen ewige Schmach.
67 Und er verwarf das Zelt Josephs, und den Stamm Ephraim erwählte er nicht;
68 sondern er erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, den er geliebt hat.
69 Und er baute sein Heiligtum wie Höhen, wie die Erde, die er auf ewig gegründet hat.
70 Und er erwählte David, seinen Knecht, und nahm ihn von den Schafhürden;
71 hinter den Säugenden weg ließ er ihn kommen, um Jakob, sein Volk, zu weiden, und Israel, sein Erbteil.
72 Und er weidete sie nach der Lauterkeit seines Herzens, und mit der Geschicklichkeit seiner Hände leitete er sie.
Nach all dem, was Gott mit dem Volk tun musste, und dem Weg, den Er selbst ging, schien Er der große Verlierer zu sein. Doch das war nur scheinbar so. Genauso scheint es heute, dass Gott in den Ereignissen der Welt der große Abwesende ist. Auch das ist nur eine Illusion. Als das Volk alle seine Rechte verwirkt hatte und es keine Grundlage für eine Wiederherstellung gab, „da erwachte wie ein Schlafender der Herr“ (Vers 65; vgl. Ps 44,24; Jes 51,9). Ebenso wird Gott eines Tages durch die Wiederkunft des Herrn Jesus in das Weltgeschehen eingreifen.
Der Herr, Adonai, fing an zugunsten seines Volkes zu handeln. Er allein war dazu in der Lage, als der souveräne Herrscher von allem, Adonai. In den folgenden Versen sehen wir, was „er“ alles tat. Er war „wie ein Held, der vom Wein jauchzt“. Es ist der Schlachtruf eines Helden, der keine Furcht kennt. Bei den Menschen ist es so, als ob sie sich vom Wein hemmungslos treiben lassen. Bei Ihm deutet es darauf hin, dass Er mit Freude an die Arbeit für sein Volk ging.
Das erste Werk war, seine Feinde zu richten (Vers 66). Er hatte seine Herrlichkeit in die Hand des Feindes gegeben. Nun schlug Er diese Feinde und andere Widersacher „von hinten“. Das war kein Angriff von hinten, sondern ein Besiegen der Gegner, während sie auf der Flucht waren. Gott schlug die Philister mit Beulen (1Sam 5,6–12). Später wurden diese Feinde von David vernichtet. Prophetisch gesehen wird der Herr Jesus die Feinde Israels durch sein Erscheinen vernichten (Jes 51,9).
Sie rechneten nicht damit, dass Er sich jemals wieder für sein Volk einsetzen würde. Das war einer der schwerwiegenden Irrtümer des Unglaubens. Er gab seinen Gegnern „ewige Schmach“. Sie hatten geglaubt, ewigen Ruhm zu ernten, indem sie Gottes Volk angriffen, aber der Herr, Adonai, verwandelte das in eine Schmach, die ewig währt.
Das „Zelt Josephs“ verwerfen, bedeutet, es als Ort seines Heiligtums zu verwerfen (Vers 67). Joseph war „der Abgesonderte [oder: gekrönte] unter seinen Brüdern“ (1Mo 49,26), aber Gott hatte einen anderen Stamm für sein Heiligtum erwählt. Das Gleiche galt für Ephraim, den Hauptstamm des Zehnstämmereiches. Auch den Stamm Ephraim hat Er „nicht erwählt“, obwohl dort, in Silo, die Stiftshütte gestanden hatte.
Der Stamm, den Gott für den Bau seines Heiligtums erwählte, war „der Stamm Juda“ (Vers 68). Hier erfüllt sich Jakobs Prophezeiung (1Mo 49,8–10). Gottes Wahl beruht immer auf seinem Willen und nicht auf irgendetwas im Menschen. Im Stamm Juda erwählte Er „den Berg Zion, den er geliebt hat“. Seine Erwählung von Zion ist mit seiner Liebe verbunden. Wenn Er nach seiner Liebe handelt, handelt Er nach seinem Wesen, denn „Gott ist Liebe“ (1Joh 4,8.16), unabhängig von allem, was an dem Gegenstand seiner Liebe attraktiv wäre. Er liebt, weil Er Liebe ist.
Auf dem Berg Zion, den Er geliebt hat, „baute er sein Heiligtum wie Höhen“ (Vers 69). Salomo baute sein Heiligtum tatsächlich, aber Gott versorgte ihn mit Weisheit, Anweisungen, Materialien und Menschen, um dies zu tun. Gottes Heiligtum wurde „wie Höhen“ gebaut, das heißt, es ist ein erhabener Ort (vgl. Jes 2,2).
Es ist nicht nur ein erhabener Ort, sondern auch ein unerschütterlicher Ort, „wie die Erde, die er auf ewig gegründet hat“. Die Erde ist oft das Symbol für Stabilität. Dabei hat Gott sein Heiligtum wie die Erde zu einem Zweck gegründet, nämlich um sich dort mit seinem Volk zu treffen. Das Volk darf mit seinen Opfern dorthin kommen und Er segnet es dort.
Schließlich, nach der Erwählung des Stammes Juda und des Berges Zion, folgt die Erwählung „Davids, seines Knechtes“, zum König über sein Volk (Vers 70). David wurde erwählt, obwohl er keinen natürlichen Anspruch auf das Amt des Königs hatte. Auch in seiner Familie zählte er nicht, er wurde von ihnen vergessen (1Sam 16,11). Aber Gott „nahm ihn von den Schafhürden“ (vgl. 2Sam 7,8). Gottes König ist ursprünglich ein Schafhirte. Nach den Gedanken Gottes kann das Königtum nur von einem Hirten gut ausgeübt werden. Wir sehen das ganz deutlich am Beispiel des Herrn Jesus.
Gott ließ David, „hinter den Säugenden wegkommen“ (Vers 71). Dieser Ort, hinter den Mutterschafen mit säugenden Lämmern, zeigt, dass David sich um diese Schafe kümmerte, Schafe, die ihren Lämmern zu trinken geben. Das ist die Eigenschaft, die jemand braucht, um Gottes Volk zu weiden. David ist in seiner Fürsorge derselbe geblieben. Die einzige Änderung besteht darin, dass die Schafe nun Menschen sind, was gleichzeitig bedeutet, dass Menschen Schafe sind, die der Fürsorge bedürfen (vgl. Mt 9,36).
Gott betraute David mit der Aufgabe, „Jakob, sein Volk, zu weiden, und Israel, sein Erbteil“. David sollte sich stets der Tatsache bewusst sein, dass das Volk, das er hütete und über das er herrschte, nicht sein Volk war, sondern Gottes Volk. Dieses Volk wird „Jakob“ genannt. Das erinnert uns an die Schwäche des Volkes. Gott hat dieses Volk zu „Israel“ gemacht, also zu dem Volk, wie Gott es nach seinem Ratschluss für dieses Volk sieht. Dieses Volk war nicht das Eigentum Davids, sondern das Eigentum Gottes.
Es erinnert an den Befehl, den der Herr Jesus dem Petrus gibt: „Weide meine Lämmer … Hüte meine Schafe … Weide meine Schafe“ (Joh 21,15–17). Der Herr benutzt jedes Mal das Wort „meine“. Jeder Hirte in der Gemeinde Gottes soll sich ständig bewusst sein, dass die Schafe nicht seine Schafe sind, sondern die Schafe des Herrn Jesus. Hirten hüten nicht ihre eigene Herde, sondern „die Herde Gottes“ (1Pet 5,1–3).
Der Psalm endet mit dem Zeugnis über David, dass er das Volk und das Erbteil Gottes „weidete … nach der Lauterkeit seines Herzens, und mit der Geschicklichkeit seiner Hände leitete“ (Vers 72). Der Schlüssel zum Weiden der Schafe ist die „Lauterkeit des Herzens“. Ein lauteres Herz ist auf Gott und dann auf das Wohlergehen der Schafe ausgerichtet. Bei der Führung der Schafe kommt es auf die „Geschicklichkeit der Hände“ an. Es erfordert großes Geschick, die Herde auf die richtige Weise zu führen. David bewies bei der Betreuung der Schafe seines Vaters, dass er sowohl ein lauteres Herz als auch geschickte Hände hatte.
David ist hier eindeutig ein Bild für den Herrn Jesus, den wahren Hirtenkönig. Der Herr Jesus ist „der gute Hirte“, der sein Leben für seine Schafe gegeben hat (Joh 10,11). Er ist „der große Hirte“, der von Gott von den Toten auferweckt wurde (Heb 13,20). Er ist auch der „Erzhirte“, der das Vorbild für alle Hirten in der Gemeinde ist (1Pet 5,4). In seiner Fürsorge für uns als seine Schafe weidet Er uns mit der besten Nahrung und führt uns auf dem Weg der Gerechtigkeit um seines Namens willen (Ps 23,2.3).
Wir können sagen, dass der Psalm mit der Ruhe des Friedenreiches endet, in dem Gottes irdisches Volk alle verheißenen Segnungen empfangen und genießen wird. Dies geschieht nicht aufgrund eines Verdienstes ihrerseits, sondern aufgrund des Vorsatzes Gottes, den Er in Gnade verwirklicht. Im Friedensreich regiert der wahre David als König und Er ist der eine Hirte, der sein Volk weidet und leitet (Hes 37,24a).