Kapitel
Einleitung
Das Buch der Psalmen ist, wie alle anderen Bücher des Alten Testaments, ein Zeugnis über den Herrn Jesus Christus (Joh 5,39). Der Herr Jesus sagt es so: „Dass alles erfüllt werden muss, was über mich geschrieben steht in dem Gesetz Moses und den Propheten und Psalmen“ (Lk 24,44). Die Auslegung der Psalmen findet sich im Neuen Testament. Dort sehen wir, dass die Psalmen nicht nur auf den Herrn Jesus angewandt werden, sondern sich auch und vor allem in Ihm erfüllen. Sie sind zu diesem prophetischen Zweck gegeben. Wir sehen dies zum Beispiel in einigen Zitaten aus den Psalmen, die in Christus am Kreuz ihre Erfüllung gefunden haben (Joh 19,24.28; Ps 22,19.16). Bei diesen Zitaten steht der Zusatz „damit die Schrift erfüllt würde“, was zeigt, dass der Herr Jesus selbst in den Psalmen spricht. Der Mensch Jesus Christus hat die beschriebene Gefühle in den Psalmen vollkommen und tiefgründig erfahren.
In direktem Zusammenhang mit der Erfüllung der Psalmen in Christus, finden wir in diesem Buch prophetisch den Zustand und die Erfahrungen des gläubigen jüdischen Überrestes in der Endzeit. Mit ihnen hat der Messias eine besondere Verbindung. Der Überrest macht seine Erfahrungen auf die Art und Weise, wie Gott mit ihnen zu dem von Ihm bestimmten Ziel geht. Infolgedessen befinden sie sich in allen möglichen unterschiedlichen Situationen, in denen ihr Glaube geprüft und gereinigt wird. Dies gilt nicht nur für die Gläubigen des Alten Testaments, sondern auch für die Gläubigen des Neuen Testaments. Das Ergebnis ist eine einzige große Lobrede zu Gott durch alles, was Odem hat, wie im letzten Psalm beschrieben (Ps 150,1–6).
Dieses Buch steht in der Mitte der Bibel, es bildet sozusagen ihr Herz. In diesem Buch hören wir gleichsam das Schlagen der Herzen der Gläubigen, die mit Gott in dieser Welt wandeln. Die Worte der Psalmen haben viele Jahrhunderte die Herzen unzähliger Gläubiger bewegt und berührt. Sie waren und sind eine Unterstützung für die Gläubigen in größter Not. Sie drücken die Gefühle ihrer Herzen aus. Psalm 23 zum Beispiel, der wohl bekannteste Psalm, ist für viele ein sehr beliebtes Kapitel in der Bibel.
Der letzte Vers des zweiten Teils des Buches sagt: „Die Gebete Davids, des Sohnes Isais, sind zu Ende“ (Ps 72,20). Daraus können wir ableiten, dass die vorhergehenden Psalmen Davids den Charakter von „Gebeten“ haben. Darüber hinaus finden wir auch einmalig „einen Lobgesang von David“ (Ps 145,1), wobei das Wort „Lobgesang“ im Hebräischen, tehilla, die Einzahl des hebräischen Titels der Psalmen, tehillim, ist. Beten und lobsingen sind die beiden typischen Kennzeichen des Gläubigen, der mit Gott in dieser Welt wandelt. Er bittet um Hilfe und Rettung in und aus Schwierigkeiten und lobt dann Gott für diese Hilfe und Rettung.
Das Buch der Psalmen erhält seinen hebräischen Namen sefer tehillim von den jüdischen Rabbinern. Der Name bedeutet „das Buch der Lobpreisungen“. Dieser Name wurde wegen der Verwendung dieses Buches bei den Gottesdiensten im Tempel Salomos gegeben. Später, im zweiten oder ersten Jahrhundert v. Chr., wurde das Alte Testament einschließlich der Psalmen ins Griechische (die Septuaginta) übersetzt. Das Buch erhielt dann den griechischen Titel Psalmoi, was „Gesang mit Instrumentenbegleitung“ bedeutet.
Das Buch der Psalmen ist eine Sammlung von 150 Liedern, die von verschiedenen Autoren über einen Zeitraum von etwa 1000 Jahren geschrieben wurden. Der älteste Psalm ist der Psalm 90. Er stammt von Mose (Ps 90,1), d. h. um 1500 v.Chr. Der (wahrscheinlich) jüngste Psalm, der Psalm 137, wurde während der babylonischen Gefangenschaft geschrieben (Ps 137,1), also ca. 600 v. Chr. Es kann sogar sein, dass Psalm 126 nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft (Ps 126,1) geschrieben wurde, d. h. im Jahre 500 v. Chr., also noch jünger als der Psalm 137 ist. Bereits zur Zeit von Esra und Nehemia finden wir, dass die Psalmen gesungen werden (Esra 3,10–12; Neh 7,44; 12,24.36.45.46).
Die Reihenfolge der Kapitel in den Psalmen ist nicht willkürlich. Wir können aus der Rede des Paulus in der Synagoge in Antiochien in Pisidien ableiten, dass jeder Psalm am richtigen Ort steht. In dieser Rede zitiert Paulus einen Vers aus den Psalmen und sagt, dass dieser Vers im „zweiten Psalm geschrieben steht“ (Apg 13,33).
Das Alte Testament wird auf Hebräisch TeNaCh genannt. Dieses Wort wird als „Akronym“ bezeichnet, das aus den Anfangsbuchstaben einer Anzahl von Wörtern besteht. TeNaCh ist ein Wort, das sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Teile des Alten Testaments zusammensetzt. Diese Teile sind: die Thora (das Gesetz des Moses), die Nevi’im (die Propheten) und die Chetuvim (die Schriften oder Psalmen).
Diese Einteilung wird vom Herrn Jesus genannt (Lk 24,44). Tatsächlich ist das Buch der Psalmen eines der vielen Bücher der Chetuvim (die Schriften). Aber weil dieses Buch sowohl das erste als auch das größte Buch der Chetuvim ist, wird dieser dritte Teil des Alten Testaments auch Psalmen statt Schriften genannt.
Das Buch der Psalmen ist, zusammen mit dem Buch Jesaja, das am häufigsten zitierte Buch des Neuen Testaments. Von den zweihundertdreiundachtzig direkten Zitaten aus dem Alten Testament im Neuen Testament stammen mehr als die Hälfte aus den Psalmen.
Die Schreiber der Psalmen
Viele Tausende von Psalmen wurden in der Zeit des Alten Testaments geschrieben. Von König David kennen wir viele Psalmen. Er ist der Hauptschreiber. Er hat die meisten Psalmen geschrieben. Deshalb wird dieses Buch im Codex Sinaiticus als „die Psalmen Davids“ bezeichnet. König Salomo, der Sohn Davids, hat auch Lieder oder Psalmen geschrieben, sogar 1005 (1Kön 5,12). Einer von ihnen, der Psalm 127, ist im Buch der Psalmen (Ps 127,1) zu finden. Darüber hinaus gibt es mehrere andere Komponisten – wir erwähnen sie weiter unten – die einen oder mehrere Psalmen geschrieben haben.
Von den Tausenden von Psalmen hat der Heilige Geist 150 inspiriert. Zusammen bilden sie einen Teil des Wortes Gottes: das Buch der Psalmen. Von den meisten Psalmen wissen wir, wer der Autor ist.
1. David hat mindestens 37 Psalmen geschrieben. Das sind die Psalmen, die seinen Namen ausdrücklich in der Überschrift tragen: Psalmen 3–9(+10); 11–32; 34–41; 51–65; 68–70; 86; 101; 103; 108–110; 122; 124; 131; 133; 138–145. Darüber hinaus enthalten die Psalmen 1, 2, 33 und 95 keinen Namen in der Überschrift. Im Neuen Testament wird jedoch aus diesen zitiert, und es wird erwähnt, dass die Psalmen 2 und 95 von David stammen (Apg 4,25; Ps 2,1; Heb 4,7; Ps 95,7.8). Das bringt die Summe der Psalmen, die auf jeden Fall von David sind, auf 75, das ist die Hälfte aller Psalmen.
2. Asaph hat 12 Psalmen geschrieben: Psalmen 50; 73–83.
3. Die Söhne Korahs haben 11 Psalmen geschrieben: Psalmen 42–49; 84; 85; 87.
4. Heman, der Esrachiter hat einen geschrieben: Psalm 88.
5. Ethan, ebenfalls ein Esrachiter hat einen solchen geschrieben: Psalm 89.
6. Moses schrieb einen: Psalm 90.
7. Salomo hat einen geschrieben: Psalm 127.
David wird in der Bibel erwähnt als „der hochgestellte Mann … der Liebliche in den Gesängen (oder: Psalmen) Israels“ (2Sam 23,1). Nach dem, was wir in Amos lesen, hat „David Musikinstrumente“ ersonnen (Amos 6,5). Er gab auch Anweisungen über die Musik im Dienst des Tempels (Esra 3,10; Neh 12,24).
Wie Joseph und Mose ist auch David ein Typus von Christus. Alle drei zeigen in ihrem Leben die Zweiteilung im Leiden durch Ablehnung und die Verherrlichung danach. Sie haben erfahren, was Christus von sich selbst sagt: „Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24,26). So drücken die Psalmen vielfach die Gefühle und Erfahrungen Christi aus.
Hebräische Poesie
Eines der Merkmale der hebräischen Dichtung ist die Verwendung von „Parallelismus“. Dies ist eine Schreibmethode, bei der eine bestimmte, im ersten Satz gegebene Botschaft im nächsten Satz wiederholt oder in anderen Worten ausgearbeitet wird. Dies kann mit oder ohne Erweiterung der Botschaft, mit einem Widerspruch oder mit einem Höhepunkt geschehen. Sowohl in den Erzählungen, der Prosa und vor allem in der Dichtung finden sich oft parallele Sätze. Darüber hinaus können die Verse auch alle möglichen Muster zeigen, die hier nicht weiter ausgeführt werden.
Es lassen sich mehrere Arten von Parallelismen erkennen. Wir erwähnen zwei, die die Bedeutung deutlich machen:
1. Parallelen, die einander entsprechen, auch synonyme Parallelismen genannt. Wir finden dies vor allem in „Lehrpsalmen“, Psalmen, die Unterweisungen enthalten. In diesem Fall wird ein Gedanke aus der ersten Zeile des Verses in der folgenden Zeile mit anderen Worten, und manchmal etwas ausführlicher, dargestellt. Es sind zwei Sätze, die einen Gedanken repräsentieren. Ein Beispiel dafür ist:
„Warum toben die Nationen
und sinnen Eitles die Völkerschaften?“ (Ps 2,1).
2. Parallelen, die einander entgegengesetzt sind und einen Kontrast bilden, auch antithetische Parallelismen genannt. In diesem Fall wird ein Gedanke aus dem ersten Vers der nächsten Versreihe in entgegengesetzten Worten ausgedrückt. Häufig wird dies durch das Wort „aber“ am Anfang der zweiten Zeile angezeigt. Ein Beispiel dafür ist:
„Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten;
aber der Weg der Gottlosen wird vergehen“ (Ps 1,6).
Zusätzlich zu den parallelen Sätzen verwendet die hebräische Literatur viele sprachliche Instrumente, von denen wir einige in den Erläuterungen erwähnen werden.
Es ist wichtig, jedes Mal zu erkennen, dass Gott in diesem Buch zu uns spricht. Das bedeutet, dass wir in diesem Buch die Beziehung zwischen Gott und Mensch finden. Er hat die Schreiber der Psalmen benutzt, um diese Beziehung darzustellen. Wir sehen dies zum Beispiel in Psalm 45, wo der Heilige Geist in den Dichtern des Psalms am Werk ist, wenn er sagt: „Es wallt mein Herz von gutem Wort. Ich sage: Meine Gedichte dem König! Meine Zunge sei der Griffel eines fertigen Schreibers!“ (Ps 45,2).
Die Bedeutung der Psalmen für den Christen
Viele Christen verstehen die Bedeutung der Psalmen nicht, weil sie ihre neutestamentliche Stellung in Christus nicht kennen. Sie vergessen, dass das Alte Testament von einem irdischen Volk, Israel, vor dem Werk des Herrn Jesus am Kreuz, spricht und handelt. Dieses Volk hat keine Gewissheit des Glaubens, eine Gewissheit, die für das himmlische Volk Gottes, die Gemeinde, im Neuen Testament so charakteristisch ist. Sie lassen sich in ihrem Glaubensleben von den Psalmen leiten, die für das Glaubensleben der alttestamentlichen Gläubigen charakteristisch sind. Die Erfahrung ihres Glaubens geht mit ihren Gefühlen auf und ab. Die Ursache dafür ist nicht das Wissen um die Gewissheit der Errettung durch den Glauben (1Joh 5,13). Durch den Geist Gottes kann jedes Kind Gottes diese Gewissheit besitzen.
Diese Gewissheit ist, dass die Beziehung zu Gott vom Glauben an das vollendete Werk Christi abhängt und nicht von Gefühlen. Der Gläubige des Alten Testaments weiß davon nichts, denn dieses Werk war noch nicht vollbracht. Daher kann von einer Ruhe in diesem Werk, die das Privileg des neutestamentlichen Gläubigen ist, nicht die Rede sein. Gefühle gehören zum Glaubensleben, sind aber nicht die Grundlage des Glaubenslebens. Die Annahme im Glauben von Christus und seinem Werk bestimmt die Beziehung zu Gott, der dadurch als Vater gekannt wird.
Durch die Propheten spricht Gott zu dem Menschen. In den Psalmen hören wir den Menschen zu Gott sprechen inmitten von Umständen, die auch zukünftige Ereignisse sind, auf die sich die Propheten beziehen. Die Psalmen sind Prophezeiungen aus dem Herzen der Gottesfürchtigen und nicht umgekehrt, wie es bei den Propheten, die im Namen Gottes zu den Menschen sprechen, üblich ist. Es sind Gefühle des Vertrauens. Die Psalmen setzen die Kenntnis der Prophezeiungen voraus.
Neben dem Herrn Jesus finden wir in diesem Buch auch die Gläubigen, die sprechen. Diese sind prophetisch die Gläubigen der Endzeit, der treue Überrest Israels, der eng mit dem Herrn Jesus verbunden ist. Die Gefühle der Dichter der Psalmen, die sie zu ihrer Zeit hatten, und das, was sie ausdrückten, werden in den Herzen der Gläubigen in der Endzeit in der Zukunft präsent sein.
Das Buch der Psalmen hat eindeutig einen prophetischen Charakter. Das zeigt sich in der Rede des Petrus am Pfingsttag: „Denn David sagt über ihn: „Ich sah den Herrn allezeit vor mir; denn er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht wanke. Darum freute sich mein Herz, und meine Zunge frohlockte; ja, auch mein Fleisch wird in Hoffnung ruhen; denn du wirst meine Seele nicht im Hades zurücklassen noch zugeben, dass dein Frommer Verwesung sehe. Du hast mir kundgetan Wege [des] Lebens; du wirst mich mit Freude erfüllen mit deinem Angesicht.“ Brüder, [es sei] erlaubt, mit Freimütigkeit zu euch zu reden über den Patriarchen David, dass er sowohl gestorben als auch begraben ist, und sein Grab ist unter uns bis auf diesen Tag. Da er nun ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte, von der Frucht seiner Lenden auf seinen Thron zu setzen, hat er voraussehend von der Auferstehung des Christus geredet, dass er nicht im Hades zurückgelassen worden ist noch sein Fleisch Verwesung gesehen hat“ (Apg 2,25–31).
Die Psalmen weisen auf Ereignisse hin, die sich in der Zukunft abspielen werden. Es geht um Israel und Zion und den Herrn Jesus als König über sein Volk. Die Psalmen können nicht prophetisch auf die Gemeinde angewendet werden. Ein deutliches Beispiel haben wir in den so genannten Rachepsalmen, in denen die gottesfürchtigen Juden um Gericht über ihre Feinde bitten (Ps 69,23–29; 137,7–9). Dies ist nicht die Sprache der Gemeinde Gottes. In der Nachfolge des Herrn ist es für uns, die Gläubigen der Gemeinde, angebracht, für diejenigen zu beten, die uns verfolgen und Böses tun (Mt 5,43.44; Lk 23,34; Apg 7,60).
Die Psalmen können uns nichts über die grundlegenden Wahrheiten des Christentums sagen, einfach weil sie zu dieser Zeit noch nicht offenbart worden sind. Der Horizont der Psalmen ist irdisch, sie handeln von den Gefühlen der Menschen, die unter dem Gesetz sind. Im Neuen Testament werden die Psalmen auch als Teil des Gesetzes gesehen. Nachdem er einige Verse aus den Psalmen zitiert hat, sagt Paulus, dass dies alles ist „was das Gesetz sagt“ (Röm 3,19).
Viele Christen finden ihre Gefühle in den Psalmen wieder, weil sie sich zu Unrecht unter das Gesetz gestellt haben. Das Buch lässt uns die Gefühle von Gläubigen hören, die das Gesetz von Gott halten wollen, aber immer wieder entdecken, dass sie das Gesetz brechen. Eine solche Person wird in Römer 7 beschrieben (Röm 7,7–25). Wie oben angedeutet, beschreibt das Buch nicht die Gefühle des Christen, der den Vater kennt und seine Stellung vor Gott kennt, sondern die des frommen Juden, der keinen freien Zugang ins Heiligtum hat. Im Alten Testament ist der Zugang zu Gott noch nicht offenbart worden.
Unsere Position ist durch das ewige Leben, das uns gegeben wurde, mit der Offenbarung des Herzens des Vaters verbunden, die der Herr Jesus erklärt, als Er auf die Erde gekommen ist. Dies ist bei dem Entstehen der Psalmen unbekannt. Israel kennt Gott als Vater, aber im Sinne des Schöpfers, als den Ursprung seines Volkes (5Mo 32,6; Jes 63,16; 64,7; Mal 2,10). Wir kennen Gott als den Vater des Herrn Jesus, der unser Leben ist, der Vater des Sohnes.
Darüber hinaus haben wir das Zeugnis des Heilige Geistes vom Herrn Jesus zur Rechten Gottes im Himmel und was unser Platz in Verbindung mit Ihm dort ist. Der Heilige Geist wohnt in dem neutestamentlichen Gläubigen, der das Evangelium seiner Errettung angenommen hat (1Kor 15,1–4; Eph 1,13). Gläubige des Alten Testaments kennen den Heiligen Geist, aber Er wohnt nicht in ihnen. Er arbeitet auf der Erde während der Zeit des Alten Testaments, aber Er wohnt dort nicht. Der Heilige Geist ist erst auf die Erde gekommen, um in der Gemeinde und im Gläubigen zu wohnen, als der Herr Jesus im Himmel verherrlicht worden ist (Joh 7,37–39; 1Kor 3,16; 6,19).
Ein weiterer Unterschied ist das Wissen um die Erlösung. Der neutestamentliche Gläubige weiß, dass der Herr Jesus die ewige Erlösung erfunden hat (Heb 9,12), sodass eine Wiederholung seines Opfers nicht notwendig ist. Der alttestamentliche Gläubige kennt nicht ein für alle Mal einmaliges, vollendetes Opfer (Heb 9,28a) und muss jedes Mal, wenn er gesündigt hat, mit einem Opfer kommen. Dies beweist, dass er das vollkommene Heil nicht kennt, denn von einem einmal für alle Mal vollendeten Werk ist dann noch nicht die Rede (Heb 10,1–3.11–14).
Welchen Wert haben die Psalmen also für uns Christen? Viel, in jeder Hinsicht. Zunächst einmal finden wir in den Psalmen die Gefühle des Herrn Jesus in Verbindung mit seinem irdischen Volk. Wir lernen seine Gefühle kennen, sein Leiden und sein Mitleid mit den Seinen, die in Schwierigkeiten und Prüfungen stecken. Gerade weil es um Ihn geht, wollen wir, die Christen, mehr darüber wissen. Wir wollen Ihn besser kennen lernen.
Zweitens lernen wir durch die Psalmen die Gefühle des treuen Überrestes in der Endzeit kennen. Weil auch der Herr Jesus großes und tiefes Leid durchlebt hat, leidet Er mit dem Überrest. Dies bezieht sich auf all das Leid, das sie von der Seite der Menschen erfahren werden.
Drittens gilt alles, was im Buch der Psalmen steht, für das gesamte Alte Testament: „Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben“ (Röm 15,4). Obwohl unsere Position vor Gott und unsere Beziehung zu Gott anders ist, höher als die der Gläubigen des Alten Testaments, teilen wir viel mit ihnen. Deren Gott Davids ist auch unser Gott, und Abrahams Glaube an Gott ist auch unser Glaube.
So teilen wir mit ihnen unsere Liebe zu Gott und seinem Wort und das Vertrauen, dass Er alle seine Versprechen erfüllen wird. Wie sie, erleben wir die Feindschaft von Menschen, die Gott und damit auch uns hassen. Genau wie sie, machen wir eine Menge Mühe und Trauer durch. Genau wie bei ihnen, kann dies das Ergebnis unserer eigenen Untreue sein. Es kann auch, genau wie bei ihnen, passieren, dass wir nicht verstehen, warum uns bestimmte Dinge passieren und wir unsere Fragen dazu haben. Wir erkennen viele der Gefühle gottesfürchtiger Israeliten in unserem Leben mit dem Herrn. Ihr Glaube und ihre Erfahrung sind ein Beispiel für uns.
Der Herr Jesus und die Seinen
Ein weiterer Aspekt unseres großen Interesses an den Psalmen ist, dass wir direkt an dem großen Endergebnis aller Wege Gottes beteiligt sind, die der Geist in den Psalmen zeigt. Die neutestamentlichen Gläubigen sind mit Christus auf die engste Weise verbunden, nämlich als ein Leib mit einem Haupt. Deshalb werden sie mit Ihm über die Nationen im Friedensreich herrschen. Er, der der Messias seines irdischen Volkes und der weltweite Herr und König ist, ist von Gott der Gemeinde als Haupt über alles gegeben worden (Eph 1,10.22.23). Deshalb haben sie das größte Interesse an Ihm, auch wenn es um seine Verbindung mit seinem irdischen Volk geht.
Zu allen Zeiten gab es in Israel treue Menschen, die immer die Gefühle in ihren Herzen hatten, die wir hier finden. Aber es waren immer Einzelpersonen, nie die Masse. Der Herr Jesus macht sich eins mit dem Überrest. Das Leiden der Menschen und das Leiden des Herrn Jesus finden sich in diesem Buch. Auch heute macht Er sich eins mit allen, die in seinem Namen leiden.
Was das Leiden des Herrn Jesus in Verbindung mit seinem Volk betrifft, so ist es gut zu sehen, dass es mehrere Aspekte dieses Leidens gibt. Zunächst einmal leidet Er als Sühne für Gott für alle, am großen Versöhnungstag, dargestellt durch den ersten Bock, der als Sündopfer dargebracht wird (3Mo 16,15–19). Das bedeutet, dass auf der Grundlage des Werkes des Herrn Jesus, Versöhnung für alle Menschen angeboten wird. Zweitens leidet Er auch als Stellvertreter für sein Volk. Dies wird am großen Versöhnungstag vorgestellt, wenn der Hohepriester die Hände auf den Kopf des zweiten Bocks gelegt hat, der als fortgeschickter Bock dargestellt wird, der Bock für Asasel (3Mo 16,8.10.20–22.26). Das bedeutet, dass der Herr Jesus durch sein Werk am Kreuz jeden, der das Angebot der Buße angenommen hat, tatsächlich mit Gott versöhnt hat.
Dieses sühnende Leiden mit seinen beiden Aspekten ist im Neuen Testament immer im Singular zu finden. Es ist ein Leiden, das nur der Herr Jesus erleidet, so wie am großen Versöhnungstag die ganze Arbeit vom Hohenpriester allein geleistet wird. Dies zeigt, was in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz geschah. Da war Er ganz allein, sogar von Gott verlassen.
Ein weiterer Aspekt seines Leidens ist ein Leiden, das Er zusammen mit seinem Volk erleidet. Dies ist der Fall bei dem Leid, das seinem Volk zugefügt wird. Im Neuen Testament ist dieses Leiden immer im Plural. Dieses Leiden wird treffend wie folgt dargestellt: „In all ihrer Bedrängnis war er bedrängt“ (Jes 63,9a). Wir sehen ein Bild davon in dem feurigen Ofen, in den Daniels Freunde wegen ihrer Treue zu Gott geworfen werden. Er kommt im Feuer zu ihnen (Dan 3,23–25). Das ist das Leiden um der Gerechtigkeit willen, das Leiden für die Erfüllung von Gottes Willen, von dem sie in der Welt von Ihm Zeugnis ablegen.
Es gibt noch eine andere Seite des Leidens seines Volkes, nämlich das Leiden – im Plural im Neuen Testaments – in das Gott sie bringt, um sie zu reinigen. Dieses Leiden war beim Herrn nicht notwendig. Er war das Heilige (Lk 1,35), das Lamm ohne Flecken und ohne Fehl (1Pet 1,19). Sein Leiden in seinem Leben auf der Erde und während seines Leidens am Kreuz von der Seite der Menschen war bei Ihm nur notwendig, um uns zu zeigen, dass Er der Heilige war, der geeignet war, als Opfer geopfert zu werden.
Das Leiden zusammen mit seinem Volk hat auch zwei Seiten. Die erste Seite ist das Leiden, in das Gott sie bringt, um sie zu reinigen. Das Ergebnis ist, dass sie in Übereinstimmung mit Gott gebracht werden. Die zweite Seite ist das Leid, das ihnen von Menschen zugefügt wird, weil sie Gottes Volk sind. Das ist das Leiden um der Gerechtigkeit willen, das Leiden, weil sie Gottes Willen tun, durch den sie in der Welt Zeugnis für Ihn ablegen. Die Welt kann dadurch herausfinden, wer Gott ist.
Der Überrest leidet innerlich, in ihrem Gewissen, wenn sie sehen, was der Herr Jesus für sie getan hat, um sie von ihren Sünden zu befreien. Sie werden sich ihrer Schuld bewusst. Ihr Trost ist, dass sie sich der Vergebung ihrer Sünden bewusst werden. Der Überrest leidet auch von Seiten der Menschen, die sie wegen ihrer Verbindung zu Christus verfolgen. Dann beteuern sie ihre Unschuld. Ihr Trost ist, dass der Herr Jesus ihr Leiden kennt und mit ihnen teilt.
Einteilung der Psalmen
Das Buch der Psalmen wird in fünf Bücher unterteilt:
Buch 1 besteht aus den Psalmen 1–41
Buch 2 besteht aus den Psalmen 42–72
Buch 3 besteht aus den Psalmen 73–89
Buch 4 besteht aus den Psalmen 90–106
Buch 5 besteht aus den Psalmen 107–150
Diese Einteilung wird durch den Abschluss der Bücher 1–4 deutlich, die jeweils durch die gleiche Lobpreisung gekennzeichnet sind (Ps 41,14; 72,19; 89,53; 106,48). In den Büchern 1–3 finden wir ein doppeltes „Amen“ (Ps 41,14; Ps 72,19; 89,53) und in Buch 4 ein „Amen! Lobt den HERRN!“ oder „Amen! Halleluja!“ (Ps 106,48). Das Buch der Psalmen schließt mit fünf „Halleluja-Psalmen“, die alle mit „Lobt den HERRN!“ oder „Halleluja!“ beginnen und enden (Psalmen 146–150).
Wegen der Aufteilung der Psalmensammlung in fünf Bücher haben bereits die Juden sie als „Pentateuch Davids“ bezeichnet. Pentateuch bedeutet „fünfteilig“. Bekannt ist der Pentateuch des Moses, das sind die Bücher Genesis bis Deuteronomium. Der Pentateuch des Moses kann mit den fünf Büchern verglichen werden, in die die Psalmen eingeordnet werden können. Diese Einteilung unterstützt die oben gemachte Bemerkung, dass es eine klare Ordnung in den Psalmen gibt:
Buch 1 Psalmen 1–41 / Genesis (1. Mose)
Buch 2 Psalmen 42–72 / Exodus (2. Mose)
Buch 3 Psalmen 73–89 / Levitikus (3. Mose)
Buch 4 Psalmen 90–106 / Numeri (4. Mose)
Buch 5 Psalmen 107–150 / Deuteronomium (5. Mose)
1. In Buch 1 wird das Meiste über den Herrn Jesus und auch über den Überrest in Verbindung mit Ihm erwähnt. Der Herr Jesus ist das Zentrum von Gottes Ratschlägen und die Quelle des Segens für den gläubigen Rest Israels.
In diesem ersten Buch der Psalmen geht es, wie im ersten Buch Mose, um den Menschensohn, der alles geschaffen hat und dem alle Dinge unterworfen sind (1Mo 1,1; Joh 1,1–3; Ps 8,4.7).
2. Buch 2 befasst sich mit den Überrest der zwei Stämme. Dieser Überrest floh aus Jerusalem wegen des Antichristen, der den Götzendienst einführte (Mt 24,15.16). Ihre Flucht ist wegen des Antichristen und wird von Gott benutzt, um ihren Glauben zu reinigen.
Das zweite Psalmenbuch beginnt mit einem Ruf an Gott in großer Not (Ps 42,1–4) und endet mit der Herrlichkeit Gottes (Ps 72,19). Das sehen wir auch im zweiten Buch Mose (2Mo 2,23; 40,34.35)
3. In Buch 3 geht es um die Geschichte der zehn Stämme. Sie werden in das Land zurückgebracht. Die Trennung des Volkes in zwei und zehn Stämme wird aufgehoben. Es gibt ein Volk unter einem König, ihren Messias. Wir sehen Israel hier in Verbindung mit dem Heiligtum.
Im dritten Psalmenbuch hören wir oft von dem Heiligtum, in dem Gott wohnt. Dies ist auch das Thema des dritten Buch Moses.
4. In Buch 4 sehen wir, dass nach dem Versagen des ersten Menschen, durch den zweiten Menschen, Christus, die Verheißungen an Israel erfüllt werden. Es gibt einen Segen nicht nur für das wiederhergestellte Israel, sondern durch sie auch für die ganze Menschheit. Alle Segnungen sind das Ergebnis von Christi Werk am Kreuz und seiner Herrschaft.
Das vierte Psalmenbuch spricht von der Reise des Volkes Gottes durch die Wüste. Dies ist auch das Thema des vierten Buch Mose.
5. In Buch 5 erhalten wir einen Überblick über alle Wege Gottes und die endgültige Erfüllung wird uns gezeigt. Wir sehen das volle Ergebnis, in dem Gott und Mensch in Harmonie zusammengebracht werden. Wir sehen auch das Fundament, auf dem das Volk vor Gott steht.
Das zeigt uns auch das fünfte Buch Mose.
Einführung zu Buch 1 (Psalmen 1–41)
Buch 1 ist das erste Buch Mose der Psalmen. Wie 1. Mose zeigt uns Buch 1 die Prinzipien von Gottes Ratschluss in Christus. In 1. Mose finden wir, wie Gott den Menschen geschaffen hat und zu welchem Zweck. In Buch 1 der Psalmen sehen wir den Weg des vollkommenen Menschen in den Gedanken Gottes.
In Buch 1 sehen wir die folgende Unterteilung:
1. In den Psalmen 1–8 sehen wir Christus in seinem Dienst und seinem Werk. Sein Dienst als König über Israel in Psalm 2 gipfelt in seiner Herrlichkeit als Menschensohn, der in Psalm 8 über die ganze Schöpfung herrscht.
Diese Kapitel können als Einführung in das gesamte Buch der Psalmen betrachtet werden.
a. In den Psalmen 1 und 2 der Sohn Gottes, der König Israels.
b. In den Psalmen 3–7 der treue Überrest.
c. In Psalm 8 der Menschensohn, dem alle Dinge unterworfen sind.
2. In den Psalmen 9–15 sehen wir den Feind und den Antichristen, die Unterdrückung und die Erlösung.
3. In den Psalmen 16–41 sehen wir Christus inmitten der Seinen, um Gott zu offenbaren und die Seinen zu heiligen.
a. In Psalm 16 sehen wir Christus makellos und unbefleckt. Er ist die Grundlage für das Gebet der Errettung in Psalm 17 und die Erhörung des Gebets in Psalm 18.
b. In Psalm 22 erkennen wir das Werk Christi als Sündopfer, während Psalm 40 sein Werk als Brandopfer beschreibt.
c. Psalm 41 zeigt, dass die beiden Wege von Psalm 1 zu dem Gegensatz zwischen dem Glauben und dem Nicht-Glauben an das Werk Christi am Kreuz führen.