Einleitung
Psalm 51 ist die Antwort des treuen Überrestes auf die Ermahnung von Psalm 50. Sie sind aufgerufen, den HERRN anzurufen „am Tag der Bedrängnis“ (Ps 50,15). Sie haben „einen zerbrochenen Geist“ und „ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz“ (Ps 51,19) und zittern vor seinem Wort (Jes 66,2b).
Diese Antwort ist das Opfer, das Gott wohlgefällig ist. In Psalm 50 ist das das Opfer des Lobes und das Opfer der Gelübde (Ps 50,14), in Psalm 51 ist es das Opfer eines zerbrochenen Geistes und eines zerbrochenen und zerschlagenen Herzens (Ps 51,19).
Wir können Psalm 51 in drei Teile unterteilen:
1. Die Verse 3–8 handeln von der Buße.
2. In den Versen 9–15 geht es um die Bitte um Vergebung.
3. In den Versen 16–21 geht es um Wiederherstellung und Lobpreis.
Wenn wir einige der Begriffe vergleichen, die in diesen drei Abschnitten vorkommen,
1. „wasche mich“ (Vers 4),
2. „entsündige mich“ (Vers 9) und
3. „errette mich von Blutschuld“ (Vers 16),
bekommen wir einen Eindruck von der tiefen Demütigung, die David durchmachte, um durch Buße und Vergebung zu einer vollständigen Wiederherstellung und Lobpreisung zu kommen.
1 - 2 Überschrift
1 Dem Vorsänger. Ein Psalm von David, 2 als der Prophet Nathan zu ihm kam, nachdem er zu Bathseba eingegangen war.
Für den Ausdruck „Vorsänger“ siehe die Erklärung zu Psalm 4,1. Dass David diesen Psalm „dem Vorsänger“ dichtet, zeigt, dass er wirklich zerbrochen ist. Dieser Psalm ist der vierte „Bußpsalm“ von den sieben, die in den Psalmen zu finden sind (Psalmen 6; 32; 38; 51; 102; 130; 143). Es ist der mittlere und auch der tiefste dieser sieben Psalmen.
Für den Ausdruck „Psalm von David“ siehe die Erklärung zu Psalm 3,1.
Der Anlass für die Dichtung des Psalms ist Davids Ehebruch mit Bathseba (Vers 2; 2Sam 11,1–5; 12,1–12). Nathan kam zu David, nachdem David zu Bathseba gekommen war [„eingegangen“ ist „gekommen“]. Der Geist verwendet hier ein Wortspiel. Nathan kam zu David, um ihn auf seine Sünde aufmerksam zu machen.
Seine Sünde ist mehrfach. Zuerst begeht er die Sünde des Ehebruchs, „nachdem er zu Bathseba gekommen war“, um mit ihr zu sündigen, indem er mit ihr Ehebruch begeht. Dann sündigt er, indem er Urija, Bathsebas Ehemann, mit einer List tötet und damit Blutschuld auf sich lädt (Vers 16). Es sind mehrere „Übertretungen“, siehe Plural in Vers 3 und Vers 5.
Von David heißt es, dass er „getan hatte, was recht war in den Augen des HERRN, und von allem, was Er ihm geboten hatte, nicht abgewichen war alle Tage seines Lebens, außer in der Sache Urijas, des Hethiters“ (1Kön 15,5). Was David tat – Ehebruch mit Bathseba, der Frau des Urija, und der Mord an Urija – ist ein Typus für Israels zweifache Sünde:
1. die Annahme des Antichristen, was, geistlich gesehen, Ehebruch ist, und
2. die Ablehnung Christi, die Mord ist (vgl. Joh 5,43).
David verbarg seine Sünden zunächst etwa ein Jahr lang. Erst durch den Dienst Nathans wurde er gebrochen und bekannte seine Sünden, woraufhin ihm sofort gesagt wurde, dass der HERR seine Sünde weggetan hat (2Sam 12,13). Doch wir sehen in diesem Psalm, dass Bekenntnis und Vergebung ein Prozess sein können. Echtes Verstehen der Sünde und Erkennen und Annehmen von Vergebung brauchen Zeit. Es ist ein Beweis für ein tiefgreifendes Wirken des Geistes Gottes, wenn etwas Zeit nötig ist. Diejenigen, die ihre Sünden schnell bekennen und Vergebung fordern, haben keine Ahnung von ihren Sünden vor Gott und sind unaufrichtig in ihrem Bekenntnis.
Davids Bekenntnis ist prophetisch anwendbar auf den gläubigen Überrest. Wie oben erwähnt, hat das Volk in zweierlei Hinsicht gesündigt:
1. Es hat Ehebruch gegen Gott begangen, indem es sich mit dem Antichristen verbündet hat (Joh 5,43b).
2. Es hat einen Mord begangen, indem es Christus an das Kreuz verwiesen hat (Joh 5,43a).
Die erste Sünde ist die Übertretung der Gebote auf der ersten Steintafel des Gesetzes, das die Beziehung zu Gott regelt. Die zweite Sünde ist die Übertretung der Gebote der zweiten Steintafel des Gesetzes, die das Verhältnis zum Nächsten regelt. Die erste ist die Sünde der Verderbtheit, die andere ist die Sünde der Gewalt (1Mo 6,11; vgl. Mt 5,31.21).
3 - 4 Gebet um Reinigung
3 Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Güte! Nach der Größe deiner Erbarmungen tilge meine Übertretungen!
4 Wasche mich völlig von meiner Ungerechtigkeit, und reinige mich von meiner Sünde!
Nachdem David von Nathan von den schrecklichen Sünden, die er begangen hat, überführt wurde, ist seine erste Bitte an Gott, dass Er sich seiner erbarmen möge (Vers 3). Im Alten Testament gibt es Regelungen für Totschlag ohne Vorsatz, aber Davids Sünde ist vorsätzlicher Mord. Dafür ist im Alten Testament keine Vergebung möglich. David weiß, dass er die Todesstrafe verdient hat. Er hat kein Recht zu leben, es sei denn, Gott hat Erbarmen mit ihm. Dabei bittet er, dass Gott ihm „nach deiner Güte“ gnädig sei. David beruft sich darauf, wer Gott ist (2Mo 34,6.7).
Dann bittet er Gott, seine Übertretungen zu tilgen, sie zu entfernen, sodass er kein Vorstrafenregister mehr hat (vgl. Kol 2,14; Jes 43,25; 44,22). Er bekennt, dass er Gottes Gebote „Du sollst nicht ehebrechen“ und „Du sollst nicht töten“ gebrochen hat. Er verschweigt diese Übertretungen nicht, sondern bekennt sie ohne Entschuldigung.
Tatsächlich gibt es für Hurerei und Ehebruch keine einzige Entschuldigung. Es sind Sünden, die nicht ungeschehen gemacht werden können. David hat eine unauslöschliche Schuld auf sich geladen. Die einzige Möglichkeit der Auslöschung liegt in der „Größe“ der „Erbarmungen“ Gottes. Darauf beruft er sich.
Das hebräische Wort für Sünde, chata'a, bedeutet, das Ziel zu verfehlen, das Gott für das Geschöpf gesetzt hat, nämlich die Verherrlichung Gottes gegenüber der Schöpfung (den Menschen) (Röm 3,23). Die Sünde ist sozusagen ein Fleck auf seiner Kleidung bzw. seiner äußeren Erscheinung und muss daher abgewaschen werden.
David ist nicht nur schuldig wegen seiner Sünde, er ist durch sie schmutzig geworden (Vers 4). Er bittet nicht nur um die Beseitigung seiner Übertretung durch Vergebung auf der Grundlage der Barmherzigkeit, sondern auch darum, von seiner „Ungerechtigkeit“ reingewaschen zu werden.
Das Wort für „waschen“ wird verwendet, um schmutzige Kleidung sauber zu waschen. Davids Sünden sind „wie Scharlach“ (Jes 1,18) und können von Menschen niemals weiß gemacht werden. Gewaschene Kleidung spricht von einem Neuanfang mit Gott (1Mo 35,2).
Das hebräische Wort für „Ungerechtigkeit“ ist awon. Die Bedeutung ist „schief handeln, nicht aufrichtig“. Das Verhalten ist wie „ein verdrehtes und verkehrtes Geschlecht“ (Phil 2,15). Das Gewissen funktioniert nicht mehr. Es ist ausgeschaltet.
Als König ist er Stellvertreter Gottes und hat eine Vorbildfunktion. Es ist seine Berufung und sein Auftrag, das Volk auf den Weg Gottes zu führen und zu zeigen, wie Gott zu dienen ist. Stattdessen hat er durch seine Sünden sein Vorbild beschmutzt. Der Name Gottes wurde durch sein Verhalten in Schande gebracht. Diese Schande muss reingewaschen werden und nur Gott kann das tun.
Schließlich bittet David Gott, ihn von seiner Sünde zu reinigen. Darin liegt der Vergleich mit dem Aussatz. Die Sünde ist, wie der Aussatz, ein Hindernis, Gott zu nahen (vgl. Vers 9). Durch die Sünde ist die Beziehung zu Gott zerbrochen und der Mensch erreicht nicht die Herrlichkeit Gottes. Wegen seiner Sünde hat David keinen Zugang mehr zu Gott in seinem Heiligtum, wo alles rein und heilig ist, in Übereinstimmung mit dem, der Gott ist. Er sehnt sich nach der Wiederherstellung seiner Gemeinschaft mit Gott und bittet darum, gereinigt zu werden (vgl. 1Joh 1,9).
Was David in diesen beiden Anfangsversen bittet, zeigt, dass er Einsicht darin hat, was Sünde bewirkt und was es braucht, um von ihrer Last befreit zu werden. Er bittet um , „Tilgung“, „Waschung“ und „Reinigung“. „Tilgen“ bedeutet, die Aufzeichnung der eigenen Übertretungen vollständig zu entfernen. „Waschen“ ist das Entfernen des Schmutzes des Flecks der Sünde. „Reinigen“ bezieht sich auf die Reinigung seines Herzens und seines Gewissens im Zusammenhang mit seiner Schuld. Die erste ist gegenüber Gott, die zweite gegenüber den Menschen, die dritte gegenüber sich selbst. Wenn all das geschieht, sind seine Übertretungen, seine Ungerechtigkeit und seine Sünden vollständig vergeben.
5 - 8 Bekenntnis und Reue
5 Denn ich kenne meine Übertretungen, und meine Sünde ist beständig vor mir.
6 Gegen dich, gegen dich allein habe ich gesündigt, und ich habe getan, was böse ist in deinen Augen; damit du gerechtfertigt wirst, wenn du redest, für rein befunden, wenn du richtest.
7 Siehe, in Ungerechtigkeit bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen.
8 Siehe, du hast Gefallen an der Wahrheit im Innern, und im Verborgenen wirst du mir Weisheit kundtun.
David kennt seine Übertretungen (Vers 5). Das Bewusstsein dafür ist notwendig, damit Gott sein Werk der Wiederherstellung tun kann. Es muss eine völlige Offenheit darüber sein. Seine Sünde ist ihm beständig vor Augen, da Nathan sie für ihn aufgedeckt hat. Dies ist keine angenehme Situation, aber sie ist äußerst vorteilhaft. Erst als Gott Nathan zu ihm schickt, kommt er zu einem vollen und aufrichtigen Bekenntnis. Dieser Psalm ist der Beweis dafür.
Obwohl David gegen seinen Nächsten gesündigt hat, bekennt er, dass er gegen Gott gesündigt hat, ja, gegen Gott allein (Vers 6; 2Sam 12,13a). Das Hauptanliegen bei der Sünde ist, dass sie in den Augen Gottes böse ist. Gott wurde entehrt. Jede Sünde gegen den Nächsten ist zuerst und vor allem eine Sünde gegen Gott. Wenn dieses Bewusstsein nicht an erster Stelle steht, wird es kein gründliches Bekenntnis geben. Dann gibt es nur Bedauern, vor allem über die Folgen, aber keine Reue für die Tat.
Gott ist absolut gerecht. Wenn wir anerkennen, dass wir gegen Ihn gesündigt und getan haben, was in seinen Augen böse ist, erkennen wir an, dass Er in seinem Urteil über die Sünde gerecht ist. Das Wort „bekennen“ bedeutet „dasselbe sagen“. Eine Sünde zu bekennen bedeutet, eine Sünde so zu sehen, wie Gott sie sieht, und dasselbe darüber zu sagen, was Er sagt. Das ist es, was David tat, als Nathan ihn im Auftrag Gottes mit seiner Sünde konfrontierte. Er rechtfertigte Gott in seinem Urteil über die von ihm begangene Sünde. Paulus zitiert diesen Vers im Brief an die Römer, dem Brief, in dem er erklärt, was die Gerechtigkeit Gottes ist (Röm 3,4).
Gott bestimmt, was Sünde ist. Sünde ist alles, was ohne die Anerkennung seines Rechts auf unser Leben getan wird. Der Mensch wurde zu dem Zweck geschaffen, seinen Schöpfer zu verherrlichen. Er verfehlt dieses Ziel, indem er als Sünder lebt (Röm 3,23). In seinem Gesetz sagt Er, was der Mensch tun muss und was Er tun wird, wenn der Mensch das Gesetz übertritt. Wenn Gott richtet, weil sein Gesetz übertreten wurde, beweist Er, dass Er rein ist. Er ist „zu rein von Auge, um Böses zu sehen“ (Hab 1,13a). Nur wenn eine Person anerkennt, dass Gott gerecht und rein ist, kann Gott diese Person als gerecht und rein erklären.
David steigt noch tiefer in das Problem der Sünde hinab. Er gibt zu, dass er „in Ungerechtigkeit … geboren“ und von seiner Mutter „in Sünde … empfangen“ wurde (Vers 7). Das ist kein Achselzucken über seine Schuld, sondern die Erkenntnis, dass er bis in die Tiefe seines Wesens ein Sünder ist. Er spricht nicht nur von seinen Sünden als Taten, sondern von der Sünde, die in ihm ist, als Quelle der Taten, von der sündigen Natur, die jeder Mensch hat (vgl. Röm 7,18a).
Wir nennen das die „Erbsünde“, die jeder Mensch hat, seit Adam in Sünde gefallen ist. Wir sind nicht Sünder, weil wir sündigen; wir sündigen, weil wir Sünder sind. Die Lehre dazu findet sich im Römerbrief. Es wird empfohlen, dass wir diesen Brief regelmäßig lesen. Den Unterschied zwischen der Sünde als Tat und der Sünde als Quelle zu sehen, ist grundlegend, wenn es ein tiefes Bekenntnis geben soll. Diese Aussage Davids ist eine seltene und zugleich klare Aussage über die Erbsünde im Alten Testament (vgl. Hiob 14,4; 15,14; 25,4; Ps 58,4).
David hat ein tiefes Verständnis dafür, was Gott sucht und schätzt (Vers 8). Er weiß, dass Gott „Gefallen an der Wahrheit im Innern“ hat. Das Innere ist das innere Selbst, die Seele oder das Herz (vgl. Hiob 38,36). Er erlebte in seinen Gefühlen, dass Gott keine Freude in seinem Innern hatte, auch nicht, als er seine Sünden in sich verbarg. Freude ist das Ergebnis von Gottes Wirken. Er schafft die Freude (Jes 65,17.18). Die Wahrheit, an der Er Gefallen hat, ist die Anerkennung der Sünde vor Ihm und die vorbehaltlose Annahme seines Urteils darüber.
Wenn diese Wahrheit im Sünder als tiefe Überzeugung vorhanden ist, dann tut Gott „im Verborgenen … Weisheit kund.“ Im Innern ist Platz für das Bekenntnis und nun kann Gott seine Weisheit darin offenbaren. Infolgedessen kann der wiederhergestellte Gläubige die richtigen Entscheidungen bei der Wahl treffen, vor der er immer steht: die Wahl zwischen Gut und Böse.
9 - 14 Gebet um Wiederherstellung
9 Entsündige mich mit Ysop, und ich werde rein sein; wasche mich, und ich werde weißer sein als Schnee.
10 Lass mich Fröhlichkeit und Freude hören, so werden die Gebeine frohlocken, die du zerschlagen hast.
11 Verbirg dein Angesicht vor meinen Sünden, und tilge alle meine Ungerechtigkeiten!
12 Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und erneuere in meinem Innern einen festen Geist!
13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir!
14 Lass mir wiederkehren die Freude deines Heils, und mit einem willigen Geist stütze mich!
Nach seinem tiefgründigen Bekenntnis bittet David Gott, ihn mit Ysop zu entsündigen (Vers 9). Ysop ist wie ein biologischer Pinsel, mit dem man eine Flüssigkeit auf eine feste Oberfläche schmiert. Typologisch spricht es davon, das Werk Christi auf den Menschen anzuwenden. Ysop wird unter anderem verwendet, um das Blut des Passahlammes an den Türpfosten zu streichen (2Mo 12,22). Die Anwendung des Blutes oder das Annehmen seines Wertes im Glauben, dass es die Sünden vor den Augen Gottes bedeckt, bewirkt Reinigung und Vergebung (1Joh 1,7b; Off 1,5; Heb 9,22). Das Blut macht uns rein vor Gott.
David bittet auch darum, dass Gott ihn wäscht. Dies bezieht sich darauf, dass das Wort Gottes mit Wasser verglichen wird (Eph 5,26; Joh 15,3). Wir sehen hier die Anwendung des Reinigungsopfers des Aussätzigen in 3. Mose 14 (3Mo 14,1–20). Das Volk als Ganzes, d. h. der gläubige Überrest in der Endzeit, wird durch dieses Opfer ebenfalls gereinigt und die Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt. Die Anwendung für uns ist, dass wir durch das Lesen des Wortes Gottes beginnen, unsere Sünden zu erkennen. Wenn es Sünden gibt, bekennen wir sie und sie sind vergeben (1Joh 1,9).
David freut sich auf die Antwort Gottes auf sein Bekenntnis (Vers 10). Er fragt nach dem Beweis, dass Gott sein Bekenntnis angenommen hat. Dieser Beweis ist die Fröhlichkeit und Freude von Gott über sein Bekenntnis. Wenn Gott ihn das wissen lässt, wird diese Fröhlichkeit und Freude in seine Gebeine fließen und er wird vor Freude hüpfen. Jetzt fühlt er sich immer noch zerrüttet und machtlos, weil das Gesetz ihn verurteilt und sein Gewissen ihn anklagt.
Er bittet Gott, sein Gesicht vor seinen Sünden zu verbergen (Vers 11). Damit bittet er, dass Gott ihm seine Sünden vergibt und sich nicht mehr an sie erinnert. Er bittet nicht mehr um Vergebung für eine bestimmte Sünde, sondern um die Beseitigung „aller“ seiner Ungerechtigkeiten. In einem gründlichen Sündenbekenntnis wird uns bewusst, dass wir nicht nur eine bestimmte falsche Handlung begangen haben, sondern dass wir oft in Fehler verfallen sind. In Gottes Gegenwart sehen wir unseren ganzen verlorenen Zustand.
Dieses Bekenntnis weckt den Wunsch nach etwas völlig Neuem, einer neuen Schöpfung Gottes, der Schöpfung eines reinen Herzens (Vers 12). Kein Mensch kann dies für sich selbst tun, Gott muss es tun. Es muss ein schöpferischer Akt Gottes sein, in demselben Sinn, dass wir „eine neue Schöpfung“ in Christus sind (2Kor 5,17; Gal 6,15; Eph 2,10). Das Verb „schaffen“ ist hier das gleiche wie in 1. Mose 1 (1Mo 1,1). Es wird etwas völlig Neues geschaffen, das noch nicht vorhanden war. Gott kann uns nicht reparieren, Er muss etwas Neues beginnen.
Ein reines Herz ist ein Herz, das nicht durch Sünde verunreinigt ist. Dieses Herz hat einen Abscheu vor Sünde, und was aus ihm herauskommt, ist rein. Jemand, der ein reines Herz hat, hat keine Hindernisse, Gott zu nahen. Er lebt in Gemeinschaft mit Gott. Er sieht Gott, weil er ein reines Herz hat (Mt 5,8). Der neutestamentliche Gläubige weiß, dass er durch den Glauben ein reines Herz hat (Apg 15,9). Es ist wichtig, entsprechend zu leben.
Zusätzlich zu einem reinen Herzen bittet David um die Erneuerung „eines festen Geistes“ in seinem Innern. Er hatte immer diesen festen Geist und blieb auf dem Weg Gottes. Nun, da er in Sünde gefallen ist, weil er nicht fest auf Gott fixiert blieb, bittet er um eine Erneuerung davon. Er will nicht wieder so tief fallen. Aufgrund seines tiefen Falls ist er umso mehr davon überzeugt, dass Gott ihn mit diesem Geist versorgen muss, damit er in der Gemeinschaft mit Gott bleibt. Infolgedessen wird er nicht mehr so leicht in Versuchung kommen, eine Sünde zu begehen.
Wir brauchen auch einen „festen Geist“, damit wir uns nur auf Christus konzentrieren und alles von Ihm erwarten. Dann werden wir vor der Versuchung zur Sünde bewahrt, die zu neuen Verunreinigungen und, was am schlimmsten ist, zum Abbruch unserer Gemeinschaft mit Gott führt. Wir haben immer noch die sündige Natur in uns. Deshalb gilt diese Bitte auch für uns. Das Wichtigste für uns ist, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren (Apg 11,23). Dann werden wir vor der Sünde fliehen, wenn sie uns in Versuchung führen will (vgl. 1Mo 39,10–12).
Die Sünde verursacht einen tiefen Bruch mit Gott. Die Gemeinschaft mit Ihm wird dadurch abgebrochen. Wenn die Erkenntnis der Sünde durchdringt, erkennt der Sünder auch, dass Gott ihn mit Recht verwerfen muss (Vers 13). Schließlich kann Gott mit der Sünde nichts anderes tun, als sie zu verwerfen. Gleichzeitig impliziert das Aussprechen dieser Bitte, dass David darauf vertraut, dass Gott ihn, den Sünder, nicht zurückweist, weil Gott auf ein aufrichtiges Bekenntnis immer mit Gnade antwortet.
Die Bitte an Gott, seinen Heiligen Geist nicht von ihm wegzunehmen, passt in den Mund des alttestamentlichen Gläubigen David (vgl. 1Sam 16,14). Im Alten Testament wohnt der Heilige Geist nicht im Gläubigen. Er wirkt in ihm. Wir sehen den Geist bei der Schöpfung am Werk (1Mo 1,2). Ein alttestamentlicher Gläubiger kann nur durch den Heiligen Geist etwas tun, das Gott wohlgefällig ist. Alles, was bei ihm gut ist, kommt von Gottes Geist. David ist sich dessen bewusst (2Sam 23,2).
Der Heilige Geist kommt erst nach der Verherrlichung des Herrn Jesus, um auf der Erde zu wohnen. Daran lässt der Herr Jesus keinen Zweifel (Joh 7,39). Seit dem Pfingsttag wohnt der Geist in der Gemeinde (Apg 2,1–4; Eph 2,21.22) und im Gläubigen (1Kor 6,19). Wer das weiß, wird Gott niemals bitten, seinen Geist nicht von ihm zu nehmen (Joh 14,16.17; Gal 4,1–7; 1Kor 12,13).
Natürlich ist es wichtig, dass wir den Geist nicht betrüben (Eph 4,30), sondern uns vom Geist leiten lassen und im Geist wandeln (Gal 5,16.18.25). Deshalb ist das, um was David hier bittet, von großer praktischer Bedeutung für uns. Es geht um das Bedürfnis nach geistlicher Erneuerung, die auch wir regelmäßig brauchen. Hoffentlich sind wir uns dessen bewusst.
David hat oft die Freude über Gottes Rettung oder Bewahrung gekannt und genossen. Jedes Mal, wenn Gott ihm die Erlösung schenkte, war da diese Freude. Die ganze Zeit, in der er über seine Sünden geschwiegen hat, war diese Freude nicht vorhanden. Er hatte keine Gemeinschaft mit Gott. Nachdem er nun seine Sünden bekannt hat, drückt er einen tiefen Wunsch nach der Rückkehr dieser Freude über Gottes Rettung aus (Vers 14).
Der Geist, der jetzt auf ihm ist – denn sein Bekenntnis ist das Werk des Geistes – konnte nicht auf ihm sein, als er über seine Sünden schwieg. Was er sich jetzt noch wünscht, ist die Freude über Gottes Heil. Er möchte diese Freude ständig in Gottes Gegenwart erleben. Dafür bittet er Gott, ihn „mit einem willigen Geist“ zu stützen. Er bittet um innere Entschlossenheit, wieder in der Gemeinschaft mit Gott zu leben, indem er seine Gebote hält und sie nicht wieder bricht.
15 - 19 Das Opfer, das Gott nicht verachtet
15 Lehren will ich die Übertreter deine Wege, und die Sünder werden zu dir umkehren.
16 Errette mich von Blutschuld, Gott, du Gott meines Heils, so wird meine Zunge jubelnd preisen deine Gerechtigkeit.
17 Herr, tu meine Lippen auf, und mein Mund wird dein Lob verkünden.
18 Denn du hast kein Gefallen an Schlachtopfern, sonst gäbe ich sie; an Brandopfern hast du kein Wohlgefallen.
19 Die Opfer Gottes sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.
David hat um Vergebung und Wiederherstellung gebetet; jetzt betet er, dass der HERR ihn noch in seinem Dienst gebrauchen kann. Er möchte seine Erfahrungen als Übertreter mit anderen Übertretern teilen (Vers 15; vgl. Lk 22,32; Ps 34,12). Derjenige, der ein tiefes Bewusstsein für seine eigene Sündhaftigkeit und ebenso für Gottes Vergebung und wiederhergestellte Freude hat, wird sich für andere einsetzen. David möchte andere, die Gottes Gebote gebrochen haben, Gottes Wege lehren, indem er mit ihnen über das Bekenntnis zu Gott und die Umkehr zu Ihm spricht. Er ist bestrebt, Sünder von einem Weg des Irrtums zurückzubringen und dadurch eine Vielzahl von Sünden zu bedecken (Jak 5,19.20).
Als er daran denkt, andere über Gottes Wege zu lehren, überwältigt ihn wieder das Gewicht seiner Sünden (Vers 16). Jetzt denkt er an seine Blutschuld. Schließlich tötete er Urija, um seine Sünde mit Batseba zu vertuschen. Dadurch hat er Blutschuld auf sich geladen (2Sam 11,14–17). David hat bereits von der Freude über Gottes Rettung gesprochen (Vers 14), jetzt spricht er von dem „Gott meines Heils“. Wenn dieser Gott ihn von seinen Blutschulden errettet, ihn von ihnen befreit, wird seine Zunge freudig singen. Dann wird er jubelnd preisen – nicht Gottes Liebe und Barmherzigkeit, was wir erwarten könnten, sondern – Gottes „Gerechtigkeit“. Gott hat eine gerechte Grundlage für diese Errettung: das Werk seines Sohnes am Kreuz.
Dieses Bekenntnis hat eine prophetische Anwendung. In der Zukunft wird der gläubige Überrest erkennen, dass sie als Volk schuldig sind am Tod des Messias, durch den sie Blutschuld auf sich geladen haben. Auch für sie liegt die Errettung von ihrer Blutschuld in dem Werk Christi am Kreuz. Der Überrest wird auch die Sünde des Volkes des Ehebruchs bekennen, weil sie den Antichristen angenommen haben.
David bittet den „Herrn“, Adonai, den souveränen Gott und Herrscher des Universums, seine Lippen aufzutun (Vers 17). Dann wird er mit seinem Mund das Lob Gottes verkünden. Während der Zeit, in der er über seine Sünden geschwiegen hat, ist kein Lob von seinen Lippen oder aus seinem Mund gekommen. Jetzt, wo er seine Sünden gesehen und bekannt hat, bricht David nicht plötzlich in Jubel aus. Bei ihm gibt es keine Anmaßung. Sein geschlossener Mund und seine Lippen sind das Ergebnis der Sünden, die er begangen hat. Das Auftun dieser muss durch Gott erfolgen. Er bittet demütig, dass Gott es in ihm wirken möchte. Er sehnt sich danach und deshalb wird Gott es tun.
Gott hat „kein Gefallen an Schlachtopfern“ als solchen (Vers 18), denn das Blut von Stieren und Böcken kann keine Sünde wegnehmen (Heb 10,4). David weiß das, dessen ist er sich zutiefst bewusst. Er hat dies zuvor durch den Geist ausgesprochen (Ps 40,7). Wenn Gott daran Gefallen gefunden hätte, hätte er sie gerne gebracht. Gott ist auch mit Brandopfern nicht zufrieden. David weiß das auch.
Die einzigen Opfer, an denen Gott Gefallen hat, sind „ein zerbrochener Geist“ und „ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz“ (Vers 19; vgl. Jes 57,15; 66,2b). In diesen Opfern steckt nichts von Stolz und Selbstrechtfertigung, sondern eine Gesinnung, die für Gott wertvoll ist. Dies gilt auch für uns. Wer solche Opfer darbringt, ist wirklich ein „Armer im Geist“ (Mt 5,3). Ein solcher Mensch rühmt sich nicht, sondern ist demütig vor Gott.
David spricht nicht von dem Gefallen, das Gott an einer solchen Gesinnung hat, sondern sagt, dass Gott sie „nicht verachten“ wird. Dabei spricht er Gott mit Nachdruck an: „Du, Gott.“ Menschen verachten oft eine solche Gesinnung, aber „du, Gott“ gewiss nicht. Indem er sagt „verachtet nicht“, betont David, dass mit diesen Opfern kein Ruhm verbunden ist.
20 - 21 Gebet für Zion
20 Tu Zion Gutes in deiner Gunst, baue die Mauern Jerusalems!
21 Dann wirst du Gefallen haben an Opfern der Gerechtigkeit, an Brandopfern und Ganzopfern; dann wird man Stiere opfern auf deinem Altar.
Nach seinem tiefen Bekenntnis und seiner Bitte um Reinigung denkt David nun an Zion (Vers 20). Als Vertreter des Volkes hat er durch seine Sünden Schande über das ganze Volk gebracht. Gott hat sozusagen seine Hände von Zion zurückziehen müssen. Nachdem David nun sein Bekenntnis getan hat, bittet er Gott, Zion Gutes zu tun, in seiner Gunst.
Prophetisch gesehen geht es hier um den Wiederaufbau der Stadt und des Tempels, den der HERR wieder aufbauen lassen wird. Wegen der großen Drangsal hörten die Opfer auf, und wegen des Angriffs des Königs des Nordens wurde Jerusalem zerstört. Die Wiederherstellung des Tempels und des Opferdienstes wird durch den Propheten Hesekiel beschrieben (Hesekiel 40–44).
Wegen seiner Sünden ist die Stadt verletzbar geworden, die geistliche Kraft ist verschwunden. Die buchstäblichen Mauern mögen noch da sein, aber wenn die geistliche Stärke durch die Sünde weg ist, bietet die Mauer keinen Schutz mehr. Deshalb bittet David nun Gott, die Mauern Jerusalems wieder aufzubauen, d. h. dass die Stadt wieder geschützt wird.
Das Ergebnis wird sein, dass Gott wieder Gefallen an „Opfern der Gerechtigkeit“ (Vers 21) haben wird, die von den Einwohnern in Jerusalem gebracht werden. Wir können dies auf eine örtliche Gemeinde anwenden, die auch als ein Ort gesehen wird, an dem Gott wohnt. In einer örtlichen Gemeinde, wenn die Sünde gerichtet und die Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt ist, sind die geistlichen Opfer Gott wieder wohlgefällig.
Wir könnten erwarten, dass die „Opfer der Gerechtigkeit“ Sündopfer sind. Das würde gut zum Sündenbekenntnis passen. Aber David spricht von „Brandopfern und Ganzopfern“, von Opfern, die vollständig verzehrt werden. Wenn Gott beginnt, von Opfern zu sprechen, beginnt er mit dem Brandopfer (3Mo 1,1–3). Ein Brandopfer ist das höchste Opfer, das als freiwillige Opfergabe dargebracht werden kann. Von den verschiedenen Brandopfern, die dargebracht werden können, sind die „Stiere“ die höchste Form des Brandopfers (vgl. 3Mo 1,3.10.14).
Das Brandopfer ist ein Opfer, das ganz verzehrt wird. Alles, was von diesem Opfer stammt, kommt auf den Altar und geht in Rauch auf als angenehmer Duft für Gott (3Mo 1,9; vgl. 5Mo 33,10). Wenn David zusätzlich zu einem Brandopfer von einem Opfer spricht, das vollständig verzehrt wird, zeigt er Einsicht in dieses Opfer. Er erklärt die Essenz des Brandopfers. Das Brandopfer stellt das Werk des Herrn Jesus dar, das ganz und ausschließlich für Gott getan worden ist.