Einleitung
Psalm 111 ist ein Lobgesang auf die Taten Gottes in der Erlösung. Psalm 112 ist ein Lobgesang auf den Segen Gottes für die Gottesfürchtigen. Psalm 113 ist ein Lobgesang auf die Herrlichkeit des HERRN über elende Menschen.
Psalm 113 ist der erste einer Reihe von Psalmen (Psalmen 113–118), die als Hallel-Psalmen oder Lob-Psalmen bezeichnet werden. Sie werden bei den großen Festen – Passah, Pfingstfest und Laubhüttenfest – gesungen (Mt 26,30; Mk 14,26).
In Psalm 113 wird der HERR in seiner unvergleichlichen Größe und Erhabenheit besungen (Verse 1–4) und in der tiefen Herablassung seiner Liebe zu dem Elenden (Verse 5–9). Wir finden dies im Lobgesang der Hanna (1Sam 2,1–10) und im Lobgesang der Maria (Lk 1,46–55) wieder. In Hanna sehen wir die Unfruchtbare (Vers 9) und in Maria den Geringen und Armen (Vers 7).
Die Mitte, das Zentrum, ist die in Vers 5 gestellte Frage: „Wer ist wie der HERR, unser Gott?“ Das ist das Thema dieses Psalms.
Wir als Geschöpfe kennen Grenzen, wir sind begrenzt in Zeit und Raum. Wir kennen Länge, Breite, Höhe und Tiefe. Der HERR kann nicht gemessen werden, seine Herrlichkeit kennt keine Grenzen:
Seine Länge: bis in Ewigkeit (Vers 2).
Seine Breite: vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang (Vers 3).
Seine Höhe: hoch über alle Nationen … über die Himmel (Vers 4).
Seine Tiefe: der sich herabneigt, um auf die Himmel und auf die Erde zu schauen (Verse 6–9).
Es erinnert uns an das, was wir im Brief an die Epheser lesen: „Damit ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Höhe und Tiefe sei, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes“ (Eph 3,18.19). Darauf kann nur die ewige Anbetung folgen: „Dem aber, der über alles hinaus zu tun vermag, über die Maßen mehr, als was wir erbitten oder erdenken, nach der Kraft, die in uns wirkt, ihm sei die Herrlichkeit in der Versammlung in Christus Jesus auf alle Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter hin! Amen“ (Eph 3,20.21).
1 - 3 Ermutigung zum Lobpreis des Herrn
1 Lobt den HERRN!
Lobt, ihr Knechte des HERRN, lobt den Namen des HERRN!
2 Gepriesen sei der Name des HERRN von nun an bis in Ewigkeit!
3 Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobt der Name des HERRN!
Der Psalm beginnt mit dem Ausruf „Lobt den HERRN!“ oder „Halleluja!“, der gleichzeitig ein Aufruf ist Ihn zu loben (Vers 1). Die „Knechte des HERRN“ werden besonders aufgefordert, den HERRN zu loben. Damit ist das ganze Volk gemeint (2Mo 19,6) und insbesondere die Leviten und die Priester.
Nach dem Leiden des Knechtes des Herrn in Jesaja 53 werden in Jesaja 54–66 auch die Knechte des HERRN erwähnt, als Hinweis auf den treuen Überrest Israels, sie, die den HERRN fürchten. Diese Knechte des HERRN sind das Ergebnis der Taten des HERRN in Psalm 111. In Psalm 112 finden wir den Segen des HERRN über diese Knechte des HERRN. Und hier in Psalm 113 finden wir die Herrlichkeit des HERRN über diese Knechte des HERRN.
Die erste Aufgabe der Knechte ist es, „den Namen des Herrn“ zu loben. Sein Name beinhaltet alles, was Er ist. Dieser Name soll gepriesen werden, nicht nur ab und zu, zu bestimmten Anlässen, sondern immer, „von nun an und in Ewigkeit“ (Vers 2) und überall, „vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang“ (Vers 3).
Das bedeutet, dass es durch alle Generationen hindurch geschehen muss und dass die jetzt lebende Generation damit beginnen muss. Sie kann damit beginnen, weil sie jetzt gereinigt ist und ein neues Herz hat (Hes 36,25.26). Es muss eine Kontinuität im Lobpreis durch die Zeitalter hindurch geben. Jede Generation muss in Ehrfurcht vor diesem Namen leben. Wenn diese Ehrfurcht vorhanden ist, wenn Er in seiner Majestät und Erhabenheit anerkannt wird, wird sein Name gepriesen werden.
Dieser Name muss gepriesen werden, nicht nur hier und dort in Israel, sondern überall auf der Erde, „vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang“ (Zeph 2,11b; Mal 1,11). Der Lobpreis muss auf der ganzen Erde beständig sein (Ps 50,1). Der Lobpreis muss mit der Sonne laufen. Das bedeutet auch, dass wir Ihn den ganzen Tag lang loben, vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang.
„Der Name des HERRN“, ein Ausdruck, der hier dreimal erwähnt wird, soll geheiligt und gelobt und gepriesen werden. Der Name „HERR“ weist darauf hin, dass es hier besonders um seine Bundesbeziehung zu seinem Volk geht. Das sollte dem Volk Gottes als seinen Knechten eine besondere Ermutigung zum Lobpreis geben (2Mo 3,16).
4 - 9 Die Erhabenheit des HERRN
4 Hoch über alle Nationen ist der HERR, über die Himmel seine Herrlichkeit.
5 Wer ist wie der HERR, unser Gott, der hoch oben thront,
6 der sich herabneigt, um auf die Himmel und auf die Erde zu schauen?
7 Der aus dem Staub emporhebt den Geringen, aus dem Kot erhöht den Armen,
8 um ihn sitzen zu lassen bei den Edlen, bei den Edlen seines Volkes.
9 Der die Unfruchtbare des Hauses wohnen lässt als eine fröhliche Mutter von Söhnen. Lobt den HERRN!
Der Grund, den HERRN immer und überall zu preisen, ist, dass Er „hoch über alle Nationen ist“ (Vers 4). Die Nationen maßen sich an, mächtig zu sein. Sie streben nach der Weltherrschaft. Außerdem haben viele von ihnen dem Volk Gottes großes Leid zugefügt. Aber letztlich hat keines der Nationen etwas gegen Gott vorzubringen. Für Ihn sind sie „wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waagschale“ (Jes 40,15). Er ist nicht nur „über“ ihnen, sondern „hoch über“ ihnen, d. h. hoch über sie erhaben. Seine Herrlichkeit kennt keine Grenzen: Sie ist nicht auf eine Nation oder wenige Nationen und nicht auf die geschaffenen Himmel beschränkt.
Er ist nicht nur hoch über den Nationen der Erde, sondern auch „über die Himmel“. Die Himmel wurden von Ihm geschaffen, ebenso wie die Erde. Er ist nicht in seiner Schöpfung gefangen, sondern steht über ihr. Er überblickt alles auf der Erde und in den Himmeln. „Seine Herrlichkeit“ übersteigt die Pracht der Himmel. Alles im Universum spiegelt seine Herrlichkeit wider.
Mit dem hohen und erhabenen Gott kann nichts und niemand verglichen werden (Vers 5; Jes 40,18.25; 46,5; Jer 10,6.7; 49,19; 50,44; Mich 7,18). Dies ist die Kernaussage dieses Psalms. Sie ist das Zentrum und der Mittelpunkt dieses Psalms. Die Botschaft wird durch eine rhetorische Frage unterstrichen: „Wer ist wie der HERR, unser Gott?“
Alle Götter der Menschen sind in ihrer Vorstellung unangreifbar hoch über ihnen. Wie ganz anders ist der Gott Israels (1Kön 8,23; Jes 57,15). „Hoch oben thront“ Er. Seine hohe Wohnung hindert Ihn nicht daran, sich zu herabzuneigen, um alles unter Ihm zu sehen, um das Geschehen dort wahrzunehmen und daran teilzuhaben (Vers 6a).
Seine Herrlichkeit ist universal, sie steht über der ganzen Schöpfung, über Himmel und Erde. Die Erwähnung von „auf die Himmel und auf die Erde“ knüpft an Vers 5a an. Der Satz lautet wie folgt: „Wer ist wie der HERR, unser Gott (Vers 5a) … auf den Himmeln und auf der Erde? (Vers 6b)“. Die Sätze „der hoch oben thront (Vers 5b), der sich herabneigt, um … zu schauen (Vers 6a)“ bilden ein Zwischenspiel.
Seine Herrlichkeit betrifft aber nicht nur seine Macht, sondern auch seine Liebe. Er, der in der Höhe thront, ist gleichzeitig derjenige, der sich herabneigt, um zu schauen. Der Psalmist und der Überrest, wie auch wir, sehen, dass wir Gegenstände seiner großen Liebe sind. Wunder und Anbetung sind bei einer solchen Herrlichkeit ganz natürlich. Dieser Gedanke wird in den Versen 7–9 weiter ausgeführt.
Elihu bezeugt: „Siehe, Gott ist mächtig, und doch verachtet er niemand“ (Hiob 36,5a). Gott neigt sich herab zu den niedrigsten Menschen und segnet sie (vgl. 2Mo 3,8). Diese Menschen haben weder die Fähigkeit noch die Mittel, sich aus dem Schutt des Lebens emporzuarbeiten. Wenn sie dann gesegnet werden, ist das ein Beweis dafür, dass der Segen von Ihm kommt, durch seine Macht und durch seine Liebe.
Er erwählt das Schwache und Verachtete, um das Starke zu beschämen und die Weisheit der Weisen zunichtezumachen. Er handelt auf diese Weise, damit sich kein Mensch vor Ihm rühmen kann. Wäre es anders, wären die Segnungen keine Segnungen von Ihm. Er ist groß über dem Universum, und Er ist groß in seinem Segen für elende Menschen.
In den Versen 7–9 gibt der Psalmist zwei Beispiele dafür, wie Gott in Barmherzigkeit und herabneigender Güte handelt. Diese beiden Beispiele sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Es geht um den äußeren Zustand, der in Staub und Schmutz liegt, und den inneren Zustand, der unfruchtbar ist.
Im ersten Beispiel geht es um „die Geringen“ und „die Armen“ (Vers 7). Der Geringe lebt im „Staub“, der Arme „im Kot“. Man findet ihn auf den Müllhalden außerhalb der Stadt, um zu sehen, ob es noch etwas Essbares gibt. Gott holt ihn vom unteren Rand der Gesellschaft „um ihn sitzen zu lassen bei den Edlen, bei den Edlen seines Volkes“ (Vers 8; vgl. Hiob 36,7; 2Sam 9,13). Er stellt die Geringen und Armen auf dieselbe Stufe wie die Edlen, denen Er eine hochgestellte Position in dem Volk gegeben hat, das Er sich zum Eigentum gemacht hat. Dass Gott sie „sitzen“ lässt, bedeutet, dass Er ihnen einen Platz der Ruhe und Autorität gibt. Es ist das Sitzen auf einem Thron.
Für uns gilt, dass wir tot waren in unseren Vergehungen und Sünden (Eph 2,1). Dann sehen wir, was Gott mit uns gemacht hat: „Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet – und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (Eph 2,4–6). Welch eine Gnade!
Die „Edlen“ sind die gottesfürchtigen Edlen seines Volkes (Jes 32,8). Es handelt sich eindeutig um einen Akt seiner Gnade. Er konnte diesen Akt vollziehen, weil Er seinen Sohn „in den Staub des Todes“ (Ps 22,16c) legte, indem Er den Kot unserer Sünden auf Ihn legte (2Kor 8,9).
Das zweite Beispiel ist „die Unfruchtbare des Hauses“, die Gott „als eine fröhliche Mutter von Söhnen“ wohnen lässt (Vers 9). In der Geschichte Israels haben mehrere unfruchtbare Frauen ein oder mehrere Kinder bekommen, wie z. B. Sara, Rahel und Hanna. Im Neuen Testament können wir noch Elisabeth dazuzählen. In all diesen Fällen von Unfruchtbarkeit ist es klar, dass Gott in seiner Gnade Kinder schenkt.
Der Psalm schließt mit dem Ausruf, mit dem er begonnen hat: „Halleluja!“, d. h. „Lobt den HERRN!“. Dazu gibt es umso mehr Grund, als der Psalmist die Souveränität Gottes und seine liebevolle Fürsorge dargestellt hat.
Jeder Psalm gibt einen neuen Grund, den HERRN zu loben. In diesem Psalm ist es die Gnade des HERRN. Als erster der Hallel-Psalmen gibt dieser Psalm die Grundlage für Israels Erlösung. Diese wird in den folgenden Hallel-Psalmen ausgearbeitet.