Einleitung
Die Psalmen 1 und 2 sind die allgemeine Einführung in das ganze Buch. Psalm 1 zeigt die Wege Gottes, Psalm 2 zeigt den Ratschluss oder die Absicht Gottes.
In Psalm 1 geht es um die Treue des Einzelnen. Er vertraut auf Gott und findet seine Freude in der Betrachtung seines Wortes. Es ist jemand, der unter Gottes Gesetz steht. Noch mehr sehen wir hier den Einzigen, der sagen kann: „Dein Gesetz ist im Innern meines Herzens“ (Ps 40,9b).
Obwohl diese Beschreibung jeden Israeliten, ja jeden Gläubigen ansprechen sollte, gilt dies besonders für den König von Israel. Er hat eine besondere Aufgabe, das Gesetz Gottes zu betrachten (5Mo 17,19).
In Psalm 2 sehen wir den Inhalt des Wortes Gottes: den Messias und den festen Beschluss Gottes, Ihn, seinen Sohn, den geborenen König, zum König zu machen. Sein Königtum ist über sein Erbe, Israel, und durch Israel über die Enden der Erde. Gott wird dieses Ziel erreichen.
1 - 2 Eigenschaften der Gerechten
1 Glückselig der Mann, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen und nicht steht auf dem Weg der Sünder und nicht sitzt auf dem Sitz der Spötter,
2 sondern seine Lust hat am Gesetz des HERRN und über sein Gesetz sinnt Tag und Nacht!
Psalm 1 ist die wunderbare Einführung in das Buch der Psalmen. Es ist ein Weisheits-Psalm, ein Psalm, der die beiden Wege lehrt oder zusammenfasst, die der Mensch in seinem Leben wählen kann: den Weg der Gerechten (Verse 1–3) oder den Weg der Gottlosen (Verse 4–6). Wir sehen diese beiden Elemente jedes Mal in diesem Buch und faktisch in der gesamten Bibel wiederkehren. Es ist die Wahl zwischen dem Weg des Segens und dem Weg des Fluchs, dem Weg mit bleibender Frucht und dem Weg, auf dem alles weggeweht wird, dem Weg des Lebens und dem Weg des Todes (vgl. 5Mo 30,19).
Es ist faktisch der Unterschied zwischen dem Weg Christi und dem Weg des Antichristen. Christus ist der Gerechte par excellence. Er ist der Einzige, der sagen konnte: „Weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue“ (Joh 8,29). Der Antichrist ist der Gottlose und Gesetzlose schlechthin, der Mensch der Sünde (2Thes 2,3), der Mensch, der in seinem Herzen sagt: „Es gibt keinen Gott“ (Ps 14,1). Er lebt, ohne Gott in irgendeiner Weise zu berücksichtigen.
Es ist von dem Gerechten im Singular und den Bösen im Plural die Rede. Es ist das gottesfürchtige Individuum inmitten von und gegen die böse, abtrünnige Masse. Es sind die Einzelpersonen, die den schmalen Weg gehen, im Gegensatz zu den vielen, die den breiten Weg gehen.
Dieser erste Psalm befasst sich mit den Eigenschaften des gottesfürchtigen Überrestes Israels. Es sind insbesondere die Eigenschaften des Herrn Jesus, die sich auch in dem gläubigen Überrest in der Endzeit zeigen. Bei Ihm sind diese Eigenschaften vollkommen vorhanden und werden bei Ihm vollkommen gesehen, wann und wo immer Er sie zeigt. Der Überrest ist nicht vollkommen, aber sie können diese Eigenschaften durch ihre Verbindung mit Ihm zeigen, weil sein Geist in ihnen wirkt.
Auch wir, die Gläubigen, die der Gemeinde Gottes angehören, haben die Aufgabe und die Möglichkeit, die Eigenschaften des Herrn Jesus entsprechend unserer himmlischen Stellung zu zeigen. Es steht von uns geschrieben, dass wir „den neuen Menschen“ angezogen haben, „der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24). Die Eigenschaften des neuen Menschen sind genau die gleichen wie die des Herrn Jesus. Der neue Mensch wird überall dort sichtbar, wo Gläubige die Eigenschaften des Herrn Jesus zeigen.
Psalm 1 beginnt, wie somit das ganze Buch der Psalmen, mit dem Aussprechen von „gesegnet“ oder „glückselig“. In der Bergpredigt verwendet der Herr Jesus den gleichen Ausdruck – obwohl er aus dem Hebräischen übersetzt ist, asre, im Griechischen makarios (Mt 5,3–11). Es ist ein Ausruf des tiefen und dauerhaften Glücks und der Freude des Gläubigen, der vor Ihm inmitten des Bösen lebt.
Diese erste Begegnung mit dem Gottesfürchtigen betont, dass er unter Umständen lebt, in denen Gott nicht berücksichtigt wird. Unter diesen Umständen wandelt er mit Gott. Mit ihm identifiziert sich Gott gerne und Er wird ihm weiterhin seinen Frieden und seine Ruhe schenken. Gott schätzt es besonders, dass er nicht dem Druck nachgibt, sondern Ihm treu bleibt. Gottes „glückselig“ ist eine große Ermutigung für jeden, der treu sein möchte, denn der Glaubensabfall wird immer deutlicher.
Es fällt auf, dass die ersten Eigenschaften des gottesfürchtigen Gläubigen darin bestehen, sich von „den Gottlosen“, „den Sündern“ und „den Spöttern“ zu unterscheiden. Die Masse des Volkes Gottes besteht aus solchen Menschen. Sie machen den Dienst im Volk Gottes aus, so wie sie es auch heute tun. Der Gottesfürchtige lebt unter ihnen, hat aber keine Gemeinschaft mit ihnen. Er lebt getrennt von ihnen, er macht nicht mit ihnen mit.
Die erste Eigenschaft des Gerechten, der mit Gott wandelt, ist, dass er „nicht wandelt im Rat der Gottlosen“. Dies zeigt sich in der Art und Weise, wie er sich berät und wie er zu seinen Entscheidungen kommt. Es gibt keinen Platz für Gott in den Beratungen der Gottlosen. Ein Gottloser lebt, ohne Gott in sein Leben einzubeziehen, geschweige denn, Ihm Autorität darüber zu geben. Das Prinzip seines Lebens ist, dass sich alles um ihn selbst dreht.
Er „wandelt“ darin, was bedeutet, dass sein böses Verhalten aus seiner verdorbenen Denkweise resultiert, die wiederum aus dem Ausschluss Gottes in seiner Entscheidungsfindung resultiert. Er erfindet sündige, selbstsüchtige Dinge, um seine Wünsche um jeden Preis zu befriedigen. Der Gottesfürchtige wandelt nicht im Rat des Gottlosen, er lässt sich nicht verleiten oder zwingen zu einer Beratschlagung oder Überlegung, in der Gott keinen Platz hat, sondern er überlegt, was Gott will, er bezieht Gott in seine Überlegungen mit ein.
Die zweite Eigenschaft des Mannes, der mit Gott wandelt, ist, dass er „nicht steht auf dem Weg der Sünder“. Das Wort „stehen“ ist hier kein passiver Zustand, so etwas wie Stillstand. Das Wort bedeutet, aktiv Stellung zu beziehen, irgendwo bewusst zu stehen. Die Sünder ignorieren Gott. Sie nehmen diese Position bewusst ein. Wie üblich bedeutet „der Weg“ den Weg des Lebens mit seinem Ende. Sünder sind Menschen, die kein Interesse an Gottes Absicht mit und in ihrem Leben haben.
Die Bedeutung des Wortes „Sünde“ ist „das Ziel verfehlen“. Sünder verfehlen Gottes Absicht mit ihrem Leben. Sie leben ihr Leben, wie sie es für richtig halten. Das kann verkommen, aber auch sehr ordentlich sein. Wie auch immer sie sich entscheiden, sie fragen nicht Gott, sondern entscheiden selbst, was sie tun. Es ist „der breite Weg“, die einfache und unterhaltsame Lebensweise, „der zum Verderben führt“ (Mt 7,13). Der Gottesfürchtige lebt nicht auf diese Weise, er steht nicht auf ihrem Weg, sondern beantwortet Gottes Absicht mit seinem Leben.
Die dritte Eigenschaft des Mannes, der mit Gott wandelt ist, dass er „nicht sitzt auf dem Sitz der Spötter“. Die Spötter sind Menschen, die Gott lächerlich machen, indem sie die Gläubigen lächerlich machen. Ihre Ablehnung Gottes nimmt die gröbste Form an, nämlich die der Verspottung Gottes. Ihre Sünde ist die der Zunge. Sie sind die großen Redner, die übermütigen, die leichtsinnigen. Sie sitzen auf ihrem eigenen Sitz, ihrem eigenen Thron, und haben eine große Klappe gegen Gott; sie haben sprichwörtlich ein großes Mundwerk gegen Gott. Das Sitzen auf einem Sitz zeigt Stolz und Verhärtung. Die Verspottung, die zum Ausdruck gebracht wird, ist absichtlich. Der gottesfürchtige Mensch verabscheut diesen Sitz und überlässt Gott die Kontrolle über sein Leben.
Wir sehen ein sich Zuspitzen im Übel: Diejenigen, die als Gottlose Gott nicht berücksichtigen, werden als Sünder ihre Verpflichtung ignorieren, das zu tun, was Gott sagt, was zu einer offenen Verspottung Gottes und seines Willens führt.
Vers 2 sagt, warum das so ist, dass die in Vers 1 erwähnten Dinge nicht bei den Gottesfürchtigen vorhanden sind. Er hat nämlich seine Lust „am Gesetz des HERRN“, über das er „Tag und Nacht“ sinnt (vgl. Ps 26,4–8). Es ist unmöglich, dass jemand „glückselig“ ist, ohne sich mit dem Wort Gottes zu beschäftigen. Nicht das Handeln nach dem Gesetz steht im Vordergrund, sondern die Liebe zum Gesetz, die Lust am Gesetz. Das Handeln nach dem Gesetz ohne Liebe und Lust sehen wir bei den Pharisäern. Das Herz des Gottesfürchtigen ist Tag und Nacht, also ständig, unaufhörlich damit beschäftigt.
Das „Gesetz“ ist nicht auf die fünf Bücher des Mose oder gar auf das Alte Testament als Ganzes beschränkt. Das hebräische Wort für Gesetz, Thora, umfasst alle Belehrungen, die von Gott kommen. Das Gesetz ist auch die Forderung Gottes, nach seinen Geboten zu leben und dadurch gerechtfertigt zu werden, d. h. das Leben zu verdienen (3Mo 18,5). Der Psalmist spricht hier jedoch nicht von den tödlichen Auswirkungen, die das Gesetz auf jeden Menschen hat, weil er das Gesetz nicht einhalten kann. Er spricht über die lebensspendenden Aspekte des Gesetzes. Wer mit Gott wandelt, in Gemeinschaft mit Ihm lebt, weil er neues Leben hat, findet seine tiefste Freude darin, sich immer mit der Belehrung Gottes zu beschäftigen, denn das gibt ihm das tiefste Glück.
Es ist eine Freude für den Gottesfürchtige, Gottes Wort zu lesen und Tag und Nacht darüber nachzudenken (vgl. Ps 19,8–11). Er hat einen unersättlichen Hunger danach und ist wie die Gläubigen in Beröa, von denen wir lesen: „sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf, indem sie täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich so verhielte“ (Apg 17,11). Es handelt sich nicht um eine Meditation zu einer bestimmten Tageszeit, sondern um eine Beschäftigung damit Tag und Nacht. Er liest einen Text, verschließt ihn in seinem Herzen und trägt ihn den ganzen Tag mit sich herum. Und wenn er nachts nicht schlafen kann, denkt er weiter darüber nach. Unabhängig von der Tageszeit oder den Umständen reagiert der Gottesfürchtige auf das Leben in Übereinstimmung mit Gottes Wort.
Wir sollten uns daran erinnern, dass der Geist Gottes durch das Wort Gottes wirkt, wenn wir Tag und Nacht über sein Gesetz sinnen. Wir können sie nicht trennen. Das Wort Gottes ohne den Geist Gottes ist tote Orthodoxie, lediglich intellektuell, ohne ein neues geistliches Leben. Umgekehrt ist der Geist ohne das Wort eine Unmöglichkeit. Wenn das geschieht, wird der Geist d. h. der Geist des Menschen versuchen, das Wirken des Heiligen Geistes nachzuahmen, und das wird nur zu ungezügeltem Fanatismus führen.
„Tag und Nacht“ bedeutet nicht, dass der Gläubige vierundzwanzig Stunden am Tag die Bibel studiert und keine Zeit mehr für andere Dinge hat. Der Gläubige, der Tag und Nacht seine Lust am Wort Gottes findet, kann mit einem verliebten jungen Mann verglichen werden, der bei allen seinen Aktivitäten ständig an sein Mädchen denkt. Bei allen Aktivitäten des Tages ist alles von der Betrachtung des Wortes durchdrungen. Was wir von Maria, der Mutter des Herrn Jesus lesen, zeigt die Bedeutung: „Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog [sie] in ihrem Herzen“ (Lk 2,19).
Was in den Versen 1 und 2 geschrieben steht, ist in und durch den Herrn Jesus völlig erfüllt. Was im Friedensreich für jeden Israeliten wahr sein wird (Jer 31,33–34; Heb 8,10), ist vollkommen wahr von Christus. Das Ideal des Endzustandes wird bereits in Ihm gesehen. Er hat sich in keiner Weise vom Rat der Bösen leiten lassen, nie hat Er auf dem Weg der Sünder gestanden, geschweige denn auf dem Sitz der Spötter gesessen. In seinem Leben auf der Erde ist Er inmitten von Menschen, die Gott ausschließen, während Er in seinem Inneren völlig von ihnen getrennt ist.
Während seines Erdenlebens ist seine Lust am Gesetz Jahwes, das in Ihm ist (Ps 40,9). Er hat getan, was zu Josua gesagt wird: „Dieses Buch des Gesetzes soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst darüber nachsinnen Tag und Nacht, damit du darauf achtest, zu tun nach allem, was darin geschrieben ist“ (Jos 1,8). Er hat alles getan, was das Gesetz gebietet, und Er hat nichts getan, was das Gesetz verbietet (vgl. Mt 5,17).
3 Das Resultat
3 Und er ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blatt nicht verwelkt; und alles, was er tut, gelingt.
Hier wird der Gläubige, der nicht für die Sünde offen ist (Vers 1), sondern durch das Wort Gottes geformt wird (Vers 2), mit einem gesunden, fruchtbaren und langlebigen Baum verglichen, der an Wasserbächen gepflanzt ist. Der Vergleich eines Mannes mit einem Baum wird sowohl im positiven als auch im negativen Sinn mehrfach gebraucht (Jer 17,7.8; Lk 6,43–45). Der Gottesfürchtige ist „wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen“. Er hat diesen Platz nicht selbst eingenommen, sondern ist von Gott gepflanzt worden. Er ist „eine Pflanzung des HERRN, zu seiner Verherrlichung“ (Jes 61,3).
Es gibt auch Bäume, die nicht vom HERRN gepflanzt wurden, sondern sich selbst gepflanzt haben. Sie behaupten, gesund und fruchtbar zu sein, aber sie maßen sich diesen Platz an, wie die Pharisäer. Sie werden herausgerissen werden, wie der Herr Jesus zu ihnen sagt: „Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerissen werden“ (Mt 15,13).
Der von Gott gepflanzte Baum steht nicht nur an einem Wasserstrom, sondern an „Wasserbächen“, Plural. Wir können dies auf das anwenden, was die Gottesfürchtigen in Christus empfangen haben, wie den Segen der Vergebung und der Gnade, den Segen der Verheißungen durch die Verbindung mit und in Christus, den Segen der Gemeinschaft mit Christus. Diese und viele andere Segnungen sind die Wasserbäche, die aus dem Wort Gottes zu uns kommen, wenn wir an diesen gepflanzt werden.
Als Folge davon entsteht aus dem Leben des Gerechten Frucht, „seine Frucht“, die er „zu seiner Zeit“ bringt. Jeder Baum hat seine eigenen Früchte und produziert sie zu dem Zeitpunkt, der für diesen Baum bestimmt ist, nicht früher und nicht später. Wir können zum Beispiel an die Frucht der Geduld in einer Zeit des Leidens und an die Frucht des Glaubens in einer Zeit der Prüfung denken. Diese Beispiele können vom Leser selbst ergänzt werden. Im Leben eines jeden Gläubigen sind die für ihn charakteristischen Früchte zu sehen, die sich in den Umständen, in denen er sich befindet, zeigen.
Dies macht auch deutlich, dass Gottes Wahrheit nicht nur die Kenntnis von Fakten ist. Gottes Wahrheit muss mit einem gläubigen Herzen verstanden werden. Die Frucht wird dann unter für diese Frucht günstigen Umständen wachsen (Vers 2; vgl. Mt 13,18–23) und zu gegebener Zeit sichtbar werden. Die Frucht ist nicht das, was wir selbst erreicht haben, sondern die Frucht ist „Christus in uns“. Wir sehen dies in der Bildersprache des Herrn Jesus in Johannes 15. Weil wir in Christus bleiben, bringen wir, die Reben, Frucht (Joh 15,4.5). Diese Früchte stammen von dem Weinstock und nicht von den Reben. Es ist der Saft des Weinstocks, der von den Reben in eine Frucht umgewandelt wird. Es ist in der Tat Christus in uns, sichtbar für andere.
Was zählt, ist, dass wir in Christus sind und dass Er in uns ist. Erst dann bringen wir „viel Frucht“, denn ohne Ihn können wir „nichts tun“, auch nicht Frucht bringen (Joh 15,5). Bei dem Herrn Jesus gibt es immer eine Fülle von Früchten. Bei uns dominieren einige Früchte, während andere nicht so auffällig oder gar nicht vorhanden sind. Es ist Gottes Absicht, dass die Frucht des Geistes (Gal 5,22) in Fülle in unserem Leben sichtbar wird. Paulus ist ein Baum, der Früchte bringt. Er schreibt an die Gläubigen in Rom: „Ich weiß aber, dass ich, wenn ich zu euch komme, in [der] Fülle [des] Segens Christi kommen werde“ (Röm 15,29).
Dann wird erwähnt, dass „das Blatt nicht verwelkt“. Bei einem Baum geht es hauptsächlich um seine Früchte. Aber auch sein Blatt ist wichtig, denn es zeigt, ob ein Baum gesund ist, auch wenn es keine Früchte gibt. Die Blätter sind ein Symbol für das Äußere, das Sichtbare. Mit anderen Worten: das Bekenntnis. Wenn nur das Blatt des Bekenntnisses sichtbar ist, ohne jegliche gute Frucht, wird es verwelken. Aber wenn das Wort Gottes im Herzen regiert, wird das Bekenntnis „grün“ bleiben, voller Vitalität. Das Bekenntnis des Gottesfürchtigen steht im Einklang mit seiner Frucht. Es gibt kein Getue oder Heuchelei in dem, was er zeigt. In Wort und Tat zeigt sein Leben Aufrichtigkeit, Frische und Stärke.
Das Leben eines solchen Menschen ist von Erfolg geprägt. Ein erfolgreiches oder gelungenes Leben des Gottesfürchtigen wird nicht durch die Größe seines Bankguthabens oder das Ansehen, das er unter den Menschen erworben hat, bestimmt. „Alles, was er tut“, kommt von seiner Gemeinschaft mit Gott. Er kennt seinen Willen, denn er betrachtet ständig sein Wort. Er sucht nicht nach persönlichem Erfolg, aber sein Wunsch ist es, Gott zu verherrlichen. Dies gelingt ihm, weil er seine Lebenskraft aus den Wasserbächen des Wortes Gottes schöpft.
Wir sehen dies in Vollkommenheit bei dem Herrn Jesus. Es ist seine Speise, den Willen dessen zu tun, der Ihn gesandt hat, um sein Werk zu vollenden (Joh 4,34). Und dieses Werk hat Er vollbracht (Joh 17,4; 19,30). Weil Er sich in allem von seinem Gott leiten ließ, wird der ganze Wille Gottes „gelingen“. Während Er für den Unglauben der Verlierer ist, ist Er für den Glauben der große Sieger. Bald, wenn Er zur Erde zurückkehrt, wird dies auch für die gesamte Schöpfung sichtbar sein. Der Erfolg sollte nicht durch unmittelbare Ergebnisse bestimmt werden, sondern in der Perspektive von Gottes Plänen gesehen werden. Dies gilt für unser persönliches Leben und für die Welt als Ganzes.
Zusammenfassend können wir folgendes sagen: Was für einen an seinen Ufern gepflanzten Baum reichlich fließende Bäche sind, ist für alle, die sich seiner Betrachtung widmen, das Wort Gottes. Es macht ihn, entsprechend seiner Position und Berufung, immer fruchtbar in guten Taten, die zur rechten Zeit getan werden. Es hält sein inneres und äußeres Leben frisch und kraftvoll. Was immer er unternimmt, er bringt es zu einem erfolgreichen Ende. Die Ursache dafür ist die aktive Kraft des Wortes Gottes und der Segen, den Gott daran knüpft. Im Alten Testament finden wir dies in Josephs Leben sehr schön illustriert: Alles, was er tut, gelingt.
Wenn wir an Blätter denken, die nicht verwelken und abfallen, gehen unsere Gedanken zu dem vom Herrn verfluchten Feigenbaum (Mt 21,18.19). Der Herr geht dorthin und findet dort nur Blätter und keine Früchte. Der Feigenbaum ist ein Baum, der auch im Frühling Früchte trägt. Das sind unreife Früchte aus dem Vorjahr, die den Winter überlebt haben und im Frühjahr reifen, die frühen Feigen. Weil dieser Feigenbaum überhaupt keine Früchte trägt, sagt der Herr Jesus: „Nie mehr komme Frucht von dir in Ewigkeit! Und sogleich verdorrte der Feigenbaum“ (Mt 21,19b).
Prophetisch gesehen ist dieser Feigenbaum ein Bild Israels (vgl. Mt 24,32). Israel enthält keine Frucht, die das Herz Gottes begehrt (Mich 7,1). Die Folge ist, dass die Blätter – die vom Bekenntnis sprechen (siehe oben) – zu verurteilen sind und verwelken und abfallen. In der neutestamentlichen Gemeinde sehen wir dasselbe mit der Gemeinde in Ephesus (Off 2,1–4). Weil die Frucht oder die erste Liebe verschwunden ist – Liebe ist die erste Eigenschaft der Frucht des Geistes – muss der Herr Jesus das Zeugnis, den Leuchter, wegnehmen (Off 2,5).
Israel hat jedoch noch eine Zukunft. Der Zweig des Feigenbaums wird weich, und die Blätter treiben aus (Mt 24,32). Dann wird der Herr die Frucht finden, die Er sich so sehr wünscht. Diese Frucht wird Ihm das neue Israel bringen, ein Israel, das Er als Überrest der Gnade für sich selbst bewahrt hat. „Und dein Volk, sie alle werden Gerechte sein, werden das Land besitzen auf ewig, sie, ein Spross meiner Pflanzungen, ein Werk meiner Hände, zu meiner Verherrlichung“ (Jes 60,21).
Es ist klar, dass wir in Psalm 1 ein Bild des gläubigen Überrestes Israels in der Zukunft finden (Jes 66,1.2). Der Gottlose ist dann der ungläubige Teil Israels, der unter Gottes Gericht kommt (Jes 66,3.4).
4 - 5 Die Gottlosen
4 Nicht [so] die Gottlosen, sondern [sie sind] wie die Spreu, die der Wind dahintreibt.
5 Darum werden die Gottlosen nicht bestehen im Gericht, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten.
Der Kontrast zwischen dem Gottesfürchtigen – oder dem treuen Überrest –, der in den vorhergehenden Versen beschrieben wurde, und den jetzt beschriebenen Gottlosen kommt in Vers 4 stark zum Ausdruck. Die erste Zeile des Verses lautet im Hebräischen, wie auch hier übersetzt, „nicht so die Gottlosen“, was bedeutet, dass die Betonung auf den Worten „nicht so“ liegt. Es ist ein kurzer und kraftvoller Ausruf, der besagt, dass die Lebensgrundlage, das Dasein, der Gottlosen völlig anders ist. Die Gottlosen haben nichts von all dem, was der Gottesfürchtige hat und tut. Es ist bei den Gottlosen völlig abwesend.
Der Gottesfürchtige ist ein kräftiger, gesunder, fruchttragender, immergrüner Baum. Die Gottlosen stehen in dramatischem Kontrast dazu, denn sie „sind wie die Spreu, die der Wind dahintreibt“. Das Bild, das jetzt gemalt wird, ist nicht mehr das eines Baumes, sondern das einer Tenne, auf der die Spreu vom Weizen getrennt wird. Auf einer Tenne, meist auf einem Hügel, werden sowohl die Spreu als auch der Weizen in die Luft geschleudert, sodass die Spreu vom Wind weggeblasen und vom Weizen getrennt wird.
Die Spreu sieht äußerlich aus wie Weizen, ist aber wertlos, nutzlos und schwerelos. Die Spreu, die Gottlosen, mögen noch einige Zeit unter dem Weizen, den Gerechten, bleiben, aber die Zeit wird kommen, wenn der Wind des Gerichts Gottes sie wegwehen wird. Christus wird bei seinem Kommen mit den Gottlosen handeln. Er wird „die Spreu … verbrennen mit unauslöschlichem Feuer“ (Mt 3,12; vgl. Hiob 21,18; Ps 35,5; Hos 13,3). Prophetisch gesehen repräsentiert die Spreu die Ungläubigen in Israel (Sach 13,8.9). Sie werden durch das Gericht weggenommen werden, während die Gerechten lebendig in das Reich Gottes eingehen werden (Mt 24,40.41).
Vers 5 beginnt mit „darum“, ein Wort, das anzeigt, dass aus dem Vorherstehenden eine Schlussfolgerung folgt. Weil die Gottlosen so wertlos und schwerelos sind, „darum werden die Gottlosen nicht bestehen im Gericht“. Das Ende der Gottlosen ist im Laufe ihres Lebens nicht immer klar, während sie sich mit Gottlosigkeit beschäftigen. Sie können die Wertschätzung der Menschen ernten. Aber aus Gottes Perspektive haben die Gottlosen keine Zukunft. Dies wird deutlich werden, wenn sie vor dem großen, weißen Thron stehen, um von Christus gerichtet zu werden (Off 20,11–15). Dann haben sie nichts mehr zu sagen. Ihre ganze Prahlerei ist verschwunden. Sie werden auf ihr Urteil hören, mit Stummheit geschlagen sein, und ohne jeden Widerstand werden sie sich ihrem Urteil unterziehen: dem ewigen Feuer.
Wenn die Gottlosen durch das Gericht weggeblasen werden, bleibt „die Gemeinde der Gerechten“ bestehen. Kein Sünder ist Teil davon. Es ist eine heilige Gemeinde. Jeglicher Schmutz ist von ihnen abgewaschen und die Blutschuld ist weggespült (Jes 4,3.4). Auf der Erde gibt es bereits eine radikale Trennung zwischen den Gerechten und den Sündern. Diese Trennung wird ewig dauern. Auf der Erde haben die Sünder die Gerechten aus ihrer Gemeinschaft vertrieben. Im Friedensreich und in alle Ewigkeit werden die Sünder nicht in der Gemeinde der Gerechten sein (Mt 13,49.50; Off 21,27).
6 Zwei Wege, zwei Ziele
6 Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten; aber der Weg der Gottlosen wird vergehen.
Das Wort „denn“, mit dem der Vers 6 beginnt, zeigt an, dass der Grund oder die Zusammenfassung dem Urteil der vorhergehenden Verse folgt. Der „Weg“, sowohl „der Gerechten“ als auch „der Gottlosen“, umfasst den gesamten Lebensweg beider Gruppen. Der HERR weiß, wie beide Wege sind und wohin sie führen.
Von dem Weg der Gerechten lesen wir, dass „der HERR“ ihn „kennt“. Dieses „Kennen“ hat eine tiefere Bedeutung als die?, dass Er damit vertraut ist, dass Er weiß, welchen Weg sie gehen. Es handelt sich nicht um ein rein intellektuelles Kennen, sondern um ein Kennen, das auf Erfahrung durch Lebensgemeinschaft basiert, ein Kennen aus Liebe. Den Weg der Gerechten zu kennen bedeutet, dass Er auf dem Weg, den sie gehen, Gemeinschaft mit den Gerechten hat. Er teilt ihre Erfahrungen. Sie gehen ihren Weg mit Ihm, und deshalb geht Er mit ihnen.
„Aber“ – das steht im Gegensatz zur vorhergehende Zeile – „der Weg der Gottlosen wird vergehen“. Ihr Weg ist ein Weg, der zu Zerstörung und Tod führt. Der HERR kennt ihren Weg nicht. Sie leben ihr Leben auf eine Weise, die Er verabscheut. Ihr ganzes Leben wird vergehen, so wie die Spreu. Wenn Er sie richtet, wird Er ihnen sagen: „Ich habe euch niemals gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter!“ (Mt 7,23). Sie werden nicht in das Friedensreich eintreten, sondern ewig unglücklich und elend sein.
Dieser letzte Vers macht den Unterschied zwischen dem Grund für das Glück der Gerechten und dem Grund für das Unglück der Gottlosen klar. Gott weiß, billigt, liebt und freut sich am Leben der Gerechten, aber er hat keinen Anteil am Leben der Gottlosen. Er billigt dieses Leben nicht, er liebt es nicht, und er freut sich nicht daran. Ihr ewiges Schicksal hängt von seiner Wertschätzung für das Leben beider Gruppen ab.
Der Psalm beginnt mit dem Segen Gottes für den Einzelnen, für den Gerechten (Einzahl). Der Psalm endet mit der Warnung, dass jemand, der den Weg des Gottlosen (Plural), den Weg ohne Ihn, wählt, in der Zerstörung enden wird.
Auch in der Bergpredigt beginnt der Herr Jesus mit einer Vielzahl von Segnungen: Glückselig, glückselig, glückselig … (Mt 5,3–11). Die Bergpredigt endet mit den beiden Wegen: dem breiten Weg, den viele gehen, und dem schmalen Weg, den wenige, Einzelpersonen gehen (Mt 7,13.14). Es gibt auch zwei Bauleute: einer baut auf den Sand und einer auf den Felsen. Letzterer ist derjenige, der den Worten des Herrn Jesus, „diesen meinen Worten“, gehorcht (Mt 7,24).
Letzteres finden wir in Psalm 1 noch nicht. Wir hören hier über den Weg mit Gott, aber wir hören noch nichts über den Glauben an eine Person, den Christus, den Immanuel oder den „Gott mit uns“. Alle folgenden Psalmen handeln von Ihm.