1 - 6 Das Erscheinen des Messias
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, hat ein großes Licht gesehen; die da wohnen im Land des Todesschattens, Licht hat über ihnen geleuchtet. 2 Du hast die Nation vermehrt, hast ihr groß gemacht die Freude; sie freuen sich vor dir, gleich der Freude in der Ernte, wie man frohlockt beim Verteilen der Beute. 3 Denn das Joch ihrer Last und den Stab ihrer Schulter, den Stock ihres Treibers hast du zerschlagen wie am Tag Midians. 4 Denn jeder Stiefel der Gestiefelten im Getümmel, und jedes Gewand, in Blut gewälzt, die werden zum Brand, ein Fraß des Feuers. 5 Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst. 6 Die Mehrung der Herrschaft und der Frieden werden kein Ende haben auf dem Thron Davids und über sein Königreich, um es zu befestigen und zu stützen durch Gericht und durch Gerechtigkeit, von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird dies tun.
Hier kommen wir zum Höhepunkt des Teils, der in Jesaja 7,1 beginnt. Anstelle des kurzsichtigen Unglaubens von König Ahas, der sein Volk in tiefe Finsternis stürzt, finden wir den König-Messias, der, obwohl ein Kind, der verheißene Immanuel ist. Er wird allen Unfrieden und alles Elend beenden und ein ewiges Reich einführen, das auf Recht und Gerechtigkeit beruht.
Die erste Erfüllung von Kapitel 8,23 und Kapitel 9,1 ist in Matthäus 4 zu sehen. Der Evangelist zitiert diesen Teil von Jesaja, um das Wirken des Herrn Jesus in Galiläa zu beschreiben (Jes 8,23; 9,1; Mt 4,12–16). Er ist „ein großes Licht“, das den Menschen, die „in der Finsternis“ sind, Rettung bringt. Er ist das große Licht, die Sonne des vierten Schöpfungstages (1Mo 1,16), die alles erleuchtet (Mal 3,20). Er leuchtet wie das Licht für Menschen, die in einem Land „des Todesschattens“ leben, und bringt dort Licht und Leben (Joh 1,4).
Die volle Erfüllung dieser Verse wird am Ende des Grimmes des HERRN stattfinden (Jes 10,5). Wenn der König des Nordens wieder im Land ist, nachdem er den König des Südens besiegt hat, wird das Gericht nicht in Judäa, sondern in Galiläa vollzogen. Auch bei dem ersten Kommen Christi findet sein Dienst hauptsächlich in Galiläa im Norden statt. Das Heer des wiederhergestellten Weströmischen Reiches (Europa) und das Heer des Königs des Nordens werden beide bei der Erscheinung des Herrn Jesus vernichtet werden.
Von dem Moment an, wo das Volk das große Licht sieht, geht der Prophet in den Versen 2–6 zu einem Ereignis, das noch weiter in der Zukunft liegt. Er spricht in diesen Versen über das Brechen der Macht des Antichristen und die Errichtung des Reiches des Friedens und der Gerechtigkeit des Messias. Wir sehen
1. großes Licht (Vers 1) anstelle von Finsternis (Jes 8,23),
2. große Freude (Vers 2) anstelle von Bedrängnis (Jes 8,22),
3. Befreiung (Vers 3) anstelle von Sklaverei und
4. Frieden (Vers 6) anstelle von Kampf (Vers 4).
Vers 2 hat sich bis heute noch nicht vollständig erfüllt. Nur ein Überrest ist aus der Gefangenschaft zurückgekehrt und nicht ein „zahlreiches“ Volk. Unter den aufeinanderfolgenden heidnischen Herrschern hat es nie eine Situation der in diesem Vers beschriebenen Freude gegeben. Wenn in der Zukunft der Herr Jesus am Ende der großen Drangsal kommt, um sein irdisches Volk persönlich zu befreien, wird das eine große Freude für den Überrest sein.
Sie haben eine sehr schwere Zeit hinter sich. Während der großen Drangsal werden sie eine schmerzhafte Verfolgung durchmachen, verursacht durch den Antichristen, der König von Israel sein wird, mit Hilfe des Tieres aus dem Meer, dem wiederhergestellten Römischen Reich (Off 13,1–10). Wegen der großen Drangsal wird der Überrest über das ganze Land zerstreut sein (Mt 24,21.22), über die Berge und in die entlegensten Winkel des Landes. Wenn aber der König des Nordens das Land Israel überrennt, werden diese treuen Israeliten das Massaker überleben – genau wie die Christen, die im Jahr 70 zur Zeit der Zerstörung Jerusalems flohen (vgl. Off 12,16.17).
Das Volk wird zahlreich werden mit der Rückkehr des Überrestes sowohl der zwei als auch der zehn Stämme. Die Freude, die dann da sein wird, wird mit der Freude verglichen werden, die da sein wird, wenn die Ernte eingebracht und Beute verteilt wird. Die erste Freude ist die über den Segen des Landes, die zweite ist die über die besiegten Feinde.
Die Freude vor dem Angesicht des Herrn können wir schon jetzt erleben und so sollte es auch allezeit sein. Das ist kein Ausdruck einer natürlichen Freude über irdischen Wohlstand, sondern eine Freude an unserem Herrn Jesus Christus, dass Er immer bei uns ist.
Vers 3 gibt den Grund für die Freude im vorherigen Vers an. Es ist die Freude über die Errettung durch den HERRN. Dieser Vers steht in der Gegenwartsform, dem sogenannten prophetischen Perfektum. Das bedeutet, dass das Ereignis noch nicht stattgefunden hat, aber es wird so beschrieben, als ob es schon stattgefunden hätte.
„Das Joch“, „der Stab“ und „der Stock“, die Symbole der Mächte, die Israel unterdrückt haben, sind alle zerbrochen. Das Volk ist von ihnen befreit worden. Alle Zuchtinstrumente, das Joch des Antichristen auf dem religiösen Überrest und der Stab und den Stock der umliegenden feindlichen Völker gegen Israel – dem König des Nordens – sind zerbrochen worden.
Das „Zerschlagen wie am Tag Midians“ erinnert an den Sieg Gideons über Midian (Ri 7,19–25). Damals erlöste der HERR sein Volk, nicht durch die militärische Stärke des Volkes, auf die sie heute vertrauen, sondern durch seine eigene Auswahl einer kleinen Schar. Deshalb konnten sie den Sieg nicht auf ihre eigene Stärke zurückführen (Ri 7,2). So wird der Herr Jesus auch in der Zukunft erscheinen und persönlich für sein Volk eintreten und dabei von einem kleinen Überrest unterstützt werden, der in besonderer Schwäche ist, aber durch die Verbindung mit Ihm stark wird.
Dies gilt auch für uns. Wenn wir den Feind in unserer eigenen Stärke bekämpfen wollen, spielt das nur dem Feind in die Hände. Wenn wir aber schwach sind, dann sind wir stark (2Kor 12,10; vgl. 2Chr 28,21), denn dann ist Er unsere Stärke. Wir sind fähig, alles zu tun durch Ihn, der uns kräftigt (Phil 4,13).
In der Beschreibung von Vers 4 finden wir wieder die prophetischen Assyrer, die zur großen Schlacht gegen Israel heraufziehen. Der Boden dröhnt vom Stampfen der Stiefel der Soldaten der vorrückenden Heere (Joel 4,9–14). Der Mantel der Soldaten trieft vom Blut der Opfer, das in dieser letzten Schlacht reichlich fließen wird (Jes 63,3; Off 14,20). Das Ende all dieser Gewalt wird kurz und eindringlich beschrieben. Sie werden als „Fraß des Feuers“ verbrannt werden. Das Gericht des HERRN wird alle Widerstände verzehren (Jes 66,15.16).
Das dritte „denn“ (Vers 5) weist auf den Grund für die Errettung (Verse 3.4) und die Freude (Vers 2) hin. Es gibt Freude, weil Gott die Rettung schenkt, aber wie tut Er das? Es beginnt alles mit der Geburt des König-Messias, des Christus, und endet mit seiner ewigen Herrschaft.
In Vers 5 werden sowohl das erste als auch das zweite Kommen Christi in einem Vers erwähnt. Dass es ein erstes und ein zweites Kommen gibt, liegt an der Verwerfung des Messias. Wäre Er nicht verworfen worden, hätte Er das Reich sofort nach seinem ersten Kommen aufgerichtet. Seine Verwerfung macht ein zweites Kommen notwendig.
Die Zeit dazwischen ist von Gott vorhergesehen, aber nicht von Ihm im Alten Testament vorhergesagt worden. Die Gemeinde ist nicht Teil der Prophetie, denn sie ist ein Geheimnis für die Propheten (Eph 3,5). In der Prophetie werden das erste und das zweite Kommen immer direkt miteinander verbunden, ohne die Zwischenzeit, in der wir jetzt leben, zu erwähnen oder auf die Zeit des Entstehens und der Bildung der Gemeinde hinzuweisen.
In den Versen 5 und 6 haben wir eine der reichsten Beschreibungen von Christus im Alten Testament. Die Hoffnung Israels beginnt mit „einem Kind“ in der Krippe. Die Erwähnung seiner Geburt ist ein Exkurs über die Bedeutung von „Immanuel“ (Jes 7,14). In Jesaja 7,14 wird von Ihm als einem Zeichen gesprochen. Hier ist Er ein Geschenk. Er wurde als „Kind“ geboren, was bedeutet, dass Er „an Blut und Fleisch teilgenommen hat“ (Heb 2,14). Er ist wirklicher und vollkommener Mensch, Er ist der „Mensch Christus Jesus“ (1Tim 2,5).
Die „uns“, unter denen dieses Kind geboren wurde, sind die, die nach Ihm Ausschau gehalten haben, zu denen sich auch Jesaja zählt. Wir sehen sie am Anfang des Lukasevangeliums, in Joseph und Maria, Zacharias und Elisabeth, den Hirten, Simeon und Anna. Sie sind ein Bild von dem treuen Überrest und dem Kern der wiedergeborenen Nation, des ganzen Israel, das durch die große Drangsal hindurch bewahrt wird. Das Kind wurde lange vor dieser Zeit geboren, aber sie werden Ihn begrüßen, als ob Er gerade geboren wäre (vgl. Jes 66,7.8). Es ist die Zeit, in der Gott seinen Sohn wiederum in die Welt bringt, um dann die Herrschaft über die Welt zu übernehmen (Heb 1,6).
Dann wird gesagt, dass er als „Sohn“ gegeben wird, was sich auf seine Gottheit bezieht und Ihm das Recht gibt, als Gott Macht auszuüben. Diese Macht und Stärke werden in der Aussage „die Herrschaft ruht auf seiner Schulter“ ausgedrückt. Als Schöpfer und Erlöser (Offenbarung 4 und 5) trägt Er alle Herrschaft und alle Last. Alle Verantwortung ruht auf Ihm. Doch diese Aufgabe ist für Ihn nicht zu groß. Er wird alle Probleme lösen und seine Herrschaft in vollkommen gerechter Weise ausüben. Als derjenige, der die Erlösung herbeigeführt hat, kann Er sagen: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Er wird diese Macht zum Segen und zum Gericht einsetzen.
Im Gleichnis vom verlorenen und gefundenen Schaf, das uns der Herr Jesus erzählt, lesen wir, dass Er das Schaf „auf seine Schultern“ (Plural) legt (Lk 15,4–6). Für die Herrschaft über die Welt genügt eine Schulter; um ein verlorenes Schaf zur Herde zurückzubringen, benutzt Er beide Schultern. Auch der Hohepriester im Alten Testament trägt im Bild der zwei Edelsteine mit den Namen der zwölf Stämme das ganze Volk auf beiden Schultern (2Mo 28,9–13).
Dass Er der Sohn ist, der „gegeben“ wird, zeigt, dass Er bereits Sohn ist, bevor Er als Kind geboren wird. Er ist der ewige Sohn, der Mensch wurde und auf diese Weise gegeben wurde. Die Tatsache, dass der Sohn „gegeben“ ist, erinnert auch an die Gnade und Liebe Gottes zu den verlorenen Menschen: „Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16).
Der Sohn ist nicht nur würdig, sondern auch fähig, die Herrschaft auszuüben. Sein Name, der Eigenschaften von Ihm beschreibt, weist darauf hin. Sein Name ist Er selbst in seiner Person. An erster Stelle ist sein Name „Wunderbarer“ (vgl. Ri 13,18). Er ist in seiner Person jenseits unseres menschlichen Denkens, denn „niemand kennt den Sohn als nur der Vater“ (Mt 11,27a; Off 19,12b). Sein Name ist „Wunderbarer“, weil Er in sich selbst wunderbar ist und weil Er am Kreuz ein wunderbares Werk zur Ehre Gottes und zu unserer Erlösung getan hat. Ihm gegenüber gebührt uns vor allem Ehrfurcht und Bewunderung.
Direkt darauf folgt, dass Er „Berater“ ist. Das weist auf seine Weisheit hin. Niemand berät Ihn, noch nie hat Er jemand um Rat gefragt. „Wer ist sein Mitberater gewesen?“ (Röm 11,34b). Er wirkt nach einem von Ihm selbst perfekt erdachten Plan, den Er in Weisheit ausführt, ohne Zögern und ohne je auf etwas zurückkommen zu müssen. Allen, die Er in seine Pläne einbezieht und denen Er sie kundtut, gibt Er Rat (Jes 11,2; Ps 32,8). Der Rat, den er gibt, ist wunderbar; er übersteigt die menschlichen Fähigkeiten. Die beiden Merkmale „wunderbar“ und „beraten“ finden sich auch in Jesaja 25 und 28 (Jes 25,1; 28,29).
Es ist auch möglich, diese beiden Ausdrücke als einen Namen, einen Doppelnamen, zu betrachten: Wunderbarer Berater. Diese Einheit im Namen oder Doppelnamen kann auch in den drei folgenden Namen gesehen werden: starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst. Der Messias, Er, der Kind und Sohn ist, hat vier wunderbare Namen, wobei in jedem Namen eine Kombination aus seinem Wesen und einer Eigenschaft enthalten ist, die seine Herrlichkeit vergrößert. Sie alle sind Ehrennamen des Messias.
Er ist in der Lage, alle seine Absichten zu verwirklichen, denn Er ist der „starke Gott“ (vgl. Jes 10,21). Dieser Name weist auf den großen Gegensatz zu dem versagenden, schwachen und sterblichen Menschen hin. Der Name „Vater der Ewigkeit“ bezieht sich auf den Herrn Jesus, denn um Ihn geht es in dieser Beschreibung. In der Gottheit ist Er als der ewige Sohn deutlich von dem ewigen Vater unterschieden. Der Name „Vater“ hat hier also die Bedeutung von Ursprung, von dem etwas ausgeht. Der Herr Jesus ist „Vater der Ewigkeit“ in dem Sinn, dass Er der Ursprung der Ewigkeit ist. So übersetzt die Septuaginta diesen Vers mit: Vater des kommenden Zeitalters (vgl. Heb 6,5).
Im Alten Testament bezieht sich „Ewigkeit“ oft auf das Tausendjährige Friedensreich. Die vielen Male, in denen es heißt „Seine Güte währt ewig“ (Ps 118,1–4; 136,1–26), weist auf diese Zeit hin. Das Friedensreich ist die Zeit, in der Er öffentlich als „Friedefürst“ regieren wird. Er wird jeden Rebellen unterwerfen, jedes störende Element beseitigen und so Frieden für sein Volk und alle Völker bewirken. Das ist der „Friede auf [der] Erde“, den die Engel bei seiner Geburt angekündigt haben (Lk 2,14).
Er möchte seinen Frieden gerade jetzt in die Herzen all derer geben, die durch Ihn Frieden mit Gott haben. Wenn Christus sagt: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27), dann bezieht sich der erste Teil auf den Frieden mit Gott. Es ist der Friede, den Christus durch seinen Tod hinterlassen hat für alle, die glauben. Der zweite Teil bezieht sich auf den Frieden von Gott, den Christus auf Erden durch die vollkommene Gemeinschaft mit Gott erfahren hat und den Er nun allen „gibt“, die sich von Ihm führen lassen.
Friede mit Gott wird dem Sünder zuteil, wenn er seine Sünden bekennt und an das Werk des Herrn Jesus glaubt und auch daran, dass Gott dieses Werk angenommen hat (Röm 4,24.25; 5,1). Der Friede Gottes ist Teil eines Gläubigen, der alles im Gebet zu Gott bringt (Phil 4,6.7). Das Gebet ist einer der Beweise dafür, dass jemand sein Leben unter die Herrschaft des Herrn Jesus stellt und Ihn schon jetzt als Herrn anerkennt, während die Welt das noch nicht tut.
Der Bereich seiner Herrschaft wird sich immer mehr ausdehnen und allumfassend sein (Vers 6). Sie wird Himmel und Erde mit allen erdenklichen Mächten umfassen und dazu führen, dass Gott alles und in allem sein wird (1Kor 15,20–28).
Die Dauer seiner Herrschaft wird endlos sein (Lk 1,33; Off 11,15). Ihm wird kein anderer Herrscher nachfolgen (Dan 2,44). Die Verheißung, dass Er auf dem Thron seines Vaters David sitzen wird (2Sam 7,16), wird sich erfüllen. Es ist ein Thron, der „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ ist (Heb 1,8). Seine endlose Herrschaft wird gipfeln im „Tag Gottes“ mit einem „neuen Himmel und einer neuen Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt“ (2Pet 3,13).
Dieses wunderbare Ergebnis wird nicht durch menschliche Anstrengung erreicht werden. Kein Mensch wird daran beteiligt sein. „Der Eifer des HERRN der Heerscharen“, das ist der Herr Jesus, ist die treibende Kraft hinter allem. Sein Eifer wurde entfacht, als die Ehre seines Vaters angetastet wurde (Joh 2,13–17). Mit demselben Eifer, mit dem Er den Tempel gereinigt hat, wird Er auch die Erde reinigen, die Ihm ebenso gehört wie der Tempel (Ps 24,1). Sein Eifer ist das Feuer der Empörung gegen alle, die sein irdisches, auserwähltes Volk bösartig behandelt haben und die versucht haben, es zu zerstören. Sein Eifer ist auch das Feuer seiner Liebe, womit Er seinem Volk Gutes tun will. Deshalb muss dieses Feuer alle Treulosen aus ihrer Mitte verzehren.
Pinehas legte einen solchen Eifer an den Tag, für den er gerühmt und belohnt wird (4Mo 25,6–14). Dieser Eifer des HERRN für sein Volk zeigt sich auch bei Paulus für die Gemeinde (2Kor 11,2). Es ist ein Eifer, der alles richtet, was der vollen Hingabe an den Herrn Jesus im Weg steht. Was für eine örtliche Gemeinde wie Korinth gilt, gilt auch für jede örtliche Gemeinde heute. Es gilt auch für das Leben eines jeden einzelnen Gläubigen.
7 - 11 Ephraims Stolz wird gerichtet
7 Der Herr hat ein Wort gesandt gegen Jakob, und es fällt herab in Israel. 8 Und das ganze Volk wird es erfahren, Ephraim und die Bewohner von Samaria, die in Hochmut und in Überhebung des Herzens sprechen: 9 Die Ziegelsteine sind eingefallen, aber mit behauenen Steinen bauen wir auf; die Maulbeerfeigenbäume sind abgehauen, aber wir setzen Zedern an ihre Stelle. 10 Denn der HERR wird die Bedränger Rezins über es erheben und seine Feinde aufreizen: 11 die Syrer von Osten und die Philister von Westen; und sie werden Israel fressen mit vollem Maul. – Bei all dem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine Hand ausgestreckt.
Auf die Verheißungen der Verse 5 und 6 folgen im nächsten Abschnitt, Jesaja 9,7 bis Jesaja 10,4, weitere öffentliche Verurteilungen des Bösen und Warnungen vor dem bevorstehenden Gericht. Der vorangehende Abschnitt, Jesaja 6,1 bis Jesaja 9,6, kann als ein Zwischensatz gesehen werden, allerdings ein wichtiger, weil er so viel über Christus sagt. Letzteres bestätigt nur, dass „der Geist der Weissagung … das Zeugnis Jesu“ ist (Off 19,10b).
Ab Jesaja 9,7 sind wir nach einer langen Pause wieder in der Atmosphäre von Jesaja 5. In Jesaja 5 steht der Ausdruck, der im vorliegenden Abschnitt, Jesaja 9,7 bis Jesaja 10,4, als Refrain erscheint: „Bei all dem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine Hand ausgestreckt“ (Jes 5,25; 9,11.16.20; 10,4). Dieser Ausdruck hat mit dem Gericht Gottes über ein untreues und abtrünniges Volk zu tun. Daran muss das Volk immer wieder erinnert werden.
Der Refrain unterteilt den nächsten Abschnitt in vier Teile. Der ersten Erwähnung des Refrains geht die Tatsache voraus, dass der Herr (Adonai) ein Wort gegen Jakob sendet, ein Wort, das in Israel „herabfällt“ (Vers 7; vgl. Amos 3,1; 4,1; 5,1). Ihre sündigen Taten machen dies notwendig. Das Wort, das an sie gesandt wird und sie in Übereinstimmung mit dem geschlossenen Bund treffen wird, bringt den ständigen Wunsch Gottes nach Buße und Umkehr zum Ausdruck.
Ihr sündhaftes Verhalten hat in Übereinstimmung mit dem Bund immer wieder zur Züchtigung durch den HERRN geführt (5. Mose 28–30; 1. Könige 8; Amos 4). Deshalb wird der Ausdruck „Wort“ hier von der Septuaginta mit „Plage“ übersetzt. Diese Plagen werden einen Höhepunkt erreichen und eine Umkehr bewirken, bevor der verheißene Segen und das Licht gegeben werden können.
Obwohl es eine Botschaft für „Jakob“ und „Israel“, d. h. für „das ganze Volk“ ist, betrifft es namentlich „Ephraim und die Bewohner von Samaria“, d. h. die zehn Stämme (Vers 8). Die Bewohner von Ephraim sind des Hochmuts und der Überheblichkeit schuldig. Sie zeigen eine ständige Verhärtung ihrer Herzen. Prophetisch gesehen wird vor allem der Norden Israels durch den Einfall des Königs des Nordens eine schwere Zeit durchmachen müssen.
Trotz des Scheiterns des Bündnisses mit Syrien – denn dieses Bündnis hat nicht geholfen, Assyrien aufzuhalten – gibt es keine Umkehr. Der HERR hat sie aufgerufen, auf seine Rute, „Assyrien“, zu hören (Mich 6,9). Stattdessen schmieden sie in ihrem Stolz noch größere Pläne. Sie werden es noch besser machen als beim letzten Mal, die Ergebnisse werden die vorherige Situation übertreffen (Vers 9). Wie unbelehrbar, ja, wie unverbesserlich ist der Mensch.
Assyrien scheint übermächtig zu sein, aber Israel muss die Lektion lernen, dass Assyrien nur ein Werkzeug in der Hand des HERRN ist. Dies ist eine Lektion, die sich die Gläubigen aller Zeiten zu Herzen nehmen sollten. Es bedeutet, die Aufforderung in die Tat umzusetzen: „[So] demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes“ (1Pet 5,6).
Heutzutage reagieren die Menschen in gleicher Weise auf Katastrophen, die als Aufruf Gottes zur Umkehr über die Welt kommen. Was zerstört wurde, werden sie mit besseren Materialien und größer und luxuriöser wiederaufbauen. Das kommt zusätzlich der Wirtschaft zugute. Mit dem gleichen unverwüstlichen Enthusiasmus machen sich die Politiker Mut, um es in der nächsten Regierungsperiode noch besser zu machen.
Wegen des hartnäckigen Stolzes der zehn Stämme wird der HERR selbst neue Feinde gegen sie „erheben“ und „aufreizen“, die dann über sie kommen werden (Vers 10). Dies zeigt, dass ihre mächtigen Feinde nur Werkzeuge in Gottes Hand sind. Das gilt für Israel zur Zeit des Königs Pekach und wird auch zur Zeit der Invasion des Königs des Nordens so sein.
Ihr Bündnis mit Syrien hat keinen Vorteil gebracht, sondern im Gegenteil neue Feinde. Feinde von Rezin, dem König von Syrien (Jes 7,1) – gemeint sind die syrischen Feinde Rezins, die auf der Seite Assyriens stehen –, sind nun auch Israel feindlich gesinnt. Hier werden wir vor allem an Assyrien denken können. Auch Syrien selbst wird sie angreifen, und zwar von Osten her (Vers 11). Von Westen her kommen die Philister. So wird Israel von ihnen gierig verschlungen werden. Wegen der anhaltenden Bosheit seines Volkes wendet Gott seinen Zorn nicht von ihnen ab und kann seine schlagende Hand nicht zurückziehen.
12 - 16 Die Unbußfertigkeit Ephraims wird gerichtet
12 Und das Volk kehrt nicht um zu dem, der es schlägt, und den HERRN der Heerscharen suchen sie nicht. 13 Und der HERR wird aus Israel Haupt und Schwanz, Palmzweig und Binse ausrotten an einem Tag. 14 Der Älteste und Angesehene, er ist das Haupt; und der Prophet, der Lüge lehrt, er ist der Schwanz. 15 Denn die Leiter dieses Volkes führen irre, und die von ihnen Geleiteten werden verschlungen. 16 Darum wird sich der Herr über dessen Jünglinge nicht freuen und sich seiner Waisen und seiner Witwen nicht erbarmen; denn sie sind allesamt Ruchlose und Übeltäter, und jeder Mund redet Torheit. – Bei all dem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine Hand ausgestreckt.
In diesen Versen gibt der Prophet eine zweite Erklärung für die Ursachen und die Notwendigkeit der göttlichen Gerichte. Weil sie sich weiterhin weigern, sich zum HERRN zu bekehren und Ihn zu suchen (Vers 12), muss Er auch diesen zweiten Abschnitt mit dem Refrain abschließen, dass der Zorn des HERRN sich nicht abwendet und seine Hand noch immer zum Gericht ausgestreckt ist (Vers 16).
Das Gericht ist diesmal intern und besteht in der Beseitigung ihrer politischen und religiösen Führer. „An einem einzigen Tag“ werden sie an ihr Ende kommen (Vers 13), plötzlich, während es doch so oft angekündigt wurde. Die „Palmzweige“ sind die Führer, die „Binsen“ sind diejenigen, die geführt werden. Die Führer sind „der Älteste und Angesehene“, sie sind „das Haupt“, diejenigen, die die größte Verantwortung haben (Vers 14). Der falsche Prophet ist „der Schwanz“. Er wird verächtlich mit dem sich bewegenden Schwanz eines Hundes verglichen. So wie es ihm passt, prophezeit er. Diese falschen Propheten lassen sich nicht vom HERRN leiten, sondern von den politischen Führern, genau wie ein Schwanz, der den Gefühlszustand des Kopfes widerspiegelt.
So führen die Leiter, Palmzweige, also hochstehende Persönlichkeiten, und auch die von ihnen Geleiteten, Binsen oder niedrige Pflanzen, irre (Vers 15). Die Verführer tun dasselbe mit denen, die sich verführen lassen. Sie können den geraden Weg, den Weg des HERRN, nicht mehr entdecken und ihn deshalb auch nicht gehen.
Das Gericht kommt über ihre „Jünglinge“, die Hoffnung und gleichzeitig der Stolz des Volkes (Vers 16). Sie verlassen sich auf ihre eigene Stärke. Deshalb kann sich der Herr nicht über sie freuen, sondern muss sie richten. Das Gericht kommt auch über die, die Gott am meisten am Herzen liegen, „seine Waisen und seine Witwen“, weil auch sie den Verführern folgen (vgl. Ps 68,6; 146,9). Diejenigen, die sich täuschen lassen, haben bewusst den Irrweg gewählt. Sie alle – die Verführer und die Verführten – sind schuldig, den HERRN verlassen und nicht seine Warnungen gehört zu haben. Deshalb bleibt sein Zorn über ihnen und seine Hand im Gericht gegen sie ausgestreckt.
17 - 20 Die Gottlosigkeit Ephraims wird gerichtet
17 Denn die Gottlosigkeit brennt wie Feuer: Sie verzehrt Dornen und Disteln und zündet in den Dickichten des Waldes, dass sie emporwirbeln in hoch aufsteigendem Rauch. 18 Durch den Grimm des HERRN der Heerscharen ist das Land verbrannt, und das Volk ist wie ein Fraß des Feuers geworden; keiner verschont den anderen. 19 Und man verschlingt zur Rechten und hungert, und man frisst zur Linken und wird nicht satt. Sie fressen jeder das Fleisch seines eigenen Armes: 20 Manasse den Ephraim, und Ephraim den Manasse; diese miteinander fallen über Juda her. – Bei all dem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine Hand ausgestreckt.
Zum dritten Mal wird eine Warnung vor dem göttlichen Zorn ausgesprochen. Der Prophet weist auf die Gottlosigkeit hin, die sie begehen und durch die sie ihren eigenen Untergang bewirken (Vers 17). Heute erkennen wir das an dem ausschweifenden Umgang mit Sexualität im Besonderen und mit dem Leben im Allgemeinen. Alle Grenzen, die Gott gesetzt hat, werden verwischt und schließlich ausgelöscht.
Die Menschen ruinieren ihr eigenes Leben durch ihre gottlose Lebensweise. Die Gottlosigkeit tut ihr verzehrendes („Feuer“) und erstickendes (Rauch“) Werk unter ihnen. Der aufsteigende Rauch ist ein Merkmal der Hölle, dem Ort, an dem alle Gottlosigkeit dem ewigen Feuer übergeben wird (Off 14,11a; 19,3b).
Der HERR wird das Land dem Bürgerkrieg ausliefern mit all der Grausamkeit, dem Hunger und der Selbstzerstörung, die damit einhergehen (Vers 18). Das Land wird schwarz verbrannt sein, sodass es unmöglich ist, etwas darauf anzubauen. So wie Dornen und Sträucher (Vers 19) Nahrung für das Feuer sind, so ist das Volk, das aus verhärteten Sündern besteht, Nahrung für das Gericht des HERRN.
Eines der Gerichte, denen der HERR sein Volk überlässt, ist das des Bürgerkriegs. Deshalb wird auch der Egoismus die Oberhand haben. Keiner gönnt dem anderen einen Bissen Brot (Vers 19). Die Not wird so groß sein, dass nicht einmal die eigenen Brüder verschont werden (Vers 20). Manasse, der geteilte Stamm, dessen eine Hälfte im Land und dessen andere Hälfte außerhalb ist und der deshalb die Folgen der Spaltung kennt, tritt gegen den großen Führer Ephraim an. Ephraim, für den es schon immer unangenehm war, der Geringste zu sein (Ri 12,1), wird das nicht zulassen.
Wenn der Kampf vorbei ist, wenden sie sich gemeinsam gegen Juda. Durch den Grimm des HERRN tun sie ihr Bestes, sich gegenseitig das Leben zu nehmen. Dann ertönt zum dritten Mal der Refrain, dass der Zorn des HERRN sich nicht abwendet und seine Hand noch zum Gericht ausgestreckt ist.
Auch unter uns Christen kann ein Bruderstreit vom Herrn als eine Züchtigung von Ihm zugelassen werden, weil wir Ihn in unserem Leben nicht anerkennen. Wenn die Beziehung zu Ihm nicht gut ist, hat das immer Folgen für die Beziehungen zwischen den Gliedern seines Volkes und zwischen den Menschen im Allgemeinen.
Wenn Christen mit äußerer Religiosität prahlen, während sie nicht auf das Gebot der Bruderliebe hören, ist die Folge, dass sie sich gegenseitig beißen und fressen. Wenn dem nicht Einhalt geboten wird, werden sie sich gegenseitig verschlingen (Gal 5,15). In örtlichen Gemeinden, in denen solche Situationen vorkommen, ist es wichtig, dies als ein Gericht Gottes zu erkennen. Dann kann man sich demütig Ihm und einander zuwenden, statt sich weiter mit seinen Privilegien zu brüsten.