Einleitung
Dieses Kapitel gibt einen Rückblick auf die Zeit des Grimmes Gottes durch die Assyrer. Es gibt zwei Gründe für diese Züchtigung Gottes:
1. Israels Vertrauen auf die Macht Ägyptens, indem es einen Bund mit ihnen schloss (Verse 1–7; vgl. Jes 28,15).
2. Ihre Verwerfung Gottes (Verse 8–12), ein Bild für die Verwerfung von Christus.
Von ihrem Vertrauen auf die Macht Ägyptens lesen wir in Vers 2 dieses Kapitels: „Meinen Mund haben sie nicht befragt.“ Wenn sie das getan hätten, wäre ihnen klar gewesen, dass es nach den Geboten Moses verboten war, nach Ägypten zurückzukehren (2Mo 13,17; 5Mo 17,16). Zu der Sünde der Widerspenstigkeit, weshalb Gott sie durch die Assyrer züchtigen muss, kommt hinzu, dass sie sündigen, indem sie nach Ägypten zurückkehren, um einen Bund mit diesem Land zu schließen. Damit zeigen sie, dass sie dem HERRN nicht vertrauen (Jes 7,9). Wir sehen hier auch die Flucht der gottlosen Juden nach Ägypten zur Zeit des Einfalls der Assyrer. Das wird nicht helfen, denn die Assyrer werden nach Ägypten durchstoßen und sie dort zu fassen bekommen.
1 - 5 Gegen den Bund mit Ägypten
1 Wehe den widerspenstigen Kindern, spricht der HERR, die Pläne ausführen, aber nicht von mir aus, und Bündnisse schließen, aber nicht nach meinem Geist, um Sünde auf Sünde zu häufen; 2 die hingehen, um nach Ägypten hinabzuziehen – aber meinen Mund haben sie nicht befragt –, um sich zu flüchten unter den Schutz des Pharaos und Zuflucht zu suchen unter dem Schatten Ägyptens! 3 Und der Schutz des Pharaos wird euch zur Schmach werden, und die Zuflucht unter dem Schatten Ägyptens zur Schande. 4 Denn seine Fürsten waren in Zoan, und seine Gesandten gelangten nach Hanes. 5 Alle werden beschämt werden über ein Volk, das ihnen nichts nützt, das nicht zur Hilfe und nicht zum Nutzen, sondern zur Beschämung und auch zum Hohn wird.
Ein „Wehe“ (das vierte) wird nun gegen Juda ausgesprochen wegen des Plans, Hilfe bei Ägypten zu suchen, um sich vor Assyrien zu schützen (Vers 1; 2Kön 18,21). Es ist der Plan der „widerspenstigen Kinder“, derer, die behaupten, Gottes Volk zu sein, aber kein Vertrauen in Ihn haben. Es ist ein selbst erstellter Plan; er ist nicht durch Gottes Geist eingegeben. Wir sehen hier, dass Jesaja den HERRN und den Geist als eins darstellt. Was der HERR tut, das tut auch der Geist.
Indem sie ihren Plan ausführen, fügen sie dem Stapel von Sünden, der schon da ist, noch mehr hinzu. Als sie nach Ägypten aufbrechen, um ihren Plan auszuführen, zeigen sie damit ihre Hartnäckigkeit in ihrem Aufstand gegen den HERRN (Vers 2). Sie geben dem Schutz des Pharaos und Ägyptens, des kleinen und trügerischen „Schattens“, den Vorzug, anstatt Vertrauen in den zu setzen, der wahrhaft zu beschützen vermag, „unter dem Schatten des Allmächtigen“ (Ps 91,1).
Dieses Vertrauen auf Ägypten wird zur Schmach und zur Schande werden (Vers 3). Ihre Diplomaten, die sie nach Ägypten senden, um in den Städten Zoan und Hanes zu verhandeln, werden keinen Vorteil erlangen, sondern Beschämung und Hohn (Verse 4.5). Möglicherweise können wir auch an das Vertrauen denken, das die abgefallenen Juden auf ihr Bündnis mit Europa, d. h. dem wiederhergestellten Römischen Reich, in naher Zukunft setzen werden.
Israels Versagen, Gott zu vertrauen, klingt wie ein Refrain in diesem Buch. Sie vertrauen auf Assyrien (Jesaja 7), auf Ägypten (Jesaja 30) und auf Babylon, einen Typus von Europa (Jesaja 40–48). Ägypten wird auch eine Zuflucht für die ungläubigen Juden sein, aber vergeblich, denn Ägypten als König des Südens wird auch unter der Invasion der Assyrer, des Königs des Nordens, leiden (Dan 11,40–43).
Alle Pläne, die auch wir machen, ohne den Herrn um Rat zu fragen, können durchaus den gleichen Charakter tragen wie die Pläne Israels. Worauf ist unser Vertrauen gegründet?
6 - 7 Über die Tiere im Süden des Landes
6 Ausspruch über den Behemot des Südens: Durch ein Land der Bedrängnis und der Angst, aus dem Löwin und Löwe, Ottern und fliegende feurige [Schlangen kommen], tragen sie auf den Rücken der Eselsfohlen ihren Reichtum und auf den Höckern der Kamele ihre Schätze zu einem Volk, das nichts nützt. 7 Denn umsonst und vergebens wird Ägypten helfen. Darum nenne ich es: Rahab, das still sitzt.
„Der Ausspruch über den Behemot des Südens“ betrifft die Tiere, die im Süden des Landes, vielleicht auch in der Wüste Negev, leben (Vers 6). Durch diese wüstenähnliche Landschaft müssen sie mit ihren Lasttieren auf ihrer Reise nach Ägypten ziehen. Sie müssen es tun, weil die normalen Wege in den Händen der Assyrer sind. Das verzweifelte Juda ist bereit, eine gefährliche Reise zu unternehmen und einen großen Schatz zu investieren, um Hilfe zu finden, die sich als vergeblich erweisen wird. So gefährlich und unberechenbar wie die Tiere, denen sie auf dem Weg begegnen, „Löwin und Löwe, Ottern und fliegende feurige Schlangen“, so gefährlich und unzuverlässig werden sich die Führer Ägyptens erweisen.
Die Schätze, die sie auf Eseln und Kamelen mit sich führen, um sich die Hilfe eines Landes zu sichern, aus dem der HERR sie vor langer Zeit befreit hat, werden ihnen nicht die begehrte Hilfe bringen. Es wird sich alles als vergeblich erweisen und nur Verlust bringen (Vers 7). Die Sprache hier ist stolpernd, wörtlich heißt es: „Ägypten? Eitel und leer, sie helfen …“
„Rahab“ ist ein poetischer Name für Ägypten (Jes 51,9; Ps 87,4; 89,11). Ursprünglich ist es eine Art Ungeheuer (Jes 27,1) – wahrscheinlich ist der Behemot gemeint (Hiob 40,15–24) – eine bildhafte Bezeichnung für Satan, eine dämonische Macht. Der Name Rahab bedeutet „hochmütig“ und verkörpert das Wesen Satans. Trotz seines Stolzes wird Ägypten in seiner Ohnmacht still auf seinem Platz sitzen bleiben, unfähig, eine Hand auszustrecken, um Juda zu helfen. Es ist das, was wir einen „Papiertiger“ nennen. Wörtlich kann man übersetzen: „Rahab (das schreckliche Ungeheuer)? Sie tut nichts …“
8 - 11 Verwerfung des Wortes
8 Geh nun hin, schreibe es vor ihnen auf eine Tafel und zeichne es in ein Buch ein; und es bleibe für die zukünftige Zeit, auf ewig, bis in Ewigkeit. 9 Denn es ist ein widerspenstiges Volk, betrügerische Kinder, Kinder, die das Gesetz des HERRN nicht hören wollen; 10 die zu den Sehern sprechen: „Seht nicht!“, und zu den Schauern: „Schaut uns nicht das Richtige, sagt uns Schmeicheleien, schaut uns Täuschungen! 11 Weicht ab vom Weg, biegt ab vom Pfad; schafft den Heiligen Israels vor unserem Angesicht weg!“
Nachdem der Prophet ihre Abhängigkeit von Ägypten verurteilt hat, spricht er nun von der Ursache dafür. Dies liegt an ihrer Einstellung. Sie haben ihr Vertrauen nicht auf den HERRN gesetzt. Dies wird nun vom HERRN aufgedeckt.
Prophetie hat zwei Formen: die gesprochene und die geschriebene Form. Gesprochene Prophezeiung ist für diejenigen gedacht, die zu dem Zeitpunkt anwesend sind und sie hören können. Die schriftliche Prophezeiung erreicht viel mehr Menschen, nicht nur zu dieser Zeit, sondern auch in den kommenden Generationen.
Jesaja bekommt den Auftrag, seine Worte „vor ihnen“ aufzuschreiben (Vers 8). Es ist in erster Linie eine wichtige Warnung an sie. Er soll seine Botschaft „auf eine [Schreib-]Tafel“ schreiben und „in ein Buch“ einzeichnen. Mit „Tafel“ ist eine Ton– oder Steintafel gemeint, und mit „Buch“ sind Papyrus-Rollen gemeint. Die Niederschrift seiner Botschaft unterstreicht, dass die Warnung, nicht nach Ägypten um Hilfe zu gehen, nicht allein nur für das Volk Gottes in den Tagen Jesajas gedacht ist. Sie ist auch für Gottes Volk zu allen Zeiten und besonders für das Volk Israel in der nahen Zukunft gedacht.
Gottes Wort gilt für alle Zeiten. In Zukunft muss Israel sein Vertrauen nicht auf die militärische Macht des wiederhergestellten Römischen Reiches setzen, sondern auf den HERRN (Ps 121,1.2). Wir haben keinen anderen Maßstab. Das Vertrauen in Gott gründet sich auf das geschriebene Wort Gottes (Lk 6,47–49).
Hilfe bei Ägypten zu suchen – für uns: bei der Welt – kann nur in einer Katastrophe enden. Die Dokumentation der Warnung ist notwendig, weil das Volk „ein widerspenstiges Volk“ ist (Vers 9). Auch die Völker der Welt halten ihre Siege und herausragenden Eigenschaften fest. Aber diese Nationen schreiben normalerweise keine negativen Dinge über sich selbst. Das Wort Gottes zeichnet auch die negativen Eigenschaften des Volkes Gottes auf, denn das Wort Gottes ist die Wahrheit.
Das Volk besteht aus „betrügerischen Kindern“, die nicht auf die Unterweisung des HERRN hören wollen. „Betrügen“ bedeutet hier nicht an erster Stelle, dass sie „lügen“, sondern dass sie „enttäuschen“. Ihr trotziger Widerstand gegen das Hören kommt immer wieder auf. Es ist die Hauptursache für ihren Abfall. Der Prophet darf nicht mit der Wahrheit zu ihnen kommen (Vers 10; Amos 2,12b). Sie missfällt ihnen. Die Wahrheit bringt sie in das Licht des Heiligen Israels. Das wollen sie nicht. Wenn sie etwas hören wollen, dann muss es jedenfalls eine Botschaft sein, die an ihre Wünschen angepasst ist (2Tim 4,3.4; Mich 2,11).
Sie wollen, dass Propheten wie Jesaja und sein Zeitgenosse Micha die Richtung ändern. „Der Heilige Israels“ soll nicht vor ihre Augen gestellt werden, sondern vielmehr muss Er vor ihrem Angesicht hinweggeschafft werden (Vers 11). Sie benutzen diesen Namen, weil Jesaja ihn oft in seiner Predigt an sie verwendet. Sie sagen gewissermaßen: „Jetzt hört auf mit diesem Gerede über den Heiligen Israels.“ Sie wünschen es nicht, an diesen Namen erinnert oder mit Ihm konfrontiert zu werden. Dies ist eine dramatische Verwerfung dessen, der der HERR ist.
Frei übersetzt sagen sie zu dem Propheten und zu dem HERRN: „Aus dem Weg, auf die Seite! Weg mit dir!“ So wird der geistliche Zustand der großen Masse in Israel während der großen Drangsal sein. Ihre Schuld ist groß. Sie werden den Antichristen annehmen, nachdem sie Christus verworfen haben (Joh 5,43). Davor werden sie durch Gottes Wort im nächsten Abschnitt gewarnt.
12 - 17 Wenn das Wort verworfen wird
12 Darum, so spricht der Heilige Israels: Weil ihr dieses Wort verwerft und auf Bedrückung und Verdrehung vertraut und euch darauf stützt, 13 darum wird euch diese Ungerechtigkeit wie ein sturzdrohender Riss sein, wie eine Ausbauchung an einer hochragenden Mauer, deren Einsturz in einem Augenblick, plötzlich, kommt. 14 Und er wird sie zerbrechen, wie man einen Töpferkrug zerbricht, der ohne Schonung zertrümmert wird, und von dem, wenn er zertrümmert ist, nicht eine Tonscherbe gefunden wird, um [damit] Feuer vom Herd zu holen oder Wasser aus einer Zisterne zu schöpfen. 15 Denn so spricht der Herr, HERR, der Heilige Israels: Durch Umkehr und durch Ruhe würdet ihr gerettet werden; im Stillsein und im Vertrauen würde eure Stärke sein. Aber ihr habt nicht gewollt; 16 und ihr spracht: „Nein, sondern auf Rossen wollen wir fliegen“; darum werdet ihr fliehen; und: „Auf Rennern wollen wir reiten“; darum werden eure Verfolger rennen. 17 Ein Tausend [wird fliehen] vor dem Drohen eines Einzigen; vor dem Drohen von Fünfen werdet ihr fliehen, bis ihr übrig bleibt wie eine Stange auf der Spitze des Berges und wie ein Banner auf dem Hügel.
Dann hören sie aus dem Mund „des Heiligen Israels“, den sie weit von sich fernhalten wollten, das Urteil über ihre ganze Widerspenstigkeit und über ihren bösen Willen, ohne Ihn leben zu wollen (Vers 12). Einerseits verwerfen sie „dieses Wort“, das meint die Unterweisungen des HERRN. Auf der anderen Seite vertrauen sie auf „Bedrückung und Verdrehung“, also auf die Art und Weise, wie sie danach trachten, sich die Freundschaft Ägyptens zu sichern. Durch diese Vorgehensweise bewirken sie ihren eigenen Untergang. So war es vor dieser Zeit gewesen, als sie ihr Vertrauen auf Assyrien setzten (2Kön 16,7), und so wird es in der Zukunft sein, wenn sie ihr Vertrauen auf das wiederhergestellte Römische Reich, Europa, setzen werden (Jes 28,15).
Sie denken, sie hätten den Schutz einer Mauer, aber sie lockern die Mauer und werden unter ihrem Fall begraben werden (Vers 13). Die Zertrümmerung wird nicht nur „in einem Augenblick, plötzlich kommen“, sondern auch total sein. Israel wird wie Töpferware so zerschlagen werden, dass nicht einmal ein Scherbenstück für den alltäglichen Gebrauch übrig bleibt (Vers 14). Der Terroranschlag auf die Twin Towers in New York (11.09.2001) und seine Folgen können vielleicht eine gute Illustration für diese Verse sein.
Dies sind die Folgen ihrer Weigerung, die Rettung „im Stillsein und im Vertrauen“ zu erlangen. „Durch Umkehr und durch Ruhe“ bedeutet, dass sie von ihrem selbstgewählten Weg umkehren und sich Gott zuwenden (= Umkehr) und aufhören, auf ihre eigene Kraft zu vertrauen und darin zu ruhen (Vers 15). Dann liegt ihre Stärke „im Stillsein und im Vertrauen“ und nicht in eigener Kraft. Das gibt dem HERRN die Gelegenheit, seine Macht zu offenbaren, denn Gottes Macht wird in – unserer – Schwachheit vollbracht (2Kor 12,9). „Vertrauen“ bedeutet, dass sie ihr Vertrauen nicht mehr auf Ägypten setzen, sondern zum HERRN gehen und auf Ihn vertrauen.
Jesaja macht ihnen den Vorwurf: „Aber ihr habt nicht gewollt“ (vgl. Mt 23,37). Sie haben ihren Unwillen gezeigt. Dann ist alle Mühe umsonst und der HERR muss sie mit den Folgen ihres bösen Willens konfrontieren und sie richten. Sein Urteil ist, dass sie ihren Willen bekommen werden. Ihr Plan wird sich gegen sie wenden. Glauben sie, dass sie schnell fliehen können? Das wird geschehen, aber ihre Feinde werden schneller sein (Vers 16; 2Kön 25,4.5).
Pferde waren in jenen Tagen modern, sie sind das Mittel zum Sieg. Wir würden heute sagen: „Sie vertrauen auf ihren „Iron Dome“ und ihre Atomwaffen statt auf den HERRN. Aber dann spricht der HERR: „Wollen sie etwa dem Heiligen Israels ein Ende setzen (Vers 11)? Der Heilige Israels wird vielmehr ihnen ein Ende bereiten (Vers 14)!“
Sie sollen bitter enttäuscht werden. Die Angst wird so groß sein, dass der Anblick eines einzigen feindlichen Soldaten tausend von ihnen zur Flucht veranlasst (Vers 17; vgl. 5Mo 32,30; Jos 23,10). Und wenn die Feinde zu fünft kommen, rennt das ganze Volk weg. Wären sie gehorsam gewesen, wäre das Gegenteil der Fall gewesen (3Mo 26,8). Nunmehr werden in dem entvölkerten Land nur noch hier und da ein paar übrig bleiben. Es ist der Inbegriff der Trostlosigkeit. Es ist auch eine Warnung für uns, nicht auf Menschen zu vertrauen.
18 - 22 Gnade für Gottes Volk
18 Und darum wird der HERR zögern, euch gnädig zu sein; und darum wird er sich erheben, bis er sich über euch erbarmt; denn der HERR ist ein Gott des Gerichts. Glückselig alle, die auf ihn harren! 19 Denn ein Volk wird in Zion wohnen, in Jerusalem. Du wirst nie mehr weinen; er wird dir gewiss Gnade erweisen auf die Stimme deines Schreiens: Sobald er hört, wird er dir antworten. 20 Und der Herr wird euch Brot der Bedrängnis und Wasser der Trübsal geben. Und deine Lehrer werden sich nicht mehr verbergen, sondern deine Augen werden deine Lehrer sehen; 21 und wenn ihr nach rechts oder wenn ihr nach links abbiegt, so werden deine Ohren ein Wort hinter dir her hören: Dies ist der Weg, wandelt darauf! 22 Und ihr werdet den Überzug deiner silbernen Schnitzbilder und die Bekleidung deiner goldenen Gussbilder verunreinigen; du wirst sie wegwerfen wie ein unflätiges [Kleid]: „Hinaus!“, wirst du zu ihnen sagen.
Es ist genau die Trostlosigkeit von Vers 17, die den HERRN dazu bringt, den Wunsch zu äußern, ihnen gnädig zu sein, während Er immer noch zögert, gnädig zu sein (Vers 18). Das hebräische Wort haka bedeutet ein Warten mit Sehnsucht, ein Warten, bis das Gericht vollzogen ist. Deshalb greift der HERR auch während der Belagerung durch die Assyrer, den König des Nordens, nicht ein. Er zeigt seine Barmherzigkeit immer einem hilflosen Überrest, der an sich kein Recht darauf hat und sich dessen bewusst ist.
Das Bindeglied zwischen den oben dargestellten Züchtigungen, die wegen seiner Verwerfung und seines Wortes notwendig waren, und der angekündigten Barmherzigkeit ist, dass „der HERR … ein Gott des Gerichts ist“. Das Gericht wird ausgeübt und seiner Gerechtigkeit wird entsprochen. Dann kommt das zweite „darum“. „Darum“ kann Er danach Barmherzigkeit zeigen.
Wir können es wie folgt zusammenfassen. Da sie sich weigern, auf den HERRN zu warten, muss der HERR auf sie warten, bis sie durch die Gerichte wegen ihrer Torheit ebenso wie der verlorene Sohn zu Ihm zurückkehren. Auf ihren Hilferuf: „Wie lange noch, HERR?“ lautet seine Antwort: „Sobald ihr bereit und bekehrt seid.“
Weil Gottes heilige Anforderungen erfüllt wurden, als Er das volle Gericht über die Sünde auf Christus herabbrachte, kann Er allen Gnade erweisen, die in Reue über ihre Sünden sich auf diese Gnade berufen. Das Volk muss noch auf die Erweisung dieser Gnade warten. Sie wissen vielleicht schon, dass diese Gnade vorhanden ist. Die Zeit, um sie in Gnade wieder als sein Volk anzunehmen ist für Israel aber noch nicht gekommen. Wenn sie vertrauensvoll auf Ihn „harren“, nennt Er sie „glückselig“.
Dieses „glückselig“ wird vom Propheten weiter ausgeführt, indem er ihnen Gottes Trost und Erhörung während der Zeit der großen Drangsal verspricht (Vers 19). Babel wird nie wieder aufgebaut werden, und Ninive wird zerstört werden und keine Stadt mehr sein (Jes 13,19–21; Nah 1,14), aber die Juden werden eine ewige Wohnstätte in Zion, in Jerusalem, haben. In Zion zu wohnen, spricht von Gottes Gnade.
Wenn das Volk Ihn und nicht ein anderes Volk um Hilfe bittet, wird Er antworten, indem Er ihnen diese Wohnstätte der Ruhe gibt. Die Bestimmung Israels ist, wie die unsere, ein Zuhause der Ruhe zu besitzen. In Jerusalem werden sie nach all ihrem Umherirren durch unzählige fremde Länder diese Ruhe finden. Dort werden sie die Beweise der göttlichen Liebe erhalten, die auf sie warten.
Für eine kurze Zeit werden sie Trübsal leiden, nämlich während der Zeit der großen Drangsal. Dann werden sie von dem Brot der Bedrängnis essen und von dem Wasser der Trübsal trinken (Vers 20). Aber nach dieser Zeit wird eine gesegnete Zeit kommen, das Friedensreich, in dem Er sie mit Führung und Unterweisung durch kompetente Lehrer, die Er geben wird, versorgen wird. Ihr Lehrer im Besonderen wird der Herr Jesus selbst sein, der auch der „Lehrer zur Gerechtigkeit“ genannt wird (Joel 2,23 [niederländische Übersetzung]; vgl. Hiob 36,22; Mt 23,10; Joh 3,2; Ps 32,8).
Das hebräische Wort, das hier mit „Lehrer“ übersetzt wird, kann entweder im Singular oder im Plural übersetzt werden, aber das Verb „verbergen“ ist im Singular. Letzteres verstärkt den Gedanken, dass wir hier an Gott – im Hebräischen ist Gott Plural – als den Lehrer denken können.
Er wird ihnen nachgehen, sie auf den richtigen Weg bringen und sie so vor Abweichungen bewahren (Vers 21). Dieser Lehrer ist ständig bei ihnen. „Ein Wort hinter dir“ zeigt an, dass Er nahe ist und dass kleine Hinweise ausreichen, um sie in die richtige Richtung zu führen. „Nach rechts oder links gehen“ ist ein Ausdruck, der auf die im Leben zu treffenden Entscheidungen hinweist.
So ist es auch für uns. Der Herr Jesus ist immer bei uns und will uns ständig durch sein Wort den richtigen Weg zeigen. Das Hören auf die Lehre des Wortes Gottes hält uns auf dem richtigen Weg. Wenn wir nach rechts oder links abbiegen wollen, werden wir seine Stimme hören, die uns auf seinem Weg halten wird.
All diese Vorkehrungen des HERRN werden, zusammen mit dem Geist der Buße, der in ihnen ist, eine reinigende Wirkung auf sie haben (Vers 22). Gesunde Lehre aus Gottes Wort und der Geist der Gnade in Gottes Volk sind die Grundlage für gesundes geistliches Wachstum. Das Wort offenbart im Leben, was im Widerspruch dazu steht. Alles, was dem Wort Gottes widerspricht, wird weggeworfen wie ein unreines Tuch. Wenn Gottes Wort Autorität über unser Leben hat und wir darauf hören, ist es viel wahrscheinlicher, dass wir mit einem festen „Weg damit!“ alles aus unserem Leben entfernen, was uns daran hindert, Gottes Segen in vollem Umfang zu empfangen.
23 - 26 Der volle Segen des HERRN
23 Und er wird Regen geben zu deiner Saat, mit der du den Erdboden besäst, und Brot als Ertrag des Erdbodens, und es wird fett und nahrhaft sein. Deine Herden werden an jenem Tag weiden auf weiter Weide; 24 und die Ochsen und die Eselsfohlen, die das Ackerland bearbeiten, werden gesalzenes Futter fressen, das man mit der Schaufel und mit der Gabel geworfelt hat. 25 Und auf jedem hohen Berg und auf jedem erhabenen Hügel werden Bäche, Wasserströme sein an dem Tag des großen Gemetzels, wenn Türme fallen. 26 Und das Licht des Mondes wird sein wie das Licht der Sonne, und das Licht der Sonne wird siebenfach sein, wie das Licht von sieben Tagen, an dem Tag, da der HERR den Schaden seines Volkes verbinden und die Wunde seines Schlages heilen wird.
Jesaja stellt in diesen Versen dem Volk den Segen vor. Es sind irdische Segnungen, die zu einem Volk gehören, das Verheißungen hat, die sich alle auf das Leben auf der Erde beziehen. Ihre ganze nationale Existenz findet auf der Erde statt. Dieser Segen kommt, wenn der Herr Jesus als Friedefürst auf der Erde regieren wird. Nach dem „Brot der Bedrängnis und dem Wasser der Trübsal“, das knapp war (Vers 20), wird es Wasser im Überfluss geben durch den Regen vom Himmel, der auch für einen Ertrag des Feldes sorgen wird, der „fett und nahrhaft“ sein wird (Vers 23). Auch das Vieh wird reichlich am Segen teilhaben und mit bestem Futter versorgt werden, einem zusammengesetzten und fermentierten Tierfutter, das eine Delikatesse für das Vieh sein wird. Alles wird im Überfluss vorhanden und von bester Qualität sein (Vers 24).
Wasser ist auch in den höheren Orten wie Bergen und Hügeln reichlich vorhanden (Vers 25). In den letzten Schlachten, die auch noch am Anfang des Friedensreichs stattfinden werden, sind keine Vorkehrungen zur Sicherung der Wasserversorgung nötig wie in den Tagen Hiskias. Bei der Umschreibung „an dem Tag des großen Gemetzels, wenn Türme fallen“, können wir an die Ausrottung der Heere denken, die aus dem hohen Norden, d. h. aus Russland, in das Land Gottes gekommen sind (Hes 38,14–23).
Auch die Himmelskörper werden ein Vielfaches ihres durch die Sünde gedämpften Lichtes ausstrahlen (Vers 26). Wörtlich heißt es: „Das Licht des „Weißen“ wird sein wie das Licht der „Heißen“, und das Licht der „Heißen“ wird siebenfach sein, wie das Licht von sieben Tagen. Es ist eine (bildliche) Sonne, die eine Freude für die Menschen sein wird, die nicht durch Kummer und Trauer getrübt wird. Das wird eine Folge der Erneuerung durch den HERRN sein, wenn Er sein Volk von Kummer und Leid befreit hat. Die Sonne ist vor allem der Herr Jesus selbst, „die Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,20). Obwohl die Feinde noch nicht alle vernichtet sind, ist die hier gegebene Aussicht eine große Ermutigung für den gläubigen Überrest.
27 - 32 Gericht und Feier
27 Siehe, der Name des HERRN kommt von fern her. Sein Zorn brennt, und der aufsteigende Rauch ist gewaltig; seine Lippen sind voll Grimm, und seine Zunge ist wie ein verzehrendes Feuer 28 und sein Odem wie ein überflutender Bach, der bis an den Hals reicht: um die Nationen zu schwingen mit einer Schwinge der Nichtigkeit und um einen irreführenden Zaum an die Kinnbacken der Völker [zu legen]. 29 Gesang werdet ihr haben wie in der Nacht, da das Fest geweiht wird, und Freude des Herzens wie diejenigen, die unter Flötenspiel hinziehen, um auf den Berg des HERRN, zum Felsen Israels zu kommen. 30 Und der HERR wird hören lassen die Majestät seiner Stimme und sehen lassen das Herabfahren seines Armes mit Zornesschnauben und einer Flamme verzehrenden Feuers – Wolkenbruch und Regenguss und Hagelsteine. 31 Denn vor der Stimme des HERRN wird Assur zerschmettert werden, wenn er mit dem Stock schlägt. 32 Und es wird geschehen, jeder Streich der verhängten Rute, die der HERR auf ihn herabfahren lässt, ergeht unter Tamburin und Lautenspiel; und mit geschwungenem Arm wird er gegen ihn kämpfen.
Nach den Verheißungen der Erlösung Judas finden wir in den Versen 27–33 eine Vorhersage des Gerichts Gottes über die Allianz der Feinde. Nicht Ägypten, sondern Gott selbst wird Assyrien vernichten. Während wie an so vielen anderen Stellen der unmittelbare Feind Assyrien ist, weist der Prophet auch hier auf Assyrien in der Zukunft hin. Es ist bemerkenswert, dass oft über den Segen des Friedensreichs gesprochen wird, nachdem von dem Gericht über Assyrien gesprochen wurde.
Der HERR, d. h. sein Name – das ist alles, was Er in seiner Verbindung mit Israel ist – kommt zum Gericht (Vers 27). Dass sein Name „von fern her“ kommt, bedeutet, dass Er weit weg von den heidnischen Nationen ist, die sein Volk vom Erdboden auslöschen wollen. Dies betrifft sowohl das Assyrien in den Tagen des Jesaja als auch das Assyrien, den König des Nordens, in der Zukunft.
Sein Kommen zum Gericht ist mit Feuer verbunden. Wir lesen, dass „sein Zorn brennt“ und „seine Zunge ist wie ein verzehrendes Feuer“ (vgl. Mal 3,2.3). Feuer erschreckt und verzehrt (vgl. 2Thes 1,7.8). Gott ist auch für uns „ein verzehrendes Feuer“ (Heb 12,29). In Vers 28 ändert Jesaja das Bild des Gerichts durch Feuer in das Bild des Gerichts durch Wasser, indem er „seine Zunge“ durch „seinen Odem“ ersetzt. Der HERR wird die versammelten Völker mit „seinem Odem“ richten (vgl. 2Thes 2,8), der wie „ein überflutender Bach“ sein wird (vgl. Jes 8,7.8). Ein überflutender Bach ist ein zunächst trockenes Wadi, ein trockenes Flussbett in der Wüste. Normalerweise ist er trocken, aber bei einem sintflutartigen Regenguss in den Bergen kann er sich innerhalb von Minuten in einen alles zerstörenden, überflutenden Bach verwandeln. Ebenso wird das Gericht Gottes plötzlich kommen und umfassend vernichtend sein.
Wenn der HERR in der Nacht kommt, um die Feinde seines Volkes zu richten, wird der Überrest des Volkes Gottes Lieder singen (Vers 29). Es erinnert an die Nacht des Auszugs aus Ägypten, als das Gericht über die Unterdrücker des Volkes Gottes kam (2Mo 12,42) und an das Lied der Erlösung, das sie nach ihrer Befreiung singen (2Mo 15,1). Sie singen Lieder mit Blick auf den kommenden Tag. Es ist ein Lied, das den Aufstieg nach Jerusalem besingt, noch bevor der Marsch dorthin begonnen hat.
Wenn „der Fels Israels“, das ist der HERR in seiner Unerschütterlichkeit, Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit ist, kann dieses Lied im Glauben gesungen werden. Wir sehen etwas Ähnliches bei Josaphat, der während seines Krieges die Sänger an die Spitze stellt (2Chr 20,21). Wir sehen es auch bei Paulus und Silas, die vor dem Erdbeben und der Befreiung aus dem Gefängnis Loblieder singen (Apg 16,25.26).
In Vers 30 setzt Jesaja seine Beschreibung des Kommens des HERRN fort. Auf eindrucksvolle Weise beschreibt er die Majestät seines Kommens. Es wird Assyrien in Schrecken versetzen (Vers 31; vgl. 1Sam 7,10). Assyrien, das einst von Gott als Rute zur Züchtigung seines Volkes benutzt wurde (Jes 10,5), während Assyrien selbst Rute und Stab dazu benutzte (Jes 10,24), wird nun vom HERRN selbst mit der Rute geschlagen werden. Jeder Schlag mit der Rute Gottes wird ein Treffer sein. Das Schlagen wird gewissermaßen geschehen nach dem Maß der Erlösungslieder, die der Überrest unter Begleitung von Musikinstrumenten singen wird (Vers 32).
33 Die Gräuelstätte
33 Denn längst ist eine Gräuelstätte zugerichtet; auch für den König ist sie bereitet. Tief, weit hat er sie gemacht, ihr Holzstoß hat Feuer und Holz in Menge; wie ein Schwefelstrom setzt der Hauch des HERRN ihn in Brand.
„Die Gräuelstätte“ oder „Tophet“ (vgl. Jer 19,6) steht im Zusammenhang mit dem Gericht Gottes über die Assyrer. Die prophetische Tragweite geht darüber hinaus. Es ist der Ort im Tal von Hinnom in der Nähe Jerusalems, an dem grausame und schreckliche Kinderopfer dem Moloch dargebracht wurden (2Kön 23,10; Jer 7,31.32). Tophet ist nicht nur der Bestimmungsort für den Assyrer, sondern auch der des „Königs“ oder des Antichristen (vgl. Dan 11,36).
An diesem Ort wird der Hauch des HERRN das Feuer seines Zorns entzünden, um den Antichristen und auch die feindlichen Heere zu verzehren (2Thes 2,8). Der Antichrist ist die Ursache für die Züchtigung des HERRN durch seine Rute, die Assyrer. Nachdem der HERR die Züchtigung beendet hat, werden schließlich sowohl die Rute als auch der Antichrist nach Tophet gebracht.