1 - 4 Es eilt der Raub, bald kommt die Beute
1 Und der HERR sprach zu mir: Nimm dir eine große Tafel und schreibe darauf mit Menschengriffel: Es eilt der Raub, bald kommt die Beute; 2 und ich will mir zuverlässige Zeugen nehmen: Urija, den Priester, und Sacharja, den Sohn Jeberekjas. 3 Und ich nahte der Prophetin, und sie wurde schwanger und gebar einen Sohn. Und der HERR sprach zu mir: Gib ihm den Namen: „Es eilt der Raub, bald kommt die Beute.“ 4 Denn bevor der Knabe zu rufen weiß: „Mein Vater!“ und: „Meine Mutter!“, wird man vor dem König von Assyrien den Reichtum von Damaskus und die Beute von Samaria hertragen.
Die Ereignisse in diesem Kapitel hängen eng mit denen des vorherigen Kapitels zusammen. Es geht auch um die Befreiung Judas von der Drohung durch das syrisch-israelische Bündnis und die anschließende assyrische Invasion, die schließlich auch Juda erreichen wird. Vor diesem Hintergrund erhält Jesaja den Auftrag, eine Botschaft aufzuschreiben und zwar so, dass sie jeder im Vorbeigehen zur Kenntnis nehmen kann (Vers 1; vgl. Hab 2,2). Sie muss leicht zu lesen sein. Gottes Warnungen sind immer wahrnehmbar und für jeden verständlich. Der HERR sagt ihm, was er aufschreiben soll: „Es eilt der Raub, bald kommt die Beute“.
Jesaja muss zudem zwei zuverlässige Zeugen nehmen: Urija, … und Sacharja“ (Vers 2; vgl. 5Mo 19,15). Urija bedeutet „der HERR ist mein Licht“ und Sacharja „der HERR gedenkt“. Die Bedeutung ihrer Namen enthält eine hoffnungsvolle Botschaft inmitten der geistlichen Finsternis, denn sie geben Zeugnis davon, dass der HERR Licht auf den Weg des Gläubigen gibt und dass Er sein Volk niemals vergisst.
Von Urija wissen wir, dass er ein gottloser Priester ist (2Kön 16,10–16). Er wird also nicht wegen seiner persönlichen Glaubwürdigkeit ein treuer Zeuge sein, sondern wegen seines Dienstes. Wer Sacharja war, ist nicht bekannt. Beim Volk werden beide Zeugen Autorität gehabt haben. Ihr Zeugnis zur bestimmten Zeit über das, was Jesaja gepredigt hat, wird eine Bestätigung dessen sein, was er auf die große Tafel geschrieben hat.
Der HERR lässt die schriftliche Botschaft des Jesaja durch eine lebendige Botschaft in der Person eines Sohnes bestätigen, den er ihm zu geben verspricht. Er sagt ihm auch, wie der Name seines Sohnes lauten soll. Um ihm diesen Sohn zu schenken, bedient sich der HERR der natürlichen Beziehung zwischen Jesaja und seiner Frau in der Geschlechtsgemeinschaft (Vers 3). Der HERR segnet diese Gemeinschaft mit einer Schwangerschaft und der Geburt eines Sohnes. Als das Kind geboren ist, befiehlt Er Jesaja, seinen Sohn „Es eilt der Raub, bald kommt die Beute“ zu nennen.
Die Frau des Jesaja wird hier „die Prophetin“ genannt. Das bedeutet, dass sie selbst eine Prophetin ist in dem Sinn, dass sie Botschaften von Gott erhält, um sie weiterzugeben, wie Hulda und Debora. Jesaja und seine Frau sind ein wunderbares Paar, das inmitten eines abgefallenen Volkes gemeinsam die Worte Gottes weitergibt.
Der HERR sagt Jesaja auch, warum er seinem Sohn diesen Namen geben sollte. Es hat mit den Plänen von Syrien und Israel zu tun, in Juda einzufallen. Jesaja hat darüber bereits auf einer Tafel geschrieben (Vers 1). Nun wird gesagt, dass es nicht mehr lange dauern wird. Der HERR sagt, dass Er einen Ausweg geben wird und zwar bald. Bevor das Kind seine ersten Worte „Papa“ und „Mama“ sagen kann, wird der König von Assyrien, Tiglath-Pileser, die Hauptstädte von Syrien und Israel, nämlich Damaskus und Samaria, erobert haben (Vers 4). Das bedeutet, dass dies kurz nach der Geburt dieses zweiten Kindes Jesajas geschehen wird.
5 - 8 Assyrien fällt in Juda ein
5 Und der HERR fuhr fort, weiter zu mir zu reden, und sprach: 6 Weil dieses Volk die Wasser von Siloah verachtet, die still fließen, und Freude hat an Rezin und an dem Sohn Remaljas: 7 darum, siehe, lässt der Herr die Wasser des Stromes, die mächtigen und großen, über sie heraufkommen – den König von Assyrien und all seine Herrlichkeit; und er wird über alle seine Betten steigen und über alle seine Ufer gehen. 8 Und er wird in Juda eindringen, überschwemmen und überfluten; bis an den Hals wird er reichen. Und die Ausdehnung seiner Flügel wird die Breite deines Landes füllen, Immanuel!
Was in den Versen 1–4 steht, ist eine gute Nachricht für Ahas. Es gibt für ihn bald Raub und Beute von den Feinden, vor denen er sich so fürchtet. Aber der HERR redet weiter mit einer neuen und auch überraschenden Botschaft (Vers 5). Denn die Prophezeiung hat einen weiteren Aspekt, der nicht gerade eine Ermutigung für Ahas ist. Ihm wird gesagt, dass der Erfolg des Königs von Assyrien das Sprungbrett sein wird, um Juda anzugreifen.
Der König von Assyrien wird dies tun, denn dieses Volk hat „die Wasser von Siloah verachtet, die still fließen“ (Vers 6). Siloah ist ein Bach, der aus der Quelle Gihon des Berges Zion fließt und Jerusalem mit Wasser versorgt. Der Bach endet am Teich Siloam.
Jesaja verwendet eine symbolische Sprache, die eine geistliche Botschaft enthält. Das Volk hat verachtet, was Gott ihnen in Güte und Gnade an Erquickung gesandt hat – „Siloah“ bedeutet „gesandt“ (Joh 9,7). Diese Erquickung wurde in den Zusagen Gottes in Bezug auf den Thron und die Nachkommenschaft Davids verheißen. Statt sich auf diese Verheißungen zu verlassen, haben sie ihre Hoffnung auf irdische Mächte gesetzt. Schließlich verlässt sich Israel auf Syrien, während Juda sich auf Assyrien stützt.
Zudem bezieht sich „Siloah“ mit Nachdruck auf den vom Vater gesandten Sohn. Wie sanft sind Güte und Gnade durch Ihn in diese Welt geflossen. Wo dieser Strom hinkam, brachte er Leben und Heilung. Doch dieser „still fließende“ Strom des Lebens und des Segens wurde verworfen. Das Kreuz ist der Beweis dafür. Nun fließen die „Wasser von Siloah“ in der Heiligen Schrift und können von jedem, der durstig ist, getrunken werden (Joh 7,37.38). Traurigerweise werden diese „Wasser von Siloah“, das heißt das Evangelium der Gnade Gottes, auch heute verachtet und abgelehnt.
Israel, mit dem Sohn Remaljas an der Spitze, schloss ein Bündnis mit Rezin, dem König von Syrien (Jes 7,1). Die beiden freuen sich darüber. Aber sie werden nicht lange lachen. Juda vertraut auf die Unterstützung Assyriens. Übrigens kann man es auch so übersetzen, dass „man sich über Rezin freut“ und so weiter. Die Bedeutung ist dann, dass Juda sich über das von Jesaja angekündigte Scheitern des Plans freut, den die Verbündeten geschmiedet haben, um Juda zu erobern. In jedem Fall ist es eine unangebrachte Freude.
Sowohl Juda als auch Israel mit Syrien werden vom König von Assyrien durch die Hand „des Herrn“ (Adonai), des souveränen Herrschers, überwältigt werden (Vers 7; Jes 7,16.17). Der König von Assyrien wird mit „mächtigen und großen Wassern“ verglichen, die „über alle seine Betten steigen und über alle seine Ufer gehen“, was den Kontrast zu den „Wassern von Siloah …, die still fließend“, wie sie im vorherigen Vers erwähnt werden, hervorhebt. Nachdem sie die still fließenden Wasser des Lebens und der Erfrischung verachtet haben, werden sie die verheerenden Wasser des Todes und der Zerstörung kennenlernen.
Dennoch wird es einen Unterschied zwischen der Überflutung Israels und der Überflutung Judas geben. Juda wird zum größten Teil „überflutet“ werden, aber nicht in seiner Gesamtheit. Es geht „bis an den Hals“ (Vers 8). Jesaja sieht es vor seinem geistigen Auge geschehen. Er spürt die Not, wenn das Wasser bis zum Hals kommt. Für ihn ist die Ankunft Assyriens im Land wie die Ankunft eines riesigen Raubvogels, der seine Schwingen über dem Land ausbreitet, um es zu seiner Beute zu machen. Überwältigt von der Not wendet er sich in seiner großen Bedrängnis plötzlich an den HERRN und ruft aus, dass es „dein Land … Immanuel!“ ist (Vers 8).
Es ist in erster Linie „dein Land“, welches das Land des HERRN ist. Immanuel ist der HERR selbst. Er ist der Grund dafür, dass Jerusalem verschont bleibt und die Stadt in der Zukunft erlöst werden wird. Der Ausruf Jesajas ist der Ruf nach dem Messias, denn Er allein kann eine Lösung geben. Er ist Immanuel, Gott mit uns.
9 - 10 Gott durchkreuzt die Pläne der Völker
9 Tobt, ihr Völker, und werdet zerschmettert! Und nehmt es zu Ohren, alle ihr Fernen der Erde! Gürtet euch und werdet zerschmettert, gürtet euch und werdet zerschmettert! 10 Fasst einen Plan, und er soll vereitelt werden; redet ein Wort, und es soll nicht zustande kommen; denn Gott ist mit uns.
Wenn Jesaja – als ein Bild des treuen Überrestes – die Herrlichkeit Immanuels im Blick hat, sieht er, wie die Ereignisse sich in ferner Zukunft entwickeln werden. Im Licht Immanuels sieht er das Schicksal aller Feinde Israels als besiegelt an. Er erwähnt das Toben der Völker (Vers 9; Ps 2,1–5). In einem Atemzug folgt das Ergebnis. Sie gürten sich zum Kampf, sie toben, aber gleich danach werden sie zerschlagen. Jesaja sagt gleichsam: „Tobt und gürtet euch, ihr werdet trotzdem zerschmettert werden.“
All ihre Pläne werden ins Leere laufen (Vers 10). Die Worte ihrer Propaganda haben keine Wirkung. Was ist die Ursache dafür? Dass Gott mit seinem Volk ist. Das Geheimnis des Scheiterns aller bösen Pläne der Völker, Gottes Volk zu vernichten, liegt in dem großen Namen Immanuel, Gott mit uns. Dieser Name bedeutet das Gericht über alle Völker, die sich gegen Gottes Volk erhoben haben, was zur vollständigen Befreiung Israels in den letzten Tagen führt. Welchen Weg der Überrest gehen soll, bis dieser Moment gekommen ist, wird ab Vers 11 beschrieben.
11 - 12 Wandelt nicht auf dem Weg dieses Volkes
11 Denn so hat der HERR zu mir gesprochen, als seine Hand stark auf mir war und er mich warnte, nicht auf dem Weg dieses Volkes zu wandeln: 12 Ihr sollt nicht alles Verschwörung nennen, was dieses Volk Verschwörung nennt; und fürchtet nicht ihre Furcht und erschreckt nicht davor.
Diese Verse prangern weiterhin „den Weg dieses Volkes“ an, d. h. den Weg des Vertrauens auf Assyrien statt auf Gott. Der HERR hat Jesaja mit Nachdruck – „als seine Hand stark auf mir war“ – klargemacht, dass er den „Weg dieses Volkes“ nicht gehen soll (Vers 11). Ein Prophet geht nicht den Weg der Mehrheit. Der Ausdruck, dass die Hand des HERRN auf dem Propheten ist, deutet darauf hin, dass der HERR den Propheten zum Dienst anspornt und ihm die Kraft dazu gibt (vgl. 1Kön 18,46; 2Kön 3,15; Hes 1,3; 3,14; Jer 15,17). Vielleicht benötigte Jesaja göttlichen Zuspruch für seinen Dienst, weil das Volk seine Worte immer wieder ablehnte und er dadurch mutlos werden könnte.
Es scheint, dass Jesaja geneigt war, sich dem Denken von Ahas und Juda anzuschließen, die ihre Stärke in einem Bündnis, hier mit „Verschwörung“ übersetzt, mit Assyrien suchen (Vers 12). Das Herz des Propheten ist von Natur aus nicht besser als das Herz des Volkes. Es ist ihm nicht erlaubt, seine Botschaft zu ändern oder gar aufzugeben. In der Zukunft wird sich der Überrest des Volkes ebenfalls von der Verschwörung des Antichristen distanzieren müssen, der Israel mit dem Tier des wiederhergestellten Weströmischen Reiches, d. h. Europa, verbindet.
Diejenigen, die ständig ihre Aufmerksamkeit darauf richten, dass „Gott mit uns ist“, haben keine Angst vor den Dingen, vor denen Menschen sich fürchten, die keinen lebendigen Glauben an „Immanuel“ haben. Gott ermutigt jeden, Ihm zu vertrauen und nicht der Macht menschlicher Bündnisse.
13 - 15 Ein Heiligtum und ein Stein des Anstoßes
13 Den HERRN der Heerscharen, den sollt ihr heiligen; und er sei eure Furcht, und er sei euer Schrecken. 14 Und er wird zum Heiligtum sein, aber zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchelns den beiden Häusern Israels, zur Schlinge und zum Fallstrick den Bewohnern von Jerusalem. 15 Und viele unter ihnen werden straucheln und fallen und werden zerschmettert und verstrickt und gefangen werden.
Der HERR weist Jesaja darauf hin, dass er sich nicht vor Menschen und Dingen fürchten soll, vor denen sich Menschen fürchten (Vers 12), sondern allein „dem HERRN der Heerscharen“ sollte seine Aufmerksamkeit gewidmet sein (Vers 13). Der HERR der Heerscharen ist derjenige, der über alle himmlischen und auch irdischen Mächte verfügt, die guten und auch die bösen. Er hat die Kontrolle über alles.
Ihn „heiligen“ bedeutet, in dem ständigen Bewusstsein zu leben, dass Er absolute Autorität und Kontrolle über das Herz und den Willen hat, sodass sie völlig für Ihn abgesondert sind. Dann brauchen wir uns vor nichts und niemandem zu fürchten. Was auch immer jemand plant oder sagt (Vers 10), er wird nichts gegen uns tun können, wenn wir Ihn heiligen.
In Gottesfurcht zu leben bedeutet, dass jede Aktivität des Lebens, der ganze Lebenswandel, nichts enthält, was Ihm nicht wohlgefällig ist. Es ist das Gegenteil von Furcht vor Menschen im Allgemeinen und nicht nur vor den Königen der Welt. Dass Er unsere „Furcht“ und unser „Schrecken“ sein muss, bedeutet nicht, dass wir vor Ihm fliehen, sondern dass unsere Haltung von Ehrerbietung und Unterwürfigkeit geprägt ist.
Es geht darum, in seiner Gegenwart zu sein und nicht in der Gegenwart von Menschen, und es geht um eine heilige Furcht vor Gott im Gegensatz zu einer unheiligen Furcht vor Menschen. Das ist die einzige und passende Antwort auf die erlösende Gnade und Liebe Christi (1Pet 3,14b.15a; Jes 29,23; vgl. 4Mo 20,12). Der Hinweis des Petrus auf diesen Vers in Jesaja zeigt, dass Christus bzw. der Messias derselbe ist wie „der HERR der Heerscharen“.
Den HERRN heiligen wird in der Zukunft zur Folge haben, dass Er „ein Heiligtum“ für den Überrest sein wird (Vers 14). „Heiligtum“ hat hier die Bedeutung eines Zufluchtsortes (vgl. Hes 11,16). So wie der Tempel für Israel das Zentrum ihres geistlichen Lebens, ihrer Freude in Anbetung und Lobpreis sowie ein Ort der Heiligkeit und des Friedens und auch des Schutzes sein soll, so ist es auch Christus für den Gläubigen. Christus hat nicht nur einen heiligen Platz in unseren Herzen, sondern Er selbst ist ein heiliger Ort, an dem wir Zuflucht finden.
Aber für die Ungläubigen in ganz Israel wird Er „zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Strauchelns“ (Vers 14; Röm 9,32b.33; 1Pet 2,7.8). In Römer 9,33 wendet Paulus, wie Petrus, das, was hier von dem HERRN gesagt wird, auf den Herrn Jesus an. Der Glaube an Christus ist die Trennungslinie, die quer durch sein Volk verläuft. „Beide Häuser Israels“ – das Zehnstämmereich Ephraim und das Zweistämmereich Juda – sowie „die Bewohner Jerusalems“ werden Ihn verwerfen. Nicht nur die zwei Stämme werden Ihn verwerfen, sondern auch die zehn Stämme. Im Lauf der Zeit haben sich einige von ihnen in Juda niedergelassen (2Chr 15,9; 30,11; vgl. Lk 2,36–38).
Alle zwölf Stämme werden Ihn verwerfen, weil Er nicht dem entspricht, was ein Messias in ihren Augen sein sollte. So kommen sie zu Fall wegen ihres Unglaubens. Durch ihre Ablehnung werden viele „fallen und zerschmettert werden“. Diejenigen, die nicht „fallen und zerschmettert“ werden, diese werden „verstrickt und gefangen werden“. Eine erste Erfüllung dessen geschah im Jahr 70 bei der Zerstörung Jerusalems. Zur Zeit der großen Drangsal wird die Mehrheit Israels straucheln und fallen und in der Schlinge des Antichristen gefangen werden.
16 - 18 Jesaja und seine Kinder
16 Binde das Zeugnis zu, versiegle das Gesetz unter meinen Jüngern. 17 Und ich will auf den HERRN harren, der sein Angesicht verbirgt vor dem Haus Jakob, und will auf ihn hoffen. 18 Siehe, ich und die Kinder, die der HERR mir gegeben hat, wir sind zu Zeichen und zu Wundern in Israel vor dem HERRN der Heerscharen, der auf dem Berg Zion wohnt.
Aufgrund ihrer Ablehnung des Messias findet das Gericht der Verblendung statt. Sie werden blind und taub sein für die Worte Gottes. Das ganze Studium der Torah, die in allen ihren Teilen auf den Herrn Jesus hinweist, durch orthodoxe Juden bringt ihnen nichts (Joh 5,39.46.47). Sie entdecken nichts von dem Messias. Ihre Augen sind fest verschlossen (2Kor 3,14). Es ist das Gericht der Verhärtung, das über den größten Teil des Volkes kommen wird oder zum Teil schon gekommen ist (Röm 11,25). Deshalb werden sie den Antichristen annehmen (Joh 5,43b).
Mit „dem Zeugnis“ (Vers 16) ist gemeint, was Jesaja über Immanuel und den zukünftigen Zustand Israels sagte. Es ist das prophetische Zeugnis. Es soll gesichert und bewahrt werden für den Überrest in jenen Tagen und auch für den Überrest in späteren Generationen. Das ist es, was mit „binden“ gemeint ist. Mit „dem Gesetz“, also dem vom Volk abgelehnten Gesetz Moses (Jes 5,24), soll dasselbe geschehen, was durch den Befehl „versiegeln“ angedeutet wird. Nur der treue Überrest, „meine Jünger“, die, die sich öffnen, um vom HERRN durch den Mund des Jesaja belehrt zu werden, und später die Anhänger des Messias, werden dadurch ermutigt.
Dies gilt auch für uns. Nachdem Paulus den Ältesten von Ephesus den kommenden Glaubensabfall vorausgesagt hat, empfiehlt er sie und uns Gott und dem Wort seiner Gnade (Apg 20,32). Für alle, die in einer Zeit des Abfalls treu sein wollen, ist das Wort Gottes voller Ermutigung. Je dunkler die Zeiten werden, desto wertvoller wird das Wort Gottes für seine Schüler und Jünger.
Inmitten des Volkes, vor dem der HERR sein Angesicht wegen ihrer Sünden verborgen hat, ist Jesaja entschlossen, auszuharren und auf Ihn zu warten (Vers 17). Das Warten auf den HERRN ist, genau wie das Beten, ein Eingeständnis der eigenen Ohnmacht und der völligen Abhängigkeit von Ihm. Wenn der HERR „sein Angesicht verbirgt“, bedeutet das, dass Er seinem Volk den Segen vorenthält. Der Mensch kann Ihn dann nicht sehen. Gott ist da, aber der Mensch nimmt diesen Segen nicht wahr.
Jeder wahre Gläubige wird, genau wie Jesaja, trotz des Mangels an Segen auf Gott vertrauen und sich auf seine Rettung freuen. In Zeiten der Not aufgrund der Sünden des Volkes Gottes, wenn Gott sich nicht offen mit seinem Volk verbindet, weiß der einzelne Gläubige, dass Gottes Herz sich zu ihm hinwendet. Er weiß das, weil er aus dem beständigen Wort Gottes schöpft. Dieses Zeugnis des Wortes Gottes bleibt für die Masse der Menschen, die in ihren Sünden verharren, versiegelt; es bleibt unlesbar und unverständlich.
Der letzte Teil von Vers 17, „ich will auf ihn hoffen“, wird in Hebräer 2 zitiert. Er wird dort wiedergegeben mit „ich will mein Vertrauen auf ihn setzen“ (Heb 2,13a). Der Sprecher dort ist Christus, der Messias. Das Zitat beweist, dass Christus wirklich ein Mensch ist. Dieser Nachweis besteht in dem Vertrauen, das Er als Mensch auf seinen Gott setzt.
Hierin liegt eine wertvolle Lektion. Auch wir leben in einem Zustand des Verfalls und der Weigerung, auf Gottes Wort zu hören. Wenn wir treu bleiben und zu Gottes Absichten stehen, werden wir in diesem Zustand unser Herz umso fester auf Ihn ausrichten und von Ihm alles erwarten. Es kann uns niederdrücken, wenn wir den Niedergang derer sehen, die einst durch unseren Dienst Hoffnung auf Frucht gaben. Dann will der Geist Gottes uns näher zum Herrn bringen, damit wir unsere Quellen in der Kraft finden, die Er hat, um seinen Namen durch uns noch zu verherrlichen.
Der Prophet findet Trost in den beiden Kindern, die der HERR ihm geschenkt hat (Vers 18). In der Bedeutung des Namens seines ersten Sohnes, Schear-Jaschub (Jes 7,3), hören wir ein Wort der Gnade. Er ist das Zeichen dafür, dass „ein Überrest zurückkehren wird“. Dies wird in der Zukunft geschehen. In der Bedeutung des Namens seines zweiten Sohnes, „es eilt der Raub, bald kommt die Beute“ (Vers 3), hören wir ein Wort des Gerichts. Er ist das Zeichen dafür, dass es „schnellen Raub und schnelle Beute“ geben wird. Dieses Gericht wird schnell und bald vollzogen werden.
Die beiden Kinder sind „Zeichen und Wunder“ der Erlösung Israels. „Zeichen“ bedeutet, dass ihre Namen eine tiefere Bedeutung haben, die eine Botschaft von Gott für das Volk beinhaltet. Diese Bedeutung hatten wir schon öfters. „Wunder“ sind die Bezeichnung für die göttliche, übernatürliche Quelle dieser Botschaft. Die Erlösung Israels wird durch das Gericht über die Feinde geschehen. Diese Feinde gibt es auf zwei Seiten. Innerlich ist es die böse Masse des Volkes und äußerlich sind es die feindlich gesinnten Nationen.
Der Prophet Jesaja ist zusammen mit den leiblichen Kindern, die Gott ihm gegeben hat, auch ein Bild und Symbol für Christus zusammen mit den Kindern, die Gott Ihm gegeben hat (vgl. Joh 17,2.6.24). Wir sehen dies in dem Zitat des ersten Teils von Vers 18 in Hebräer 2 (Jes 8,18a; Heb 2,13b). Als Mensch verband sich Christus mit den Kindern, die Gott Ihm gegeben hat, also mit dem Überrest Israels. Der Geist Gottes wendet Vers 18a in Hebräer 2 auf die geistlichen Kinder Gottes in dieser Zeit an (Heb 2,13b). Sie stehen in Verbindung mit Christus.
Sie sind nicht „Kinder Christi“ oder „Kinder des Herrn Jesus“. Die Bibel verwendet solche Ausdrücke für Gläubige nirgends. Es sind falsche Ausdrücke. Sie sind die Kinder Gottes, die Er, Gott, dem Herrn Jesus gegeben hat. Die leiblichen Kinder Jesajas sind die symbolischen Repräsentanten der Gläubigen, die in gleicher Weise ein Zeugnis für die Welt sein sollen.
19 - 22 Die Dämonen befragen
19 Und wenn sie zu euch sprechen werden: Befragt die Totenbeschwörer und die Wahrsager, die flüstern und murmeln, [so sprecht]: Soll ein Volk nicht seinen Gott befragen? [Soll es] für die Lebenden die Toten [befragen]? 20 Zum Gesetz und zum Zeugnis! Wenn sie nicht nach diesem Wort sprechen, so gibt es für sie keine Morgenröte. 21 Und es wird darin umherziehen, schwer gedrückt und hungernd. Und es wird geschehen, wenn es Hunger leidet, so wird es erzürnt sein und seinen König und seinen Gott verfluchen. Und es wird aufwärts schauen 22 und wird zur Erde blicken: und siehe, Drangsal und Finsternis, angstvolles Dunkel; und in dichte Finsternis ist es hineingestoßen.
Wer nicht auf Gottes Worte hört, wendet sich den Mächten der Finsternis zu. Der Unterschied zwischen ihnen ist wie der Unterschied zwischen den still fließenden Wassern von Siloah und den mächtigen Wassern von Assyrien (Verse 6.7). Das eine bringt Segen, das andere Zerstörung. Nun, da der HERR sein Angesicht vor dem Haus Jakob verbirgt, sucht das Volk sein Heil bei spiritistischen Medien (Vers 19). Der Spiritismus ist in Juda eingedrungen (Jes 2,6; 3,2.3). Diese okkulten Mächte versuchen, die Familie und die Jünger Jesajas zu beeinflussen. So sind auch heute die Gläubigen den Versuchungen und Verführungen böser Mächte ausgesetzt.
Hier sehen wir, dass „die Lebenden“ bei den „Toten“ Rat suchen, und das, obwohl das Gesetz und das Zeugnis bei ihnen sind, aus denen das Licht Gottes klar leuchtet. Diese Praxis wird von Gott in seinem Wort scharf verurteilt (3Mo 20,27; 5Mo 18,9–12). Diejenigen, die nicht an das Wort Gottes glauben, suchen Rat und Hilfe bei anderen Quellen (1Sam 28,6–8). Der HERR tadelt das Volk für diese Handlungsweise, indem Er zwei Fragen stellt, deren Antwort in der Frage enthalten ist. Statt den lebendigen Gott zu befragen, werden tote Götzen befragt, hinter denen Dämonen stehen (1Kor 10,19.20).
Um jede größere Krise in menschlichen Angelegenheiten herum findet oft ein Ausbruch von Spiritismus statt. So ist es in Juda und Israel zur Zeit der Wegführung und so wird es auch in der Zeit sein, wenn Christus auf die Erde wiederkommt. Auch heute, kurz vor der Wiederkunft Christi für seine Gemeinde, können wir das vermehrt feststellen. In Zeiten der Not greift der Mensch in großem Umfang lieber auf die Wahrsagerei zurück als auf Gott. Die Menschen sehen die Ungewissheit der Zukunft und wollen darüber informiert werden. Anstatt sich an den Gott der Wahrheit zu wenden, wendet man sich an den Vater der Lüge. Und das, obwohl Gott in der Heiligen Schrift alles Notwendige für unsere Führung und alle unsere geistlichen Bedürfnisse bereitgestellt hat (2Tim 3,16.17).
Das Volk wird an das Wort verwiesen (Vers 20). Die Lehre des Gesetzes beantwortet die Fragen des Lebens und führt zu einem Leben im Licht (Jes 2,5). Wer das ignoriert, landet in der ewigen Finsternis. Für einen solchen Menschen gibt es keine Zukunft, „keine Morgenröte“. Der Weg in diese schreckliche Zukunft ist furchtbar und wird immer schrecklicher (Vers 21). Es mangelt an allem, was zum Leben notwendig ist. Auch innerlich herrscht totale Finsternis. Die Schuld wird auf jeden geschoben, der in ihren Augen die Macht hat, ihr Elend zu ändern.
In der Zukunft, wenn der König des Nordens einfällt (Dan 11,40–44), wird der Antichrist, der der König von Israel sein wird, nichts ausrichten können. Das Volk wird dann erkennen, dass sein König in Wirklichkeit ein wertloser Hirte ist, der die Schafe im Stich lässt (Sach 11,17), und wird dann seinen König verfluchen. Dies wird teilweise gerechtfertigt sein, weil der König des Nordens seinetwegen in das Land eingefallen ist. Aber anstatt Buße zu tun und ihre Schuld zu bekennen, werden sie Gott für all das verantwortlich machen, wie es auch heute viele tun. Anstatt sich selbst die Schuld zu geben, werden sie ihr Herz verhärten und Gott verfluchen.
Sie werden in dichte Finsternis hineingestoßen (Vers 22). Dies betrifft das Volk. Sie werden aus dem Land Immanuels vertrieben und in ein fremdes und dunkles Land weggeführt. Dort wird ihnen alles Licht genommen werden, weil sie sich geweigert haben, danach zu wandeln, als es zur Verfügung stand. Sie haben sich für die Finsternis entschieden und diese steht ihnen nun in Hülle und Fülle zur Verfügung. Äußerlich und innerlich, oben und unten, überall herrscht Finsternis und Angst.
23 Die Finsternis wird nicht bleiben
23 Doch nicht bleibt Finsternis dem [Land], das Bedrängnis hat. In der ersten Zeit hat er das Land Sebulon und das Land Naphtali verächtlich gemacht; und in der letzten bringt er zu Ehren den Weg am Meer, das Jenseitige des Jordan, den Kreis der Nationen.
Die tiefe Finsternis der vorherigen Verse hat nicht das letzte Wort. Das „doch“, womit Vers 23 beginnt, läutet einen neuen Abschnitt ein, der im Gegensatz zum vorherigen Abschnitt steht – in anderen Übersetzungen ist der Vers 23 dann auch Kapitel 9,1. Dort geht es um die Finsternis, die als Gericht über das Volk kommen wird, während Gott hier ein Licht bereitstellt, das Er mit dem Kommen des Messias mitten in die Finsternis für diejenigen senden wird, die Ihn annehmen werden. Er ist das Licht, das in der Finsternis leuchtet (Joh 1,5a).
Er hat besonders „das Land Sebulon und das Land Naphtali“ im Sinn. Der HERR hat „Verachtung“ über dieses Gebiet gebracht. Wir können an die Zeit denken, als Salomo dem Hiram zwanzig Städte im Land Galiläa für seine Hilfe gab, Städte, die Hiram verächtlich „das Land Kabul“ nannte, das heißt: das Land des Nichts (1Kön 9,11–15). Er kann dieses Geschenk nicht würdigen. Außerdem sehen wir, dass nach der Teilung des Reiches das Gericht des HERRN in verschiedenen Etappen über die zehn Stämme durch Assyrien kam (2Kön 15,29; 17,1–8.22.23). Diese beiden Stämme, Sebulon und Naphtali, wurden zuerst von den Assyrern erobert.
Anstelle der Verachtung in der Vergangenheit, „in der ersten Zeit“ (vgl. Joh 1,45.46; 4,9), wird der HERR sie später „zu Ehren“ bringen. Dies wird durch das Kommen des Messias geschehen. Gerade dort, wo die Finsternis am tiefsten ist, wird Gott im Kommen des Christus sein Licht leuchten lassen. Es ist also nicht in Jerusalem, der Hauptstadt, sondern im verachteten Galiläa.
Der Christus wird in Bethlehem in Juda geboren, aber kurz nach seiner Geburt lebt und wächst Er in Nazareth in Sebulon auf (Mt 2,22.23). Später wohnt Er in Kapernaum (Mt 4,13; 9,1a), das in Naphtali liegt. Dort beginnt Er seinen Dienst (Mk 1,21). Hier wechselt der Prophet wieder von der Dunkelheit der aktuellen Situation, in der die Invasion unmittelbar bevorsteht, hin zu den Tagen des strahlenden Lichts durch das Kommen Christi im Fleisch inmitten des Volkes, besonders in Sebulon und Naphtali.
Dieses Gebiet wird mit drei Namen näher beschrieben:
1. „Der Weg am Meer“ (die Via Maris), das ist die Handelsroute zwischen Syrien und Ägypten durch Galiläa entlang des Mittelmeeres. Dies deutet darauf hin, dass viele Heiden durch Galiläa zogen.
2. „Das Jenseitige des Jordans“, das östlich des Jordans liegt.
3. „Kreis der Nationen“ oder „Galiläa der Nationen“, was darauf hinweist, dass die Region stark unter heidnischem Einfluss stand und dass es auch eine Vermischung des Volkes Gottes mit den Heiden gegeben hat.
Alles spricht von Verachtung. Aber was unter Gottes Volk nicht zählt und für Gott im Dunkeln liegt, wird von Ihm nicht verachtet, sondern in seiner Gnade in seinem Sohn besucht. Er hat auch die Heiden nicht verachtet.
Prophetisch weist dieser Vers auf die tiefe Finsternis hin, in der sich der gläubige Überrest befinden wird, zuerst durch die Regierung des Antichristen und dann durch den Einfall Assyriens, hier des Königs des Nordens (Dan 11,40.41). Wenn in der Zukunft der ungläubige Teil Israels von den Assyrern ausgerottet wird – „zwei Teile“ von drei Teilen (Sach 13,8) – und die Finsternis und Bedrängnis am größten ist, gibt es die Verheißung: „Und“ der HERR „bringt“ diesen nördlichen Teil Israels „zu Ehren“ durch das Erscheinen von Christus. Dann wird Er Rettung schenken, auch durch die Vernichtung des Heeres des Königs des Nordens. Dies wird im nächsten Kapitel ausführlich erklärt.