Einleitung
Wenn „der Grimm zu Ende sein wird“ (Jes 10,25), wenn die öffentlichen Feinde vernichtet sind und Assyrien gerichtet ist (Jes 10,5–19), können der Messias und seine Regierung, die Quelle des tausendjährigen Segens für das Volk Gottes, angekündigt werden (Jesaja 11 und 12). Die ersten Verse von Jesaja 11 geben uns die Merkmale des Messias; in den Versen, die folgen, sehen wir die Auswirkungen seiner Regierung.
Was wir historisch in der Geschichte Hiskias finden (2Kön 19,32–34), ist nur eine Vorerfüllung – und auch das nur teilweise – dessen, was hier prophetisch beschrieben wird. Die Verheißung des HERRN an das Haus David, dass der übrig gebliebene Wurzelstock nach dem Fällen der Eiche Isais ein heiliger Same sein wird (Jes 6,13), wird hier weiter ausgearbeitet. Auch die Verheißung des Immanuel, d. h. „Gott mit uns“ (Jes 7,14; 8,10), wird nun weiter ausgeführt.
1 - 5 Der Messias und das Friedensreich
1 Und ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais, und ein Schössling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen. 2 Und auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Kraft, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN; 3 und sein Wohlgefallen wird sein an der Furcht des HERRN. Und er wird nicht richten nach dem Sehen seiner Augen und nicht Recht sprechen nach dem Hören seiner Ohren; 4 und er wird die Geringen richten in Gerechtigkeit und den Sanftmütigen des Landes Recht sprechen in Geradheit. Und er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes, und mit dem Hauch seiner Lippen den Gottlosen töten. 5 Und Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein, und die Treue der Gurt seiner Hüften.
Das Wort „und“ in Vers 1 verbindet Jesaja 10 und Jesaja 11 miteinander. Das Bild von den Bäumen des Waldes (Jes 10,33.34) wird nun fortgesetzt. Hier sehen wir einen starken Kontrast zum Ende des vorherigen Kapitels. Es ist der Gegensatz zwischen dem mächtigen Zedernwald des Libanon (Jes 10,34) und dem „Reis … aus dem Stumpf Isais“ (Vers 1). Der Zedernwald symbolisiert die Macht (das Heerlager) des Königs von Assyrien. Die mächtige Axt (das Eisen aus Jes 10,34) des HERRN richtet den dichten Wald von Assyrien.
Der Rat des HERRN wird durch ein „Reis“ erfüllt. Das „Reis“ ist eine Beschreibung von Christus. Er stellt seine bescheidene Geburt als Nachkomme des verfallenen Hauses David dar, das hier mit „dem Stumpf Isais“ verglichen wird.
Davids Name wird nicht einmal erwähnt, sondern der seines Vaters Isai. Das sagt uns, dass die königliche Familie auf die Bedeutungslosigkeit ihres Ursprungs gesunken ist. Der „Stumpf“ weist auf den Verfall des einst so mächtigen Königshauses David hin. Die Nachkommen Davids sind ihre eigenen Wege gegangen. Das führt schlussendlich zum Ende des Königtums des Hauses David, das mit der Wegführung nach Babel stattfindet.
Aber aus dem Stumpf wird ein Zweig, „ein Schössling“, sprießen, der den Platz dieses abgehauenen Stammes einnehmen wird. Es geht hier um den zukünftigen Sohn Davids (Mt 1,1), den König Israels (Joh 1,49). Die Wurzel wird Frucht hervorbringen. Die Frucht ist der Herr Jesus.
Das hebräische Wort für „Schössling“ ist netzer, das von dem Wort natzer abgeleitet ist, einem Wort, das in dem Wort Nazareth enthalten ist, von dem wiederum das Wort „Nazarener“ abgeleitet ist, ein Name des Herrn Jesus (Mt 2,23). Wann immer wir von Jesus als Nazarener lesen – nicht zu verwechseln mit „Nasiräer“ (4Mo 6,1), was im Hebräischen ein anderes Wort ist – ist es ein Hinweis auf seine niedrige Herkunft.
Die beiden Zeilen dieses Verses bilden eine Parallele. Die zweite Zeile sagt mit anderen Worten ungefähr das Gleiche wie die erste Zeile. Es handelt sich jedoch nicht um eine bloße Wiederholung. Die zweite Zeile enthält weitere Details, die das ergänzen, was in der ersten Zeile steht. So weisen „Reis“ und „Schössling“ auf dieselbe Person hin.
Vers 2 gibt eine wundervolle Beschreibung der vollkommenen Eigenschaften und Fähigkeiten von Christus. Christus ist der griechische Name, der im Hebräischen Messias bedeutet. Sowohl Christus als auch Messias bedeuten „Gesalbter“. Die Salbung wird mit Öl durchgeführt. Öl ist in der Bibel oft ein Bild für den Geist Gottes (Sach 4,2–6). Die folgende Beschreibung zeigt, dass Er nicht mit Öl, sondern mit dem Heiligen Geist gesalbt wurde (Apg 10,38). Die siebenfache Aufzählung der Namen des Geistes weist auf die Fülle seiner Eigenschaften hin (Joh 3,34; Off 1,4; 3,1; 4,5; 5,6). Es gibt nur „einen Geist“ (Eph 4,4), aber dieser wird hier in der Vollkommenheit seines Wirkens gesehen.
Das Erste, was vom Messias gesagt wird, „der Geist des HERRN wird auf ihm ruhen“, drückt das vollkommene Wohlgefallen des Vaters an Ihm aus (Mt 3,17). Auf Ihm findet der Geist den einzigen geeigneten Platz auf der Erde, um zu ruhen. Hier sehen wir Gott, Christus und den Geist (vgl. Off 1,4). Als nächstes werden sechs Merkmale des auf Ihm ruhenden Geistes in drei Paaren genannt. Die Paare sind miteinander durch das Wort „und“ verbunden.
Es gibt insgesamt sieben Namen für den Heiligen Geist, der auf den Herrn Jesus gekommen ist. Im Bild sehen wir hier den siebenarmigen Leuchter, der aus einem Schaft und sechs Armen an den Seiten besteht, von denen drei aus der einen Seite und drei aus der anderen Seite des Schaftes kommen (2Mo 25,31.32). In allen Lampen befindet sich Olivenöl, das die Lampen zum Brennen bringt. Öl ist ein Bild für den Heiligen Geist. Den allgemeinen Namen des Geistes, „der Geist des HERRN“, können wir mit dem Schaft vergleichen. Die nächsten sechs Namen können wir zu je zwei mit den sechs Armen vergleichen, die aus den Seiten herauskommen, drei auf jeder Seite.
Bemerkenswert ist noch die Erklärung des HERRN zu der Vision des Propheten Sacharja von dem goldenen Leuchter und den beiden Ölbäumen (Sach 4,1–6). Diese Erklärung lautet: „Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist“ (Sach 4,6). Das Bemerkenswerte dabei ist, dass – was im Deutschen nicht zu sehen ist – dieser Satz im Hebräischen aus sieben Wörtern besteht.
„Der Geist der Weisheit und des Verstandes“ weist auf die Kraft seines Denkens und seine intellektuellen Fähigkeiten hin. „Weisheit“ ist die Fähigkeit, das Wesen von Menschen oder Dingen so zu unterscheiden, dass sie den Willen Gottes in der Welt erfüllen kann (siehe 2Mo 28,3, wo das Wort „Weisheit“, hokmah, zum ersten Mal vorkommt). Der Messias beurteilt alle Dinge nicht nach menschlicher Weisheit, nach menschlichen Maßstäben, sondern nach „der Weisheit von oben“ (Jak 3,17a), durch die Er den Ratschluss Gottes zu erfüllen vermag. Der „Verstand“ sieht und ergründet den Zustand von Menschen oder Dingen. Es ist die Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach darzustellen, wodurch man ihre verschiedenen Teile richtig versteht.
Der Messias ergründet vollkommen, was ein Mensch tut und warum. Nichts ist vor Ihm verborgen. Eine Vorahnung davon sehen wir bei Bezaleel (2Mo 35,30.31), einem Mann, der mit dem Geist der Weisheit und des Verstandes erfüllt ist, durch den er dazu befähigt wird, ein Haus für Gott zu bauen.
„Der Geist des Rates und der Kraft“ hat mehr mit der Praxis des Lebens zu tun. „Rat“ ist die Fähigkeit, in einer gegebenen Situation die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Stärke“ ist die Fähigkeit, die Schlussfolgerungen als Ergebnis der Beratung auszuführen. Der Ausdruck „Rat und Stärke“ wird auch für Strategie und militärische Macht verwendet (Jes 36,5).
„Der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN“ steht in Verbindung mit der persönlichen Beziehung zum HERRN. „Erkenntnis“ ist hier das Wissen um den HERRN, das Wissen, das aus der innigen Gemeinschaft der Liebe hervorkommt. Diese Erkenntnis ist bei dem Herrn Jesus vollkommen vorhanden. Er kennt den Vater. „Furcht“ ist der Respekt und die Ehrfurcht vor Ihm, durch die sich der Herr Jesus in allem leiten lässt, damit alles, was Er tut, dem Vater wohlgefällig ist (Joh 8,29).
Die Furcht des Herrn ist für uns die Grundlage für alles weitere Wirken des Geistes des Herrn in unserem Leben (Spr 1,7a). Der Geist führt immer zur Ehrfurcht vor Gott und wird niemals ordinär mit Ihm umgehen, wie es z. B. in modernen Bibelübersetzungen und anlässlich mancher Zusammenkünfte sehr wohl geschieht.
Das ganze Leben des Herrn Jesus, des Messias, ist gekennzeichnet durch die Gemeinschaft mit dem Vater (Vers 3). Er lebt in der Sphäre des Vaters und alles in seinem Leben ist darauf ausgerichtet, den Willen des Vaters zu tun. Es ist seine Lust, seine Nahrung, diesen Willen zu tun (Joh 4,34). Das bestimmt sein Handeln in Israel, überall und zu jeder Zeit. Er urteilt nie nur nach dem Äußeren, wie wir es oft tun. Sein Urteil wird nicht von menschlichen Maßstäben bestimmt, von dem, was Er sieht oder hört. Er verlässt sich nicht auf Eindrücke oder Gerüchte. Er sieht die Person nicht an. Sein Umgang mit dem Vater ist entscheidend für seine Beurteilung (Joh 5,30).
Alles, jeder Teil seines Körpers und jedes Sinnesorgan, funktioniert perfekt und zeigt, was gebraucht wird. Genannt werden seine Nase, seine Augen und Ohren, sein Mund und Hauch und seine Lenden und Hüften.
Was seine Nase betrifft, so sehen wir hier, dass die Luft, die Er einatmet, von der Furcht des HERRN durchdrungen ist. Er wird seine Augen und Ohren nicht leichtfertig und oberflächlich gebrauchen, sondern so, dass alles richtig beurteilt wird. Er tut dies gründlich und gerecht. Er sieht dabei auf das Herz.
Das Gericht kommt von seinen Lippen und aus seinem Mund und auch darin wird Er auf eine Gott wohlgefällige Weise dienen. Wir sehen dies in dem Gürtel, den Er trägt (vgl. Lk 12,37b), während seine Hüften von der Kraft sprechen, mit der Er seine Standhaftigkeit, seine Treue zeigen wird. Das Fällen eines gerechten Urteils ist in der Bibel ein Beweis für Weisheit (1Kön 3,16–28).
Obwohl Er in seiner göttlichen Allwissenheit niemanden braucht, der Ihn belehrt, wird Er hier als ein Mensch dargestellt, der sich in allem aus seinem Umgang mit dem Vater leiten lässt. Dadurch kommt Er immer zu einem vollkommenen Urteil. Der Vater sagt Ihm, was Er zu sagen und was Er zu reden hat (Joh 12,49).
Er macht die Sache all derer, die nicht für sich selbst eintreten können, zu seiner Sache (Vers 4). Er kümmert sich um ihr Schicksal. Er tut das nicht auf der Grundlage von Emotionen, aus falschem Mitleid, sondern „in Gerechtigkeit“ und „in Geradheit“. Über die Erde, d. h. über alle Gottlosen (Plural), wird Er das Gericht mit der Rute, d. h. mit dem Schwert seines Mundes, vollstrecken. Mit dem Hauch seiner Lippen wird Er den Gottlosen, den Antichristen, verzehren (2Thes 2,8). Er wird ihn nicht einmal anrühren, sondern ihn nur durch den Hauch seines Mundes, also durch sein Wort, töten.
In allem wird Er in vollkommener Gerechtigkeit vorgehen (Vers 5). Die Kraft seines Auftretens – „Lenden“ und „Hüften“ weisen auf Kraft hin – liegt in seiner vollkommenen Gerechtigkeit und seiner absoluten Treue zu Gott und der Wahrheit.
6 - 10 Das Friedensreich
6 Und der Wolf wird sich beim Lamm aufhalten, und der Leopard beim Böckchen lagern; und das Kalb und der junge Löwe und das Mastvieh werden zusammen sein, und ein kleiner Knabe wird sie treiben. 7 Und Kuh und Bärin werden miteinander weiden, ihre Jungen zusammen lagern; und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. 8 Und der Säugling wird spielen am Loch der Otter, und das entwöhnte Kind seine Hand ausstrecken nach der Höhle der Viper. 9 Man wird weder Böses tun noch Verderben anrichten auf meinem ganzen heiligen Berg; denn die Erde wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken. 10 Und es wird geschehen an jenem Tag: Der Wurzelspross Isais, der dasteht als Banner der Völker, nach ihm werden die Nationen fragen; und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein.
Nach der Beschreibung des Messias folgt eine Beschreibung der herrlichen Situation des Friedens, der unter der Regierung des Messias, des Friedefürsten, in Gerechtigkeit auf der Erde herrschen wird. Gerechtigkeit bringt Frieden hervor (Jes 32,1). Alle Arten von Krisen, die wir jetzt erleben können, wie Klimakrise, Finanzkrise, soziale Krise, wird es nicht mehr geben. Sie sind alle verschwunden, weil sie durch den Messias gelöst worden sind. Friede wird auch im Reich der Tiere in lieblicher Weise vorhanden sein (Verse 6–8). Es ist nicht nur Frieden zwischen den Tieren, sondern auch zwischen den Menschen und den Tieren.
Die hier skizzierte Szene zeigt, wie es vor dem Sündenfall war. Wenn der Fluch aufgehoben ist, wird dieser Zustand durch den Herrn Jesus wiederhergestellt werden, wie Jesaja hier prophezeit. Dann werden die „Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge“ gekommen sein, „von denen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von alters her geredet hat“ (Apg 3,21), einschließlich Jesaja.
Die Erde wird dann von dem Fluch befreit sein, der seit dem Sündenfall des Menschen auf ihr lastet und durch den der Friede so grausam und langanhaltend gestört ist (Röm 8,19–22). Paulus nennt in Römer 8 ein Detail, das Jesaja nicht kennt. Er sagt, dass es nicht nur um die Offenbarung Christi als dem „Wurzelspross Isais“ (Vers 10) geht, sondern auch um „die Offenbarung der Söhne Gottes“ (Röm 8,19), die Gläubigen der neutestamentlichen Gemeinde, die mit Ihm verbunden sind.
Das Friedensreich ist die Herrschaft des letzten Adams, Christus, der alles wiederherstellen wird, was der erste Adam verdorben hat, obwohl die Sünde dann noch nicht vollständig abgeschafft ist. Die Gerechtigkeit herrscht, was bedeutet, dass noch Böses vorhanden ist, aber dann unterbunden wird, weil Satan gebunden und für tausend Jahre eingesperrt sein wird (Off 20,2.3). Es ist eine Wiederherstellung der Zeit vor dem Sündenfall, wo sich die Tiere ebenfalls vom Kraut des Feldes ernährten (1Mo 1,30). Von Tieren, die sich gegenseitig verschlingen, ist nicht die Rede.
Der Anstifter des Bösen kann nichts Böses mehr anrichten und kein Verderben mehr entfachen (Vers 9). Er kann auch nicht mehr seinen verdunkelnden Einfluss auf die Erkenntnis des HERRN ausüben. Die ganze Erde trägt das Kennzeichen „auf meinem ganzen heiligen Berg“, das ist der Tempelberg, die Wohnung Gottes auf der Erde. Die ganze Erde wird Gott geweiht und von seiner Herrlichkeit erfüllt sein (Jes 6,3).
Dies ist der „Erkenntnis des HERRN“ zu verdanken. Diese Erkenntnis wird allgemein unter den Bewohnern der Erde vorhanden sein, nicht oberflächlich, sondern tiefgehend, wie der Meeresgrund. Das bedeutet mehr, als dass die Menschen intellektuelles Wissen über Gott besitzen. Es bedeutet vielmehr, dass die Menschen überall nach Gottes Grundsätzen und nach seinem Wort leben werden.
Es geht um die Herrschaft Christi und deren Auswirkung auf die Ihm unterworfene Schöpfung. Die Gläubigen der heutigen Zeit sind bereits eine „neue Schöpfung“ (2Kor 5,17) und sind ihrem Herrn unterworfen (2Kor 5,15).
In den unterschiedlichen Tieren im Friedensreich können wir auch verschiedene Charaktere der erneuerten Erlösten sehen, die unter der Herrschaft Christi in Frieden miteinander leben können. Diese charakterlichen Unterschiede sehen wir schon bei den Jüngern des Herrn Jesus, die alle verschieden sind und doch gemeinsam Ihm folgen. Es ist zu wünschen, dass der Friede, der bald überall auf der Erde anwesend sein wird, heute schon unter den Gläubigen in den örtlichen Gemeinden vorhanden ist.
Heute gehen die Jünger Christi in die Welt hinaus, um überall die Botschaft Christi zu verkünden. Aber „an jenem Tag“ (Vers 10) werden alle Völker nach Christus fragen. Zu diesem Zweck werden die Nationen nach Jerusalem hinaufziehen (vgl. Jes 2,3). Dort werden sie von Israel über Christus belehrt werden, denn die Israeliten werden „Priester des HERRN“ genannt werden (Jes 61,6).
Christus ist das Zentrum, zu dem alle kommen. Sie werden Ihn als den verherrlichten Menschen sehen und Ihn als „Wurzelspross Isais“ erkennen, d. h. als denjenigen, dem das Haus David seine Entstehung verdankt (Off 22,16). Bei „Schössling“ (Vers 1) denken wir an Christus als Mensch, der aus dem Geschlecht Davids hervorgegangen ist. Bei „Wurzelspross“ denken wir an Ihn in seiner Gottheit, aus der das Geschlecht Davids hervorgegangen ist. Er ist sowohl der Ursprung als auch der Nachkomme des Geschlechts Davids. Als Gott ist Er der Ursprung und als Mensch ist Er der Nachkomme.
Sie werden Ihn auch als „Banner der Völker“ sehen, als denjenigen, der über alle Völker erhaben ist und zu dem sich alle Völker wenden werden (Ps 72,8–11.17). Er ist der große Orientierungspunkt. Bei Ihm ist Ruhe, eine Ruhe, die Er über die ganze Erde ausbreitet. Weil alles auf der Erde in Übereinstimmung mit seinem Willen ist, ist die ganze Erde „seine Ruhestätte“ und damit eine herrliche Ruhestätte. Alle, die dann auf der Erde leben, haben Anteil an dieser Ruhe (Mich 4,2.3).
Das Zentrum des Friedens wird Gottes Wohnstätte Jerusalem sein. Das ist die Stadt, die er erwählt hat, um seinen Namen dort wohnen zu lassen. Davids Gebet wird dann erfüllt sein: „Steh auf, HERR, zu deiner Ruhe“ (Ps 132,8a.13.14; 2Chr 6,41). Die Herrlichkeit dieser Ruhestätte kommt in der Schechina zum Ausdruck, das ist die Wolke des HERRN als sichtbares Zeichen der Herrlichkeit seiner Gegenwart (2Mo 16,10).
Paulus zitiert Vers 10 in Römer 15 (Röm 15,12). Er tut dies, um zu zeigen, dass nicht nur Israel, sondern auch die Nationen in den Heilsplan Gottes einbezogen sind. Wohlgemerkt, es geht nicht um die Gemeinde. Im Alten Testament ist die Gemeinde ein Geheimnis. Worauf es hier ankommt, ist, dass Gottes Herz auch im Alten Testament die Nationen außerhalb Israels im Blick hat. Sie haben sicherlich einen anderen Platz als Israel. Israel war und bleibt das auserwählte Volk Gottes. Dieses Volk hat einen eigenen Platz in der Heilsgeschichte, aber damit hat Gott die anderen Völker nicht verworfen.
11 - 14 Der Überrest wird gesammelt
11 Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Herr noch ein zweites Mal seine Hand ausstrecken, um den Überrest seines Volkes, der übrig bleiben wird, loszukaufen aus Assyrien und aus Ägypten und aus Pathros und aus Äthiopien und aus Elam und aus Sinear und aus Hamat und von den Inseln des Meeres. 12 Und er wird den Nationen ein Banner erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas wird er sammeln von den vier Enden der Erde. 13 Und der Neid Ephraims wird weichen, und die Bedränger Judas werden ausgerottet werden; Ephraim wird Juda nicht beneiden, und Juda wird Ephraim nicht bedrängen. 14 Und sie werden den Philistern auf die Schultern fliegen nach Westen, werden miteinander plündern die Söhne des Ostens; an Edom und Moab werden sie ihre Hand legen, und die Kinder Ammon werden ihnen gehorsam sein.
„An jenem Tag, da wird der Herr noch ein zweites Mal“ den zerstreuten Überrest Israels und Judas aus allen Nationen sammeln (Verse 11.12). Das erste Mal tat Er dies, indem Er einen Überrest aus der babylonischen Gefangenschaft unter Kores zurückbrachte (Esra 1,1–3), mit einer späteren Nachhut unter Esra (Esra 7,1.6–8). Das von Ihm aus der babylonischen Gefangenschaft befreite Volk hat den verheißenen Segen von sich gestoßen, indem es Ihn, in dem aller Segen enthalten ist, verworfen hat.
Wenn der Herr Jesus regiert, wird Er alle Verheißungen Gottes an einem Überrest erfüllen, der von Ihm „von den vier Enden der Erde“ gesammelt wird, das heißt von überall her, von den äußersten Enden der Erde. Dieser Überrest besteht aus Nachkommen aus „Israel“ (den zehn Stämmen) und aus „Juda“ (den zwei Stämmen), die überall hin zerstreut waren.
Sie stammen aus dem Weltreich „Assyrien“, dessen Kerngebiet seit jeher der Nordirak mit den Städten Assur und Ninive war. Das Weltreich „Assyrien“ erstreckt sich vom Nordirak bis nach Pakistan. Sie kommen auch aus „Ägypten“. „Pathros“ bedeutet das Südland, das ist Ägypten und insbesondere Unterägypten. „Kusch“ ist Äthiopien und der Sudan. Auch von dort sind im Lauf der Zeit viele Juden nach Israel zurückgekehrt.
Die Rückkehr aus „Elam“ sehen wir in dem Auszug aus Persien, also dem Iran. „Sinear“ ist der heutige Südirak mit der Stadt Babel darin. Sinear ist gleichzusetzen mit Babel. „Hamath“ ist das heutige Syrien. Mit „den Inseln des Meeres“ kann Europa gemeint sein. Es sind die Länder und Inseln im und um das Mittelmeer. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir erlebt, wie Juden aus all den genannten Gebieten in das Land Israel zogen. Wir können dies als eine erste Erfüllung dessen sehen, was Jesaja hier prophezeit.
Ephraim, das Zehnstämmereich, wird nicht mehr eifersüchtig auf die Vorzugsstellung Judas blicken, und Juda wird sich nicht mehr über Ephraim erheben (Vers 13), wie es zur Zeit Jesajas der Fall war. Die Wurzel der Eifersucht (Jes 9,20a), die seit der Zeit der Reichsteilung (1Kön 12,19.20) in zwei und zehn Stämme besteht, ist endlich verschwunden. Ephraim ist für immer von diesem Unheil der Eifersucht geheilt. Sie werden ein Volk sein und als Brüder zusammenleben (Hes 37,22). Gemeinsam werden sie, dem HERRN nachfolgend und mit seiner Kraft bekleidet, die Feinde, die umliegenden Völker, bekämpfen und unterwerfen und sich so von ihrem Joch befreien (Vers 14; Mich 5,7.8).
Hier ist von einem Sieg über „die Philister … nach Westen“ die Rede. Das bezieht sich auf die zukünftige Eroberung des Gazastreifens. „Die Schulter“ bezieht sich auf den westlichen Berghang. Dort werden die Israeliten sie mit Fluggeschwindigkeit angreifen. Außerdem werden Edom, Moab und die Ammoniter unterworfen. Edom ist das Gebiet des südlichen Jordanien, Moab das Gebiet des mittleren Jordanien und Ammon das Gebiet des nördlichen Jordanien. Ganz Jordanien wird unter ihre Herrschaft kommen.
Einigkeit und Einmütigkeit sind auch eine absolute Voraussetzung für den geistlichen Kampf, den wir führen (Phil 1,27b).
15 - 16 Ein gebahnter Weg
15 Und der HERR wird die Meereszunge Ägyptens zerstören; und er wird seine Hand über den Strom schwingen mit der Glut seines Hauches und ihn in sieben Bäche zerschlagen und machen, dass man mit Schuhen hindurchgeht. 16 Und so wird eine Straße sein von Assyrien her für den Überrest seines Volkes, der übrig bleiben wird, wie eine Straße für Israel war an dem Tag, als es aus dem Land Ägypten heraufzog.
Der HERR wird einen Durchgang für die Vertriebenen seines Volkes schaffen, damit sie in das Land zurückkehren können (Verse 15.16). Früher tat Er dies, indem Er die Wasser des Schilfmeeres weichen ließ, um sein Volk aus Ägypten in die Wüste zu führen (Vers 15). Er benutzte dazu einen starken Wind (2Mo 14,21).
Er wird aufs Neue einen Weg für sein Volk ebnen. Dazu wird Er geografische Veränderungen vornehmen, sodass eine Straße entstehen wird, auf der sie von Assyrien aus in das verheißene Land kommen können (Vers 16). Etwas Ähnliches ist auch am Ende der großen Drangsal zu finden, wenn der Euphrat trockenfällt (Off 16,12). Deshalb gibt es auch einen Durchgang für das Volk Israel, um sein Erbteil in Besitz zu nehmen, das Erbteil, das der HERR Abraham, Isaak und Jakob verheißen hat (1Mo 15,15–21).