Einleitung
In Jesaja 40 und 41 ist die Rede von der Größe und Majestät des ewigen Gottes, aber auch von seiner Barmherzigkeit, um Israel zu erlösen. Die Frage, die bleibt, ist: Wie wird Gott seine Verheißung der Erlösung erfüllen? Gottes Antwort ist nicht in erster Linie, wie es geschieht, sondern durch wen Er seine Verheißungen erfüllen wird. Die Antwort findet sich in diesem Kapitel, in der ersten großen Prophezeiung und Offenbarung in diesem Teil des Buches hinsichtlich Jesus Christus. Alle Verheißungen der Wiederherstellung und des darauf folgenden Segens finden ihr Zentrum in Ihm (2Kor 1,20). Später wird die Frage beantwortet, wie Er es tun wird: durch seinen Opfertod (Jes 53,1–12).
Jetzt sehen wir die Freude Gottes, des Vaters, an Ihm und welche großen Dinge durch Ihn vollbracht werden. Das Licht der Herrlichkeit seiner Person stellt Kores hier in den Schatten, obwohl später noch mehr über Kores zu hören sein wird. Hier tritt Christus vor uns als derjenige, der Israel segnet, und als der Heiland der Heiden.
1 - 4 Der auserwählte Knecht
1 Siehe, mein Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat: Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er wird den Nationen das Recht kundtun. 2 Er wird nicht schreien und nicht rufen und seine Stimme nicht hören lassen auf der Straße. 3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen; er wird der Wahrheit gemäß das Recht kundtun. 4 Er wird nicht ermatten und nicht niedersinken, bis er das Recht auf der Erde gegründet hat; und die Inseln werden auf seine Lehre harren.
Zuerst spricht der HERR über den Knecht zu seinem Volk (Verse 1–4); danach spricht Er zu dem Knecht über seine Aufgabe (Verse 5–7); zum Schluss spricht Er erneut zum Volk als abschließende Feststellung seiner Erhabenheit (Verse 8–9).
Nach dem „siehe“ im letzten Vers des vorigen Kapitels (Jes 41,29) als Aufforderung, die Götzen in ihrer Eitelkeit zu sehen, folgt hier das „siehe“, um auf den zu schauen, den der HERR auserwählt hat (Vers 1). Von Israel, dem versagenden Knecht des HERRN, richtet sich unser Blick nun auf den treuen und wahren Knecht des HERRN, den Herrn Jesus.
Christus wird vom HERRN „mein Knecht“ genannt. Auch das Volk wird wissen, wenn der Herr Jesus gekommen ist, dass der Auserwählte Gottes Christus selbst ist (Lk 23,35) und nicht Israel – wie viele Juden heute behaupten. Außerdem soll der Ruf „siehe“ Ihn einführen und die Aufmerksamkeit auf Ihn richten, während Israel schon vorher erwähnt wurde (Jes 41,8) und daher nicht noch einmal eingeführt wird. Der HERR ruft sein Volk auf, auf Ihn zu schauen.
Diese erste Prophezeiung über den „Knecht des HERRN“ beginnt mit der Erklärung des Wohlgefallens, das Gott, der Vater, an Ihm hat. Wir bekommen einen Einblick in sein Leben und was Ihn während seiner Tage im Fleisch kennzeichnete. Wir kommen in Kontakt mit seiner Zartheit, aber auch mit seiner Macht und der großen Befreiung, die Er bewirken wird. „Den ich stütze“ bezieht sich auf das Vertrauen, das Gott in Ihn hat, dass Er seinen Dienst vollbringen wird. Unterstützen tun wir jemanden, zu dem wir Vertrauen haben. Unterstützen bedeutet, sich mit den Umständen eines Menschen zu verbinden, um ihm Hilfe anzubieten und Kraft zu verleihen.
Im Zitat dieses Verses in Matthäus 12 wird Er statt „mein Auserwählter“ „mein Geliebter“ genannt (Mt 12,18), was die andere Bedeutung des hebräischen Wortes wiedergibt. Diese Bedeutung passt zu der früheren Aussage des Vaters im Evangelium nach Matthäus (Mt 3,17). Er ist der Auserwählte nach dem Ratschluss des Vaters.
Die Arbeit, die der Knecht tun muss, kann kein anderer machen. Das Wohlgefallen kommt zum Ausdruck in dem Geist, den der Vater auf Ihn legt. Das Wohlgefallen ist schon da, bevor der Vater es bei der Taufe ausspricht und bei dieser Gelegenheit seinen Geist gibt (vgl. Jes 61,1; Spr 8,30). Das Wort „Wohlgefallen“ ist auch ein Wort, das im 3. Buch Mose oft mit dem „lieblichen Geruch“ der Opfer in Verbindung gebracht wird (3Mo 1,9.13.17) und somit auch ein Hinweis auf den Charakter der Arbeit ist, die der Knecht verrichten wird.
Hier sehen wir in Jesaja den dreieinigen Gott. Christus nimmt den Charakter eines Knechtes an, um den Willen des Vaters zu erfüllen, was Er in der Kraft des Heiligen Geistes tut, der bei seiner Taufe vom Vater auf Ihn gelegt wurde. Die Aussage „ich habe meinen Geist auf ihn gelegt“ ist das Zentrum von drei Hauptaussagen über den Heiligen Geist bei Jesaja im Zusammenhang mit Christus. Die erste spricht von seiner Menschwerdung (Jes 11,2). Die zweite Hauptaussage hier in Kapitel 42 weist auf seine Taufe hin. Die letzte bezieht sich auf den Beginn seines öffentlichen Wirkens (Jes 61,1).
Der letzte Teil von Vers 1, „er wird den Nationen das Recht kundtun“, springt plötzlich in die Zukunft zu seinem zweiten Kommen und dem Tausendjährigen Friedensreich, denn das wurde während seines Lebens auf der Erde nicht erfüllt. Durch das Evangelium wird sein „Recht“ in der heutigen Zeit zum Segen geoffenbart. In der Zukunft wird es sowohl im Gericht als auch im anschließenden Friedensreich geschehen. Wie sich dies erfüllen wird, hat der Prophet zuvor ausführlich beschrieben (Jes 2,1–4).
Doch schon während seines Lebens auf der Erde offenbarte Er den Heiden das Recht Gottes. Er hat dies getan sowohl in Gericht als auch in Gnade gegenüber allen, die sich unter dieses Gericht gebeugt haben. Ein Beispiel für Letzteres ist die kananäische Frau (Mt 15,24–28).
Als Er auf der Erde war, „in den Tagen seines Fleisches“ (Heb 5,7), zog Er die Aufmerksamkeit nicht auf sich selbst (Vers 2; Mt 24,5.23). Menschen tun dies oft in drei genannten Stufen der Äußerungen ihrer Stimme: „schreien“ … „rufen“ … „hören lassen“. Im Gegensatz dazu ist sein Handeln ruhig, freundlich und demütig. Der Verkrüppelte, der im Bad von Bethesda geheilt wurde, wusste nicht, wo Er war (Joh 5,13), ebenso wenig der Blindgeborene (Joh 9,12). Verschiedene Male sagt Er denen, die seine Güte erfahren haben, dass sie Ihn nicht bekannt machen sollen.
Er handelt in Vollkommenheit gemäß dem Wort, dass Wohltaten nicht getan werden sollen „vor den Menschen, um euch vor ihnen sehen zu lassen“ (Mt 6,1–4). Er tut es für seinen Vater. Ist das auch die Gesinnung unseres Herzens und die Qualität unserer Tätigkeit? Was Er bringt, ist ausreichend und braucht keine Bestätigung durch ein auffälliges Auftreten oder ein Vor-sich-her-Posaunen. Der Herr hat aber sehr wohl auf den Straßen gelehrt (Lk 13,26).
„Er soll nicht schreien“ scheint Vers 13 zu widersprechen: „Er wird einen Schlachtruf, ja, ein gellendes Kriegsgeschrei erheben“. Doch in den beiden Versen wird ein anderes Wort für „schreien“ verwendet. Das erste Wort hat mit seinem Volk zu tun, das zweite mit seinen Feinden. Ersteres deutet auf seine Güte und Zartheit hin, das Fehlen einer egozentrischen lauten Demonstration. Er drängt sich nicht auf. Er ist auch nicht gekommen, um eine Revolution gegen die Römer zu entfesseln. In Vers 13 ist seine Stimme die eines Eroberers, der die Feinde Gottes am Ende des Zeitalters vollständig zu Fall bringt.
Dann kommt in den Versen 3 und 4 eine Reihe von Verheißungen, wiederum in chiastischer oder umgekehrter Reihenfolge (a,b,b,a; siehe Jesaja 40,21): Zuerst gibt es
a. „das geknickte Rohr“ in Vers 3, das Er nicht zerbrechen wird, und dann
--b. den „glimmende Docht“, den Er nicht auslöschen wird. Vers 4 beginnt mit
--b. „nicht ermatten“, gefolgt von
a. „nicht niedersinken“, im Sinn von nicht entmutigt werden.
Er wird „das geknickte Rohr“ nicht zerbrechen und Er selbst „wird nicht niedersinken“ (a + a), weil Er in sich selbst der Starke ist, der sich um das Schicksal der „Geknickten“ kümmert. Er wird den „glimmenden Docht“ nicht ganz „auslöschen“ und Er selbst „wird nicht ermatten“ (b + b), denn Er ist in sich selbst das volle Licht, das Licht bringt, wo es fast erloschen ist. So wird Er sicherstellen, dass seine Geprüften an seiner Herrlichkeit teilhaben werden.
Wir sehen hier seine liebevolle Fürsorge für uns jetzt, und das sollte uns ermutigen. Wenn wir uns manchmal wie ein geknicktes Rohr fühlen, das nur dazu taugt, völlig abzubrechen, oder wenn wir das Gefühl haben, dass unser Licht so schlecht brennt, dann lasst uns an sein Verlangen zu uns denken. Wir dürfen zu Ihm gehen, um in Gnade erneuert zu werden und von Ihm die Kraft zur Wiederherstellung zu erhalten.
Es gibt nichts Wertvolles an einem geknickten Rohr. Es erinnert an das gebrochene Herz, das durch grobe Behandlung zertrampelt wird. Ohne Widerstand wird das Rohr weggeworfen. Es ist ein Bild der Demütigung (Jes 58,5). Man kann ein Rohr als Stab benutzen, aber ein zerbrochenes Rohr ist nicht mehr brauchbar, ja es kann einen sogar verletzen (Jes 36,6). Normalerweise würde man einen solchen Stab wegwerfen, aber der Knecht macht es anders.
Das geknickte Rohr ist der Inbegriff der Schwäche in einer Welt, in der nur Platz für die Stärksten ist. Selbst in der Gemeinde wird es für nichts geachtet. Aber der Herr ist in der Lage, aus diesem geknickten Rohr eine Musikpfeife herzustellen oder einen Messstab für das neue Jerusalem (Off 21,15). Er ist für die gekommen, die zerbrochenen Herzens sind (Jes 61,1). Er legt ihnen keine eiserne Rute auf, sondern reicht ihnen das goldene Zepter seiner Gnade (Est 5,2). Er war selbst zerbrochen und zerschlagen (Jes 53,5.10; 1Mo 3,15).
Ein glimmender oder fast erloschener Docht spendet kaum Licht und Wärme und ist auch nicht mehr in der Lage, einen anderen zu entzünden. Es spricht von einem winzigen Funken Glauben, der im Herzen eines Menschenkindes zu finden ist und der ausruft: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24). Oft brennt die Liebe in unseren Herzen so schwach, dass nur Er, der alle Dinge kennt, auch weiß, ob noch ein Schimmer von Liebe vorhanden ist (Joh 21,15–17). So konnte Er Petrus in sieben Wochen von einem fast erloschenen Docht in eine Flamme verwandeln, die am Pfingsttag dreitausend Seelen in Brand setzte (Apg 2,14.37–41).
Weil Er nicht abgebrochen oder ausgelöscht wird, kann Er Gerechtigkeit und Recht auf die Erde bringen. Er wird das Recht nicht durch Kompromisse verwässern, sondern es in Treue und nach der Wahrheit ausführen. Er wird dafür sorgen, dass durch Unterweisung in das Gesetz auch rechtmäßiges Handeln bekannt gemacht und angewandt wird. Damit trägt Er dem Verlangen nach richtiger Unterweisung Rechnung. Dann wird die Frage: „Wo ist der Gott des Gerichts [oder: des Gesetzes]?" (Mal 2,17) endgültig beantwortet werden.
Das Recht und die Gerechtigkeit werden bei der Wiederkunft des Herrn Jesus auf die Erde gebracht (Ps 72,1.2). Der Herr Jesus wartet auf die Stunde seines Vaters. Als der Satan Ihm die Reiche dieser Welt anbietet, nahm Er sie nicht an (Mt 4,8–10). Es kommt der Tag, an dem die Verheißung des Vaters in Erfüllung geht und Er zu Ihm sagt: „Fordere von mir, und ich will dir die Nationen zum Erbteil geben und die Enden der Erde zum Besitztum“ (Ps 2,8).
5 - 7 Der Knecht wird gerufen – das Werk des Knechtes
5 So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schuf und sie ausspannte, der die Erde ausbreitete mit ihren Gewächsen, der dem Volk auf ihr den Odem gab und den Hauch [des Lebens] denen, die darauf wandeln: 6 Ich, der HERR, ich habe dich gerufen in Gerechtigkeit und ergriff dich bei der Hand; und ich werde dich behüten und dich setzen zum Bund des Volkes, zum Licht der Nationen, 7 um blinde Augen aufzutun, um Gefangene aus dem Kerker herauszuführen, [und] aus dem Gefängnis, die in der Finsternis sitzen.
Nachdem der HERR die Zuhörer aufgerufen hat, seinen Knecht anzuschauen, spricht Er Ihn in Vers 6 selbst an. Als Einleitung beschreibt Er seine allmächtige Kraft (Vers 5). Er spricht von sich selbst als „Gott, der HERR“, Namen, die ausdrücken, dass Er der Allmächtige und der Ewige ist. Er erklärt, dass Er der Schöpfer (oder Urheber) von Himmel und Erde ist und auch von allem, was die Erde hervorbringt. Er ist auch der Geber von Leben und Geist für die Menschen. Hiermit weist der HERR seinen Knecht auf die Kraft hin, über die Er verfügt, um ihn zu unterstützen. Es klingt, wie das Wort „mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde“, womit der Herr Jesus seine Jünger in dem Auftrag, alle Nationen zu Jüngern zu machen, ermutigte (Mt 28,18.19).
Diese gewaltige Vorstellung bildet die Grundlage für das Folgende. Dieser gewaltig große Gott hat seinen Auserwählten gerufen (Vers 6). Es ist eine Berufung „in Gerechtigkeit“, also eine Berufung, die allen gerechten Anforderungen Gottes entspricht. Nur dann ist ein Mensch in der Lage, dieser Berufung gerecht zu werden (vgl. Mt 3,15).
Gleichzeitig verspricht der HERR, dass Er bei der Erfüllung der Aufgaben dieser Berufung helfen und behüten wird. „Ich … ergriff dich bei der Hand“ weist auf seine Nähe, seine Gunst und Zuneigung, seinen Rat und seine Führung hin und auf die Kraft, die der Knecht von Ihm als Mensch erhält, um sein Werk zu tun. Ihn „zu behüten“ bedeutet, dass Er seinen Knecht vor Angriffen schützen wird, bis es an der Zeit ist, dass Er Feinden ausgeliefert werden wird.
Der Knecht ist berufen „zum Bund des Volkes“, das ist Israel. Daraus ist ersichtlich, dass eine andere Person als Israel der Knecht ist (vgl. Jes 41,8.9). In Ihm wird sich alles erfüllen, was der HERR seinem Volk verheißen hat und wozu Er sich durch einen Bund verpflichtet hat. Er wird auch „zum Licht der Nationen“ gesetzt. Durch Ihn werden auch die Völker gesegnet werden. Hier sehen wir, dass dies viel mehr als die Wiederherstellung Israels nach der Gefangenschaft bedeutet. Der Knecht kommt, um den Völkern Licht und Rettung zu bringen.
Die segensreiche Auswirkung der Stellung, die der HERR Ihm gegeben hat, wird im Friedensreich durch den Herrn Jesus sichtbar sein. Er wird Augen öffnen und Freiheit und Licht geben (Vers 7), denn Israel, so sehen wir weiter (Vers 18), ist ein tauber und blinder Knecht des HERRN. Das Öffnen der Augen von Blinden ist das Zeugnis, das der Herr Jesus Johannes den Täufer geben lässt, als dieser fragt, ob Er der Messias ist (Mt 11,4.5a).
Niemals wurden im Alten Testament die Augen von blinden Menschen geöffnet. Eines der charakteristischen Zeichen des Messias wird das Öffnen der Augen der Blinden sein. Die geistliche Bedeutung des Öffnens der Augen der Blinden ist es, die Unwissenden zu unterweisen und sie mit Gott und dem Weg des Heils bekannt zu machen (Apg 26,18).
Wir können diese Dinge darüber hinaus auf uns als Diener Gottes anwenden, wie der Herr Jesus es Paulus zeigt, indem er diesen Vers für seinen Dienst zitiert (Apg 26,16–18). Er, der uns berufen hat, wird unsere Hand ergreifen und uns behüten und uns zu Dienern seines Evangeliums machen. Er wird uns befähigen, Licht und Freiheit zu denen zu bringen, die in geistiger Finsternis und in Gefangenschaft der Sünde sind.
8 - 9 Nur der HERR kann voraussagen
8 Ich bin der HERR, das ist mein Name; und meine Ehre gebe ich keinem anderen, noch meinen Ruhm den geschnitzten Bildern. 9 Das Frühere, siehe, es ist eingetroffen, und Neues verkündige ich; ehe es hervorsprosst, lasse ich es euch hören.
„HERR“ (Vers 8) ist der Name, mit dem Er sich Mose offenbarte als Garantie dafür, dass Er sein Wort in Bezug auf den Dienst erfüllen würde (2Mo 3,14.15). Dieser Name ist auch die Garantie für die Erlösung seines Volkes (2Mo 6,2–6). Sein Name ist die Garantie für die Erfüllung seines Wortes. Seine Ehre gibt Er nicht an die Götzen der Völker und Er kann sie mit niemandem teilen. Diese Ehre kommt allein dem Herrn Jesus zu (Phil 2,9), denn Er ist der HERR.
Auf die Erklärung seines Namens folgt die verbindliche Zusicherung, dass Er seine Ehre und sein Lob an niemand anderen gibt. Es ist eine Verstärkung der Bedeutung seines Namens. Seine „Ehre“ oder „Herrlichkeit“ ist die Offenbarung seiner Natur, seiner Eigenschaften und seiner Macht. Die Offenbarung seiner Herrlichkeit bewirkt Lobpreis bei denen, die diese Offenbarung empfangen. Herrlichkeit und Lob gehören zusammen und sie gehören niemand anderem außer Gott. Das sollen alle Götzendiener wissen.
Vor dem Hintergrund des Gegensatzes zu den Götzen muss auch die zweifache Aussage von Vers 9 gesehen werden. Die erste Aussage befasst sich mit dem „Früheren“. Was Gott vorausgesagt hat, dass es zur angegebenen Zeit geschehen würde, ist eingetreten. Es wird auch „Neues“ verkündet (Jes 42,1–7), Dinge, die sich noch nicht erfüllt haben, aber zu ihrer Zeit ebenso in Erfüllung gehen. Der HERR macht alles im Voraus bekannt. Kein anderer Gott ist dazu in der Lage.
10 - 12 Aufruf, den HERRN zu loben
10 Singt dem HERRN ein neues Lied, seinen Ruhm vom Ende der Erde – ihr, die ihr das Meer befahrt, und alles, was es erfüllt, ihr Inseln und ihre Bewohner! 11 Es mögen ihre Stimme erheben die Wüste und ihre Städte, die Dörfer, die Kedar bewohnt; jubeln mögen die Bewohner von Sela, jauchzen vom Gipfel der Berge her! 12 Man möge dem HERRN Ehre geben und seinen Ruhm verkündigen auf den Inseln.
Die Verse 10–17 beziehen sich auf das Friedensreich. Dieser Abschnitt enthält einiges von dem „Neuen“ aus Vers 9. Zum Beispiel gibt es, nachdem die Errettung erwähnt wird (Vers 9), „ein neues Lied“ (Vers 10). Es ist das Lied des Lobpreises, das die Nationen singen werden, die zuvor in geistlicher Finsternis waren. Das erste Lied in der Bibel, das Lied Moses (2Mo 15,1), wird von einem erlösten Volk gesungen. Das Gleiche gilt später für das Lied Moses und des Lammes (Off 15,3). Das Gleiche gilt hier in den Versen 10–12. Das Verb „singen“ wird nie für Engel verwendet. Das Singen ist den Erlösten vorbehalten.
Es ist eine allgemeine Aufforderung, die über die ganze Erde erklingt. Die Aufforderung beginnt bei denen, die am weitesten weg sind, den Seeleuten; sie geht weiter zu denen, die in der Nähe leben, nämlich den Arabern in der Wüste; und sie endet bei dem jüdischen Volk, das im Hochgebirge lebt.
Vers 11 spricht von Kedar. Dies ist der Name des zweiten Sohnes von Ismael (1Mo 25,13). In diesem Namen sind die Araber vertreten. Es ist der Sammelname für die arabischen Stämme (Jes 21,13–17; Hes 27,21). „Die Bewohner von Sela“ sind die Edomiter. Die Wüste, auf die hier Bezug genommen wird, ist die von Arabien. Die Araber werden in Zukunft nicht mehr dem falschen Propheten Mohammed folgen, sondern dem HERRN Herrlichkeit geben und seinen Ruhm verkünden bis ans Ende der Erde (Vers 12).
13 - 17 Der HERR zieht aus
13 Der HERR wird ausziehen wie ein Held, wie ein Kriegsmann den Eifer anfachen; er wird einen Schlachtruf, ja, ein gellendes Kriegsgeschrei erheben, sich als Held erweisen gegen seine Feinde. 14 Lange Zeit habe ich geschwiegen, war still, habe an mich gehalten. Wie eine Gebärende will ich tief aufatmen, schnauben und schnaufen zugleich. 15 Ich will Berge und Hügel öde machen und all ihr Kraut vertrocknen lassen; und ich will Ströme zu Inseln machen und Seen trockenlegen. 16 Und ich will die Blinden auf einem Weg führen, den sie nicht kennen; auf Pfaden, die sie nicht kennen, will ich sie schreiten lassen; die Finsternis vor ihnen will ich zum Licht machen und das Höckerige zur Ebene. Das sind die Dinge, die ich tun und nicht lassen werde. 17 Es werden zurückweichen, es werden tief beschämt werden, die auf das geschnitzte Bild vertrauen, die zu dem gegossenen Bild sagen: Du bist unser Gott!
Der HERR wird den König des Nordens vernichten (Dan 11,45) – und mit ihm die Herrschaft des Islam –, ebenso den falschen Propheten seines Volkes, den Antichristen, zusammen mit den zehn Königen und dem Tier, das über sie regiert. Zu diesem Zweck wird Er als Held ausziehen (Vers 13). Wenn sein Kriegseifer entfacht ist und Er den Schlachtruf ertönen lässt (vgl. Joel 4,16; Jer 25,30), werden die Feinde keine Chance haben.
Er hat sich lange zurückgehalten (Vers 14) und hat nicht offen eingegriffen, um sein unterdrücktes Volk zu befreien, ob es nun Israel oder die Gemeinde betrifft. Dies deutet auf seine Langmut hin, die für die heutige Zeit so charakteristisch ist, in der das Evangelium seiner Gnade verkündet wird, trotz aller Widerstände und Lästerungen und Abtrünnigkeit (2Pet 3,9).
Diese gegenwärtige Zeit wird zu Ende gehen. Das Schweigen Gottes ist nicht endlos. Er wird „einen Schlachtruf, ja, ein gellendes Kriegsgeschrei erheben“. Es ist, als ob all der aufgestaute Zorn über die Gottlosigkeit der Welt und alles, was seinem Volk angetan wurde, herauskommen wird (Röm 1,18). Mit der Glut seines Zorns wird Er „Berge und Hügel“, als Bild der feindlichen Mächte, und „all ihr Kraut“, als Bild ihres Wohlstandes und ihrer Werke, „vertrocknen lassen“ (Vers 15). Alle Quellen des Segens werden versiegen, alle Erfrischungen werden zu Ende gehen.
Im Gegensatz dazu wird Er seinem Volk Barmherzigkeit erweisen. Er wird denen, die durch die Sünde verblendet sind, die Augen für ihre Not öffnen und sie seine Rettung sehen lassen (Vers 16). Er wird sie aus ihrem Elend herausführen und sie auf einen Weg des Lichts und des Segens bringen, auf seinen eigenen Weg der Gerechtigkeit und des Friedens. Er wird die Dunkelheit für sie aufheben. Er wird die Straße von Hindernissen befreien und sie glatt und begehbar machen.
Dies bezieht sich in erster Linie auf die Erlösung aus der babylonischen Gefangenschaft und auf den Weg, auf dem sie von Babel nach Jerusalem zurückgeführt werden (vgl. Jes 43,19). Das Volk soll verstehen, dass nicht Kores, sondern der HERR derjenige ist, der sie erlöst. Kores ist nur ein Instrument in seiner Hand. Wie viel mehr wird der HERR in der Endzeit auf diese Weise zugunsten seines Volkes handeln. Außerdem ist die Beschreibung seines Handelns hier so allgemein, dass wir sie auf das gesamte Erlösungswerk des Herrn Jesus – Er ist der HERR – anwenden können, das Er für sein himmlisches Volk, die Gemeinde, getan hat.
Der HERR unterstreicht seine Worte mit einer feierlichen Doppelaussage, eine im positiven und eine im negativen Sinn, wobei sich beide Aussagen gegenseitig verstärken: Er wird es tun, und: Er wird sie nicht verlassen. Damit ist jeder Zweifel ausgeschlossen.
Dieses Handeln des HERRN hat auch eine Konsequenz für die Götzendiener (Vers 17). Wenn sie sehen, was Er für diejenigen getan hat, die ihr Vertrauen auf Ihn setzen, werden sie vor Entsetzen zurückschrecken und die Schamröte wird auf ihren Wangen sichtbar. Die Torheit ihres Götzendienstes und die Nutzlosigkeit ihrer Götzen werden in vollem Umfang sichtbar gemacht werden.
18 - 19 Taub und blind
18 Hört, ihr Tauben, und ihr Blinden, schaut her, um zu sehen! 19 Wer ist blind als nur mein Knecht, und taub wie mein Bote, den ich sende? Wer ist blind wie der Vertraute, und blind wie der Knecht des HERRN?
In Vers 7 sahen wir, dass der Knecht des HERRN die Augen der Blinden öffnet. Hier in Vers 18 sehen wir, dass Taube hören und Blinde sehen durch das Werk des Knechtes des HERRN. Aber dann heißt es in Vers 19, dass der Knecht des HERRN blind und taub ist. Es ist klar, dass es im Buch Jesaja zwei verschiedene Knechte gibt. Es gibt einen blinden und tauben Knecht (Jes 6,10), und der muss erst geheilt werden, bevor er vom HERRN gebraucht werden kann. Dieser Knecht ist Israel (Jes 43,10). Es gibt aber auch einen anderen Knecht. Das ist kein anderer als Christus, in dem Gott sein ganzes Wohlgefallen gefunden hat.
Diese Verse enthalten eine kraftvolle und lehrreiche Botschaft für uns, die wir aus Gnade in seinen Dienst gerufen wurden. Vieles kommt auf uns zu, das unseren Blick auf den Herrn verdunkeln und uns taub für seine Stimme machen kann. Dies sind alles Dinge, auf die unser Fleisch nur allzu gerne reagiert. Wir werden auf unzählige Arten versucht, um zu vergessen, dass wir nur auf der Erde sind, um einfach den Willen dessen zu tun, der uns berufen und gesandt hat. Unseren eigenen Willen zu tun, führt nur zu Kummer in unseren Herzen.
20 - 22 Sehend blind und hörend taub
20 Du hast vieles gesehen, aber du beachtest es nicht; bei offenen Ohren hört er nicht. 21 Dem HERRN gefiel es um seiner Gerechtigkeit willen, das Gesetz groß und herrlich zu machen. 22 Und doch ist es ein beraubtes und ausgeplündertes Volk; sie sind in Löchern gefesselt und allesamt in Kerkern versteckt; sie sind zur Beute geworden, und kein Erretter ist da, zur Plünderung, und niemand spricht: Gib wieder heraus!
In Vers 20 wird der Vorwurf der Blindheit und Taubheit des Volkes weiter erläutert. Sie sehen viel, aber der eigentliche Inhalt geht an ihnen vorbei, weil sie ihn nicht beachten. Wörtlich heißt es, dass sie es nicht „bewahren“ oder „bewachen“. Die Ausdrücke „bewahren“ – hebräisch samar – und „hören“ – hebräisch sama – sind charakteristisch für das 5. Buch Mose im Zusammenhang mit dem Gesetz Gottes (5Mo 28,15; 29,2–4; vgl. Jes 6,9.10).
Sie öffnen zwar ihre Ohren, aber was sie hören, dringt nicht zu ihnen durch. Das liegt daran, dass ihre Herzen fett geworden sind; sie sind nicht auf den HERRN ausgerichtet und verfolgen nur ihre eigenen Interessen. Sie wollen nicht in seinen Wegen wandeln und sind seinem Gesetz nicht gehorsam. Doch es war seine Absicht, ihnen seine Herrlichkeit durch sein Wort, das Gesetz, zu zeigen (Vers 21).
Es ist seine Freude, „das Gesetz groß und herrlich zu machen“. Dies kann auch mit „eine große und herrliche Unterweisung geben“ übersetzt werden. Wir haben es hier mit dem Gesetz zu tun, aber nicht im begrenzten Sinn der zehn Gebote, sondern in all den herrlichen Aussagen, die einen Gott offenbaren, der durch sein Gesetz und seine Unterweisungen den Segen seines Volkes im Blick hat. Seine Gerechtigkeit sehnt sich danach, aber ihre Ungerechtigkeit hat es unmöglich gemacht.
Die Absicht Gottes fand ihre volle Erfüllung in dem vollkommenen Leben des Herrn Jesus auf der Erde. Wir sehen, dass es sein ganzes Wohlgefallen war, den Willen Gottes zu tun. Gottes Gesetz ist in Ihm und bestimmt sein ganzes Leben (Ps 40,9), das von Anfang bis Ende von vollkommenem Gehorsam geprägt wurde (Phil 2,8). Der HERR hat in der Person seines Sohnes das Gesetz groß und herrlich gemacht, sowohl in seinem Leben als auch in seinem Tod. In Ihm sehen wir in allem die Herrlichkeit des Gesetzes im Gegensatz zu den Wegen des Volkes, dem das Gesetz gegeben wurde.
Das Volk befindet sich in einem Zustand der Verhärtung. Anstatt Gott zu verherrlichen, indem sie das Gesetz den Nationen um sie herum lehrten, haben sie Gottes Gesetz, seine „herrliche Unterweisung“, missachtet. Infolgedessen wurden sie in die Hände der Nationen überliefert. Sie sind ein Volk, das „beraubt und ausgeplündert“ wurde (Vers 22). Es ist auch ein Volk, das in Kerkerlöchern und Gefängnissen gefesselt und eingesperrt wurde. Es gibt keine Bewegungsfreiheit mehr. Sie haben selbst Erlösung nötig.
Das gilt auch im geistlichen Sinn, wenn ein Gläubiger beginnt, außerhalb von Gottes Willen und Weg zu leben. Dann werden geistige Kräfte ihn aller christlichen Werte berauben und ihn zu einem Sklaven der Sünde und zur Unehre für Gott machen.
23 - 25 Eindringliche Fragen
23 Wer unter euch will dies zu Ohren nehmen, will aufmerksam zuhören und in Zukunft hören? 24 Wer hat Jakob der Plünderung hingegeben und Israel den Räubern? Nicht der HERR, gegen den wir gesündigt haben? Und sie wollten nicht auf seinen Wegen wandeln und hörten nicht auf sein Gesetz. 25 Da hat er die Glut seines Zorns und die Gewalt des Krieges über ihn ausgegossen; und diese hat ihn ringsum angezündet, aber er ist nicht zur Erkenntnis gekommen; und sie hat ihn in Brand gesteckt, aber er nahm es nicht zu Herzen.
Mit Vers 23 beginnt der letzte Teil dieses Kapitels, in dem eine letzte Reihe von eindringlichen Fragen gestellt wird. Diese Fragen stehen im Zusammenhang mit dem, was zuvor geschehen ist, und haben direkten Einfluss auf den beklagenswerten Zustand, in dem sich das Volk befindet. Hier stellt sich die Frage, warum ein Volk, das dazu bestimmt ist, ein Knecht des HERRN zu sein, dem das Gesetz, die Lehre Gottes, anvertraut wurde, nicht in der Lage ist, diese Aufgabe zu erfüllen, ja, selbst der Erlösung bedarf. Wer von ihnen wird sich diese Lektion, diese Frage, zu Herzen nehmen?
Das Leiden durch die Hand der Nationen wird noch größer werden. Nur ein kleiner Überrest wird weiterhin zuhören. „Wer will aufmerksam zuhören und in Zukunft hören?“ weist in die Zukunft. Das impliziert die Aufforderung, sich mit der Zukunft zu beschäftigen. Die Konsequenzen daraus für das praktische Leben werden nicht ausbleiben. Nur der Überrest wird erkennen, dass das Leiden, das über das Volk gekommen ist, vom HERRN gewirkt worden ist (Vers 24).
Sie werden erkennen, dass die Gefangenschaft die Folge ihrer eigenen Sünden ist. Die erste Gefangenschaft ist die Wegführung nach Babel. Dort sind sie siebzig Jahre lang gewesen, weil sie das Gesetz nicht gehalten und Götzendienst betrieben haben. Die andere Gefangenschaft ist die Vertreibung in alle Ecken der Erde für einen Zeitraum, der jetzt etwa zweitausend Jahre dauert. Was ist der Grund dafür? Es ist wegen der Verwerfung des Herrn Jesus (vgl. 1Mo 42,21).
Weil die gottlose Masse des Volkes nicht hören will, wird sie von noch stärkeren Plagen heimgesucht (Vers 25). Noch schlimmer als die Züchtigung selbst ist das Versäumnis zu erkennen, dass der HERR dies über sie bringt. Diese Dinge sind geschrieben, um uns zu lehren, zu erkennen, dass die züchtigende Hand des Herrn in unserem Leben durch seine gnädige Absicht, Weisheit und Liebe ausgeübt wird.