Einleitung
Übersicht über Hauptteil 2.1 – Jesaja 40–48
Die Souveränität und Verheißung des HERRN
Der erste Teil des zweiten Hauptabschnitts (Jesaja 40–66) umfasst Jesaja 40–48 und kann wie folgt unterteilt werden:
1. Gute Nachricht für Jerusalem (Jesaja 40,1–11)
2. Gott, der Unvergleichbare (Jesaja 40,12–31)
3. Gott, der Herr der Geschichte für sein Volk (Jesaja 41,1–29)
4. Der Knecht des HERRN (Jesaja 42,1–25)
5. Gnade im Überfluss und ihre Verachtung (Jesaja 43,1–28)
6. Israels großer Gott und die Torheit des Götzendienstes (Jesaja 44,1–23)
7. Gottes Handeln durch Kores für Jerusalem (Jesaja 44,24–45,25)
8. Die nutzlosen Götzen und der HERR, der Allmächtige (Jesaja 46,1–13)
9. Der Fall des stolzen Babel (Jesaja 47,1–15)
10. Gottes Absicht der Gnade (Jesaja 48,1–22)
Einleitung in Jesaja 40
Mit Jesaja 40 beginnt der zweite große Abschnitt des Buches Jesaja, der bis zum Ende des Buches reicht. Dieser zweite Abschnitt beginnt mit der Verheißung von dem „Vorläufer“, Johannes der Täufers (Jes 40,3), und endet mit dem neuen Himmel und der neuen Erde (Jes 66,22).
Der erste Hauptteil befasst sich vor allem mit der bisherigen Geschichte Israels und seiner Zukunft sowie der Geschichte der Nationen, mit denen Israel zu tun hat. Es geht dabei um das Werk Gottes, um Israel als Volk aus der Macht der Nationen – repräsentiert durch Assyrien – zu erlösen und um die Wiederherstellung Israels als Nation. Im zweiten Hauptteil geht es vor allem um das Wirken Gottes in den Herzen und um die Hinwendung des Herzens zu Ihm. Dazu muss das Volk von der Macht Babels, prophetisch der religiösen Macht in der Zukunft, erlöst werden.
Dieser zweite Hauptteil kann in drei Teile eingeteilt werden. Jeder Teil enthält neun Kapitel:
1. Jesaja 40–48
2. Jesaja 49–57
3. Jesaja 58–66
Das Thema, das sich durch alle diese Kapitel zieht, ist zweigeteilt. Es enthält einerseits den Aufruf zur Umkehr und andererseits die Zusage der Befreiung. Im Zusammenhang mit dem ersten Thema, dem Aufruf zur Umkehr, schließt jeder Abschnitt mit einer ernsten Warnung an die Gottlosen ab (Jes 48,22; 57,21; 66,24). Diese gleichlautenden Warnungen markieren die Aufteilung in drei Teile mit jeweils neun Kapiteln.
Der Aufruf zur Umkehr ist gegründet auf die Treue Gottes. Gott bleibt trotz unserer Untreue treu. Dies ist aus Jesaja 7–39 ersichtlich. Für jeden, der Ihm vertrauen will, wie König Hiskia (Jes 37,1–4.14–20), gibt es immer Rettung. Dasselbe gilt mit Blick auf Israel (Jes 44,24–26). Dem HERRN zu dienen ist für Israel nur möglich, wenn das Volk lernt, auf die unverdiente Gnade Gottes zu vertrauen, eines Gottes, der trotz ihres Ungehorsams Erlösung ohne Geld und ohne Kaufpreis anbietet (Jes 55,1).
Im ersten Teil, Jesaja 40–48, spricht der Prophet das Volk wegen seines Götzendienstes an. Er stellt dem Volk zwei Kontraste vor:
1. den Kontrast zwischen dem HERRN, dem Gott Israels, und den Götzen und
2. den Kontrast zwischen Israel und den Heiden.
Götzendienst ist die erste große Sünde Israels, besonders des Zehnstämmereiches.
Im zweiten Teil, Jesaja 49–57, lautet seine Anklage, dass das Volk den Messias verworfen hat. In diesem Abschnitt stellt er den Kontrast zwischen dem Leiden des Knechtes des HERRN und seiner zukünftigen Herrlichkeit dar. Die Verwerfung des Messias ist die zweite große Sünde Israels, insbesondere des Zweistämmereiches Juda.
Im dritten Teil, Jesaja 58–66, zeigt er den Kontrast zwischen den Heuchlern und Widerspenstigen sowie den Kontrast zwischen den Abtrünnigen, die dem Antichristen folgen, und den Treuen und Verfolgten, dem gläubigen Überrest Israels.
In jedem der drei Teile sehen wir einen Aspekt des Handelns des dreieinigen Gottes:
1. Die Person des Erlösers – vorgestellt durch Gott (Jesaja 40–48)
2. Das Werk der Erlösung – vollbracht durch den Sohn, den vollkommenen Knecht des HERRN (Jesaja 49–57)
3. Die Erlösung – gewirkt durch den Heiligen Geist (Jesaja 58–66)
Gottes Handeln mit Israel wird in Gnade und Liebe geschehen (vgl. Jer 31,2.3). In diesem zweiten großen Hauptteil des Buches Jesaja sehen wir das Ergebnis dieses Handelns durch Gott in den Herzen des gläubigen Überrestes Israels.
Der erste Teil (Jesaja 40–48) spricht von verschiedenen Herrlichkeiten. Wir lesen über die Herrlichkeit
1. des HERRN (Jesaja 40; siehe Jes 40,5),
2. von seinem Ratschluss (Jesaja 41),
3. von seiner Gnade (Jesaja 42 und 43; siehe Jes 43,25),
4. von seinen Verheißungen (Jesaja 44 und 45) und
5. von seiner Macht (Jesaja 46–48).
Das berühmte, unvergleichliche Kapitel Jesaja 53 ist das mittlere Kapitel des zweiten (mittleren) Teils dieser drei Teile Jesajas.
Nachdem nun aus dem ersten Teil des Buches Jesaja (Jesaja 1–39) klar ist, wie der wahre Zustand des Volkes Israel ist, stellt sich die Frage, ob dies das Ende des Buches Jesaja ist. Ist das Gericht über Israel – „es eilt der Raub, bald kommt die Beute“, der Name des zweiten Sohnes Jesajas (Jes 8,1) – das letzte Wort? Die Antwort ist ein überraschendes Nein. Gott ist kein Gott, bei dem das Gericht das letzte Wort hat. Er ist ein Gott des Heils – das bedeutet ja schon der Name „Jesaja“. Dies wird nun im zweiten Teil von Jesaja, Jesaja 40–66, gezeigt, wo sich die Bedeutung des Namens des ersten Sohnes Jesajas, Schear-Jaschub (Jes 7,3) – was bedeutet „der Überrest wird umkehren“ – erfüllen wird.
Die Verse 1–11 dieses Kapitels sind die Einleitung zu einem neuen Abschnitt. In vier gleichgewichtigen Strophen wird ein Fundament für die Botschaft gelegt, die uns im Rest des Buches vermittelt wird. Darin sehen wir bestätigt,
1. dass die Botschaft von nun an nicht mehr Gericht ist, sondern die Wiederherstellung Israels (Verse 1.2);
2. dass die Wiederherstellung ein persönliches Eingreifen Gottes ist (Verse 3–5);
3. dass keine Macht der Menschen in der Lage sein wird, sie aufzuhalten (Verse 6–8);
4. dass dadurch das Evangelium von Gottes Macht und Barmherzigkeit verkündet wird (Verse 9–11).
1 - 2 Trost für Gottes Volk
1 Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. 2 Redet zum Herzen Jerusalems, und ruft ihr zu, dass ihre Mühsal vollendet, dass ihre Schuld abgetragen ist, dass sie von der Hand des HERRN Zweifaches empfangen hat für alle ihre Sünden.
Die Verse 1 und 2 sind in der Tat der Titel des zweiten großen Teils des Buches. Dieses Kapitel beginnt mit Worten, die eine große Ermutigung für den leidenden gläubigen Überrest in der Zeit damals und in prophetischer Hinsicht auch zukünftig in der Zeit der großen Drangsal bedeuten. Der Prophet Jesaja erhält die Aufgabe, das Volk Gottes zu trösten. Gott will sein Volk durch seine Propheten trösten (vgl. 1Kor 14,3). Ihnen wird Trost von ihrem Gott versprochen, der weiß, wie dringend sie ihn brauchen (Vers 1). Daher auch die Wiederholung des Wortes „tröstet“. Es ist die Erfüllung der Verheißung aus Jesaja 12 (Jes 12,1).
Trost bedeutet wörtlich „tiefes Seufzen“, „Erleichterung“. Deshalb wird dieser zweite Teil von Jesaja auch „das Buch des Trostes“ genannt, mit Jesaja 53 als Zentrum und Höhepunkt. Es ist auch bezeichnend, dass die Wohnstätte des Herrn Jesus auf der Erde das Dorf Kapernaum ist. Kapernaum bedeutet „Dorf des Trostes“. Die Worte „spricht euer Gott“ bedeuten, dass dieser Trost nur denen verheißen ist, die in einer Beziehung zu Gott stehen, denn nur zu denen kann „euer Gott“ gesagt werden. Diese Worte beinhalten auch die feste Sicherheit der Tröstung, denn Gott sagt es.
Der Befehl zu trösten erhält einen zusätzlichen Nachdruck durch den Zusatz, dass er „zum Herzen Jerusalems“ geredet werden soll. Das heißt, der Trost soll zum Herzen Jerusalems gesprochen werden, weil Gott das Herz durch die Tröstung gewinnen will (Vers 2; vgl. 1Mo 50,21; Rt 2,13; Hos 2,16). Denn die Zeit ihres Leidens ist nämlich fast vollendet und ihre Schuld ist gesühnt. Die Strafe ist fast vorbei und sie wird bald frei ausgehen können, weg von Babel, zurück in Gottes Land und in die Stadt Gottes.
Die Aufforderung „ruft ihr zu“ hat die Bedeutung „verkünde!“, „proklamiere!“. Drei Dinge werden dann erwähnt:
1. Die Zeit ihres Leidens ist vollendet. Die Strafe – das heißt die Leidenszeit, der Kampf, ursprünglich Militärdienst – ist vorbei und sie kann frei ausgehen, weg aus Babel, zurück in Gottes Land und Stadt.
2. Ihre Schuld ist gesühnt – Er „war um unserer Übertretung willen verwundet“ (Jes 53,5a).
3. Sie hat das Doppelte für alle ihre Sünden empfangen – die Gefangenschaft und die große Drangsal haben ihr Werk in ihrem Herzen und ihrem Gewissen getan, so wie es den Brüdern Josephs im Gefängnis erging (1. Mose 44 und 45).
Die Grundlage für die Versöhnung wird durch den Herrn Jesus, den Knecht des HERRN, auf dem Kreuz gelegt werden (Jes 53,1–12). Gottes Heiligkeit ist befriedigt durch die Versöhnung, die durch das Werk seines Sohnes vollbracht wird, dessen Wert für Ihn bereits im Voraus festgelegt ist. Auf dieser Grundlage kann Er auch über Sünden in der Zeit vor dem Kreuz hinweggehen, ohne sie anzurechnen (Röm 3,25). Nun, nachdem sie ihre Schuld anerkannt haben, gibt es eine vollständige Vergebung.
Sie hat für „alle ihre Sünden“ empfangen. Es gibt nichts mehr, was ein Gericht erfordert. Dass sie für ihre Sünden „Zweifaches empfangen“ hat, bzw. das doppelte Maß (Jes 61,7; Jer 16,18), ist in Übereinstimmung mit dem Gesetz (2Mo 22,4). Es gibt nicht nur den Verlust von Eigentum zu erstatten, sondern es ist auch ein emotionaler Schaden entstanden – Gott wurde entehrt –, der berücksichtigt werden muss. Es kann hier bedeuten, dass das Gericht in vollem Maß ausgeübt wurde für die doppelte Sünde, die sie begangen haben: Götzendienst (Jesaja 40–48) und Verwerfung des HERRN zusammen mit seinem Gesetz und Wort (Jesaja 49–57). Im Gegenzug kommt nun ein doppelter Trost: „tröstet, tröstet“.
Im Neuen Testament offenbart sich Gott als Tröster in drei Personen. Gott der Vater ist „der Gott allen Trostes“ (2Kor 1,3). Der Heilige Geist wird von dem Herrn Jesus mehrmals „Tröster“ genannt (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7; siehe Fußnote Elberfelder Übersetzung). Der Herr Jesus wird auch „Tröster“ genannt. Das Wort „Sachwalter“ in 1. Johannes 2 kann auch mit „Tröster“ übersetzt werden (1Joh 2,1). Auch die Tatsache, dass der Herr den Heiligen Geist „einen anderen Tröster/Sachwalter“ nennt (Joh 14,16), bedeutet, dass Er der Tröster für seine Jünger ist, bis der Heilige Geist kommt.
Das Kennzeichen des Herrn Jesus ist, „alle Trauernden zu trösten“ (Jes 61,2b). So dürfen wir uns auf unserem Weg über die Erde an dem großen Vorrecht der bleibenden Gegenwart des dreieinigen Gottes erfreuen, der uns tröstet, wenn wir Enttäuschungen erfahren.
In der Endzeit gibt es auch ein doppeltes Leiden des Überrestes. Das Volk befindet sich seit vielen Jahrhunderten in Gefangenschaft unter den Völkern. Viele sind bereits in das Land zurückgekehrt und viele werden noch zurückkehren. Nur geschieht jetzt alles im Unglauben. Aufgrund der Verwerfung des Messias und der Zuspitzung des Götzendienstes durch die Annahme des Antichristen, eines Menschen, der sich selbst als Gott darstellt und im Tempel ein Bild für das erste Tier aus der Erde aufstellt (Off 13,14), wird das Volk noch eine schrecklich furchtbare Zeit erleben. Diese Zeit wird als „die große Drangsal“ bezeichnet.
Gott wird die Nationen gegen sein Volk sammeln und sein Volk durch die Nationen züchtigen. Unter dieser Zucht wird der treue Überrest ebenso leiden wie die gottlose Masse des Volkes. Aber der Überrest wird doppelt leiden. Sie werden sowohl unter den Feinden leiden, die von außerhalb Israels in das Land eindringen, als auch unter dem Antichristen und der gottlosen Masse, die in Israel selbst sind. Im Friedensreich aber wird diesem Überrest doppelt vergolten werden (Jes 61,7).
3 - 5 Bahnt den Weg des HERRN
3 Stimme eines Rufenden: In der Wüste bahnt den Weg des HERRN; ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! 4 Jedes Tal soll erhöht und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden; und das Höckerige soll zur Ebene werden und das Hügelige zur Talebene! 5 Und die Herrlichkeit des HERRN wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird sie sehen; denn der Mund des HERRN hat geredet.
Der Trost von Vers 1 beruht nicht auf den guten Werken des Volkes. Auch nicht, weil die Gefangenschaft lange genug gedauert hat und die Strafe ausreichend verbüßt worden wäre. Nein, der Trost kommt durch das persönliche Kommen und Eingreifen des HERRN: Ihr Gott kommt (Vers 3)!
Die Rückkehr eines Überrestes aus Babel in das gelobte Land wird vom HERRN bewirkt (Esra 1,1), damit der verheißene Messias seinem Volk vorgestellt werden kann. Durch einen Herold, der hier als „Stimme eines Rufenden“ vorgestellt wird – wörtlich „eine Stimme … rufend …“ –, kann das Kommen des HERRN angekündigt werden, ein Kommen, durch das der volle Segen Gottes im Friedensreich zu seinem Volk kommen kann.
Wir sehen, wie das in den Evangelien geschieht. Der Segen, der angekündigt wird, bezieht sich auf das Reich der Himmel, das nahe gekommen ist (Mt 3,2), denn der verheißene König, der Messias, ist gekommen und ist bereit, öffentlich in Erscheinung zu treten. Der Herold ist Johannes der Täufer. Die vier Schreiber der Evangelien lassen daran keinen Zweifel aufkommen (Mt 3,1–3; Mk 1,1–4; Lk 1,76–78; Joh 1,23). Wir finden Vers 3 als Zitat im Neuen Testament und sehen dadurch, dass der Prophet Jesaja die Gottheit des Herrn Jesus hier deutlich lehrt.
„Bahnt den Weg des HERRN“ bedeutet auch „Hindernisse beseitigen“. Mit anderen Worten, die Aufnahme des Messias erfolgt nicht, weil die Strafe beendet ist, sondern wegen der Beseitigung von Hindernissen. „Der Weg“ ist der Weg des Heils (Jes 11,16) und ist vergleichbar mit der Befreiung aus Ägypten. Es ist der gebahnte Weg für den HERRN, also kein buchstäblicher Weg, sondern ein geistlicher Weg. Auf diesem Weg wird der HERR mit Erlösung und Heil kommen.
Ihr geistlicher Zustand ist wie „die Wüste“. Es ist der Beginn des Werkes Gottes in dem Herzen des Volkes, wenn es sich dessen bewusst wird. Sie befinden sich fern von Gott und dürsten nach Ihm (Ps 63,2; 42,2.3).
Die Predigt von Johannes dem Täufer hat jedoch bei der Masse des Volkes und ihren Führern kein Gehör gefunden. Christus wird verworfen und deshalb kann das verheißene Friedensreich nicht errichtet werden. Er wird jedoch „zum zweiten Mal erscheinen“ (Heb 9,28). Das wird in der Endzeit geschehen.
„Jedes Tal soll erhöht werden“ bezieht sich auf alle, die im Tal der Erniedrigung waren und die letztendlich im Friedensreich erhöht werden (Vers 4). Es gilt auch für diejenigen, die sich in dieser Zeit freiwillig demütigen (Jak 4,10; 1Pet 5,6; Lk 18,14; Hiob 5,11). Das Absenken von Bergen und Hügeln hat die entgegengesetzte Bedeutung. Alle, die sich selbst erhöhen, werden gedemütigt werden.
Das „Höckerige“, was uneben und unregelmäßig ist, soll zur „Ebene“ werden, glatt und gleichmäßig. Zum Beispiel wird es keine Doppelzüngigkeit mehr geben. Die Absichten werden rein sein. „Das Hügelige“ samt den rauen Stellen, an denen nichts wächst, wird zu einer fruchtbaren „Talebene“. An Orten, an denen kein Leben möglich ist, wird jeder das Leben so genießen können, wie es der HERR vorgesehen hat.
In der vom Evangelisten Lukas aufgezeichneten Predigt von Johannes dem Täufer bezieht sich Lukas auf diese Verse aus Jesaja (Lk 3,4–6). Lukas ist der Evangelist, der zeigt, dass die Gnade Gottes allen Menschen erschienen ist. Um diese Gnade zu sehen und an ihr teilzuhaben, bedarf es der richtigen geistigen Gesinnung.
1. „Alle Berge und Hügel“, die abgesenkt werden, bezieht sich auf den Hochmut der Pharisäer und Sadduzäer (Lk 3,7–9). Alle, die sich selbst erhöhen, werden erniedrigt werden.
2. „Das Höckerige“ bezieht sich auf die Steuereintreiber, die aus Geldgier verschlungene Wege gehen. Sie werden zu einem geraden Weg werden, wenn sie nicht mehr verlangen als für sie vorgeschrieben ist (Lk 3,5b.12.13).
3. „Was hügelig“ oder rau ist, bezieht sich auf die rauen Soldaten. Johannes der Täufer stellt ihnen vor, wie sie „zur Talebene“ werden können (Lk 3,5b.14).
In dieser veränderten Situation wird die Herrlichkeit des HERRN in der ganzen Schöpfung für „alles Fleisch miteinander“, d. h. für alle, die dann leben, offenbar werden (Vers 5; Off 1,7a). Dann werden sich die Worte der Seraphim erfüllen: „Die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit!“ (Jes 6,3).
So sehen wir, dass
1. die Rückkehr aus Babel verbunden wird mit
2. der Zeit, wenn der Herr Jesus in Erniedrigung auf die Erde kommt, was dann wegen seiner Verwerfung verbunden wird mit
3. seiner Wiederkunft in Majestät und Pracht, um zu richten und um zu regieren.
Die Schlusszeile von Vers 5, „denn der Mund des HERRN hat geredet“, unterstreicht die Gewissheit der Dinge, die hier verkündet werden. Diese Worte ähneln den Worten des Herrn Jesus, die wir im Johannesevangelium oft hören: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch.“
6 - 8 Das Fleisch gegenüber dem Wort Gottes
6 Stimme eines Sprechenden: Rufe! Und er spricht: Was soll ich rufen? „Alles Fleisch ist Gras, und all seine Anmut wie die Blume des Feldes. 7 Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; denn der Hauch des HERRN hat sie angeweht. Ja, das Volk ist Gras. 8 Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit.“
Nach der Beschreibung des herrlichen Zustands der Dinge in den Versen 3–5 wird eine andere Stimme gehört, die den Befehl zum Rufen gibt (Vers 6). Als Reaktion darauf wird die Frage aufgeworfen, was ausgerufen werden soll. Das erste Rufen in Vers 3 hat als Inhalt die Herrlichkeit und Pracht des HERRN. Der Inhalt des zweiten Rufes ist die Nichtigkeit des Menschen.
Die Antwort auf die Frage, was gerufen werden soll, beinhaltet zwei Aspekte. Auf der einen Seite wird die Vergänglichkeit des Fleisches erklärt und auf der anderen Seite die Unvergänglichkeit des Wortes Gottes (Verse 7.8; 1Pet 1,23–25). Was Gott sagt, das ist Er (Joh 8,25). So wie Er selbst ewig ist, ist auch sein Wort ewig. Das Wort ist auch eine Person (Joh 1,1; Off 19,13).
All die Herrlichkeit, mit der sich die Ungläubigen Israels rühmen, wird vergehen, während das, was Gott gesagt hat und wer Er ist, für immer bleiben wird. Gottes Wort wird sich bis zum kleinsten „Jota oder Strichlein“ erfüllen (Mt 5,18). Die ungläubige Masse wird verdorren wie das Gras. Dies ist ein bekanntes Bild aus Israel über die Auswirkungen der heißen und sehr trockenen Wüstenwinde, genannt Chamsin. Wenn dieser Wüstenwind weht, ist innerhalb von zwei Tagen alles, was wächst und blüht, verdorrt. Das ist es, was aus dem Menschen ohne Gott wird.
Für den Gläubigen ist es eine Ermutigung zu wissen, dass das Wort Gottes als unerschütterliche Stütze bleibt, wenn alle Stützen der Menschen und von Menschen wegfallen. Stärker kann der Kontrast zwischen der vergänglichen Natur des Menschen und dem unvergänglichen Wort Gottes nicht dargestellt werden.
9 - 11 Siehe da, euer Gott
9 Auf einen hohen Berg steige hinauf, Zion, du Verkündigerin froher Botschaft; erhebe mit Macht deine Stimme, Jerusalem, du Verkündigerin froher Botschaft! Erhebe sie, fürchte dich nicht; sprich zu den Städten Judas: Siehe da, euer Gott! 10 Siehe, der Herr, HERR, kommt mit Kraft, und sein Arm übt Herrschaft für ihn aus; siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung [geht] vor ihm her. 11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er auf seinen Arm nehmen und in seinem Schoß tragen, die Säugenden wird er sanft leiten.
Jetzt, wo sich für Zion, das ist Jerusalem, alles zum Guten gewendet hat, wird Zion aufgefordert, auf einen hohen Berg zu steigen (Vers 9). Im Friedensreich wird der Berg Zion der höchste aller Berge sein (Jes 2,2; Ps 48,3), während ganz Juda wie eine Ebene sein wird (Sach 14,10). Die Verkündigung des Evangeliums wird von Jerusalem ausgehen (Apg 1,8). Hier geht es um die gute Botschaft, dass Gott selbst gekommen ist, um Israel zu erlösen. Zion kann dies an die anderen Städte Judas weitergeben. Im Alten Testament ist Jerusalem der Ausgangspunkt für die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes.
Durch die Verwerfung des Herrn Jesus verschwand die Herrlichkeit Gottes aus Jerusalem (Hes 10,4.18.19; 11,22.23). Aber jetzt ist Gott in Christus wieder zurückgekehrt. Von hier aus sollen sie diese frohe Botschaft als Boten der Freude mit Kraft und ohne Furcht (vgl. 2Tim 1,7) in allen Städten Judas laut verkünden. Sie dürfen ausrufen: „Siehe da, euer Gott!“ Es ist die gewaltige Botschaft, dass der Messias, der Gott ist, zu seinem Volk gekommen ist und Zion befreit hat. Das Gebet aus Psalm 14 ist erhört worden (Ps 14,7)! Aus Zion kommt der Retter (Röm 11,26).
Den Ruf „siehe“ in Bezug auf den Herrn Jesus sehen wir auch an anderen Stellen, von denen wir einige mit der Art und Weise in Verbindung bringen können, wie Er in den Evangelien dargestellt wird:
1. So lesen wir hier: „Siehe da, euer Gott“ (Jes 40,9). Dies bezieht sich auf das Johannesevangelium, wo wir den Herrn Jesus als Gott den Sohn sehen.
2. Wir werden noch hören: „Siehe, mein Knecht“ (Jes 42,1). Das erinnert uns an das Markusevangelium, wo Er als der Diener vorgestellt wird.
3. Dann hören wir noch: „Siehe, ein Mann – sein Name ist Spross“ (Sach 6,12). Das erinnert uns an die Tatsache, dass Er wirklich Mensch ist, dem wir besonders im Evangelium nach Lukas begegnen.
4. Schließlich ertönt: „Siehe, dein König wird zu dir kommen“ (Sach 9,9). Das bringt uns zum Matthäusevangelium, in dem Er als König beschrieben wird.
Nach dem ersten „siehe“ in Vers 9 folgen zwei weitere „siehe“ in Vers 10 als Zusicherung, dass der Retter wirklich gekommen ist. Durch das eine „siehe“ wird das Auge der Städte Judas auf Ihn selbst gerichtet: „der Herr, HERR“. Er wird auch ihnen seine Macht zeigen und sie werden erleben, dass Er seine Herrschaft annimmt. Das andere „siehe“ lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was Er bei sich hat. Für die Getreuen hat Er „seinen Lohn“ bei sich – für die Feinde seines Volkes hat Er Vergeltung bei sich. Er ist der Sieger, Er ist der Richter.
Dieses dreimalige „siehe“ zeigt uns auch, dass Israel Christus auf drei Arten kennenlernen wird:
1. „Siehe da, euer Gott.“ Wenn Christus in Israel offenbar wird, dann wird das Volk erkennen, dass Christus der Gott Israels ist. Jetzt leugnet Israel die Gottheit des Herrn Jesus, aber dann wird der Schleier von seinem Angesicht entfernt werden. An jenem Tag wird das Volk „voller Willigkeit“ sein (Ps 110,3). Wie bei Thomas, der ein Bild des treuen Überrestes Israels ist, werden sie zu dem Bekenntnis kommen: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28).
2. „Siehe, der Herr, HERR“. Mit Macht wird Er kommen und sein Arm wird herrschen. Israel wird auch entdecken, dass der Herr Jesus der souveräne Herrscher ist, der „Herr“ (Adonai), der König Israels und der König der Könige, und der „HERR“ (Jahwe), der Gott, der alle seine Verheißungen erfüllt. Wie Nathanael, der auch ein Bild für den gläubigen Überrest Israels ist, werden sie erkennen: „Du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels“ (Joh 1,49).
3. „Siehe, sein Lohn ist bei Ihm, … wie ein Hirte …“ (vgl. 1Pet 5,4). Der Überrest Israels wird auch entdecken, dass der Herr Jesus der wahre „gute Hirte“ und der „große Hirte“ Israels ist (Joh 10,11; Heb 13,20). Bei seinem ersten Kommen kommt Er als der gute Hirte, wird aber von Israel verworfen. Dann gibt Er sein Leben für seine Schafe, die zerstreut sind (Joh 11,52). Bei seiner Wiederkunft wird Er der große Hirte sein, auferstanden von den Toten, und Er wird die Kleinen, den Überrest, zu sich versammeln (Sach 13,7).
Wenn der HERR kommt und der Ruf „Siehe da, euer Gott!“ ertönt, sehen wir
1. wie Israel aus der Hand des HERRN doppelt empfangen hat für alle seine Sünden (Vers 2);
2. wie der Mund des HERRN die Zusicherung gibt, dass seine Herrlichkeit sichtbar sein wird (Vers 4);
3. wie der Hauch des HERRN alle Feinde und allen Unglauben vernichten wird (Vers 6);
4. wie der Arm des HERRN Erlösung schenkt und Er sich zu gleicher Zeit liebevoll um seine Schafe kümmert (Vers 8).
Als Hirte wird Er alle seine verstreuten Schafe versammeln und sie mit besonderer Fürsorge umgeben (Vers 11; Joh 10,11–16). Er wird seine Herde „weiden“, damit die Schafe Ruhe und Nahrung haben. Die Kleinen und Schwachen wird Er in seine liebenden und allmächtigen Arme „sammeln“, um sie zu beschützen.
„Die Säugenden“, diejenigen, die die Jungen zu ernähren haben, wird Er mit aller Zärtlichkeit weiterführen, ohne sie zu drängen (vgl. 1Mo 33,13.14). Auf diese Weise hat Er für jedes Glied des gottesfürchtigen Überrestes die Aufmerksamkeit, die dem Stadium des geistlichen Wachstums angemessen ist.
Darin finden wir ein Beispiel für diejenigen, die heute mit der Sorge für die Herde Gottes betraut sind (1Pet 5,2.3). Es erfordert viel Hingabe und Unterscheidungsvermögen, um diesem Beispiel des Herrn Jesus zu folgen im Umgang mit den verschiedenen Charakteren, die die Herde ausmachen. Der Herr lehrt uns die Notwendigkeit, mit zärtlichem Mitgefühl und mit Barmherzigkeit denjenigen zu begegnen, die unserer Sorge anvertraut wurden (vgl. Joh 21,15–17).
12 - 18 Gott ist mit keinem vergleichbar
12 Wer hat die Wasser gemessen mit seiner hohlen Hand und die Himmel abgegrenzt mit der Spanne und hat den Staub der Erde in ein Maß gefasst und die Berge mit der Waage gewogen und die Hügel mit Waagschalen? 13 Wer hat den Geist des HERRN gelenkt und wer als sein Ratgeber ihn unterwiesen? 14 Mit wem beriet er sich, dass er ihm Verstand gegeben und ihn belehrt hätte über den Pfad des Rechts und ihn Erkenntnis gelehrt und ihm den Weg der Einsicht kundgemacht hätte? 15 Siehe, Nationen werden erachtet wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waagschale. Siehe, Inseln sind wie ein Stäubchen, das emporschwebt. 16 Und der Libanon reicht nicht hin zum Brennholz, und sein Wild reicht nicht hin zum Brandopfer. 17 Alle Nationen sind wie nichts vor ihm und werden von ihm erachtet wie Nichtigkeit und Leere. 18 Und wem wollt ihr Gott vergleichen, und was für ein Gleichnis wollt ihr ihm an die Seite stellen?
Die Verse 1–11 dieses Kapitels bilden das Vorwort zu diesem zweiten Hauptteil des Buches Jesaja. Darin sehen wir, wer Er ist, der für die Erlösung und für den Trost seines Volkes einsteht. Ab Vers 12 bezeugt der Prophet, die unvergleichlichen Eigenschaften ihres Schöpfers, der sich um sie sorgt. Sie müssen sich seiner unendlichen Größe, seiner Eigenschaften und seiner Macht bewusst werden.
So stellt Jesaja Ihn im Kontrast zu den Götzen der Nationen um sie herum, denen sie gedient haben (Verse 15–17), und zum Wesen der Götzen und ihrer Hersteller (Verse 18–20) dar. Dies führt zu einer Erneuerung tröstlicher Gewissheiten (Verse 29–31). Im Licht der Majestät Gottes wird deutlich, wie nichtig die Götzen sind. So ist es auch mit dem Evangelium. Wenn der Herr Jesus präsentiert wird, verblasst alles andere, weil nichts die Befriedigung gibt, die Er gibt.
In den Versen 12–14 stellt Jesaja zwei Gruppen von Fragen. Die erste Gruppe handelt von Gottes Allmacht (Vers 12) und die zweite Gruppe von Gottes Allwissenheit (Verse 13.14). Zunächst gibt er einige Beispiele für Gottes Allmacht (Vers 12) im Vergleich zur Kleinheit des Menschen:
1. Wieviel Wasser kann die hohle Hand eines Menschen fassen? Ein paar Milliliter? Gott misst alle Ozeane und andere Gewässer mit seiner hohlen Hand.
2. Was kann ein Mensch mit einer Spanne messen, das ist der Abstand zwischen Daumen und kleinem Finger? Etwa zwanzig Zentimeter? Gott misst mit einer Spanne die ganze Weite des Himmels.
3. Wie groß ist das Volumen eines menschlichen Maßes? Ein paar Liter? Das Maß Gottes nimmt den ganzen Staub der Erde auf.
4. Was kann ein Mensch auf einer Waage wiegen? Ein paar Kilo? Gott legt das Gewicht von Bergen und Hügeln fest und regelt so das Gleichgewicht der Erde.
Gottes Allmacht ist unermesslich groß und Eindruck erweckend, hoch erhoben über dem Menschen, dessen Möglichkeiten und Macht im Vergleich dazu sich als unbedeutend erweisen und in nichts auflösen. Dies wird noch durch die Tatsache unterstrichen, dass im Hebräischen das Verb für „messen“ (Vers 12) und „lenken“ (Vers 13) dasselbe ist. Die Frage ist: Sollte der Mensch, der nicht einmal in der Lage ist, die Schöpfung (das Wasser) zu messen, danach trachten, den Schöpfer, den Geist des HERRN, zu messen?
Gottes Allwissenheit ist ebenso erhaben über das Wissen der Menschen (Verse 13.14):
1. Gibt es irgendeinen Maßstab außerhalb des Geistes des HERRN, nach dem der Mensch handeln kann, irgendjemand, der Ihm sagt, was Er tun soll und wie Er es tun soll?
2. Benötigt Er Belehrung von irgendjemand anderem, um in rechter Weise auf dem richtigen Weg zu wandeln zum Ziel?
Was hier über den Geist des HERRN gesagt wird, zeigt, dass Er eine Kombination der Fähigkeiten von Wissen, Weisheit und Verständnis besitzt. Mit anderen Worten: Er hat keine „Denkfabrik“, keine himmlische Arbeitsgruppe oder eine tägliche Steuerungsgruppe nötig, mit denen Er sich beraten muss und die Ihn berät. Er, der „Wunderbarer“ und „Berater“ genannt wird (Jes 9,5), hat wirklich keine Belehrung durch einen Ratgeber nötig.
Die Fragen sind ähnlich wie die Fragen, die Gott Hiob stellt (Hiob 40,5–9.25–31). An den angegebenen Stellen weist Gott Hiob auf die Unterschiede zwischen dem Menschen und (Teilen) seiner Schöpfung hin. Hier bei Jesaja vergleicht sich Gott mit dem Menschen.
Aber Er ist in noch mehr Dingen erhaben. So hat Er als Verwalter der Nationen die absolute Kontrolle über alles. Diese Kontrolle bereitet Ihm niemals Probleme und bereitet Ihm niemals Schwierigkeiten. Seine Regierung über die Nationen ist wie ein Tropfen an einem Eimer Wasser: Der zusätzliche Tropfen verursacht keine zusätzliche Last für den Träger (Vers 15). Es ist wie ein Staubkorn, das auf eine Waage fällt: Die Waage wird dadurch nicht bewegt. Mit Inseln handelt Er wie mit einem Staubkorn, das von einem Windstoß angehoben und weggeblasen wird.
Als der Eine, der aller Anbetung würdig ist, kann Ihm niemals das gebracht werden, was Ihm wirklich zusteht. Niemals kann ein Mensch ein Opfer bringen, das vollständig ausdrückt, wer Er ist. Das ganze Holz der Wälder des Libanon reicht einfach nicht aus, um als Brennholz zu dienen, und es gibt nicht genug Tiere, die man Ihm opfern könnte (Vers 16). Das einzige Holz, das Gott befriedigt, ist das Holz des Kreuzes von Golgatha. Kein anderes Opfer als das des Leibes Jesu Christi hat Wert vor Gott. Was auch immer der privilegierte Jude Ihm anbieten mag, es bleibt immer hinter der Herrlichkeit seines Wesens zurück. Die Heiden zählen wegen ihrer Verdorbenheit überhaupt nicht (Vers 17).
Gibt es etwas, mit dem Gott verglichen werden kann (Vers 18)? Die Frage zu stellen heißt, sie zu beantworten. Der Schöpfer ist mit nichts in seiner Schöpfung zu vergleichen. In einfachen und daher kraftvollen Formulierungen wird in diesem Abschnitt die Majestät des Allerhöchsten geschildert.
19 - 20 Die Nichtigkeit eines Götzen
19 Hat der Künstler das Bild gegossen, so überzieht es der Schmelzer mit Gold und schweißt silberne Ketten daran. 20 Wer arm ist, so dass er nicht viel opfern kann, der wählt ein Holz, das nicht fault; er sucht sich einen geschickten Künstler, um ein Bild herzustellen, das nicht wankt.
Nachdem Jesaja die Bedeutungslosigkeit aller menschlichen Fähigkeiten und Kenntnisse im Licht der Allmacht und Allwissenheit Gottes gezeigt hat, verspottet er die Götzen in einem bissigen Ton (Verse 19.20). Er gießt seinen Sarkasmus über die Götzenhersteller und die Götzenanbeter aus. Er zeigt, wie töricht es ist, etwas aus der Schöpfung als Gott zu verehren.
Er beschreibt zwei Götzen. Ein Götzenbild wurde von einem Handwerker aus Metall gegossen, mit Gold überzogen und mit Silber verziert. Der andere Götze gehört einem armen Mann, der ein Stück Holz zu einem Handwerker bringt, der daraus einen Götzen macht, der nicht wankt. Beide Götzendiener verwenden Material, das Gott geschaffen hat, und beide Götzen werden von Menschen mit Fähigkeiten hergestellt, die Gott ihnen verliehen hat. Gott ist der Schöpfer aller Dinge und aller Menschen und daher mit niemandem zu vergleichen! Ist es nicht der Höhepunkt der Torheit, wenn mickrige Geschöpfe meinen, sie könnten den ewigen Gott bearbeiten und formen?
21 - 26 Gottes Erhabenheit
21 Wisst ihr es nicht? Hört ihr es nicht? Ist es euch nicht von Anfang an verkündet worden? Habt ihr nicht Einsicht erlangt in die Grundlegung der Erde? 22 Er [ist es], der da thront über dem Kreis der Erde, und ihre Bewohner sind wie Heuschrecken; der die Himmel ausgespannt hat wie einen Schleier und sie ausgebreitet hat wie ein Zelt zum Wohnen; 23 der die Fürsten zu nichts macht, die Richter der Erde in Nichtigkeit verwandelt. 24 Kaum sind sie gepflanzt, kaum sind sie gesät, kaum hat ihr Stock Wurzeln in der Erde getrieben, da bläst er sie schon an, und sie verdorren, und ein Sturmwind rafft sie wie Stoppeln hinweg. 25 Wem denn wollt ihr mich vergleichen, dem ich gleich wäre?, spricht der Heilige. 26 Hebt zur Höhe eure Augen empor und seht: Wer hat diese [da] geschaffen? Er, der ihr Heer herausführt nach der Zahl, ruft sie alle mit Namen: Wegen der Größe seiner Macht und der Stärke seiner Kraft bleibt keines aus.
In Vers 21 stellt Jesaja vier Fragen. Dabei geht es nicht um das Sehen, sondern um das Hören. Das Hören ist mit dem Wort Gottes verbunden (Vers 8), das durch den Mund des HERRN gesprochen wird (Vers 6). Es bildet einen Kontrast zu den Versen 19 und 20, in denen es darum geht, die Götzen zu sehen. Jesaja stellt seine Fragen in einer sogenannten „chiastischen“ Reihenfolge, wobei die erste und die letzte zusammengehören, ebenso wie die beiden in der Mitte. Diese Reihenfolge wird wie folgt dargestellt: a, b, b, a. In Vers 21 lautet die Reihenfolge
a. kennen,
--b. hören,
--b. verkünden,
a. verstehen oder Einsicht haben.
Diese Präsentationsmethode ist eine kraftvolle Art des Lehrens. Dadurch dringen die Fragen tief in das Gewissen ein und zwingen den Angesprochenen zum Nachdenken.
Wer nicht aus der Schöpfung weiß (a) und erkennt, dass Gott die Grundfesten der Erde gelegt hat, dass Er alles erschaffen hat – dies wird in den Versen 22–26 näher ausgeführt –,
der wird der Erkenntnis seines Willens beraubt durch die Predigt (b) und
durch Lehre (b),
weil sein Verstand verfinstert ist (a).
Die Wunder der Natur müssen in uns Bewunderung für den Schöpfer bewirken.
In den Versen 22–24 spricht Jesaja abwechselnd von Gottes Stellung, Macht und Autorität im wahrnehmbaren Universum und von den Bewohnern der Erde. Für Ihn ist der Himmel wie ein Tuch, das Er ausbreitet, und wie ein Zelt, das Er ausspannt, sodass man darin wohnen kann.
Diejenigen, die auf der Erde wohnen, sind für Ihn wie „Heuschrecken“ (vgl. 4Mo 13,33). Selbst die Mächtigsten unter ihnen, die „Fürsten“ und „Richter“, sind wie nichts und werden zur „Nichtigkeit“. Sie haben es sich selbst vorgenommen oder wurden von anderen dazu bestimmt, eine ruhmreiche Entwicklung zu erleben und zu großen Höhen aufzusteigen. Macht, großer Einfluss und viele Regierungsbefugnisse liegen vor ihnen. Doch ein plötzliches Eingreifen seiner mächtigen Hand setzt dieser begehrten Zukunft ein jähes Ende (vgl. Jes 11,4; 2Thes 2,8).
Wie in Vers 18, wo die Herausforderung nach dem Hinweis auf die Unbedeutsamkeit der Völker erfolgt, so erfolgt in Vers 25 die herausfordernde Frage nach dem Hinweis auf die Endlichkeit der Bewohner der Erde und dem Verschwinden der Machthaber. In Vers 18 fragt Jesaja, wer mit Gott vergleichbar ist. Die Antwort ist, dass Er mit nichts verglichen werden kann. In Vers 25 spricht Gott selbst als „der Heilige“ und stellt die gleiche Frage.
Er selbst gibt die Antwort und sagt, dass Er mit niemandem zu vergleichen ist: „Wem denn wollt ihr mich vergleichen, dem ich gleich wäre?“. Es ist, als würde Er sagen: Es zeugt von Weisheit, keinerlei Vergleich zu wagen. Es geht nicht um seine Unbegrenztheit und ihre Bedeutungslosigkeit, sondern um seine grundlegende und absolute Heiligkeit und die Nichtswürdigkeit seines verdorbenen und götzendienerischen Volkes.
Zum dritten Mal wird das Volk an die unvergleichliche Macht Gottes als Schöpfer erinnert (Vers 26). Zuvor wurde auf Gott als Schöpfer hingewiesen, um ihnen ihre eigene Bedeutungslosigkeit vor Augen zu führen (Vers 12) und um sie daran zu erinnern, was sie aus der Schöpfung eigentlich hätten lernen können (Verse 21.22). Nunmehr klingt der Hinweis auf den Schöpfer wie ein Befehl. Sie sollen nach oben in das Universum schauen. Dann sehen sie jene unzähligen Himmelskörper, die in vielen Religionen als Götter verehrt werden. Sie werden alle von Ihm in ihre Umlaufbahn gestellt und dort gehalten.
Er kennt sie alle mit Namen und steuert sie, denn sie stehen alle unter seinem Befehl. Die Himmelskörper existieren und bewegen sich nicht ausschließlich durch vom Schöpfer gesetzte Naturgesetze. Der Sohn Gottes ist auch das erhaltende Zentrum, der Träger davon (Kol 1,16.17). Er ist es, der „alles trägt durch das Wort seiner Macht“ (Heb 1,3). Ausschließlich ein allmächtiger Gott ist dazu in der Lage.
27 - 31 Der ewige Gott gibt dem Müden Kraft
27 Warum sprichst du, Jakob, und redest du, Israel: Mein Weg ist verborgen vor dem HERRN, und mein Recht entgeht meinem Gott? 28 Weißt du es nicht? Oder hast du es nicht gehört? Ein ewiger Gott ist der HERR, der Schöpfer der Enden der Erde; er ermüdet nicht und ermattet nicht, unergründlich ist sein Verstand. 29 Er gibt dem Müden Kraft, und dem Unvermögenden reicht er Stärke dar in Fülle. 30 Und Jünglinge ermüden und ermatten, und junge Männer fallen hin; 31 aber die auf den HERRN harren, gewinnen neue Kraft: Sie heben die Schwingen empor wie die Adler; sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht.
Wenn Gott so gewaltig über die Schöpfung, seine Schöpfung, erhoben ist, wird Er dann nicht denen helfen, die in Not sind? Würden wir uns Sorgen machen über die Pläne der Herrscher auf der Erde, wenn Er sie regiert? Deshalb kommt jetzt eine Botschaft des Trostes für den Überrest, die prophetisch ihre Erfahrungen schildert, die sie in der Zeit der großen Drangsal durchmachen (Vers 27).
Der treue Überrest wird hier zuerst als Jakob und dann als Israel angesprochen. Das soll sie an ihre Ursprünge erinnern, an die Begegnung ihres Stammvaters mit dem HERRN in Pniel (1Mo 32,24–31). Diese Begegnung veränderte Jakobs Leben. Dort wird er aus einem „Fersenhalter“ – das ist die Bedeutung des Namens Jakob – ein „Fürst oder Krieger Gottes“ – das ist die Bedeutung des Namens Israel. Wann geschieht dies? Es geschieht in dem Moment, in dem er um Gnade fleht (Hos 12,5).
Es hatte den Anschein, dass Gott sie dem Feind preisgegeben hatte und nicht mehr an sie dachte. Sie haben gedacht, dass ihr Weg, der sie durch die große Drangsal führte, vor Ihm verborgen oder von Ihm übersehen wurde. Aber würde Er, der den Planeten ihren Weg zeigt, nicht den Weg kennen, auf dem die Seinen gehen? Sie haben gedacht, dass Er keine Rücksicht auf ihr Recht nimmt und dass Er sie an Feinde voller Ungerechtigkeit überliefert hat. Aber würde Er, der Herrscher und Machthaber wegbläst, seinem Überrest, der auf Ihn vertraut, das Recht vorenthalten?
Die in diesem Vers ausgedrückten Überlegungen können auch wir haben. Wir wundern uns doch auch manchmal: „Warum lässt Gott das zu? Fehlt es Ihm an Kraft? Ist Er nicht an uns interessiert?“
Der Gedanke, dass Er sie ihrem Schicksal überlassen würde, ist unbegründet. Davon sollte auch die doppelte Frage in Vers 28, die gleiche wie in Vers 21, sie überzeugen. Wenn wir unter dem Druck der Umstände von Verzweiflung überwältigt werden, dürfen wir wieder die Hände auf die Fakten legen, die wir angenommen haben, als wir zum Glauben kamen. Wir können auch Mut aus unseren Erfahrungen mit Gottes Barmherzigkeit bei früheren Gelegenheiten schöpfen. Er, der Schöpfer aller Dinge, „ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8).
Mit der gleichen Kraft, mit der Er die Welten erschaffen hat, steht Er uns zur Verfügung. Er wird nie müde, geschweige denn erschöpft. Sein Verstand ist ebenfalls unergründlich und deshalb kennt Er uns und unsere Umstände. Unsere größten Prüfungen, ob sie nun von innen oder von außen kommen, kennt Er nicht nur, sondern sie sind auch unter seiner absoluten Kontrolle. In seiner Weisheit bestimmt Er den Zeitpunkt und die Art und Weise seines Eingreifens und unserer Befreiung, die anders und höher ist als unsere Weisheit.
Anstatt müde zu werden, gibt Er den Müden Kraft (Vers 29). Was wir tun müssen, ist, unsere Herzen zu öffnen, um Kraft zu empfangen. Er ist immer bereit, sie uns zu geben, wenn wir durch Prüfungen gehen. Dann verwandelt Er Zeiten der Prüfung in Zeiten des Segens. Sein Ziel ist es, dass wir uns unserer eigenen Ohnmacht bewusst werden und uns auf seine Kraft berufen, anstatt in der Bedrängnis zu verzweifeln.
Auch der Stärkste kann nicht sicher sein, dass er allezeit frei von Müdigkeit sein wird (Vers 30). Die Müdigkeit kann in Mutlosigkeit umschlagen, wenn die Aussicht auf Erlösung und die Sicht auf den Retter behindert werden. Auch ein Hindernis auf seinem Weg kann ihn zum Straucheln bringen. Ein plötzliches Ereignis kann Niedergeschlagenheit verursachen. Die einzige Kraft, die unerschöpflich ist und vor Straucheln und Fallen bewahrt, ist das erwartungsvolle Aufschauen zum HERRN (Vers 31).
Das Warten auf den Herrn ist nicht nur eine Frage der Geduld oder gar des Verlangens, sondern wichtiger ist noch, dass unsere Hoffnung auf seine Wiederkunft durch Vertrauen und Glauben gekennzeichnet ist. Dann gehen wir „von Kraft zu Kraft“ (Ps 84,6–8) und schöpfen dabei ständig aus dem Brunnen seiner Kraft. Mit Flügeln erheben wir uns über Schwierigkeiten, um uns über den Nebel und die Dunkelheit der Erde zu erheben und in das helle Sonnenlicht der Gegenwart Gottes zu kommen.
Ein Merkmal von „Adlern“ ist, dass ihr Gefieder regelmäßig erneuert wird. Dies ist ein schönes Bild für das Schöpfen neuer Kraft durch diejenigen, die den HERRN erwarten (vgl. Ps 103,5). Weitere Merkmale eines Adlers sind Schnelligkeit, ein ausgeprägter Geruchssinn und ein scharfes Auge. Aufsteigen heißt also nicht nur, sich über Schwierigkeiten zu erheben, sondern auch, dass wir schnell Einsicht erlangen in den Willen und in die Wege Gottes mit einem scharfen Blick auf Ihn selbst im Glauben. Wenn das unsere Erwartung ist, werden wir „laufen“, was Anstrengung voraussetzt, aber „nicht ermatten“. Wir werden auch „gehen“ oder wandern, was Gemeinschaft voraussetzt, und davon „nicht ermüden“.