1 - 4 Gottes Zorn über Machtmissbrauch
1 Wehe denen, die Satzungen des Unheils anordnen, und den Schreibern, die Mühsal vorschreiben, 2 um die Geringen vom Gericht zu verdrängen und die Elenden meines Volkes ihres Rechts zu berauben, damit die Witwen ihre Beute werden und sie die Waisen plündern. 3 Und was wollt ihr tun am Tag der Heimsuchung und beim Sturm, der von fern daherkommt? Zu wem wollt ihr fliehen um Hilfe und wohin eure Herrlichkeit in Sicherheit bringen? 4 Nichts anderes bleibt übrig, als sich unter Gefesselten zu krümmen; und unter Erschlagenen fallen sie hin. – Bei all dem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine Hand ausgestreckt.
Diese Verse sind eine Fortsetzung von Jesaja 9. Wieder wird das Böse klar benannt. Diesmal sind es die Sünden derer, die die Macht haben, Gesetze zu erlassen (Vers 1). In den Gesetzen, die sie erlassen, wird das Unheil angeordnet. In einer Anwendung für heute sehen wir, dass gesetzlich festgelegt ist, dass die Evolutionstheorie in den Schulen gelehrt werden soll und dass Aufklärung über Homosexualität in den Schulen zur Pflicht gemacht wird.
Gesetze sollen dazu dienen, die Untertanen zu schützen. Aber die Gesetzgeber missbrauchen ihre Macht, um die sozial Schwachen, das heißt „die Geringen … die Elenden … die Witwen … die Waisen“, ihrer Rechte zu berauben und sie sogar „zu berauben“ und zu „plündern“ (Vers 2). Der Geringe und der Elende ist der Herr Jesus. Während seines Lebens auf der Erde wurde Ihm das größte Unrecht von Menschen angetan, die Gesetze machen und anwenden.
Der Herr spricht von „den Schriftgelehrten und den Pharisäern“, die sich „auf den Stuhl Moses gesetzt“ haben (Mt 23,2), was darauf hinweist, dass sie den Platz des Gesetzgebers einnehmen. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen diese Leute: „Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen“ (Mt 23,4). Er sagt auch von ihnen, dass sie „die Häuser der Witwen verschlingen“ (Mk 12,40). Er sagt ihnen somit die ungeschönte Wahrheit, so wie Gott, der Ewige, das hier im Alten Testament tut. Das Gleiche gilt für jede religiöse Herrschaft, die sich auf Kosten wehrloser Menschen bereichert, was vor allem, aber nicht ausschließlich, im römischen Katholizismus zu finden ist.
Aber der „Tag der Heimsuchung“ kommt für sie (Vers 3). „Der Sturm, der von fern daher kommt“, die Armeen Assyriens, wird sie treffen. „Zu wem wollt ihr fliehen um Hilfe?“ Wenn Gottes Gericht über dieses Volk kommt, werden sie niemanden haben, der ihnen hilft, so wie sie die Unterdrückten ohne Hilfe gelassen haben. Sie werden ihre Herrlichkeit, mit der sie sich rühmen – vielleicht ist mit „eure Herrlichkeit“ auch ihre Nachkommenschaft gemeint (Hos 9,11) –, nicht schützen können, wenn „der Tag der Heimsuchung“ anbricht. Nichts als Schande und Gefangenschaft wird ihr Los sein, während viele getötet werden (Vers 4).
Dann ertönt zum vierten und letzten Mal der Refrain, dass sich der Zorn des HERRN nicht abwendet und seine Hand noch immer zum Gericht gegen sie ausgestreckt ist.
5 - 6 Assyrien als Zuchtrute des HERRN
5 Wehe, Assur, Rute meines Zorns! Und der Stock in seiner Hand ist mein Grimm. 6 Gegen eine ruchlose Nation werde ich ihn senden und ihn gegen das Volk meines Grimmes entbieten, um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten und es der Zertretung hinzugeben wie Straßenkot.
Nachdem der HERR auf die Sünden seines Volkes die Betonung gelegt hat, kommt hier plötzlich das Gericht über die von Ihm benutzte Zuchtrute. Der König, den der HERR benutzt, um sein Volk zu züchtigen, bekommt nun selbst mit dem richtenden Gott zu tun, weil er nicht bedacht hat, dass er nur ein Instrument ist. Die Verse 5–19 geben ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie der HERR die heidnischen Nationen als Zuchtrute für sein Volk benutzt hat. Dabei hat Er ihnen zu diesem Zweck weitreichende Macht über sein Volk gegeben. Die heidnischen Nationen ihrerseits denken jedoch nicht an Gott. Sie meinen, ihre eigenen Pläne zu verwirklichen und sie in eigener Kraft zu vollenden. Deshalb kommt auch über sie das Gericht Gottes.
Jesaja spricht das „Wehe“ über Assyrien in dem Moment aus, als Juda und Ahas noch alles von einem Bündnis mit Assyrien erwarten. Der HERR hat Assyrien zu seinem Volk gesandt als „Rute meines Zorns“ (Vers 5). Eine Rute dient der Züchtigung. Der Grimm des HERRN ermöglicht es Assyrien, Juda anzugreifen. Es zeigt auch, was in naher Zukunft geschehen wird, in der Zeit des Zorns Gottes über Juda. Dann wird das prophetische Assyrien, der kommende König des Nordens, Israel als Anführer der arabischen Bundesgenossen züchtigen.
Der HERR schickt diesen Feind zu seinem Volk, weil sie „eine ruchlose Nation“ sind (Vers 6). Sie sind eine Nation, die Ihn mit ihren Lippen ehrt, während ihre Herzen weit von Ihm entfernt sind. Er ist so zornig über sein Volk, dass Er Assyrien befiehlt, sein Volk schwer leiden zu lassen. Ihre Sünden sind so schrecklich, dass Assyrien sein Volk ausplündern und zertrampeln muss. All ihr Besitz wird ihnen genommen und ihr Leben wird „wie Straßenkot“ der Zertretung hingegeben. Dies ist eine ergreifende Beschreibung des Gerichts, das Gott über sein Volk bringt. Es zeigt, wie sehr Gott über die Sünden seines Volkes verärgert ist.
Das bedeutet nicht, dass Assyrien den Zorn Gottes in Bezug auf sein Volk kennt. Assyrien verfolgt seine eigenen Interessen und handelt nur zu seinem eigenen Vorteil. Es weiß nicht, dass es ein Werkzeug in Gottes Hand ist. So meinen alle Ungläubigen, dass sie frei sind zu tun, was sie wollen, während Gott sie in seiner Souveränität benutzen kann, um seine Pläne zu erfüllen. So verwandelt Gott das „Wehe“ über Israel in ein „Wehe“ über die Feinde Israels.
7 - 11 Die Beweggründe der Assyrer
7 Er aber meint es nicht so, und sein Herz denkt nicht so; sondern zu vertilgen hat er im Sinn, und nicht wenige Nationen auszurotten. 8 Denn er spricht: Sind nicht meine Fürsten allesamt Könige? 9 Ist nicht Kalno wie Karchemis? Ist nicht Hamat wie Arpad? Ist nicht Samaria wie Damaskus? 10 So wie meine Hand die Königreiche der Götzen erreicht hat – und ihre geschnitzten Bilder waren mehr als die von Jerusalem und von Samaria –, 11 werde ich nicht, wie ich Samaria und seinen Götzen getan habe, ebenso Jerusalem und seinen Götzenbildern tun?
Der König von Assyrien hat keinerlei Verbindung zu Gott. Er kennt nicht die Absicht Gottes, sondern hat seine eigenen Pläne und handelt danach (Vers 7). Er denkt in seinem Herzen auch nicht an die Dinge Gottes, sondern an ganz andere Dinge. Deshalb lebt er auch in Feindschaft gegen Gott (Röm 8,5–8). So sagt der Prophet Nahum über Assyrien: „Von dir [d. h. Ninive] ist ausgegangen, der Böses ersann gegen den HERRN, ein nichtswürdiger Ratgeber“ (Nah 1,11). Wir sehen hier, dass Gott das Herz und die Gedanken der Gottlosen durch und durch kennt. Alles liegt nackt und offen vor seinen Augen, selbst die zutiefst verborgenen Überlegungen des Herzens (Heb 4,12.13; 1Kor 4,5).
Assyrien will so viele Völker wie möglich ausrotten und vernichten, um sein Territorium zu vergrößern und seine Herrschaft auszudehnen. Deshalb will er sich nun auch Juda einverleiben. Er glaubt, überlegen zu sein. Seine Fürsten sind alle Könige, prahlt er (Vers 8). Stolz verweist er auf frühere Erfolge (Vers 9). Auch das Zehnstämmereich, Samaria, ist bereits in seiner Hand.
In seinem Größenwahn denkt er nun, er könne sich Jerusalem einverleiben. Für ihn ist es eine Stadt wie jede andere. Auch der Gott Israels ist für ihn nicht mehr als ein Götzenbild, ja, sogar weniger als die Götzen anderer Länder (Vers 10; vgl. Jes 36,19.20). Deshalb glaubt er, Jerusalem noch leichter erobern zu können als die anderen Städte, die er erobert hat (Vers 11). Das hat Jerusalem selbst verursacht. Anstatt ein Zeugnis für Gottes Namen zu sein, haben sie Gott durch Götzen ersetzt.
Der König von Assyrien spricht nicht einmal über seine Götter, die ihm den Sieg geschenkt hätten. Er rühmt sich, dass er alles sich selbst zu verdanken hat, dass er es selbst getan hat, „wie ich … getan habe“, und erklärt sich damit zu einem Gott.
12 - 15 Der Stolz Assyriens
12 Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich die Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien und den Stolz der Überheblichkeit seiner Augen heimsuchen. 13 Denn er hat gesagt: Durch die Kraft meiner Hand und durch meine Weisheit habe ich es getan, denn ich bin verständig; und ich verrückte die Grenzen der Völker und plünderte ihre Schätze und stieß, wie ein Gewaltiger, Thronende hinab. 14 Und meine Hand hat den Reichtum der Völker erreicht wie ein Nest, und wie man verlassene Eier zusammenrafft, so habe ich die ganze Erde zusammengerafft; da war keiner, der den Flügel regte oder den Schnabel aufsperrte und zirpte. 15 Darf die Axt sich gegen den rühmen, der damit haut, oder die Säge sich gegen den brüsten, der sie zieht? – als schwänge ein Stock die, die ihn emporheben, als höbe ein Stab den empor, der kein Holz ist!
Der HERR kennt die stolzen Gedanken des Königs von Assyrien, der nur so lange erfolgreich sein wird, wie es zur Erfüllung von Gottes Plan passt. Wenn Assyrien das Werk des Herrn (Adonai) vollbracht hat, wird Er mit dem König von Assyrien abrechnen (Vers 12). Sein Werk hat zum Ziel, dass ein Überrest seines Volkes sich zu Ihm bekehrt und die gottlose Masse gerichtet wird. Das vergeltende Gericht der Zuchtrute kommt nicht so sehr über die Person des Königs von Assyrien, sondern über „die Frucht der Überhebung … und den Stolz der Überheblichkeit seiner Augen“. Sein Stolz treibt ihn an und die Überheblichkeit seiner Augen zeigt das völlige Fehlen der Erkenntnis Gottes.
Wir sehen in den alttestamentlichen Prophezeiungen oft, dass es eine direkte Vorerfüllung in den Tagen des Propheten, oder kurz danach, gab, und eine endgültige Erfüllung in der Endzeit sein wird. Dies ist auch hier der Fall. Assyrien will Jerusalem einnehmen, wird aber von Gott gerichtet werden, sobald Er sein Werk durch diesen Feind getan hat, indem Er ihn als Zuchtrute für sein Volk benutzt. Die direkte Erfüllung sehen wir in den Tagen Hiskias (2Kön 19,35–37). Die endgültige Erfüllung sehen wir in der Zukunft beim Vormarsch und der Vernichtung des Königs des Nordens (Dan 11,45). Dies wird geschehen, wenn er und seine Heere aus Ägypten zurückkehren (Dan 11,40–44).
Der König von Assyrien ist voller Selbstüberschätzung. Er spricht von „der Kraft meiner Hand“ und „meiner Weisheit“ als den Mitteln, mit denen er seine Erfolge erzielt hat (Vers 13). Kraft und Weisheit sind für einen Herrscher unerlässlich. Auch der Messias besitzt diese Eigenschaften (Jes 11,2; 1Kor 1,24). Er setzt seine Kraft in Weisheit ein. Jemand, der sich dieser Eigenschaften als etwas aus sich selbst rühmt und bei dem Kraft vor Weisheit geht, ist ein törichter Angeber und ein rücksichtsloser Diktator.
Er rühmt sich, dass er die von Gott gesetzten Grenzen zwischen den Völkern (5Mo 32,8; vgl. Hiob 24,2a) weggenommen und die Völker mit größter Leichtigkeit ausgeplündert hat. Er fühlt und präsentiert sich selbst auch als Gott, wenn er sagt, dass er „wie ein Gewaltiger, Thronende“ hinabgestoßen hat. Das geht auch aus den Worten „ich“ und „mein“ hervor, von denen die Verse 13 und 14 voll sind (vgl. Hab 1,11). Es ist die Sprache, die auch der „Mensch der Gesetzlosigkeit“ (2Thes 2,3.4), also der Antichrist, verwendet.
Er fährt fort, sich weiterhin als den unangefochtenen Herrscher zu beschreiben, gegen den niemand Widerstand zu leisten wagt. Er unterstreicht seine Erhabenheit durch einen Vergleich mit jemandem, der einem Vogel die Eier aus dem Nest nimmt (Vers 14). Der Vogel auf dem Nest wird weggejagt und muss hilflos zusehen, wie die Hand die Eier aus dem Nest nimmt. Auf diese Weise hat Assyrien das Vermögen der Völker weggenommen und die ganze damalige Welt unter seine Gewalt gebracht. Niemand durfte sich diesen Aktionen widersetzen oder gar dagegen protestieren.
Der HERR setzt der Prahlerei ein Ende. Er zeigt im Bild von „Axt“, „Säge“, „Stock“ und „Stab“, dass der König von Assyrien nicht mehr ist als ein Werkzeug in seiner Hand und nur das tut, was seine ausgestreckte Hand will (Vers 15). So wie diese Werkzeuge kein Mitspracherecht bei dem haben, der sie benutzt, so hat auch der König von Assyrien kein Mitspracherecht beim HERRN.
16 - 19 Der HERR richtet Assyrien
16 Darum wird der Herr, der HERR der Heerscharen, Magerkeit senden unter seine Fetten; und unter seiner Herrlichkeit wird ein Brand auflodern wie ein Feuerbrand. 17 Und das Licht Israels wird zum Feuer werden und sein Heiliger zur Flamme, die seine Dornen und seine Disteln in Brand setzen und verzehren wird an einem Tag. 18 Und er wird die Herrlichkeit seines Waldes und seines Baumgartens von der Seele bis zum Fleisch vernichten, so dass es sein wird wie ein Kranker, der hinsiecht. 19 Und der Rest der Bäume seines Waldes wird zu zählen sein: Ein Knabe könnte sie aufschreiben.
Weil der König von Assyrien sich so arrogant geäußert und danach gehandelt hat, wird „der Herr, der HERR der Heerscharen“ (Vers 16) seinen Hochmut bestrafen. Diejenigen, die es sich gut gehen lassen und fett geworden sind, werden eine schwindende Krankheit erleiden. Von ihrem Fett bleibt nichts übrig. Sie werden mager und krank aussehen. Die versengende Herrlichkeit der Erscheinung des HERRN, die seinen Reichtum verbrennen wird, wird treffend in den Namen „Licht Israels“ und „sein Heiliger“ vorgestellt, welcher der Heilige Israels ist (Vers 17). Auf der anderen Seite wird Assyrien nichts weiter sein als „Dornen“ und „Disteln“, die Nahrung für das Feuer des HERRN sind.
Auch seine Streitmacht, „die Herrlichkeit seines Waldes und seines Baumgartens“, werden vom HERRN vernichtet werden (Vers 18). Alles, was lebt, wird hinsiechen, so wie jemand, der krank ist, hinsiecht. So wird die ganze Herrlichkeit Assyriens vergehen. Was von der Streitmacht übrig bleibt, ist so klein, dass man nicht einmal bis zehn zählen muss, um seine Anzahl zu bestimmen (Vers 19). Dieser Rest macht nicht den geringsten Eindruck.
Historisch gesehen wurde Assyrien von den Babyloniern zerstört. Prophetisch wird Assyrien vom HERRN selbst auf übernatürliche Weise zerstört werden, genau wie zur Zeit des Königs Hiskia. Später wurden die Meder und Perser zur „Säge“ und zur „Axt“ für die Babylonier. So geht es weiter, bis der Zeitpunkt kommt, an dem der Herr Jesus sein Reich aufrichten wird. Dieses Reich wird nicht zerstört werden und auch nicht von einem folgenden Reich abgelöst werden (Dan 2,44).
20 - 23 Ein Überrest wird umkehren
20 Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Überrest Israels und das Entronnene des Hauses Jakob sich nicht mehr stützen auf den, der es schlägt; sondern es wird sich stützen auf den HERRN, den Heiligen Israels, in Wahrheit. 21 Der Überrest wird umkehren, der Überrest Jakobs zu dem starken Gott. 22 Denn wenn auch dein Volk, Israel, wie der Sand des Meeres wäre, nur ein Überrest davon wird umkehren. Vertilgung ist fest beschlossen, sie bringt einherflutend Gerechtigkeit. 23 Denn der Herr, der HERR der Heerscharen, vollführt Vernichtung und Festbeschlossenes inmitten der ganzen Erde.
Der Sieg über die Assyrer ist ein Bild für die Vernichtung der versammelten Streitkräfte, die in der Endzeit gegen Jerusalem vorrücken werden. „An jenem Tag“ (Vers 20) weist darauf hin. „An jenem Tag“ ist nicht ein Tag von vierundzwanzig Stunden, sondern ein Zeitraum. Es ist der Zeitraum von dem Moment an, in dem der Herr Jesus sich erhebt, um seine Rechte auf der Erde einzufordern – seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen (Sach 14,4) – bis zum Beginn seiner Herrschaft im Tausendjährigen Friedensreich.
Es beginnt mit der Rückkehr des „Überrestes Israels“. Wenn der König des Nordens durch das Erscheinen des Herrn Jesus vernichtet wird, wird auch der noch in der Zerstreuung befindliche Überrest des Zehnstämmereiches versammelt (Mt 24,31). Israel wird sich dann nicht mehr auf die heidnische Macht Assyrien stützen, die es geschlagen hat, sondern auf „den HERRN, den Heiligen Israels“ (Vers 20).
Dieser schwache Überrest, vielsagend „der Überrest Jakobs“ genannt, rechnet auch nicht mehr mit seiner eigenen Kraft und kehrt stattdessen zurück zu „dem starken Gott“ (Vers 21; vgl. 2Chr 30,6). Und wer ist „der starke Gott“? Kein anderer als das geborene Kind und der gegebene Sohn, der Messias, der Herr Jesus, dessen Name „starker Gott“ ist (Jes 9,5). Bemerkenswerterweise sind die ersten Worte von Vers 21, „der Überrest wird umkehren“, die Übersetzung des hebräischen Schear-Jaschub, des Namens eines Sohnes von Jesaja (Jes 7,3).
Dass sich dieser Teil nicht allein auf den damals kurz bevorstehenden Einmarsch der Assyrer bezieht, sondern auch auf die noch zukünftige Endzeit, wird nochmals in den Versen 22 und 23 deutlich. Am Ende der großen Drangsal kommt die „Vertilgung“. Bei dieser Vertilgung kommt sowohl die ungläubige Masse des Volkes Israels (Sach 13,8a) als auch der Assyrer um. Die Zahl des Volkes wird sich so weit verringert haben, dass nur noch eine Handvoll des einst so zahlreichen Volkes übrig bleiben wird (Vers 22; Sach 13,8b-9). Aber dieser Überrest ist am Anfang des Friedensreichs die Keimzelle, aus der wieder ein zahlreiches Volk heranwachsen wird.
Die Gerechtigkeit Gottes wird das Land überfluten. Alles wird unter sein gerechtes Gericht kommen. Es ist ein vernichtendes Gericht über alle Gottlosigkeit (Vers 23). Es ist „fest beschlossen“ (Dan 9,26.27), niemand kann es verhindern. „Der Herr, der HERR der Heerscharen“, Er selbst wird es so ausführen, und Er tut es „inmitten der ganzen Erde“ (andere übersetzen: „des ganzen Landes“).
Der Apostel Paulus wendet die Verse 22 und 23 auf den Überrest der Auserwählung aus Gottes Gnade in seinen Tagen an (Röm 9,27.28). Dieser Überrest ist Teil der christlichen Gemeinde in unserer Zeit, die aus Gläubigen aus Juden und Heiden besteht, die in dem einen Leib, der die Gemeinde ist, vereint sind (Eph 2,13–16).
24 - 27 Der Überrest wird befreit
24 Darum, so spricht der Herr, der HERR der Heerscharen: Fürchte dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur, wenn er dich mit dem Stock schlagen und seinen Stab gegen dich erheben wird nach der Weise Ägyptens! 25 Denn noch eine ganz kurze Zeit, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung. 26 Und der HERR der Heerscharen wird über ihn die Geißel schwingen wie in der Niederlage Midians am Felsen Oreb; und sein Stab wird über das Meer sein, und er wird ihn erheben, wie er ihn über Ägypten erhob. 27 Und es wird an jenem Tag geschehen, dass seine Last weichen wird von deiner Schulter und sein Joch von deinem Hals; und das Joch wird gesprengt werden infolge des Fettes.
Der Herr, der HERR der Heerscharen, sagt seinem Volk, dass es sich nicht vor den Assyrern fürchten soll (Vers 24). Sie werden wohl kommen und sie schlagen, aber nach „einer ganz kurzen Zeit“ wird der „Grimm“ des HERRN gegen sie ein Ende haben (vgl. Jes 9,11.16.20; 10,4) und dann wird sich sein Zorn gegen die Assyrer „wenden zu ihrer Vernichtung“ (Vers 25). So war es doch auch mit den Ägyptern, nicht wahr? Zuerst wurden sie unterdrückt, aber dann wandte sich Gottes Hand gegen diesen Feind seines Volkes (vgl. Jes 52,4). So wird es auch Assyrien ergehen.
Jesaja erinnert auch daran, wie Midian besiegt wurde (Vers 26; Ri 7,25; vgl. Jes 9,3), und er erinnert noch an die Befreiung des Volkes, als es vor dem Schilfmeer stand. Die Israeliten hatten keinen Ausweg mehr. Das Meer war vor ihnen und der Pharao mit seinem Heer hinter ihnen. Da erhob Mose seinen Stab, der hier der Stab des HERRN ist, und es entstand ein Weg durch das Meer. Die Israeliten gingen hindurch, während der Pharao und sein Heer im Meer umkommen.
Es ist gut, daran zu denken, wie Gott uns in der Vergangenheit aus schwierigen Lagen gerettet hat. Das gibt Mut, Ihm auch im Hinblick auf eine bevorstehende Notsituation zu vertrauen. In diesem Vertrauen verkündet Jesaja das, was am Ende sein wird. Die „Last wird weichen von der Schulter“ und das Joch wird „gesprengt“ (Vers 27). Das belastete Herz atmet auf, Gefangenschaft und Knechtschaft sind vorbei. Innerlich ist Frieden, äußerlich ist Freiheit, „infolge des Fettes“. „Fett“ bedeutet wörtlich „Öl“, das zum Salben verwendet wird. Deshalb übersetzen andere „wegen der Salbung“, d. h. wegen Christus, dem Gesalbten, der dann in Jerusalem regieren wird.
Das Assyrien der Endzeit ist dasselbe wie der König des Nordens (Dan 11,1–35) mit dem Großreich Gog (Russland) dahinter. Er fällt in das Land ein und überflutet alles. Der König des Nordens ist der Anführer einer Koalition von zehn Ländern (Ps 83,6–9) nördlich von Israel, alle islamisch (schiitisch?), und erfüllt mit einem großen Hass auf Israel. Nach der Vernichtung des Königs des Nordens auf den Bergen Israels, wird sein Platz von Gog eingenommen – Russland und seinen Verbündeten. Aber es gibt keinen Grund zur Furcht, denn der Herr Jesus wird auch diesen letzten Feind seines Volkes vollständig vernichten (Hesekiel 38 und 39).
28 - 32 Der Einmarsch der Assyrer
28 Er kommt gegen Aijat, zieht durch Migron; in Mikmas legt er sein Gepäck ab. 29 Sie ziehen über den Pass, in Geba schlagen sie ihr Nachtlager auf. Rama bebt, Gibea Sauls flieht. 30 Schreie laut, Tochter Gallims! Horche auf, Lais! Armes Anatot! 31 Madmena eilt davon, die Bewohner von Gebim flüchten. 32 Noch heute macht er Halt in Nob – er schwingt seine Hand gegen den Berg der Tochter Zion, den Hügel Jerusalems.
In den Versen 28–34 wird zuerst der Vormarsch und danach die Demütigung Assyriens in seinem Kampf gegen Juda anschaulich dargestellt. Der unaufhaltsame Marsch des Feindes von Norden her auf Jerusalem wird dabei detailliert beschrieben. Im Geist sieht der Prophet, dass der Feind über Ephraim in das Reich Juda eindringt.
„Aijat“, „Migron“ und „Mikmas“ werden erobert (Vers 28). Aijat (Aijat ist Ai in Jos 7,2 und Aija in Neh 11,31) ist der nördlichste der Orte in den Versen 28–32. Aijat liegt an der Grenze zwischen Ephraim und Benjamin, etwa fünfzehn Kilometer nördlich von Jerusalem. Migron und Mikmas liegen ein paar Kilometer südlich von Aijat. Um den Gebirgspass – ein sehr steiles Wadi – zu überqueren, wird das Gepäck in Mikmas deponiert. In „Gibea“, direkt auf der anderen Seite des Wadis, verbringen sie die Nacht (Vers 29). Die Nachricht von ihrem Vormarsch löst im ganzen Gebiet nördlich von Jerusalem Panik aus.
Der Prophet ist so von dieser Szene eingenommen, dass er den einen Ort zum Schreien auffordert und einen anderen Ort mit dem Ausruf warnt: „Horche auf!“ (Vers 30). Über einen weiteren Ort, der vielleicht schon überrannt wurde, kann er nur ein tiefes Mitleid ausdrücken: „Armes Anatot!“ Er sieht, wie die Bewohner von wieder anderen Orten versuchen, Zuflucht zu suchen (Vers 31).
Am selben Tag erreichen die assyrischen Armeen „Nob“ (Vers 32). Dort legen sie sich in Stellung. Nob ist wahrscheinlich der heutige Berg Skopus, einige Kilometer nordöstlich von Jerusalem, direkt nördlich des Ölbergs. Von hier aus „schwingt der Feind seine Hand“. Der ganze Feldzug verlief wie geschmiert. Es fehlt nur noch sein Abschluss: die Einnahme Jerusalems. Er ist im Begriff, „dem Berg der Tochter Zion, dem Hügel Jerusalems“ den tödlichen Schlag zu versetzen. Aber das Heer der Assyrer rechnet nicht mit den HERRN, der nach Jerusalem zurückkehrt. Das sehen wir in den folgenden Versen.
33 - 34 Die Heere Assyriens ausgerottet
33 Siehe, der Herr, der HERR der Heerscharen, haut mit Schreckensgewalt die Äste herunter; und die Hochwüchsigen werden gefällt, und die Emporragenden werden erniedrigt. 34 Und er schlägt das Gestrüpp des Waldes nieder mit dem Eisen, und der Libanon fällt durch einen Mächtigen.
Kurz bevor der König von Assyrien denkt, dass er Jerusalem einnimmt, erscheint jemand auf der Bühne, mit dem er nicht gerechnet hat. Er „haut mit Schreckensgewalt“ und schlägt ihn nieder (Vers 33). Wieder stellt der Prophet die assyrische Weltmacht als einen Wald mit hohen Bäumen dar (Vers 18) und setzt diese Weltmacht gegen „den Herrn, den HERRN der Heerscharen“, der die „Hochwüchsigen“ mit furchtbarer Gewalt niederschlägt.
Zuerst benutzte Er Assyrien als seine Axt, um sein Volk zu schlagen (Vers 15). Jetzt benutzt Er selbst die Axt, um Assyrien zu schlagen. Unter den mächtigen Schlägen der göttlichen Macht bricht dieses stolze Königreich, das sich wie die Zedern des Libanon erhoben hat, in sich zusammen (Vers 34). Er hat sich „ein Mächtiger“ genannt (Vers 13). Nun fällt er unter den Schlägen dessen, der allein und mit Recht „der Mächtige“ genannt werden kann.
Die erste Erfüllung dieser Weissagungen findet in den Tagen Hiskias statt (Jes 37,36). Die letzte Erfüllung findet am Ende des Zeitalters statt (Dan 11,45). In beiden Fällen beabsichtigt die Prophezeiung aufzuzeigen, dass durch Gottes Macht die Erhabenheit des Menschen erniedrigt und seine Herrschaft in jeder Hinsicht beendet werden wird. Damit ist der Weg frei für das Reich Gottes. Das ist das Thema des nächsten Kapitels.