1 - 7 Der liebende Gott
1 Und nun, so spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe [dich] bei deinem Namen gerufen, du bist mein. 2 Wenn du durchs Wasser gehst, ich bin bei dir, und durch Ströme, sie werden dich nicht überfluten; wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen. 3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, [ich], der Heilige Israels, dein Erretter; ich gebe als dein Lösegeld Ägypten hin, Äthiopien und Seba an deiner statt. 4 Weil du teuer, wertvoll bist in meinen Augen und ich dich lieb habe, so werde ich Menschen hingeben an deiner statt und Völkerschaften anstatt deines Lebens. 5 Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; vom Aufgang her werde ich deine Nachkommen bringen, und vom Niedergang her werde ich dich sammeln. 6 Ich werde zum Norden sagen: Gib heraus!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring meine Söhne von fern her und meine Töchter vom Ende der Erde, 7 jeden, der mit meinem Namen genannt ist und den ich zu meiner Ehre geschaffen, den ich gebildet und gemacht habe!
Mit den Worten „und nun“ wechselt der HERR plötzlich vom Gericht zum Trost (Vers 1). Dieser Ausdruck ist kennzeichnend für Jesaja, er verwendet ihn 15-mal, und er ist auch kennzeichnend für Jeremia, der ihn 12-mal verwendet. Der HERR verlässt seine Klage über den verblendeten, verstockten und unbußfertigen Zustand Israels, um sein Handeln in Verbindung mit seinem Bund in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu entfalten. In diesem und den folgenden Versen kommt das göttliche „Ich“ etwa 35-mal vor, wodurch das persönliche Handeln Gottes stark betont wird.
Diese Handlungen beruhen alle auf seiner schöpferischen Kraft und seiner erlösenden Gnade. Für uns, die wir in der Erfüllung des versöhnenden Opfers Christi und des Dienstes davon an uns durch seinen Heiligen Geist stehen dürfen, sind die unwiderruflichen Zusicherungen und Verheißungen Gottes in diesem Abschnitt doppelt wertvoll.
Gottes Handeln wird in den Versen 1–7 chiastisch wiedergegeben. Chiasmus ist eine hebräische Versform, die ein symmetrisches Spiegelbild mit Betonung des mittleren Teils ergibt. Die chiastische Struktur in diesen Versen ist wie folgt:
a. Vers 1
--b. Vers 2
----c. Vers 3
----c. Vers 4
--b. Verse 5.6
a. Vers 7
a. Der erste und letzte Teil dieses Gedichtes, Vers 1 und Vers 7 (2 x a.), machen deutlich, dass Israel aufgrund seiner besonderen Beziehung zu Gott seine Gnade erfahren wird. Er ist ihr Schöpfer und wird sie deshalb niemals verlassen.
b. Vers 2 und die parallelen Verse 5 und 6 (2 x b.) geben die Ermutigung zu wissen, dass keine Macht jemals in der Lage sein wird, das auserwählte Volk zu zerstören.
c. Schließlich machen Vers 3 und Vers 4 (2 x c.) deutlich, wie wertvoll Israel für Gott ist. Gott wird immer den Lösegeldpreis zahlen, der notwendig ist, um sein Volk zu erlösen. Was für eine Ermutigung!
Der Wechsel von gerechter Empörung zu liebevollem Trost und tröstenden Verheißungen und Zusicherungen ist äußerst bedeutsam. Es zeigt, dass die Wiederherstellung nicht durch irgendeine verdienstvolle Anstrengung seitens der irrenden Menschen herbeigeführt werden kann. Ihre schreckliche Not kann nur durch göttliche Gnade behoben werden.
Die Liebe Gottes ist nicht sentimental. Seine Liebe wird niemals auf Kosten seiner Heiligkeit ausgeübt und gefährdet niemals seine Gerechtigkeit. Die Liebe, die züchtigt, war früher da als die Züchtigung. Er liebte sein Volk, bevor es in die Irre ging, wodurch seine Züchtigung notwendig wurde.
In seiner Liebe hat der HERR sie geschaffen. Die hier verwendeten Ausdrücke führen uns zurück zur Schöpfung (1Mo 1,1; 2,4–7). Das macht deutlich, dass derselbe Gott, der den Himmel und die Erde geschaffen hat, auch das Volk Israel erschaffen hat. Derselbe Gott will nun seine Barmherzigkeit erweisen. Die Entstehung Israels ist ein übernatürliches Handeln als Antwort auf einen beabsichtigten Ratschluss. Er hat auch sie in seiner Liebe gebildet.
Dies ist ein übernatürlicher Prozess, den Er sich von jeher vorgenommen hatte, und von dem Er in seinem Umgang mit den Patriarchen und den Nachkommen Jakobs auch Zeugnis abgelegt hat. In seiner Liebe hat Er sie erlöst. Immer wieder hat Er das Volk daran erinnert, dass nichts als seine direkte Macht sie aus Ägypten befreit hat. Schließlich rief Er sie in seiner Liebe bei ihren Namen.
Das Rufen beim Namen hat in der Schrift den Gedanken der Zärtlichkeit, die sich an dem Besitz des Gerufenen erfreut. So rief Er seine eigenen Schafe beim Namen und führte sie hinaus (Joh 10,3). Schöpfung, Erlösung und Berufung sind auch unser Anteil. Wir sind in Christus Jesus geschaffen (Eph 2,10), durch sein Blut erlöst (Eph 1,7) und durch seine Gnade berufen (Gal 1,15). Die Ermutigung „Fürchte dich nicht“ beruht auf den Beweisen der Barmherzigkeit Gottes in der Vergangenheit.
Der HERR verheißt ihnen seine Gegenwart, wenn sie durch Wasser und durch Flüsse gehen, was daran erinnert, dass sie durch das Wasser des Schilfmeeres und durch den Fluss Jordan gegangen sind (Vers 2). Dann versichert Er ihnen, dass Er bei ihnen sein wird, wenn sie durch das Feuer der Gefangenschaft (Jes 42,25) und durch die große Drangsal (vgl. Dan 3,25; Ps 66,12) gehen.
In diesem Zusammenhang spricht das Wasser für uns von Gefahren, die sich aus den Umständen des täglichen Lebens ergeben, von Prüfungen des Glaubens in den gewöhnlichen Dingen des Lebens. Feuer spricht von Verfolgung. Beide Formen können im Leben des Gläubigen auftreten. Es sind Hindernisse, die uns auf unserem Weg begegnen, die uns den Weg versperren, durch die uns aber der HERR hilft.
Es ist Gottes Absicht, die Furcht aus unseren Herzen zu verbannen und unseren Glauben zu stärken durch all das, was in der Zusicherung enthalten ist: „Denn ich bin der HERR, dein Gott“ (Vers 3). Diese Namen sprechen von seiner Majestät und der Größe seines unendlichen Wesens und seiner allmächtigen Kraft. Er ist ihr Erlöser. Aber wenn Er sie erlöst, tut Er dies auch als „der Heilige Israels“. Niemals handelt Er im Widerspruch zu seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit; im Gegenteil, sein Handeln ist darin begründet.
Für die Erlösung seines Volkes bezahlt Er mit anderen Nationen. Als Kores sein Volk gehen ließ, gibt Gott ihm andere Nationen an ihrer Stelle. „Der Gottlose ist ein Lösegeld für den Gerechten, und der Treulose tritt an die Stelle der Aufrichtigen“ (Spr 21,18). Damit dies geschehen kann, muss Israel zunächst gerecht vor Gott stehen. Wie Gott dies bewerkstelligt, werden wir in den folgenden Kapiteln sehen. Er wird nie jemandem etwas schuldig sein. Er handelt auf diese Weise zum Wohl seines Volkes, weil sie in seinen Augen kostbar sind (Vers 4). Er schätzt es sehr und liebt sie über andere Nationen. Die hier verwendete Sprache ist die eines Bräutigams zu seiner Braut.
Was der HERR tut, ist ein Handeln reiner Gnade, denn das Volk hat es nicht verdient. Sie sind nicht besser als andere Völker. Auf die gleiche Weise können wir an uns selbst denken. Wir sind „gerechtfertigt“ und „angenehm gemacht“. Dies sind wir nicht in uns selbst, sondern „in dem Geliebten“ (Eph 1,6b). Der Vater liebt uns, wie Er den Sohn liebt (Joh 17,23).
Die Verse 5 und 6 weisen darauf hin, dass der HERR sein Volk aus allen Himmelsrichtungen sammeln und in sein Land bringen wird. Dies wird in der Endzeit geschehen. Den heidnischen Völkern nördlich und südlich von Israel befiehlt Er, sie, die Er „meine Söhne“ und „meine Töchter“ nennt, aus den entlegensten Teilen der Erde in sein Land zurückzubringen. Als Grund für dieses Handeln wiederholt er die tröstliche Botschaft aus Vers 1.
Er identifiziert sich mit ihnen, indem Er von ihnen spricht als von „jedem, der mit meinem Namen genannt ist“ (Vers 7). Es bezieht sich sowohl auf die Identität mit Ihm selbst als auch auf seinen Besitz, um seine Herrlichkeit und Gnade zu zeigen. Sie sind sein Besitz, um seine Herrlichkeit auszustrahlen.
Er hat sie „geschaffen“ in einem Handeln der Macht, durch die Er sie als Volk ins Leben rief. Dass Er sie „gebildet“ hat, bezieht sich auf den Prozess seiner Gnade, das zu verändern, was Er geschaffen hat, damit es seine Herrlichkeit widerspiegelt. Er hat sie auch „gemacht“ zu dem, was sie sind, was sich auf die Vollendung seines göttlichen Werkes bezieht. In diesen drei Handlungen gibt es eine Steigerung: erschaffen, bilden, vollenden.
Diese drei Aspekte gelten auch für uns, die Christen. Sie drücken die Wunder von Gottes Ratschluss und Macht und den Reichtum seiner Gnade aus. Er hat uns in Christus erschaffen, Er verändert uns durch die wirksame Kraft des Heiligen Geistes und Er wird uns vollkommen machen bei der Ankunft des Herrn.
8 - 13 Niemand ist mit Gott zu vergleichen
8 Führe heraus das blinde Volk, das doch Augen hat, und die Tauben, die doch Ohren haben! 9 Alle Nationen mögen sich miteinander versammeln, und die Völkerschaften [mögen] zusammenkommen! Wer unter ihnen kann dies verkünden? So mögen sie uns Früheres hören lassen! Mögen sie ihre Zeugen stellen und gerechtfertigt werden, dass man es höre und sage: Es ist wahr! 10 Ihr seid meine Zeugen, spricht der HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe: damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, dass ich derselbe bin. Vor mir wurde kein Gott gebildet, und nach mir wird keiner sein. 11 Ich, ich bin der HERR, und außer mir ist kein Erretter. 12 Ich habe verkündigt und gerettet und vernehmen lassen, und kein fremder [Gott] war unter euch; und ihr seid meine Zeugen, spricht der HERR, und ich bin Gott. 13 Ja, von jeher bin ich derselbe; und da ist niemand, der aus meiner Hand errettet. Ich wirke, und wer kann es abwenden?
Der Befehl in Vers 8 wird nicht gegeben, um Israel aus der Gefangenschaft zurückzubringen. Das ist in Vers 5 der Fall. Hier ist es ein allgemeiner Befehl an die Nationen, um sein Volk ziehen zu lassen. Das Volk ist dann nicht länger blind und taub (vgl. Jes 42,18).
Die Nationen werden zu einer Art Gerichtssitzung versammelt (Vers 9). Bevor sie die Reichtümer des Friedensreichs genießen können, müssen sie zur Anerkennung der Tatsachen bezüglich des wahren Gottes gebracht werden, im Gegensatz zu ihren Götzen und ihrem Aberglauben. Die Herausforderung besteht darin, dass die Nationen ihre Zeugen vorbringen, damit sie gerechtfertigt werden können. Solche Zeugen gibt es natürlich nicht. Die einzige Alternative ist die Anerkennung, „es ist wahr!“, dass es nur einen wahren und lebendigen Gott gibt.
In Vers 10 erklärt der HERR, dass das Volk Israel seine „Zeugen“ sind (vgl. Jes 44,8). Das Volk war schon immer Zeuge für die Existenz des HERRN, aber wenn es wiederhergestellt wird, wird es sowohl Zeuge als auch Knecht sein. Sie werden Zeugnis von der ewigen und unabhängig bestehenden Natur seines heiligen Wesens ablegen. „Dass ich derselbe bin“ oder „Ich bin, der ich bin“ ist die Erklärung, dass Er ausschließlich und ewig Gott ist, in der Vergangenheit und in der Zukunft.
Wir sehen hier auch das Wunder, dass ein blinder und tauber Knecht als Zeuge in diesen himmlischen Gerichtssaal gerufen werden kann. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Gott an diesem Knecht ein Wunder vollbringen wird. An uns ist dieses Wunder geschehen, weshalb der Herr zu uns sagt: „Ihr sollt meine Zeugen sein“ (Apg 1,8).
Da sein Wesen keinen Anfang und kein Ende hat, ist der Gedanke an ein anderes, von Ihm getrenntes Wesen mit Eigenschaften einer Gottheit ein Widerspruch in sich. Wie leer und vergeblich sind daher die Versuche der Heiden zu zeigen, dass die Objekte ihrer Anbetung wahre Götter sind. Und nicht nur das, sondern wie völlig zum Scheitern verurteilt wird der Versuch des Menschen der Sünde sein, die Nationen unter ihm zu zwingen, ihn als Gott anzubeten (2Thes 2,3). Das Gericht über diese gotteslästerliche Anmaßung wird durch den Sohn Gottes selbst vollstreckt werden (2Thes 2,8).
Die zweite Aussage, dass sein irdisches Volk sein Zeuge ist, hängt mit der Tatsache zusammen, dass Er allein der Retter ist und niemand aus seiner Hand retten kann (Verse 11–13). Die Tatsache der Erschaffung Israels und, dass Israel immer noch existiert, sind der Beweis und das Zeugnis der Tatsache, dass der Gott Israels der einzige Gott ist.
Er ist nicht nur der Ewige, Er ist auch der Allmächtige. Nicht nur, dass niemand Ihn daran hindern kann, etwas zu gründen, sondern niemand kann auch verändern, was Er gegründet hat. Wenn dies in Bezug auf seine irdischen, nationalen Zeugen wahr ist, dann lasst uns daraus Mut und neue Kraft schöpfen als diejenigen, die Er berufen hat, durch das Evangelium seine Zeugen zu sein.
14 - 15 Das Werkzeug der Erlösung
14 So spricht der HERR, euer Erlöser, der Heilige Israels: Um euretwillen habe ich nach Babel gesandt; und ich werde sie alle als Flüchtlinge hinabtreiben, und auch die Chaldäer, auf den Schiffen ihres Jubels. 15 Ich, der HERR, bin euer Heiliger, [ich], der Schöpfer Israels, euer König.
Mit Vers 14 beginnt ein neuer Abschnitt, der bis Jesaja 44,5 geht. In diesem Abschnitt zeigt der HERR den Völkern, dass Er der Erlöser Israels ist. Dies bezieht sich nicht nur auf sein Erlösungswerk in der Vergangenheit (Vers 18), sondern Er kündigt auch ein neues Erlösungswerk an (Vers 19). Die Themen in diesem neuen Abschnitt sind Gericht (Jes 43,14–21), Befreiung (Jes 43,22–28) und die Ausgießung des Geistes (Jes 44,1–5).
Der erste Teil befasst sich mit der Ausübung des Zorn Gottes über die Chaldäer, den sie durch ihre Misshandlung des Volkes Gottes über sich selbst gebracht haben. „Um euretwillen“, d. h. um seiner Absicht willen, sein Volk zu erlösen, sandte Er jemanden nach Babel als Vollstrecker seines Gerichts. Das scheint Kores zu sein. Das Auftreten von diesem Kores wird zur Folge haben, dass ihre Kriegsflotte, über die sie sich freuen und auf die sie stolz sind, zu einer Flotte von Flüchtlingen degradiert wird.
Angesichts ihrer Befreiung erinnert Gott sein Volk in vierfacher Weise daran, wer Er ist (Vers 15):
1. Als „HERR“ ist Er der Gott des Bundes.
2. Als „euer Heiliger“ steht Er im Gegensatz zu ihrem unheiligen Verlassen von Ihm und den unheiligen Charakter ihrer heidnischen Herrscher. Sein Name wird durch die Gefangenschaft entweiht, aber dieser Name wird durch die Erlösung Israels wieder geheiligt werden (Hes 36,20–24).
3. Als „der Schöpfer Israels“ hat Er sie zu seiner Ehre geschaffen und wird niemals zulassen, dass sie dauerhaft verworfen werden.
4. Als „euer König“ wird Er regieren, um sein Volk zu segnen, im Gegensatz zu den immer wieder versagenden Königen Israels und Judas und den Nationen, deren Sklaven sie geworden sind, und besonders im Gegensatz zum Antichristen, dem falschen König Israels.
16 - 21 Ein Weg für Gottes Volk
16 So spricht der HERR, der einen Weg gibt im Meer und einen Pfad in mächtigen Wassern; 17 der ausziehen lässt Wagen und Pferd, Heer und Held – zusammen liegen sie da, stehen nicht wieder auf; sie sind erloschen, verglommen wie ein Docht: 18 Erinnert euch nicht an das Frühere, und über die Dinge der Vorzeit sinnt nicht nach! 19 Siehe, ich wirke Neues; jetzt sprosst es auf; erkennt ihr es nicht? Ja, ich mache durch die Wüste einen Weg, Ströme durch die Einöde. 20 Die Tiere des Feldes werden mich preisen, Schakale und Strauße; denn ich werde Wasser geben in der Wüste, Ströme in der Einöde, um mein Volk zu tränken, mein auserwähltes. 21 Dieses Volk, das ich mir gebildet habe, sie sollen meinen Ruhm erzählen.
Er wird ihnen einen Weg durch das Meer geben und einen Pfad in mächtigen Wassern (Vers 16). So tat Er es in der Vergangenheit, als Er ihnen einen Weg durch das Schilfmeer bahnte (2Mo 14,21.22). Dies ist auch die Erfahrung aller Heiligen. Die Wasser der Nationen toben und wüten, Feindschaft und Verfolgung nehmen zu, aber Gott hat einen Weg für sein Volk. Dieser Weg hat nicht allein einen Bezug auf Befreiung aus der Not, sondern auch auf die Verkündigung des Evangeliums, das seinen Weg bis zum festgelegten Ende nimmt.
Vers 17 ist eine auch für die Gegenwart gültige Erinnerung an die alles vernichtende Macht Gottes gegenüber den Heeren der Nationen. Was auch immer die Herrscher sich ausdenken, es ist der HERR, der „Wagen und Pferde ausziehen lässt“. Die Tragödien des Krieges sind seine Gerichte. Dadurch will Er die Herzen der Menschen zur Umkehr bringen. Zugleich wird Er seine nationalen Absichten mit Israel erfüllen und das Feuer des Kampfes der Feinde gegen sein irdisches Volk ausblasen und auslöschen. So geschah es mit dem Pharao und seinen Reitern (2Mo 14,23–31).
Dann dürfen sie die traurige Zeit der Untreue und Trübsal vergessen (Vers 18). Es kann auch bedeuten, dass sie nicht mehr an früher denken sollen, als ob Gott nur in dieser Zeit für sein Volk gehandelt hätte. Sie dürfen sich auf das Neue konzentrieren, das Er geben wird (Vers 19). Er ist nicht nur der Gott der Vergangenheit, Er ist auch der Gott der Gegenwart und der Zukunft.
Wenden wir diese Verheißungen auf unsere eigenen Erfahrungen an und nehmen wir die vier Sätze zusammen, die für unseren Trost in Zeiten der Prüfung und Not bestimmt sind:
1. durch die Wasser (Vers 2) – sie sind in sich selbst ein Mittel, uns die Erfahrung der Gegenwart des Herrn zu geben;
2. durch das Feuer (Vers 2) – uns wird versichert, dass Er uns bewahrt;
3. im Meer und in den mächtigen Wassern (Vers 16) – hier sorgt Gott für einen Weg; schwierige Umstände sind ein Mittel, um uns das Bewusstsein der Führung Gottes zu geben;
4. in der Wüste und in der Einöde (Vers 19) – Führung und Erfrischung sind hier unser Anteil.
Die Wasser sprechen von heftigen Prüfungen; die Wüste und die Einöde sprechen vom Zustand der Welt um uns herum, die uns, wenn wir uns ungefragt auf sie einlassen, geistig leiden lassen werden und niederdrücken. Aber Gott hat einen Weg inmitten solcher Umstände, einen Weg der Gemeinschaft mit Ihm, einen Weg der Freude und Fruchtbarkeit.
In der Vergangenheit hat Gott während des Auszugs einen Weg durch das Meer gebahnt und in der Wüste einen Strom, einen Wasserfluss aus dem Felsen gegeben (1Kor 10,4). In der Zukunft wird Er etwas Neues geben. Er wird eine Straße in der Wüste und Flüsse (Plural) in der Wüste machen. Das Neue enthält einen Segen für die ganze Erde, wenn Gottes irdisches Volk in den Genuss der Segnungen seines Erlösungswerkes kommt.
Wenn das Leiden Israels zu Ende sein wird, ist auch das Leiden der Schöpfung zu Ende (Röm 8,21). Weil Gott in der Wüste Wasser gibt, werden Ihn die Tiere des Feldes ehren (Vers 20; Jes 35,1–7). Die Segnungen werden nicht nur zum Wohl von Mensch und Tier gewährt. Das Hauptziel ist die Ehre Gottes selbst (Vers 21).
22 - 25 Israel und seine Ungerechtigkeiten
22 Doch nicht mich hast du angerufen, Jakob, dass du dich um mich bemüht hättest, Israel! 23 Du hast mir die Schafe deiner Brandopfer nicht gebracht, und mit deinen Schlachtopfern hast du mich nicht geehrt; ich habe dir nicht mit Speisopfern zu schaffen gemacht und dich nicht mit Weihrauch ermüdet; 24 du hast mir nicht für Geld Würzrohr gekauft und mich mit dem Fett deiner Schlachtopfer nicht gelabt. Aber du hast mir zu schaffen gemacht mit deinen Sünden, du hast mich ermüdet mit deinen Ungerechtigkeiten. 25 Ich, ich bin es, der deine Übertretungen tilgt um meinetwillen; und deiner Sünden will ich nicht [mehr] gedenken.
Der Unterschied zwischen den Anklagen in den Versen 22–24 und der Gnade und Barmherzigkeit in Vers 25 ist groß und auffällig. Der erste Teil erzählt Israels Ungerechtigkeiten, bestehend aus fünf Dingen, die sie nicht taten und drei Dingen, die sie wohl getan haben. Das zeigt, dass die kommende Erlösung nicht Israels Verdienst ist, weder wegen ihrer Treue noch wegen ihrer Würde. Geistlich sind sie an einem Tiefpunkt angelangt. Anstatt Ihn anzurufen, sind sie Ihm gegenüber müde geworden (Vers 22). Anstatt Ihm Opfer darzubringen, haben sie Ihm „zu schaffen gemacht mit ihren Sünden“ und Ihn „ermüdet mit ihren Ungerechtigkeiten“.
In Vers 23 heißt es, dass Gott ihnen keine Last auferlegt hat, aber in Vers 24 sagt Er, dass ihre Sünden Ihn sehr beschweren. Hier denken wir unwillkürlich an das Kreuz. Um welchen Preis hat der Herr Jesus die Last der Sünden von Menschen auf sich genommen? Wir werden nie ermessen können, wie schwer es für Gott war, seinen Sohn nicht zu verschonen, sondern Ihn für uns alle hinzugegeben (Röm 8,32).
Vor diesem Hintergrund können wir den Kontrast zu Vers 25 besser verstehen. Die Liebe, die sich hierin offenbart, geht nicht auf Kosten der göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit, sondern sie bilden die Grundlage dafür. „Um meinetwillen“ drückt die freie Gnade aus, durch die unsere Sünden beseitigt werden, denn es gibt nichts in dem Sünder, was die Gnade verdient hätte. Durch den souveränen Akt der Gnade Gottes im Tod Christi hat Er in seiner Gerechtigkeit mit der Sünde Schluss gemacht. Seine Gnade und Liebe haben für den Glaubenden die Sünde ausgelöscht.
Vers 25 ist also nicht nur eine einfache Verheißung, sondern Teil einer Argumentation. Die Erlösung Israels ist nicht nur eine Erlösung von der Unterdrückung durch andere Nationen, sie ist auch und vor allem eine Erlösung durch Vergebung ihrer Sünden und Übertretungen.
Er blickt voraus auf das, was im Römerbrief als Evangelium dargestellt wird. Dort lernen wir, dass es keinen Verdienst des Menschen gibt, dass die Rechtfertigung aus Gnade geschieht und dass die Bedingungen Buße und Glaube sind. Durch diese alttestamentlichen Beispiele erhalten wir einen tieferen Einblick in die Wege Gottes mit dem Menschen.
26 - 28 Warum das Gericht kommen muss
26 Rufe [es] mir ins Gedächtnis, wir wollen miteinander rechten; erzähle doch, damit du gerechtfertigt wirst! 27 Dein erster Vater hat gesündigt, und deine Mittler sind von mir abgefallen. 28 Und ich habe die Fürsten des Heiligtums entweiht und Jakob dem Bann und Israel den Schmähungen hingegeben.
Mit seinem Aufruf in Vers 26 befiehlt der HERR seinem Volk zu überlegen, ob sie sich erinnern können, ob es irgendeinen Verdienst ihrerseits gibt, durch den Er sie rechtfertigen könnte. Er hat gerade erklärt, dass Er, und Er allein, ihre Übertretungen auslöschen und sie von ihrer Schuld reinigen kann und will. Und weiter, dass, wo dies ihre Schuld ist, Er es nicht um ihretwillen, sondern um seiner selbst willen tun wird.
Die Begleichung von Schulden kann nur auf der Basis von Gnade erfolgen. Das Angebot der Gnade ist demütigend für den Hochmut des Menschen. Sie setzt die völlige Unfähigkeit des Menschen voraus, sich selbst zu retten. Wenn sie anders darüber denken, sollen sie ihren Fall wie vor einem Gericht gegen Ihn vorbringen. Aber Israel kann nicht antworten und schweigt.
Unmittelbar danach zeigt der HERR die Unmöglichkeit eines Erfolgs. Ihr erster Vater hat gesündigt, was uns an Jakob als den Stammvater des Volkes erinnert (Verse 22.28). Ihre Wortführer, die Mittler zwischen dem Volk und dem HERRN, haben sich gegen Ihn versündigt (Vers 27). Wir können dabei an Könige, Priester und Propheten denken. Das Volk und auch ihre Führer sind Sünder von Anfang an und in ihrer ganzen Geschichte. Angesichts ihrer hartnäckigen Unbußfertigkeit, besonders bei den Vorstehern des Heiligtums, den Priestern, ist das Gericht unvermeidlich (Vers 28).
Der Ausdruck „Jakob dem Bann hingegeben“ bedeutet die Vernichtung eines Volkes, das so tief in Sünde versunken ist, dass es keine Existenzberechtigung mehr hat (vgl. Jos 6,17–18.21; 1Sam 15,3). Der heilige Ort ist unheilig geworden und Israel ist wie Kanaan und Amalek geworden. Sünde bedeutet, das Ziel zu verfehlen oder die Herrlichkeit Gottes nicht zu erreichen. Anstatt zur Ehre Gottes ist das Volk zur totalen Unehre Gottes geworden. Nur die Gnade ist ihre Hoffnung.