1 - 5 Hiob demütigt sich
1 Und der HERR antwortete Hiob und sprach:
2 Will der Tadler mit dem Allmächtigen rechten? Der da Gott zurechtweist, antworte darauf!
3 Und Hiob antwortete dem HERRN und sprach:
4 Siehe, [zu] gering bin ich, was soll ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund.
5 Einmal habe ich geredet, und ich will nicht mehr antworten, und zweimal, und ich will es nicht mehr tun.
Gott hat Hiob im vorigen Kapitel auf die Wunder seiner Schöpfung hingewiesen. Es stellte sich heraus, dass nur Er allein alles in seiner ganzen Tiefe, in all seinen Einzelheiten und in all seinen Zusammenhängen kennt, versteht, und ständig versorgt und unterhält. Der Mensch hat nur eine sehr begrenzte Vorstellung von Gottes Handeln und wird dann klein. Es ist klar geworden, dass Hiob rein gar nichts zu Gottes Handeln beigetragen hat, auch gar nicht beitragen konnte und das auch niemals können wird. Gott ist so groß und er ist so gering.
Bevor Gott in Vers 2 die Schlussfolgerung in Form einer Frage an Hiob präsentiert, werden wir zunächst daran erinnert, dass Gott dabei ist, Hiob zu antworten (Vers 1; Hiob 38,1). Die Antwort Gottes nach seiner Rede besteht aus einer Herausforderung an Hiob. Hiob führt einen Prozess gegen Ihn, „den Allmächtigen“ (Vers 2; Hiob 13,3.15). Schließlich hatte er Gott des Unrechts beschuldigt, weil Er ihn leiden lässt, obwohl er unschuldig ist. Dafür wollte er Gott zur Rechenschaft ziehen.
„Nun“, sagt Gott, „hier bin ich. Beweise erstmal, dass du in der Lage bist, diesen Prozess zu führen, indem du mich belehrst und mir alle Fragen beantwortest, die Ich dir in den vorangegangenen Kapiteln gestellt habe.“ Gott fordert Hiob auf, Ihn in Bezug auf seine Herrschaft über das Universum zu belehren oder zu korrigieren. Damit würde er beweisen, dass er eine gleichberechtigte Partei vor Gott ist und daher in der Lage ist, einen Rechtsstreit mit Gott zu führen. Wenn jemand Gott kritisiert, als ob er die Dinge besser wüsste als Er, muss er diese Fragen von Gott auch beantworten können, ansonsten muss er den Mund halten.
Auf diese Frage erwartet Gott eine Antwort, Er verlangt sogar, dass Hiob sie beantwortet: „Antworte darauf!“ Da sich herausgestellt hat, dass Hiob den Ablauf der Schöpfung überhaupt nicht kennt, muss er sich nun entscheiden. Die Auswahlmöglichkeiten sind: Gott zu vertrauen in der Gewissheit, dass Er die Welt mit Weisheit regiert, oder in seiner Verurteilung Gottes zu verharren und sich damit über Gott zu erheben. Was wird Hiob tun? Ihm vertrauen oder Ihn weiterhin anklagen? Hiob hat das Wort.
Dann antwortet Hiob dem HERRN (Vers 3). Er sieht ein, dass er zu klein, zu unbedeutend ist (vgl. 1Mo 32,10), um etwas gegen diesen großen, erhabenen Gott zu sagen und Ihm zu antworten (Vers 4). Jetzt, da er Gott in seiner Schöpfung und der Sorgfalt, mit der Er sie pflegt, sieht, legt er seine Hand auf den Mund, was bedeutet, dass er sich selbst Schweigen auferlegt. Gott hat ihn gedemütigt. Er erkennt an, dass es unangemessen ist, auch nur ein Wort gegen Gott zu sagen. Er hat es ein- oder zweimal getan, aber er wird es niemals wieder tun (Vers 5). Es kommt keine weitere Verteidigung aus seinem Mund. Hier scheint Gottes Ziel erreicht worden zu sein.
Doch Gott wird weiter zu ihm sprechen, denn sein Ziel ist noch nicht erreicht. Hiob hört zwar auf, anzuklagen, aber nur, weil er erkennt, dass dies angesichts desjenigen, der unendlich viel größer und mächtiger ist als er selbst, unangemessen ist. Er hat dies allerdings noch nicht als Sünde bekannt. Die Antwort Hiobs ist Gott zu dürftig. Hiob würde kein schlechtes Wort mehr über Gottes Vorgehen sagen, aber er könnte sich immer seine eigenen Gedanken darüber haben. Deshalb setzt Gott in seiner Gnade sein Werk mit Hiob fort, denn Hiob muss noch zur Reue kommen. Erst wenn das geschehen ist, hat Gott sein Ziel erreicht.
Deshalb hält Gott es für nötig, ein zweites Mal zu ihm zu sprechen. In seiner ersten Rede an Hiob spricht Er über seine Sorge für seine Schöpfung und seine Geschöpfe (Hiob 38 und 39). In seiner zweiten Rede, in Hiob 40 ab Vers 6 und Hiob 41, verweist Er auf die Kontrolle, die Er über alle Geschöpfe hat, die der Mensch nicht beherrschen kann.
Als extremes Beispiel führt Er zwei Tiere an, denen der Mensch völlig machtlos und wehrlos gegenübersteht. Sie sind Typen oder Vorbilder für die unwiderstehliche Kraft und den Stolz, die den Menschen von Natur aus beherrschen und gegen die er völlig machtlos und wehrlos ist. Die beiden Tiere, die Gott Hiob vorstellt, weisen über sich selbst hinaus auf „die geistlichen Mächte der Bosheit“ (Eph 6,12), insbesondere auf die Macht Satans. Auch diese „Weltbeherrscher“ und „Mächte“ sind der Autorität des Schöpfers unterstellt (Kol 1,16).
Das Ziel hier geht weit darüber hinaus, Hiob zu zeigen, dass Gott der Schöpfer und Erhalter der Welt der Natur ist. Das tut Er in seiner ersten Rede. In seiner zweiten Rede geht es darum, Hiob davon zu überzeugen, dass Gott auch Herr über die bösen geistlichen Mächte ist, die seine gute Ordnung auf den Kopf stellen und sie umstürzen. Hiob ist gewissermaßen ihr Sprachrohr gewesen, indem er gegen Gottes Regierung Einspruch erhob, weil er der Meinung war, dass Gott nicht die richtige Haltung gegenüber dem Bösen einnahm (vgl. Mt 16,22.23).
In der Einleitung zur zweiten Rede (Hiob 40,6–14) spricht Gott von seiner Macht und seiner Fähigkeit, das Böse zu vernichten. Er schaut auf jede stolze Macht herab, um sie zu demütigen und zu unterwerfen. An den beiden Tieren, die das Böse symbolisieren, sehen wir, dass Gott Herr und Meister des Bösen ist und mit ihm so umgeht, wie Er es will und nicht, wie Hiob es für richtig hält. Als Hiob von der Unrechtmäßigkeit seiner Kritik an Gottes Regierung überzeugt ist, ist seine Antwort diesmal eine Antwort der tiefen Reue darüber (Hiob 42,1–6).
6 - 14 Gott fährt fort mit Hiob
6 Und der HERR antwortete Hiob aus dem Sturm und sprach: 7 Gürte doch wie ein Mann deine Lenden; ich will dich fragen, und du belehre mich! 8 Willst du [etwa] mein Recht zunichtemachen, mich verurteilen, damit du gerecht seist? 9 Oder hast du einen Arm wie Gott, und kannst du donnern mit einer Stimme wie er? 10 Schmücke dich doch mit Erhabenheit und Hoheit, und kleide dich in Pracht und Majestät! 11 Gieße die Ausbrüche deines Zorns aus, und sieh alles Stolze an und erniedrige es! 12 Sieh alles Stolze an, beuge es, und reiße die Gottlosen nieder auf ihrer Stelle! 13 Verbirg sie allesamt in den Staub, schließe ihre Angesichter in Verborgenheit ein! 14 Dann werde auch ich dich preisen, dass deine Rechte dir Hilfe schafft.
Nach Hiobs Antwort auf die erste Rede beginnt der HERR seine zweite Rede. Wie bereits gesagt, ist dies notwendig, weil Hiob noch nicht den Platz vor dem HERRN eingenommen hat, der ihm gebührt. Es muss ein noch tieferes Werk in ihm geschehen. Es ist ein Beweis der Gnade Gottes, dass Er die Geduld mit Hiob nicht verliert, sondern fortfährt, ihm zu antworten (Vers 6; Hiob 38,1; 40,1). Gott ist nicht darauf aus, Hiob zu zermalmen und zu vernichten, sondern ihn zu unterweisen und zu überzeugen, wofür Er sich liebevoll zu ihm hernieder neigt.
Wie bei seiner ersten Rede antwortet der HERR Hiob „aus dem Sturm“ (vgl. Hiob 38,1). Die Herausforderung, mit der sich Gott in Vers 6 an Hiob wendet, ähnelt auch der Herausforderung, mit der Er seine erste Rede begann (Hiob 38,3). Wieder rät Er Hiob, seine Lenden wie ein Mann zu umgürten (Vers 7). Hiob muss neue Kräfte sammeln und sich in seiner männlichen Kraft hinstellen, denn Gott wird ihn weiterhin „fragen“. Schließlich hat Hiob selbst Gott mit den Worten herausgefordert: „So rufe denn, und ich will antworten“ (Hiob 13,22). Es wird neue Themen geben, die seine ganze Aufmerksamkeit erfordern werden. Er wird aufmerksam zuhören und dann antworten müssen.
Gott hat ihm auch in den vorangegangenen Kapiteln Fragen gestellt, aber der Ton, in dem Er jetzt zu Hiob spricht, ist strenger. Dies ist notwendig, um die Tiefen von Hiobs Herz zu erreichen. Das wird schon in der ersten Frage deutlich, die Gott stellt (Vers 8). In einem vorigen Kapitel sagte Gott, dass Hiob seinen Rat mit Worten ohne Erkenntnis verdunkelte (Hiob 38,2). Jetzt weist Gott Hiob darauf hin, dass es noch schlimmer um ihn steht, denn er will sein Gesetz zerstören, d. h. es für ungültig erklären. Hiob sagte, dass Gott die Dinge umkehrt, indem Er die Gottlosen, die Strafe verdienen, nicht bestraft, und ihn, der keine Strafe verdient, bestraft.
Hiob erklärte Gott für schuldig, Unrecht zu begehen und das Recht zu brechen (Hiob 27,2). Schließlich hat Gott ihn, einen Unschuldigen, bestraft. Hiob hat diese Anschuldigung erhoben, weil er sich selbst als Gerechten sieht. Seiner Überzeugung nach ist an ihm nichts auszusetzen, und trotzdem straft Gott ihn. Dann ist mit Gott etwas nicht in Ordnung. Er stellt Gott unter Anklage, um selbst Recht zu bekommen. Gott wird Hiob klarmachen, dass er sich selbst für rechtschaffen hält, was ihm nicht zusteht und auch nicht wahr ist. Jemand, der rechtschaffen ist, gibt jedem, was ihm zusteht, zuerst und vor allem Gott. Das ist der Punkt, an dem es bei Hiob schief ging. Nur muss er das selbst noch einsehen, und das ist es, womit Gott beschäftigt ist.
Diese schwere Anschuldigung kann Gott nicht einfach ignorieren. Er konfrontiert Hiob jedoch nicht mit seinen falschen Aussagen, sondern mit sich selbst, mit seiner Kraft und Allmacht (Vers 9). Wenn Hiob meint, gegen Ihn reden zu müssen, muss er erst einmal zeigen, dass er Ihm ebenbürtig ist, dass er es mit Ihm aufnehmen kann. Er soll seinen Arm mal zeigen. Der Arm Gottes symbolisiert seine Macht zur Erlösung und zum Gericht (Ps 44,4; 89,14; Jes 59,16; Hes 20,33.34). Was bedeutet demgegenüber schon der „fleischliche Arm“ (2Chr 32,8) Hiobs? Ist er so stark wie Gott? Wenn ja, dann kann Hiob auch Richter sein, denn es braucht Macht, um Recht zu sprechen.
Und wie verhält es sich mit der Stimme Hiobs? Kann er mit seiner Stimme so donnern, wie Gott es tut (Hiob 37,4.5)? Wenn Gott spricht, zittert die Schöpfung. In seiner Stimme liegt „der Donner seiner Macht“ (Hiob 26,14). Und was geschieht, wenn Hiob spricht? Überhaupt nichts. Sowohl seine körperliche Kraft als auch die Macht seiner Worte sind nicht im Entferntesten vergleichbar mit der Macht der Taten und Worte Gottes.
Soll Hiob sich doch als Richter aufspielen und sich mit „Erhabenheit und Hoheit“ schmücken, damit jeder sehen kann, dass er über der Sache steht, mit der er sich beschäftigen muss (Vers 10). Er soll wie Gott handeln und sich wie Gott mit „Pracht und Majestät“ bekleiden (Ps 104,1). Dann kann er sich auf den Thron setzen und zeigen, dass er die Welt besser regieren kann als Gott.
Wenn er mit diesen Eigenschaften geschmückt und bekleidet ist, kann er gegen das Böse vorgehen und „die Ausbrüche deines Zorns“ (Vers 11) ausgießen. Dann kann er tun, was Gott nicht geschafft hat. Schließlich macht Gott nichts daraus. Seine Regierung taugt nichts. Das zeigt sich ja in der Art, wie Er Hiob behandelt. Nun, Hiob muss mal zeigen, dass er alle Ungerechtigkeit in der Welt austilgen kann. Wenn er so gut weiß, was er mit den Stolzen zu tun hat, dann soll er „alles Stolze“ ansehen und sie mit seinem Blick demütigen, ohne einen zu übersehen.
Das Wort „sieh“ bedeutet, einen strengen und drohenden Blick zu werfen, sodass der Betroffene merkt, dass der Richter ihn durch und durch kennt und dass er nichts vor ihm verbergen kann. Das kann Gott. Dadurch wird der Stolze erniedrigt. Er hat nichts mehr zu verbergen, nichts, womit er sich brüsten oder verstecken könnte, denn der Richter durchschaut ihn. Gott weist hier auf eines der vielen Beispiele seiner Macht hin und fordert Hiob auf, Ihn darin nachzuahmen.
Hiob muss nicht nur die Stolzen sehen und erniedrigen, er muss auch die Stolzen sehen und „beugen“ (Vers 12; vgl. Jos 2,11.12). Erniedrigen bedeutet, ihm seinen Stolz zu nehmen. Ihn beugen bedeutet, ihn zu zwingen, seinen Willen zu tun. Auch Hiob muss sich mit den Gottlosen auseinandersetzen. Er muss sie „auf ihrer Stelle“ niederreißen. Das bedeutet ein Urteil ohne Verzug. Wo auch immer sie sich befinden, muss es dort geschehen, damit sie keine einzige Gottlosigkeit mehr begehen können. Sicherlich erwartet Hiob, dass Gott das tut, aber wenn Er es nicht tut? Dann muss er selbst zeigen ob er das kann.
Nach der Vollstreckung des Gerichts muss Hiob dafür sorgen, dass die Stolzen und die Gottlosen „allesamt in den Staub“ der Erde versteckt werden (Vers 13). Sie müssen vollständig aus dem Blickfeld verschwinden. Um die Endgültigkeit des Gerichts zu unterstreichen, muss Hiob ihr Gesicht „in Verborgenheit einschließen“. So würde er eine doppelte Finsternis über diese Verbrecher bringen. Sie sind bereits im Staub versteckt, und jetzt kommt noch eine Augenbinde hinzu. So werden sie von niemandem mehr gesehen und können auch selbst niemanden mehr sehen. Eine Person, deren Gesicht eingewickelt ist, kann nichts mehr sehen. Das geschieht mit denen, die zum Tode verurteilt sind (Est 7,8).
„Sieh, Hiob“, sagt Gott gleichsam, „wenn du das mit den Gottlosen tun kannst, will ich dich preisen (Vers 14). Dann bist du der starke Mann, der seinen Worten Taten folgen lassen kann. Deine rechte Hand hat so viel Macht, dass du dich selbst von Übeltätern und aus allen möglichen schwierigen Situationen befreien kannst. Du brauchst keine Hilfe von anderen. Dann ist bewiesen, dass du mir gewachsen bist und dass du mich zu einer Gerichtsverhandlung vorladen kannst.“
Die Botschaft dieser Einleitung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Hiob kann nicht durch seine eigene rechte Hand erlöst werden, sondern ausschließlich durch die rechte Hand Gottes, und er ist Gott absolut nicht gewachsen, weil er Gott nicht ebenbürtig ist. Hiob muss Gott nicht nur als Schöpfer, sondern auch als Erlöser anerkennen. Gott ist der Einzige, der zu preisen ist, nicht Hiob.
15 - 24 Der Behemot
15 Sieh doch den Behemot, den ich mit dir gemacht habe; er frisst Gras wie das Rind. 16 Sieh doch, seine Kraft ist in seinen Lenden, und seine Stärke in den Muskeln seines Bauches. 17 Er biegt seinen Schwanz wie eine Zeder, die Sehnen seiner Schenkel sind verflochten. 18 Seine Knochen sind Röhren aus Kupfer, seine Gebeine wie Barren von Eisen. 19 Er ist der Anfang der Wege Gottes; der ihn gemacht hat, hat [ihm] sein Schwert beschafft. 20 Denn die Berge tragen ihm Futter, und dort spielen alle Tiere des Feldes. 21 Unter Lotosbüschen legt er sich nieder, im Versteck von Rohr und Sumpf; 22 Lotosbüsche bedecken ihn mit ihrem Schatten, es umgeben ihn die Weiden des Baches. 23 Siehe, der Strom schwillt mächtig an – er flieht nicht ängstlich davon; er bleibt wohlgemut, wenn ein Jordan gegen sein Maul hervorbricht. 24 Fängt man ihn wohl vor seinen Augen, durchbohrt man ihm die Nase mit einem Fangseil?
Es folgt, natürlich, keine Antwort von Hiob auf das, was Gott ihm in den vorangegangenen Versen gesagt hat. Er kann nichts, aber auch gar nichts, von dem, was Gott ihm vermittelt hat, in die Praxis umsetzen. Gott ist der Einzige, der all das tun kann, wozu Er Hiob aufgefordert hat. Hiob ist nicht Gott. Er ist nur ein Geschöpf, während Gott souverän und allmächtig ist.
Diese Souveränität und Allmacht verdeutlicht Gott, indem Er Hiob zwei seiner größten Schöpfungswerke präsentiert:
1. den Behemot, ein Tier, das hauptsächlich auf dem Land lebt, und
2. den Leviatan, ein Tier, das eher im Meer lebt.
Sie zeigen wie kein anderes seiner Schöpfungswerke seine Macht und Majestät.
Gott weist Hiob auf das erste Tier hin: „Sieh doch den Behemot“, dieses mächtige Tier (Vers 15). Um was für ein Tier es sich handelte, ist nicht klar. Man kann es mit keinem uns bekannten Tier vergleichen. Es wurde angenommen, dass es sich um einen Elefanten oder ein Nilpferd handelte. Wenn wir die Beschreibung lesen, ist es schwierig, das anzunehmen. Es braucht etwas Fantasie, um einen von diesen beiden Tieren darin zu erkennen. Die plausibelste Erklärung ist, dass es sich um eine bestimmte Art von Dinosauriern handelt, von denen wir wissen, dass sie riesige Tiere waren. Wir kennen diese Tiere nicht, aber Hiob offenbar schon, denn Gott kann ihn auf sie hinweisen.
Auf jeden Fall hat Gott dieses Tier geschaffen, das Hiob an Größe und Kraft weit übertrifft. Das Tier ist ein Geschöpf von Ihm, so wie Hiob: „Den ich mit dir gemacht habe.“ Dieses riesige Tier und Hiob kamen beide am selben Tag der Schöpfung, dem sechsten, aus seiner Hand und sind ständig in seiner Hand. Gott ist ihr Herr, Er steht über ihnen.
Dann beschreibt Gott die Eigenschaften dieses Tieres. Er beginnt mit der Nahrung. Der Behemot ist ein Pflanzenfresser, denn „er frisst Gras wie das Rind“. Auch die Bedeutung des Namens weist darauf hin. Das hebräische Wort behemot ist der Plural von behema und bedeutet „Vieh“. Die Pluralform wird hier verwendet, um die Größe und die Bedeutung zu betonen. Dies deutet darauf hin, dass „Vieh“ im Sinn von „Riesenvieh“ zu verstehen ist.
Dass seine pflanzliche Nahrung als besonderes Merkmal erwähnt wird, scheint zu bedeuten, dass man dies von einem so riesenhaften Ungetüm nicht erwarten würde. Es bedeutet nicht, dass wir ein süßes Tierchen vor uns haben, sondern dass wir in ihm die schöpferische Weisheit Gottes sehen. Gott hat dieses Tier so geschaffen, dass es Gras frisst „wie das Rind“, genau wie das Vieh, von dem sein Name abgeleitet ist.
Aus der weiteren Beschreibung können wir erkennen, dass die Kraft dieses Tieres die des Menschen weit übersteigt. Hiob sollte mal auf seine Lenden schauen (Vers 16). Welche Kraft strahlen sie aus. Und dann die Muskeln seines Bauches, was für eine Kraft in ihnen steckt. Das Tier ist auch in der Lage, seinen Schwanz, der normalerweise auf dem Boden schleift, wie eine Zeder zu machen, was es zu einer Art Rammbock macht (Vers 17). Dieses Merkmal macht auch deutlich, dass es sich nicht um ein Nilpferd handeln kann, wie einige Bibelübersetzungen nahelegen, die das Wort „Behemot“ mit „Nilpferd“ übersetzen. Man kann wohl kaum sagen, dass der kurze, stumpfe Schwanz eines Nilpferdes einem Zedernbaum ähnelt.
Die Sehnen seiner Schenkel sehen aus wie zusammengeflochtene Kabel. Die Sehnen verbinden die Muskeln mit den Knochen. Seine Knochen sind wie kupferne Stangen, und sein ganzes Gebein ist wie ein Skelett aus Eisenstangen (Vers 18). Das Tier hat eine „stählerne“ Konstitution.
Was Gott Hiob über dieses Tier erzählt, muss ihn zutiefst von seinem Schöpfer beeindrucken. Gott hat diesem Tier diese unvergleichliche Massivität, Stärke und Größe verliehen. Welcher Mensch kann sich mit einem solchen Tier messen? Wer ist in der Lage, ein solches Tier zu bändigen? Das war schon bei fast allen in den vorherigen Kapiteln erwähnten Tieren unmöglich, aber hier ist es völlig ausgeschlossen. Nur Gott hat Macht über dieses Tier.
In der Mitte der Beschreibung des Tieres hören wir das Zeugnis: „Er ist der Anfang der Wege Gottes“ (Vers 19). Von allen Tieren, die Gott geschaffen hat, ist der Behemot das größte und beeindruckendste Tier. Ein Vergleich mit zwei bemerkenswerten Stellen in der Bibel kann helfen, die Bedeutung von „der Anfang der Wege Gottes“ zu verstehen. In Jesaja 14 wird das Gericht über den König von Babel und in Hesekiel 28 über die Stadt Tyrus angekündigt (Jes 14,1–11; Hes 28,1–10). In beiden Fällen beginnt die Gerichtsbotschaft mit dem Verweis auf reale Orte und Personen, genau wie viele andere Gerichtsankündigungen in den Kapiteln davor und danach.
Dann geht die Beschreibung plötzlich weit über die irdischen Beziehungen hinaus (Jes 14,12–15; Hes 28,11–19). Es ist klar, dass Gott in beiden Fällen auf die treibende Kraft, die hinter den selbstgefälligen, stolzen und gottlosen Systemen steht, verweist und diese benutzt. Er bezieht sich damit direkt auf Satan.
Wir können mit der gebotenen Vorsicht davon ausgehen, dass der Satan das Geschöpf ist, das zu Recht den Titel „der Anfang der Wege Gottes“ trägt. Die Unbesiegbarkeit des Behemot durch den Menschen ist also ein Bild für den viel stärkeren Gegner Satan, der sich auch der Tiere für seine Zwecke bedienen kann (vgl. 1Mo 3,1–5).
Die tödliche Macht, das Schwert, hat Gott selbst dem Tier gegeben, wobei Er aber noch die volle Kontrolle über es hat. Die ersten beiden Kapitel des Buches Hiob zeigen deutlich, dass Satan in seinem zerstörerischen Handeln keinen Schritt weiter gehen kann, als Gott es ihm zugesteht.
Gott hat, als Er den Behemot schuf, ihn auch mit „seinem Schwert“ ausgestattet. Damit ist einer der Finger seiner Tatze gemeint, der wie ein Schwert aussieht. Er findet seine Nahrung auf den Bergen, wo alle Tiere des Feldes spielen (Vers 20). Das erinnert an eine schöne Szene. Von diesem Tier scheint keine Bedrohung auszugehen.
Im Gegenteil, das kolossale Tier strahlt Ruhe aus. Der Koloss sucht einen Ort des Schutzes vor der brennenden Sonne und schläft unter schattigen Bäumen (Verse 21.22). Er sucht ein „Versteck von Rohr und Sumpf“, das heißt, ein wasserreiches Gebiet. Wenn das Wetter umschlägt und der Jordan wild wird, zeigt er keine Anzeichen von Angst (Vers 23). Er lässt sich von tosendem Wasser nicht beeindrucken, sondern bleibt gelassen. Die Erwähnung des Jordan ist interessant, denn sie ist ein weiterer Hinweis darauf, dass das Land Uz, in dem Hiob lebte (Hiob 1,1), im Gebiet des späteren Edom lag.
Obwohl keine direkte Bedrohung von diesem gigantischen Tier auszugehen scheint, wird doch kein Mensch den Versuch unternehmen, es zu fangen (Vers 24). „Fängt man ihn wohl vor seinen Augen“ bedeutet, es zu fangen, während er wach ist und nicht etwa schläft. Niemand kann ihm die Nase durchbohren, um ein Seil hindurchzuziehen und ihn mitzunehmen. Seine Kraft ist so groß, dass niemand es wagt, sich ihm zu nähern.
Der Gesamteindruck dieser mächtigen Kreatur ist, dass sie voller Kraft ist und vor niemandem Angst hat. Die größte Naturgewalt kann ihr nichts anhaben. Gleichzeitig scheint es nichts Böses im Sinn zu haben. Das macht ihn zu einem eindrucksvollen Abbild des Satans als „Engel des Lichts“ (2Kor 11,14). Satan wurde von Gott als oberster Engel geschaffen. Er war ein „Bild der Vollendung …, voller Weisheit und vollkommen an Schönheit“ (Hes 28,12b). Doch was Gott ihm gab, missbrauchte er für sich selbst und wurde so zum Satan.
Hinter dem freundlichen Gesicht, das Satan zeigen kann, verbirgt sich eine zerstörerische und vernichtende Macht. Er ist der „freundliche“ Lügner, der auf Mord aus ist, denn er ist auch der Menschenmörder von Anfang an (Joh 8,44). Seine zerstörerische Kraft wird durch das nächste Tier, den Leviatan, dargestellt. Keiner der Menschen ergründet den Satan, und keiner ist in der Lage, ihn zu zähmen oder zu binden. Nur Gott allein hat vollständige Autorität über den Satan.
Auch die Gläubigen, die in der Gemeinschaft mit Gott leben und sein Wort als Richtschnur für ihr Leben haben, ergründen ihn, denn ihnen sind die Gedanken des Satans nicht unbekannt (2Kor 2,11). Aber auch sie sind ihm nicht gewachsen. Der einzige sichere Ort, um vor den Täuschungen des Satans geschützt zu sein, ist Christus. Christus hat Satan, „den Starken“, in der Wüste gebunden (Mt 4,1–11; 12,29) und ihn am Kreuz überwunden (Heb 2,14.15).
25 - 32 Der Leviatan
25 Ziehst du den Leviatan herbei mit der Angel, und senkst du seine Zunge in die Angelschnur? 26 Kannst du einen Binsenstrick durch seine Nase ziehen und seinen Kinnbacken mit einem Ring durchbohren? 27 Wird er viel Flehen an dich richten oder dir sanfte Worte geben? 28 Wird er einen Bund mit dir schließen, dass du ihn zum ewigen Knecht nehmen kannst? 29 Wirst du mit ihm spielen wie mit einem Vogel und ihn anbinden für deine Mädchen? 30 Werden die Genossen ihn verhandeln, ihn verteilen unter Kaufleute? 31 Kannst du seine Haut mit Spießen füllen und seinen Kopf mit Fischharpunen? 32 Lege deine Hand an ihn – denke an den Kampf, tu es nicht wieder!
Das zweite Tier, das Gott Hiob vorstellt, ist der Leviatan, ein Meerestier, das ebenfalls von Ihm geschaffen wurde (Ps 104,26). Die Beschreibung zeigt ein Tier, das einen ganz anderen Charakter als das vorherige Tier hat. Er ist kein Pflanzenfresser, wie der Behemot, sondern ein Raubtier. Das erste Tier zeigt die weiche, friedliche, weibliche Seite, das zweite Tier zeigt die brutale, wilde Seite und ist darauf aus, zu zerstören. Keines von ihnen kann vom Menschen bezwungen werden.
Das Meer, in dem dieses Tier lebt, ist ein Bild für rebellische, gottlose Mächte im Allgemeinen und für aufgewühlte Nationen im Besonderen (Jes 17,12.13; 57,20; Ps 65,8; Off 17,15). Deshalb wird es auf der neuen Erde kein Meer mehr geben (Off 21,1). Jetzt ist es immer noch so, dass der Satan in ihm wütet und es zum Kochen bringt (Hiob 41,23). Im Leviatan sehen wir den Charakter des Satans als „brüllender Löwe“ (1Pet 5,8). Er ist völlig gefühllos und unnahbar, denn sein Herz ist „hart wie Stein“ (Hiob 41,16). Gott wird ihn völlig zermalmen (Ps 74,14; vgl. Röm 16,20).
Gott beginnt mit der Frage an Hiob, ob er dieses gewaltige Tier mit einem Angelhaken aus dem Wasser ziehen könne, so als wäre es ein Fisch, den man leicht mit einer Angelrute fangen könnte (Vers 25). Gottes Frage deutet auf die Unmöglichkeit hin, dass Hiob dieses Tier fangen kann. Was Hiob nicht kann, kann Gott aber tun (vgl. Hes 29,3.4; 38,3.4; Jes 37,29).
Dann weist Gott Hiob auf die Zunge im Maul des Tieres hin. Kann Hiob seine Zunge mit einer Angelschnur herunterdrücken, d. h. am Unterkiefer festbinden? Die Zunge dient zum Schmecken und Schlucken der Nahrung. Wenn die Zunge festgebunden ist, kann das Tier nicht mehr schlucken. Ist Hiob in der Lage, die Zunge zu kontrollieren? Auch das ist für Hiob unmöglich. Er kann ihn nicht einmal fangen und zu sich ziehen, geschweige denn so nahe an ihn herankommen, dass er ihn am Maul packen und ihm die Zunge festbinden könnte. Das würde nämlich sein Ende bedeuten, denn das Tier würde ihn verschlingen.
Es ist bemerkenswert, dass die Zunge hier ausdrücklich erwähnt wird. Satan ist der „Vater der Lüge“ (Joh 8,44), und er stiftet die Zungen der Menschen an, Böses zu reden (vgl. Jak 3,6). „Die Zunge aber kann keiner der Menschen bändigen: sie ist ein unstetes Übel, voll von tödlichem Gift“ (Jak 3,8). Wer kann es denn tun? Der Herr Jesus! Er wird schließlich jede Zunge unter seine Autorität bringen. Selbst die Zunge des Satans wird bei Ihm schwören (Jes 45,23) und Ihn als Herrn bekennen (Röm 14,11; Phil 2,11).
Gott fährt fort, Hiob vorzuhalten, ob er durch irgendeine Handlung zeigen kann, dass er der Gebieter über den Leviatan ist. Ist Hiob in der Lage, ihm einen Binsenstrick durch die Nase zu ziehen oder seinen Kiefer mit einem Ring zu durchbohren (Vers 26)? Auch dies sind Aktionen, die viel Mut und Kraft erfordern, denn sie erfordern, dass er sich dem Tier nähert. Hiob wird es nicht wagen, denn es würde den sicheren Tod zur Folge haben. Er hat keine Kraft, diese böse Macht, die ein Abbild des Satans ist, zu bändigen. Diese Kraft hat nur Gott.
Auch hier sehen wir, dass Gott das Bild des Leviatan für Satan und auch für antigöttliche Mächte (z. B. Ägypten und Assyrien) und Personen (z. B. Pharao, Gog und Sanherib) verwendet, die von Satan benutzt werden, wie Er es in der Bibel öfter tut. Wir lesen von Gott, dass Er mit manchen Menschen genau das Gleiche tut, was Er hier von Hiob verlangt:
„Siehe, ich will an dich, Pharao, König von Ägypten, du großes Seeungeheuer, … Und ich werde Haken in deine Kinnbacken legen“ (Hes 29,3.4);
„Siehe, ich will an dich, Gog, … und Haken in deine Kinnbacken legen“ (Hes 38,3.4);
„Sanherib, des Königs von Assyrien – … werde ich meinen Ring in deine Nase legen“ (Jes 37,21.29).
In Vers 27 weist Gott auf den Charakter des Tieres hin. Glaubt Hiob, dass das Tier bereit ist, ihn anzuflehen, ihn nicht zu töten und süße, liebe Worte zu sprechen, weil es in Hiob seinen Gebieter erkennt? Gott spricht hier auf menschliche Weise über das Tier, aber Er macht die Absicht deutlich. Dieses Tier wird sich dem Menschen niemals ergeben und wird niemals bereit sein, mit ihm ein Bündnis einzugehen (Vers 28). Hiob wird es niemals gelingen, ihn „zum ewigen Knecht“ zu nehmen.
Diese Situation ist das Ergebnis des Sündenfalls. Da verlor der Mensch die Herrschaft, die Gott ihm über die Tiere gegeben hatte (1Mo 1,28), und wurde mit allem, worüber er zuvor herrschte, ein Sklave Satans. Satan ist jetzt „der Fürst der Welt“ (Joh 14,30) und der „Gott dieser Welt“ (2Kor 4,4). Wir sehen also auch hinter diesem Tier das Bild des Satans, der sich niemals mit dem Menschen anfreunden wird. Er weiß, dass er den Menschen in seiner Gewalt hat. Nur Gott steht über ihm, ebenso wie jeder, der in Christus ist.
Der Leviatan, ein Abbild des Satans, lässt nicht mit sich spielen, wie man es mit gefangenen Vögeln tut (Vers 29). Er ist kein Spielzeug für kleine Mädchen, auch wenn Hiob ihn fesseln würde, damit er nicht weglaufen kann. Dies ist eine wichtige Warnung. Auch heutzutage gibt es viele Menschen, die glauben, durch okkulte Praktiken (z. B. Pendeln und Wahrsagen) spielerisch böse Kräfte nutzen zu können, und die davon fasziniert sind. Sie sollten wissen, dass Satan seine Macht niemals zur Unterhaltung der Menschen einsetzt, sondern seine eigenen Ziele verfolgt.
Er ist auch keine Ware für Händler, bei der mehrere Händler Gewinn erzielen könnten, weil er ein so großes Tier mit vielen Körperteilen ist (Vers 30). Er lässt sich nicht fangen, töten, zerstückeln und stückweise verkaufen. Er lässt sich nicht herumschubsen. Wenn Menschen mit Hilfe der Macht Satans große Gewinne erzielen und damit ihren Lebensunterhalt verdienen (Apg 16,16), machen sie sich von ihm abhängig, eine Abhängigkeit, die sie in der Regel ihre Seele kosten wird.
Hiob soll sich auch die Haut des Tieres genau ansehen (Vers 31). Kann er sie mit Spießen füllen, sodass das Tier getötet wird? Das wird nicht möglich sein, denn seine Haut ist ein schuppiger Panzer (Hiob 41,7). Das Gleiche gilt für seinen Kopf. Da kriegt man nicht einmal eine Fischharpune durch.
Der letzte Vorschlag an Hiob, um zu zeigen, dass er mit diesem Ungeheuer umgehen kann, besteht darin, seine Hand auf ihn zu legen (Vers 32). Kein Haken, keine Schnur, kein Speer, keine Fischharpune, sondern seine Hand. Hat Hiob so viel Kraft in der Hand, dass er das Tier unter sich halten und es spüren lassen kann, dass er der Chef ist? Hiob sollte an den (kurzen) Kampf denken, den das Tier mit ihm führen würde, um ihn dann zu verschlingen. Er würde es nie wieder tun, weil er es nie wieder tun könnte.