Einleitung
Der vierte und letzte Teil von Elihus Rede findet sich in Hiob 36 und 37. Er enthält kein Zitat von Worten Hiobs. Jetzt geht es darum, wer Gott ist, um die Verbindung zwischen Gottes Gerechtigkeit und seiner Macht über die Schöpfung.
1 - 4 Noch mehr Worte für Gott
1 Und Elihu fuhr fort und sprach:
2 Harre mir ein wenig, und ich will dir berichten; denn noch sind Worte da für Gott.
3 Ich will mein Wissen von weither holen und meinem Schöpfer Gerechtigkeit geben.
4 Denn wirklich, meine Worte sind keine Lüge; ein an Wissen Vollkommener ist bei dir.
Elihu hat noch nicht zu Ende gesprochen und fährt fort (Vers 1). Er hat bereits drei Ansprachen gehalten – genau wie Hiob und seine Freunde –, aber er fügt noch eine vierte hinzu. Er bittet Hiob, noch einen Moment zu warten und ihm zuzuhören (Vers 2). Er will sagen, was es noch für Gott zu sagen gibt, was er noch zu seinen Gunsten vorbringen kann. Er hat schon viel über Gott gesagt, aber er hat noch mehr in seinem Herzen, was er Hiob mitteilen möchte, was ihm nützlich sein wird. Dies sind keine überflüssigen Worte. Wir werden sehen, dass sie eine wunderbare Einführung in das Erscheinen Gottes vor Hiob und sein Reden zu ihm sind, unmittelbar nachdem Elihu ausgesprochen hat.
Elihu sagt, dass er sein Wissen über Gott und seine Taten „von weither holen“ wird (Vers 3). Er wird nicht, wie die Freunde, aus eigener Anschauung sprechen, den ausgetretenen Pfaden folgen oder sich auf die Tradition berufen. Das bedeutet, dass er nicht auf eine ferne Vergangenheit zurückgreift, sondern sich auf das beruft, was jenseits des menschlichen Verständnisses liegt. Er beruft sich auf Gott selbst, der weit über den Menschen erhaben ist (Jer 23,23; 31,3), die Quelle der Weisheit, die von oben kommt (Jak 3,17).
Mit dem Wissen, das er von Gott schöpft und von Ihm erhält, wird er Ihm, den er „meinen Schöpfer“ nennt, „Gerechtigkeit geben“. Alles, was jemand über Gott sagen und Ihm damit gerecht werden kann, kann nur geschehen, wenn er von Gott darüber unterrichtet worden ist. Um Gott zu erkennen, müssen wir zu Ihm selbst gehen. Die Bedingung, die Gott stellt, um jemandem Wissen über sich selbst zu geben, ist, dass er Ihn als seinen Schöpfer anerkennt.
Auf diese Weise, in dieser Gesinnung, werden wir Gott in unserem Reden gerecht. Wir werden nicht unsere eigene Ehre, unser eigenes Recht suchen, sondern seine Ehre. Dann sind wir, wie Elihu, ein wahrer Diener Gottes. Wir können dann von Ihm gebraucht werden, um Ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, d. h. um Ihn in seinem Handeln für gerecht zu erklären. Wenn wir das einsehen, ist das Ergebnis, dass wir Ihm vertrauen. Dann verschwinden alle Zweifel an seinen Absichten, und wir werden Ihn nicht, wie auch immer verschleiert, beschuldigen, Unrecht zu tun.
Bevor Elihu über Gott spricht, weist er noch einmal auf die Bedeutung dessen hin, was er sagen wird (Vers 4). „Denn wirklich, meine Worte sind keine Lüge.“ Er betont, dass er die Wahrheit sagt. Seine Worte sind vertrauenswürdig und verdienen es, dass man sie annimmt. Sie sind, mit den Worten des Paulus, „Worte der Wahrheit und der Besonnenheit“ (Apg 26,25).
Ohne jeden Vorbehalt und gleichzeitig ohne jede Anmaßung kann er hinzufügen, dass er „ein an Wissen Vollkommener ist“. Was er sagt, hat nichts Geheimnisvolles an sich, und seine Worte enthalten keine doppelte Bedeutung. Er fügt hinzu, dass er an der Seite Hiobs steht, und sagt damit noch einmal, dass er und Hiob vor Gott gleich sind (Hiob 33,6).
Elihu – er ist dieser „an Wissen Vollkommene“ – verdankt seine Aufrichtigkeit nicht sich selbst, sondern Gott, er hat sie von Ihm empfangen, „von weither“, wie er in Vers 3 sagt. Er erhebt sich nicht, sondern steht mit und neben Hiob auf gleicher Augenhöhe vor Gott.
5 - 7 Gott verachtet niemand
5 Siehe, Gott ist mächtig, und doch verachtet er niemand – mächtig an Kraft des Verstandes. 6 Er erhält den Gottlosen nicht am Leben, und das Recht der Elenden gewährt er. 7 Er zieht seine Augen nicht ab von dem Gerechten, und er setzt sie für immer mit Königen auf den Thron, und sie sind erhöht.
In Vers 5 beginnt Elihu Worte zu sprechen, die seinem Schöpfer gerecht werden, wie er es in Vers 3 sagte. Voller Verwunderung ruft er aus, dass Gott mächtig ist und dass Gottesfurcht oder Gottlosigkeit Ihm nicht gleichgültig sind. Diese Kombination ist bei den Menschen selten. Mächtige Menschen verachten fast immer diejenigen, die keine Macht haben. So ist Gott nicht. Gott ist mächtig, aber das bedeutet nicht, dass Er den geringen Menschen verachtet. Denn die Kraft Gottes liegt in der „Kraft des Verstandes“. Das Wort „Verstand“ kann auch mit „Weisheit“ oder „Herz“ übersetzt werden. Es bedeutet, dass seine Macht in seiner Liebe, seiner Weisheit und seinem Verstand liegt. Liebe, Weisheit und Verstand liegen allem zugrunde, was Er in seiner Macht tut. Das ist es, was Ihn so bewundernswert macht!
Seine Weisheit ist mächtig und stark. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass Er die Gottlosen und Elenden kennt (Vers 6). Er weiß, wer ein Gottloser ist und was Er mit so jemand tun muss, und Er weiß, wer die Elenden sind und was Er mit ihnen tun muss. Den Gottlosen lässt Er nicht am Leben, auch wenn es bei diesem noch so gut läuft. Den Elenden verschafft Er Gerechtigkeit, auch wenn alles gegen sie zu sein scheint. Hiob ist ein Elender, deshalb darf er wissen, dass Gott sich um ihn kümmert und ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen wird.
Der Gerechte kann manchmal die Erfahrung machen, dass Gott seine Augen von ihm abwendet, dass Er ihn nicht sieht (wie im Fall von Hiob). Aber Gott wendet seine Augen nicht von ihm ab (Vers 7). Elihu sagt das in einer Weise, die zeigt, dass Gott das nicht kann, so sehr liegt der Gerechte Ihm am Herzen (Ps 34,16a). Er behält ihn ständig genau im Auge und beobachtet ihn, auch wenn der Gerechte dies nicht immer spürt. Gott weiß, dass der Gerechte leidet, und schenkt ihm seine volle Aufmerksamkeit.
Am Ende wird Er sie „für immer mit Königen auf den Thron“ setzen. Dann wird Er sie aus allem Elend herausheben und sie zu einem Platz der Ehre und Herrschaft erheben, der niemals enden wird. Dies wird Er in der Zukunft tun (Off 3,21; 20,4.6; 22,5). Wir sehen dies in gewisser Weise am Ende des HERRN mit Hiob (Hiob 42,10–17; Jak 5,11).
8 - 15 Das Ziel des Elends
8 Und wenn sie mit Fesseln gebunden sind, in Stricken des Elends gefangen werden, 9 dann macht er ihnen ihr Tun und ihre Übertretungen kund, dass sie sich trotzig gebärdeten; 10 und er öffnet ihr Ohr der Zucht und spricht, dass sie vom Frevel umkehren sollen. 11 Wenn sie hören und sich unterwerfen, so werden sie ihre Tage im Wohlergehen verbringen und ihre Jahre in Annehmlichkeiten. 12 Wenn sie aber nicht hören, so rennen sie ins Geschoss und verscheiden ohne Erkenntnis. 13 Aber die, die ruchlosen Herzens sind, hegen Zorn: Sie rufen nicht um Hilfe, wenn er sie gefesselt hat. 14 Ihre Seele stirbt in der Jugend dahin, und ihr Leben unter den Hurern. 15 Den Elenden errettet er in seinem Elend, und in der Drangsal öffnet er ihnen das Ohr.
Nun kann es noch so sein, dass die Gerechten durch das Elend gebunden und gefangen sind (Vers 8). Sie können sich nicht davon befreien, und sie können sich auch nicht davon losreißen. Sie sind gleichsam mit Ketten und Banden gefesselt (vgl. Klgl 3,7). Auch wenn es so aussieht, als ob Gott es auf sie abgesehen hat, so ist es doch seine liebevolle Fürsorge für sie. Er handelt mit ihnen, weil Er barmherzig ist und sie zur Erkenntnis darüber bringen will.
Auf diese Weise macht Er sie auf ihr Tun aufmerksam (Vers 9). Er lässt sie wissen, was sie tun, aber dass sie Ihn dabei nicht mit einbeziehen. Es ist eine Situation entstanden, in der „sie sich trotzig gebärdeten“. Wenn die Übertretungen die Oberhand gewonnen haben, bedeutet dies, dass Gott nicht mehr an erster Stelle steht, wenn man Ihn anklagt. Hiob hat übertreten, indem er Gott für sein Elend verantwortlich machte. „Vom Frevel umkehren“ heißt hier: anerkennen, dass Gott das Recht hat, mit ihm nach seinen eigenen, weisen Absichten zu verfahren, auch wenn er dies nicht versteht.
Durch das Elend, das über sie kommt, will Er ihr Ohr für seine Ermahnung oder Zucht öffnen (Vers 10; vgl. Hiob 33,16). Die Bedrängnis soll den Menschen zur Umkehr bringen, ihn dazu bringen, über sein bisheriges Leben nachzudenken und sich zu fragen, warum ihm das alles widerfährt. Elihu schaut nicht auf die Ursache der Ermahnung – das haben die Freunde getan –, sondern auf ihren Zweck. Gott spricht zu ihnen durch die Prüfung. Durch das, was Er über die Gerechten bringt, sagt Er, dass sie „vom Frevel umkehren sollen“. Dieser Frevel besteht darin, dass sie Ihn nicht in ihr Leben einbeziehen.
Zunächst wird das positive Ergebnis von Gottes Zucht vorgestellt (Vers 11). Wenn die Gerechten in der Prüfung auf Gottes Stimme hören, wird sich das darin zeigen, dass sie Ihm (wieder) dienen. Gott wird wieder den ersten Platz in ihren Herzen einnehmen. Infolgedessen werden sie in den verbleibenden Tagen ihres Lebens die guten Dinge genießen. Es werden „Tage im Wohlergehen“ sein, Tage, die voll von allem sind, was angenehm ist. Hiob wird das erfahren (Hiob 42,12.17). Das ist es, was die Gnade Gottes im Auge hat, wenn es um Prüfungen geht.
Wenn die Menschen nicht hören, werden sie umkommen (Vers 12). Dies betrifft hier Menschen, die rechtschaffen erscheinen, es aber nicht sind. Wenn sie geprüft werden, fügen sie sich nicht dem Willen Gottes, sondern widerstehen Ihm. Sie nehmen seine Unterweisung nicht an, die Er ihnen durch die Zucht auferlegt, um sie dadurch zu sich zu ziehen, sondern lehnen sie ab. Sie kommen durch ein „Geschoss“ um, das heißt, sie werden durch einen plötzlichen Tod hinweggerafft.
Sie geben den Geist auf, ohne ihren Geist Gott unterworfen zu haben. Ohne Kenntnis der Wege, die Gott mit ihnen gegangen ist, und der Zucht, die Er zu ihrem Besten über sie verhängt hat, sterben sie. Bei allem, was Gott über sie gebracht hat, haben sie nie eine Absicht von höchster Stelle gesehen. Über den Nutzen dessen, was sie überkam, haben sie nie nachgedacht. Hiob hat es aber getan. Zwar hat er Gott nicht verstanden, aber er hat Ihn gesucht.
Hiob ist auch kein Mensch, der ein ruchloses Herz hat (Vers 13). Menschen mit einem ruchlosen Herzen sündigen andauernd. In ihrer Unzufriedenheit häufen sie Zorn in ihrem Herzen an, ihr Ärger über den Zustand der Dinge nimmt immer mehr zu. Aber sie schreien nicht zu Gott um Hilfe, wenn Er Elend über sie bringt und sie damit fesselt. Anstatt zu Gott umzukehren, rebellieren sie gegen Ihn. Hiob rief in seinem Elend ständig um Hilfe. Das beweist, dass Elihu nicht ihn meint, sondern von Menschen spricht, die scheinbar Gottesfurcht besitzen, aber deren Kraft leugnen (2Tim 3,5; Mt 15,6–9).
Solchen Menschen wird kein langes Leben beschieden sein, denn sie werden jung sterben (Vers 14). Dies steht im Gegensatz zu dem Segen, der den Gerechten zuteil wird, die auf Gott hören und Ihm dienen (Vers 11). Sie werden auch einen äußerst schändlichen Tod sterben. Im Tod werden sie nicht die Ehre erhalten, die sie zu Lebzeiten in ihrer Heuchelei für sich beansprucht haben. Die Art und Weise, wie ihr Leben endet, entspricht der Art, wie sie gelebt haben. Sie lebten in Verderbtheit und das wird auch ihr Ende kennzeichnen.
Im Gegensatz dazu wird der Elende von Gott in seinem Elend errettet (Vers 15). Hiob wird diese Erfahrung machen, wenn er Gott von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Gott wird ihm in der Bedrängnis, in der er sich befindet, das Ohr öffnen. Er wird ihm seine Absicht kundtun, damit er versteht, warum all dieses Leid über ihn gekommen ist. Gott rettet die Elenden nicht aus dem Elend – was Er später tun wird – sondern im Elend. Es bedeutet, dass Gott zu ihm kommt und ihn in seiner Not unterstützt und ihm Trost und Kraft zum Durchhalten gibt. Er befreit ihn von Zweifeln, Angst und Unglauben, indem Er ihm sein Herz zuwendet.
16 - 21 Die Anwendung auf Hiob
16 So hätte er auch dich aus dem Rachen der Bedrängnis in einen weiten Raum geführt, wo keine Beengung gewesen wäre, und die Besetzung deines Tisches wäre voll Fett. 17 Aber du bist mit dem Urteil des Gottlosen erfüllt: Urteil und Gericht werden [dich] ergreifen. 18 Denn der Grimm, möge er dich ja nicht verlocken zur Verhöhnung, und die Größe des Lösegelds verleite dich nicht! 19 Sollen dein Schreien und alle Anstrengungen der Kraft [dich] aus der Bedrängnis führen? 20 Sehne dich nicht nach der Nacht, die Völker plötzlich wegheben wird. 21 Hüte dich, wende dich nicht zum Frevel, denn das hast du dem Elend vorgezogen.
Elihu wendet nun die allgemeinen Grundsätze der Regierung Gottes, die er gerade beschrieben hat, auf Hiob an. Durch die Katastrophen, die über Hiob gekommen sind, hat Gott ihn „aus dem Rachen der Bedrängnis“ geführt (Vers 16; vgl. Hos 2,16). Gott hat ihm alles genommen, und ihn „in einen weiten Raum geführt, wo keine Beengung gewesen wäre“. Jetzt, da Hiob alles verloren hat, ist Gott frei, sein Werk in Hiob zu tun. Hiob ist körperlich ausgezehrt, aber Gott stellt ihm einen Teller auf den Tisch, der voller Fett ist. Vielleicht können wir hier an einen Tisch im geistlichen Sinn denken. Ein Tisch symbolisiert Gemeinschaft. Gott möchte diese Gemeinschaft mit Hiob haben, eine volle Gemeinschaft.
So weit ist Hiob noch nicht (Vers 17). Er ist noch von etwas anderem „erfüllt“, und zwar von „dem Urteil des Gottlosen“. Das Urteil und das Gericht beherrschen seine Gedanken, sodass er nicht in der Lage ist, die Stimme Gottes zu hören. Auf diese Weise verhält er sich wie ein Gottloser, der auch nicht auf die Stimme Gottes hört. Elihu sagt nicht, dass Hiob ein Gottloser ist, sondern warnt ihn, sich nicht wie ein solcher zu verhalten.
Er warnt ihn, nicht so zornig zu werden, dass er Gott verhöhnt (Vers 18). Wenn er sich nicht beherrscht, kann er dazu kommen. Wenn er sich nicht beherrschen kann und dieses Übel begeht, kann auch eine große Geldsumme oder ein Geschenk die Strafe nicht abwenden, die ihm dann droht. Er wird dann die Konsequenzen seiner Unbeugsamkeit tragen müssen.
Hiob darf nicht denken, dass seine Anstrengungen ihm einen gewissen Schutz vor Gott gewährten (Vers 19). Er mag seine Kraft – zu Recht – als Beweis für Gottes Güte angesehen haben. Er hat auch hart gearbeitet, und Gott hat diese Arbeit gesegnet. Hat er sich dabei ein wenig auf seine Anstrengungen und seine Kraft verlassen? Hat er sie manchmal als sein eigenes Verdienst und nicht so sehr als eine Gunst Gottes angesehen? Ist der Gedanke aufgekommen, dass Gott auch verpflichtet war, ihm seine Kraft zu geben?
Jetzt, wo er alles verloren hat, hat er das Vertrauen in sich selbst noch nicht verloren. Weil er alles verloren hat und das Gefühl hat, dass er auch Gott verloren hat, sehnt er sich nach der Nacht (Vers 20). Damit meint er, dass Gott ihn wegnehmen sollte. Er hat diesen Wunsch schon einmal geäußert (Hiob 7,15). Elihu sagt ihm, dass er das nicht mehr tun soll. Sonst wird er untergehen wie die Völker, die aus ihrem Land vertrieben werden und in die Verbannung gehen.
Hiob möge sich davor hüten, seine Zuflucht zum Frevel zu nehmen, sei es, dass er ihn selbst begeht, oder sei es, dass er sich denen anschließt, die Frevel begehen (Vers 21). Es mag eine Perspektive bieten, um das Elend zu vergessen, aber mit der Zeit wird klar werden, wie sehr er sich geirrt hat. Es ist immer eine falsche Entscheidung, unseren natürlichen Neigungen zu folgen, anstatt Buße zu tun und sich vor Gott zu beugen (Vers 16). Und so befindet sich Hiob an einem Scheideweg. Welche Entscheidung wird er treffen?
22 - 25 Erhebe Gottes Tun!
22 Siehe, Gott handelt erhaben in seiner Macht; wer ist ein Lehrer wie er? 23 Wer hat ihm seinen Weg vorgeschrieben, und wer dürfte sagen: Du hast unrecht getan? 24 Erinnere dich daran, dass du sein Tun erhebst, das Menschen besingen. 25 Alle Menschen schauen es an, der Sterbliche erblickt es aus der Ferne.
Vers 22 beginnt mit „siehe“, ebenso Vers 26 und Vers 30. Elihu kehrt zu seinem Ausgangspunkt (Vers 5) zurück und weist Hiob auf die hohe Erhabenheit hin, die Gott durch seine Macht hat. Er ist der allmächtige Gott, der alles in der Hand hat und alles nach seinem Ratschluss lenkt. Als weit über den Menschen stehend, beugt Er sich zu diesen niedrigen Menschen herab, um sie zu unterweisen. Er tut dies auf eine unnachahmliche Weise. Niemand ist ihm als Lehrer annähernd ebenbürtig.
Gott gibt seine Unterweisung in der Schöpfung und im Leben der einzelnen Menschen. Elihu sagt hier gleichsam zu Hiob, dass Gott ihm in der Ausübung seiner Macht Lektionen zu lernen gibt. In allem, was Gott über Hiob gebracht hat, zeigt Er, dass Er Hiob sagen will, wer Er ist und wer Hiob ist. Hiob erhält Privatunterricht von Gott, denn Gott ist zutiefst an Hiob interessiert und kümmert sich um ihn.
Gott stellt seine Lektionen für Hiob und für jeden Menschen selbst zusammen (Vers 23). Niemand schreibt sie Ihm vor. Niemand sagt Ihm, wie Er unterrichten soll, welche praktischen Übungen Er durchführen muss. Und niemand kann Ihm sagen, dass Er der seinem Unterricht, den Er für jeden Menschen vorgesehen hat, Unrecht hinzufügt. Er stellt das Paket mit der Sorgfalt zusammen, die Ihm eigen ist. Niemals trägt Er jemandem mehr auf, als er oder sie ertragen kann (1Kor 10,13). Er kennt uns durch und durch und weiß genau, was wir lernen müssen, und darauf passt Er den Unterricht an. Alle seine Werke sind besondere Lektionen für uns.
Deshalb ist es angemessen, dass Hiob Gottes Tun erhebt (Vers 24), anstatt sich darüber zu beklagen. Gottes Taten laden uns ein, sie zu besingen. Das haben die Menschen durch die Jahrhunderte hindurch getan, und es ist gut, dass wir das auch tun. Dazu wurden wir auch geschaffen. Wegen der Sünde tun die Menschen das nicht mehr. Wenn wir durch das Blut Christi gerettet sind, haben wir umso mehr Grund, Gottes Werk der Erlösung zu besingen.
„Alle Menschen“, ohne Ausnahme, sehen die Sonne, den Mond und die Sterne; sie sehen die Stürme, den Regen und die Blitze (Vers 25). In ihnen können sie seine erhabene Macht wahrnehmen. Alle Menschen sehen auch sein Wirken im Leben anderer Menschen, wenn Er sie in Prüfungen bringt, oder in Katastrophen in der Natur. Im Vergleich dazu ist der Mensch nichtig. Elihu spricht daher von „dem Sterblichen“. Er steht da, betrachtet sie und steht in einer großen, unermesslichen Entfernung von ihr.
Diese Entfernung ist wörtlich zu nehmen, wenn es sich um Himmelskörper handelt. Diese Distanz ist geistlicher Natur, wenn es um Dinge geht, die einen persönlich betreffen können. Die Freunde sahen Hiobs Leiden aus der Ferne (Hiob 2,12). Die Entfernung in Kilometern ist nicht geblieben, weil sie zu ihm gegangen sind und sich mit ihm zusammengesetzt haben, aber die geistliche Entfernung, was das Verständnis von Hiobs Leiden angeht, ist geblieben.
26 - 29 Gott ist groß und wir begreifen Ihn nicht
26 Siehe, Gott ist zu erhaben für unsere Erkenntnis; die Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich. 27 Denn er zieht Wassertropfen herauf; vom Dunst, den er bildet, träufeln sie als Regen, 28 den die Wolken rieseln [und] tropfen lassen auf viele Menschen. 29 Versteht man [etwa] das Ausbreiten des Gewölks, das Krachen seines Zeltes?
Wie groß Gott ist, übersteigt unser Verständnis (Vers 26). Ob es sich um seine Kraft und Macht, seine Weisheit und Erkenntnis, seine Liebe und Gnade, seinen Ratschluss und seine Absichten handelt, wir Menschen können das Ausmaß dieser Dinge nicht begreifen. Auch „die Zahl seiner Jahre“ können wir nicht ergründen, denn Er ist ewig. Das zeigt uns unsere Kleinheit und Begrenztheit als Geschöpfe und die Torheit unserer Versuche, Gottes Handeln und die Gründe dafür zu verstehen.
Das Wort „denn“ (Vers 27) ist die Einleitung zu einer Reihe von Beispielen, die Gottes Größe, Allmacht und Weisheit für den Sterblichen beweisen und auch seine Unergründlichkeit deutlich machen. Elihu beginnt mit der Entstehung der „Wassertropfen“. Dies ist etwas, das für fast alle Menschen und alle Nationen offensichtlich ist. Aber wer ist sich schon bewusst, wie das geschieht, dass Gott so wirkt, wie Elihu es hier beschreibt? Unmerklich für den Menschen zieht Gott durch die Hitze der Sonne Wassertropfen in Form von Dampf empor (Ps 135,7; Amos 5,8). Dann werden diese Tropfen in Form von Regen auf die Erde ausgegossen.
Aus den aufgestiegenen Wassertropfen formt Er die Wolken und bündelt das aufgestiegene Wasser gleichsam zu Wolken (Vers 28). Er bestimmt auch den Lauf der Wolken, um den Regen „den die Wolken rieseln [und] tropfen lassen auf viele Menschen“, d. h. auf ihre Felder, herabträufeln zu lassen. So sorgt Er für sie und zeigt ihnen seine Güte (Mt 5,45b; Apg 14,17). Der Mensch kann nur beobachten, manchmal sogar voraussagen, aber er kann nicht begreifen, wie Gott dabei vorgeht.
Wie sich die Wolken unter dem Himmel über der Erde ausbreiten, ist für den Menschen ebenfalls unbegreiflich (Vers 29). Eine Wolke kann klein anfangen und mit der Zeit den ganzen Himmel schwarz machen (1Kön 18,44). Wer kann verstehen, wie Er die Wolken ausbreitet, sie dann vertreibt und sie an anderer Stelle wieder neu entstehen lässt? Die Wissenschaft kann manchmal vorhersagen, wo und wann es Wolken geben wird, aber sie kann die Wolken nicht erzeugen oder vertreiben oder ihren Kurs bestimmen.
Die Wolken sind für Gott wie „sein Zelt“ (Ps 18,12; 97,2). Von dort aus sendet Er seine Befehle und lässt das Dröhnen seiner Stimme in den Donnerschlägen erschallen. Wir können das beobachten, aber es ist unmöglich für uns zu begreifen, warum Gott das tut.
30 - 33 Gott spricht in Blitz und Donner
30 Siehe, er breitet sein Licht um sich aus, und die Gründe des Meeres bedeckt er. 31 Denn dadurch richtet er Völker, gibt Speise im Überfluss. 32 Seine Hände umhüllt er mit dem Blitz, und er entbietet ihn gegen denjenigen, den er treffen soll. 33 Sein Rollen kündigt ihn an, sogar das Vieh sein Heranziehen.
Während des dröhnenden Gewitters breitet Gott sein Licht durch Blitze über die Erde aus (Vers 30). Das tut Er in der Höhe, in der Luft. Durch „sein Licht“ bedeckt Er „die Gründe des Meeres“. Die Gründe – hebräisch „Wurzeln“ – des Meeres sind die dunkelsten Orte und für uns unsichtbar. Diese dunklen Tiefen des Meeres sind vor Gott, der Licht ist, nicht verborgen. Gottes Größe zeigt sich in den höchsten und niedrigsten Regionen der Schöpfung. Er ist überall und Er regiert überall. Er ist im Licht der Blitze und in der undurchdringlichen Dunkelheit der Wassertiefen.
Er kann den Regen zum Gericht über die Völker einsetzen, indem Er durch den Regen eine Flut verursacht (Vers 31; vgl. 1Mo 7,11.23). Er kann den Regen auch zum Segen einsetzen, um das Land zu befeuchten, damit Getreide und andere landwirtschaftliche Produkte, die vom Regen abhängen, gut wachsen und es „Nahrung in Hülle und Fülle“ gibt.
Die Blitze, die uns erschrecken, werden von seinen Händen umhüllt (Vers 32). Das heißt, der Blitz kommt aus seiner Hand und wird von seiner Hand zu seinem Ziel geführt. Er bestimmt das Ziel des Blitzes, wo er in die Erde einschlagen wird. Wir können auf den Blitz warten, aber wir wissen nie, wann genau er kommt, wie er verläuft und wohin er geht. Der Zeitpunkt, die Geschwindigkeit und die Richtung des Blitzes sind für uns unvorhersehbar und nicht zu befolgen.
Wenn Gott Regen gibt, kündigt Er ihn an (Vers 33). Wir hören ein entferntes Grollen und wissen, dass ein Gewitter kommt. Das ist sein Rollen. Sein Rollen verkündet, dass Er selbst kommt. Die Tiere, das Vieh, spüren instinktiv, dass sich ein Sturm nähert, was sich in ihrem Verhalten widerspiegelt. Ihr Verhalten kündigt Ihn also auch an. Das Vieh reagiert auf sein Reden und sein Kommen. Aber der Mensch erkennt Ihn oft nicht, wenn Er spricht und seine Gegenwart zeigt.