Einleitung
Elihu hat in den letzten Versen des vorigen Kapitels (Hiob 36,26–33) deutlich gemacht, dass Gott in seiner Souveränität die Kontrolle über die Natur hat. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Er die Kontrolle über alle Dinge hat. In diesem Kapitel fährt er fort, Gottes Kontrolle über die Natur zu beschreiben. In den Versen 1–12 nennt er weitere Beispiele für „große Dinge“, die Gott in der Natur tut und die wir nicht verstehen (Vers 5).
In Vers 13 sagt Elihu, welche Auswirkungen Gottes Herrschaft über die Natur auf die Menschen hat. Was Gott tut, kann Schmerzen verursachen, es kann aber auch Erleichterung bringen. Als Elihu zu diesem Punkt kommt, wendet er sich wieder an Hiob, um diese Wahrheiten auf seine Situation anzuwenden (Verse 14–24).
1 - 4 Das Getöse der Stimme Gottes
1 Ja, darüber erzittert mein Herz und fährt auf von seiner Stelle. 2 Hört, hört das Getöse seiner Stimme und das Grollen, das aus seinem Mund hervorgeht! 3 Er sendet es aus unter den ganzen Himmel, und seinen Blitz bis zu den Säumen der Erde. 4 Nach dem Blitz brüllt eine Stimme; er donnert mit seiner erhabenen Stimme und hält die Blitze nicht zurück, wenn seine Stimme gehört wird.
Elihu fährt fort, von Gottes Stimme im Donner zu sprechen (Vers 1), womit er im vorigen Kapitel begonnen hat. Ja, „darüber“, zittert sein Herz und springt von seinem Platz auf. Es ist keine Angst, sondern tiefe Ehrfurcht vor diesem Ausdruck der Majestät Gottes. Was er Hiob in seiner Beschreibung dieser Majestät sagt, berührt ihn selbst. Er steht gewissermaßen mit zitternden Beinen da. Er erteilt Hiob keinen Naturkundeunterricht, sondern empfindet selbst die Größe dessen, was er beschreibt, und gibt weiter, was er in der Schöpfung von Gottes ewiger Macht und Göttlichkeit hört (Röm 1,20). Daran sehen wir wieder, wie sehr er an der Seite Hiobs vor Gott steht. Dies ist notwendig, um einem anderen dienen zu können.
Elihu fordert Hiob auf, „das Getöse seiner Stimme“ zu hören (Vers 2). „Das Grollen, das aus seinem Mund hervorgeht“, ist das Geräusch des herannahenden Donners. Dies ist ein beeindruckender Ton, keine klar gesprochenen Worte. Es wird empfohlen, hierzu Psalm 29 zu lesen (Ps 29,1–11). In diesem Psalm wird in eindrucksvoller Weise die Majestät Gottes in einem Gewitter beschrieben. Wenn man aufmerksam zuhört, kann man daraus Lektionen ziehen.
Wenn der Donner der Stimme Gottes rollt, rollt diese Stimme „unter den ganzen Himmel“ (Vers 3). Nationale Grenzen zählen nicht, ebenso wenig wie alle anderen Arten von Unterschieden auf der Erde. Jeder wird davon angesprochen. Das Gleiche gilt für sein Licht, den Blitz. So weit das Auge über die Erde reicht, geht sein Blitz über den Horizont unseres Blickfeldes hinaus. Was Elihu hier sagt, mag uns an das Kommen des Herrn Jesus auf die Erde erinnern, um zu richten. Der Herr selbst sagt dazu: „Denn ebenso wie der Blitz ausfährt vom Osten und leuchtet bis zum Westen, so wird die Ankunft des Sohnes des Menschen sein“ (Mt 24,27).
Nach dem Blitz bricht ein ohrenbetäubender Donner los. Das ist das Brüllen der Stimme Gottes (Vers 4). Das Donnern ist die Stimme seiner Majestät; „die Stimme des HERRN ist majestätisch“ (vgl. Ps 29,4). Dann, nachdem „seine Stimme gehört wird“, kommen die Dinge, die Er nicht zurückhält. Dies bezieht sich auf den Regen und den Sturm, die auf Blitz und Donner folgen (Jer 10,13). Seine Stimme kündigt etwas an und das kommt auch. Er geht nicht betrügerisch zu Werke.
5 - 13 Gott tut große Dinge
5 Gott donnert wunderbar mit seiner Stimme; er tut große Dinge, die wir nicht begreifen. 6 Denn zum Schnee spricht er: Falle zur Erde! – und zum Regenguss und zu den Güssen seines gewaltigen Regens. 7 Er lähmt die Hand jedes Menschen, damit alle Menschen sein Werk kennen lernen. 8 Und das Wild geht in sein Versteck und bleibt in seinen Höhlen. 9 Aus der Kammer [des Südens] kommt Sturm und von den Nordwinden Kälte. 10 Durch den Odem Gottes entsteht Eis, und die Breite der Wasser zieht sich zusammen. 11 Auch belädt er mit Wasserfülle das Gewölk, breitet weithin aus seine Blitzwolken. 12 Und unter seiner Leitung wenden sie sich ringsumher zu ihrem Werk, zu allem, was er ihnen gebietet, über die Fläche des Erdkreises hin, 13 sei es, dass er sie zur Geißel oder für seine Erde oder zur [Erweisung seiner] Gnade sich entladen lässt.
Elihu, und wir mit ihm, können nur sagen, dass Gott „wunderbar mit seiner Stimme donnert“ (Vers 5a). Die Stimme seines Donners ist eine wunderbare Demonstration seiner Majestät und Macht. Nicht nur die Stimme ist wunderbar, sondern auch das, was die donnernde Stimme Gottes bewirkt. Bisweilen zerspringen durch sie Felsen und Berge, die Erde erbebt, und mächtige Bäume brechen wie Streichhölzer (Ps 29,5–9).
Mit Vers 5a endet die Beschreibung des Gewitters. Die „großen Dinge“ in Vers 5b beziehen sich nicht nur auf das Gewitter, sondern auch auf die Dinge, die Elihu weiter unten erwähnt. Sie alle haben gemeinsam, dass wir feststellen müssen, dass wir sie „nicht begreifen“. Alle Naturphänomene sind Ausdruck davon, wer Gott ist. Sie verweisen auf Ihn. Wie Er in ihnen wirkt und sie lenkt, bleibt für den Menschen eine unbegreifliche Angelegenheit.
Es wurden Theorien über ihren Ursprung entwickelt. Durch die Forschung können die Menschen inzwischen den Ursprung einer Reihe von Naturphänomenen teilweise auf der Grundlage von Ursache und Wirkung erklären. Für sie ist das Wunder damit erklärt und verschwunden. Mit diesem Handicap waren Elihu und seine Zeitgenossen noch nicht belastet. Aber was die Menschen mit all ihrem Verstand niemals tun können, ist, ein Gewitter auszulösen oder zu stoppen. Sie können Naturgesetze entdecken und anwenden, sie aber niemals ändern. Es bedarf des Glaubens an Gott, um die Wunder der Natur auch weiterhin zu bestaunen und sie als Ausdruck seiner Gegenwart in diesen zu sehen.
Um so weit zu kommen, braucht es den Glauben an das größte und unbegreiflichste Wunder, und das ist, dass Gott seinen Sohn gab, um eingebildete und stolze Geschöpfe zu retten. Wer das glaubt, kann nicht anders, als Gott für dieses Wunder seiner Gnade zu preisen. Je mehr wir durch das Studium des Wortes Gottes in das eindringen, was Christus für die verlorenen Sünder getan hat, und je mehr wir uns unserer eigenen Sündhaftigkeit bewusst werden, desto mehr werden wir das Unbegreifliche daran erkennen. Sie wird uns zu großer Dankbarkeit und einem Leben führen, das Ihm hingegeben ist. Dann ist es auch keine Frage mehr, wie die Welten und die Naturgesetze entstanden sind, denn wir werden das „durch Glauben“ (Heb 11,3) verstehen.
Niemand außer Gott allein kennt den Ursprung des Schnees, und Er allein weiß, wo er auf die Erde fällt (Vers 6). Zwar wurden physikalische Erklärungen für den Prozess der Schneebildung lange nach Hiob entdeckt, aber wie der Prozess als solcher entstanden ist, ist unbekannt. Hier erfahren wir, dass der Schnee auf Befehl Gottes entsteht und dass Er ihm befiehlt, auf der Erde zu sein. Die Naturerscheinungen sind da, weil Gott sie befohlen hat (Ps 148,8). Mit derselben befehlenden Stimme hat Er die ganze Welt erschaffen (Ps 33,6.9).
Gerade weil wir heute wissen, wie der Schnee entsteht, wird unsere Bewunderung für Gott als Urheber des Schnees nur noch größer werden. Alles, was wir von Gottes Wirken in der Natur sehen und entdecken, bringt uns zu einer noch größeren Bewunderung für Ihn. Was wir zunächst zu Recht bewunderten, ohne die Naturgesetze zu kennen, beten wir nun umso mehr an, da wir nun auch wissen, wie Gott es gemacht hat.
Was Elihu über den Schnee sagte, gilt auch für die Wolkenbrüche. Er nennt sie „Güsse seines gewaltigen Regens“. Auf seinen Befehl hin fallen sie in dem von Ihm bestimmten Maß auf die Erde herab. Sie können erfrischende Schauer sein, aber auch verheerende sintflutartige Regenfälle. Er und nur Er allein gibt den Regen und Er allein bestimmt seine Menge und den Ort, an dem er fällt.
Wenn Schnee und Starkregen auf die Erde fallen, ist der Mensch in seinen Aktivitäten im Freien behindert (Vers 7). Gott „lähmt die Hand jedes Menschen“, was bedeutet, dass er nichts tun kann. Gegenüber den Naturgewalten ist er machtlos. Gott spricht dadurch zu „allen Menschen“. Er macht ihnen sein Wirken bewusst, dass Er am Ruder des Lebens steht und dass jeder Mensch von Ihm abhängig ist. Menschen können nicht ständig tun, was sie wollen.
Die Lähmung [eigentlich: Versiegelung] der Hand eines jeden Menschen ist dazu gedacht, den Menschen zum Innehalten zu bringen und ihm Zeit zu geben, an seinen Schöpfer zu denken. In der Praxis geschieht dies in allen landwirtschaftlichen Betrieben im Winter, wenn Bodenfrost und Schneefall die Bearbeitung des Bodens für mehrere Monate unmöglich machen. Die vielen Gläubigen, die ihre Arbeit auf den Feldern haben, erhalten so die Möglichkeit, sich so viel wie möglich mit dem Wort Gottes zu beschäftigen und darüber belehrt zu werden.
Gott hat den wilden Tieren den Instinkt gegeben, während des Schnees und des Regens im Winter in ihre Unterschlüpfe zu gehen und in ihren Höhlen zu bleiben, solange der Schnee und der Regen anhalten (Vers 8). Für die Menschen ist das Sprechen Gottes durch Schnee und Regen ein Aufruf, sich an Ihn zu erinnern. Möglicherweise sind die Tiere hierin ein Beispiel für den Menschen, und der Mensch kann daraus eine Lektion ziehen. Diese Lektion besteht darin, dass der Mensch in einer Zeit geistlicher Kälte Zuflucht bei Gott sucht, indem er zu Christus Zuflucht nimmt.
In Vers 9 bringt Elihu „Sturm“ und „Kälte“ zur Sprache. Er zeigt, woher sie kommen. Der Sturm kommt aus „der Kammer [des Südens]“. Die Kälte wird durch Winde aus dem Norden verursacht, die Schnee und Regen über die Erde verteilen. Elihu will damit sagen, dass all diese Dinge unter der Kontrolle Gottes stehen, ob es sich nun um den heißen Wüstenwind oder den kalten Nordwind handelt.
Auch das Entstehen des Eises ist ein Werk Gottes (Vers 10). Physikalisch geschieht es durch den eisigen Wind, aber in Wirklichkeit geschieht es „durch den Odem Gottes“. Dieser Odem ist so mächtig, dass nicht nur kleine Gräben, sondern sogar „die Breite der Wasser“ erstarren. Was einst flüssig war, wird durch den Odem Gottes in eine feste Masse verwandelt, die nicht durchbrochen werden kann.
Die riesigen Eismassen in den Polarregionen sind durch seinen Odem entstanden und existieren daher auch weiterhin. Das macht einmal mehr deutlich, dass Gott der Schöpfer und Gestalter der Naturerscheinungen ist. Hier können wir an den Herrn Jesus denken, der das Wort Gottes ist und von dem geschrieben steht: „Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, das geworden ist“ (Joh 1,3).
So wie Gott das Wasser auf der Erde beherrscht und es in Schnee und Eis verwandeln kann, beherrscht Er auch das Wasser in der Luft, indem Er es zu Wolken sammelt (Vers 11). So werden sie zu großen Wasserreservoirs, die mit „Wasserfülle“ beladen sind. Ganz gleich, wie schwer die Wolken auch sein mögen, Gott behält sie unter seiner Kontrolle. Seine mächtige Hand leitet sie, wohin Er will. Ebenso verbreitet Er während der Dunkelheit der Regenwolken sein Licht über die Erde durch eine leuchtende Wolke, d. h. durch den Blitz, der aus dieser Wolke kommt.
Auch die leuchtende Wolke wird von Ihm beherrscht (Vers 12). Hinter dem Lauf einer Wolke verbirgt sich seine weise, gebietende Leitung. Er bestimmt nicht nur ihren Kurs, sondern auch ihre Wirkung. Jede Wolke, wo auch immer sie über der Erde schwebt, ist nicht zufällig dort, sondern wurde von Gott mit einer bestimmten Absicht dort platziert. Die Wolke wird alles, was Gott befiehlt, widerstandslos irgendwo „über die Fläche des Erdkreises hin“ tun.
Was eine Wolke tun muss, wird in Vers 13 beschrieben. Gott bestimmt über die Wolken und Blitze und setzt sie ein, um seinen Ratschluss zu verwirklichen. Das Gebiet, das Er im Auge hat, ist „seine Erde“. Gemeint sind die Erde und die Menschen, die auf ihr leben (Ps 24,1). Mit Blick auf sie setzt Gott die Elemente der Natur ein. Mit seinem Reden durch das, was Er in der Natur tut, hat Er ein zweifaches Ziel vor Augen.
Er kann die Elemente als „Geißel“ einsetzen. Das bedeutet, dass Er Gewitter, Regen, Blitze, Schnee und Ähnliches als Zuchtmittel einsetzen kann, um Menschen von einem falschen Weg abzubringen. Naturkatastrophen und Missernten sind immer ein Reden Gottes zu den Menschen, um sie zur Besinnung zu bringen. Er kann auch die Wetterverhältnisse „zur Erweisung seiner Gnade sich entladen“ lassen, was die Menschen veranlassen wird, Ihm für seine Taten zu danken. Reichhaltige Ernten aufgrund günstiger Wetterbedingungen sind ein Beweis für seine Güte.
Wir sehen hier, dass Elihu mehr im Sinn hatte, als nur Hiob von der Macht Gottes in der Natur zu beeindrucken. Er stellt in diesem Vers eine direkte Verbindung zwischen der Herrschaft Gottes über die Natur und seiner Herrschaft über das Leben der Menschen her. Mit anderen Worten: Er zeigt hier, wie das unergründliche Geheimnis der Wege Gottes in der Natur mit dem unergründlichen Geheimnis seiner Wege mit dem Menschen zusammenfällt. Es ist die direkte Vorbereitung auf die Reden Gottes in den folgenden Kapiteln. Elihus Rede erreicht somit einen Höhepunkt.
14 - 24 Die Schlussworte Elihus an Hiob
14 Nimm dies zu Ohren, Hiob; stehe und betrachte die Wunder Gottes! 15 Weißt du, wie Gott sie belädt und den Blitz seines Gewölks leuchten lässt? 16 Verstehst du dich auf das Schweben der Wolke, auf die Wundertaten des an Wissen Vollkommenen? 17 Du, dessen Kleider heiß werden, wenn das Land schwül wird von Süden her, 18 kannst du wie er das Himmelsgewölbe ausbreiten, fest wie ein gegossener Spiegel? 19 Tu uns kund, was wir ihm sagen sollen! Wir können vor Finsternis nichts vorbringen. 20 Soll ihm gemeldet werden, dass ich reden wolle? Wenn jemand [zu ihm] spricht, er wird gewiss verschlungen werden. 21 Und jetzt sieht man das Licht nicht, das am Himmelsgewölbe leuchtet; aber ein Wind fährt daher und reinigt es. 22 Aus dem Norden kommt Gold – um Gott ist furchterregende Pracht; 23 den Allmächtigen, den erreichen wir nicht, den Erhabenen an Kraft; und das Recht und die Fülle der Gerechtigkeit beugt er nicht. 24 Darum fürchten ihn die Menschen; er sieht keine an, die weisen Herzens sind.
Nach dem Höhepunkt in Vers 13 kommt Elihu zu seinen Schlussworten. Darin wendet er sich an Hiob (Vers 14). Er bittet ihn, „dies zu Ohren“ zu nehmen, d. h. die Lektionen aus der Herrschaft Gottes über die Natur. Dazu muss Hiob eine Haltung der Ehrfurcht und der Aufmerksamkeit einnehmen und „die Wunder Gottes“ betrachten, die Er in der Natur offenbart. Wenn er bereit ist zu hören, wird er die Wunder Gottes in sich aufnehmen und sein Geist wird von der Ehrfurcht erfüllt sein, die Ihm gebührt.
Ab Vers 15 stellt Elihu Hiob einige Fragen, die ihm vor Augen führen sollen, wie unwissend er tatsächlich ist und wie unfähig er ist, Gott in seinem Umgang mit ihm zu beurteilen. In diesem Licht sollte ihm klar werden, dass es ihm absolut nicht zusteht, Gott zur Rechenschaft zu ziehen. Er weiß gar nichts und Gott weiß alles.
Diese Methode der Belehrung in Form von Fragen ist die gleiche Methode, die Gott in seiner Ansprache an Hiob in den folgenden Kapiteln verwendet. Gott wird nichts anderes tun, als Hiob dieselbe Art von Fragen zu stellen, nur viel ausführlicher und mit dem Ergebnis, dass Hiob vor Ihm auf die Knie sinkt.
Die erste Frage Elihus bezieht sich auf die Ordnung, die Gott in seinen Werken geschaffen hat und durch die Er sie regiert (Vers 15). Hat Hiob eine Vorstellung davon, wie Gott alle seine Werke miteinander verbindet und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen? Natürlich nicht. Auch auf die Frage, wie Gott „den Blitz seines Gewölks leuchten lässt“, muss er die Antwort schuldig bleiben.
Die folgende Frage an Hiob lautet, ob er weiß, wie die Wolken schweben (Vers 16). Hiob kennt die Antwort nicht. Er hatte keine Kenntnis von den Naturgesetzen, die der Mensch im Lauf der Zeit entdeckt hat. Er kann sie nur mit stummer Verwunderung betrachten und sich fragen, wie die schweren, mit Wasser gefüllten Wolken noch schweben können. Es kann nicht anders sein als durch die mächtige Hand Gottes. Wie Er das macht, ist unmöglich zu erklären. Wissen wir mit all unserer Kenntnis der Physik die Antwort? Wir wissen es ebenso wenig. Wir sehen die Gesetzmäßigkeiten, aber wie sie entstanden sind, wissen wir nicht ohne die Offenbarung Gottes in seinem Wort.
Gott, der all diese Wunder tut, ist der Vollkommene an Wissen. Derjenige, der in der Lage ist, eine solche Ordnung in der Natur zu schaffen und die Wolken schweben zu lassen, muss alles wissen (1Sam 2,3b). Er hat vollkommene Kenntnis in sich selbst und von allen seinen Werken, von allem, was außerhalb von Ihm ist, von der ganzen Schöpfung und von jedem Menschen, denn alles ist von Ihm gekommen. Im Gegensatz dazu ist der Mensch ein völlig unwissendes Geschöpf.
Die Temperatur liegt ganz in Gottes Hand. Weiß Hiob, wie die Temperatur so hoch steigen kann, dass ihm heiß wird und seine Kleider am Körper kleben (Vers 17)? Er weiß, dass der Südwind Hitze bringt (Lk 12,55), aber weiß er auch, wie Gott die Erde schwül macht und diesen Wind aus dem Süden wehen lässt?
Und was kann er dagegen machen? Er hat Gott doch nicht dabei geholfen, den Himmel auszubreiten, der während der Hitze „fest wie ein gegossener Spiegel“ (Vers 18) ist? Das hat Gott ganz allein getan (vgl. Jes 44,24b). Hiob kann den Wolken nicht befehlen, die Hitze zu dämpfen. Das kann nur Gott tun. Was kann Hiob anderes tun, als die Hitze zu ertragen? Wenn die Dinge so liegen, was kann ein so schwaches, hilfloses und unwissendes Menschenkind gegen Gott vorbringen, wenn Er mit ihm handelt?
Elihu ist sich seiner eigenen Unwissenheit über die Dinge, die er Hiob über Gott erzählt hat, bewusst. Aber vielleicht weiß Hiob mehr und will ihm und allen anderen sagen, was sie Gott sagen sollen (Vers 19). Schließlich hatte Hiob Gott gesagt, dass er seinen Fall vor Ihm darlegen wolle (Hiob 13,3.18–22). Er würde Gott wissen lassen, dass Gott nicht gut mit ihm verfuhr. Elihu fühlt sich selbst im Dunkeln, wenn es darum geht, Gott zu beurteilen, und so wird es auch jedem gehen, der auf Gott in seiner Regierung über die Natur blickt. Wer wagt zu behaupten, dass er Gottes Handeln ergründen kann? In den Worten Elihus liegt eine sanfte Ermahnung an Hiobs Adresse.
Elihu weiß, dass niemand Gott zu sagen braucht, was er (Elihu) gesagt hat (Vers 20). Gott weiß nämlich schon längst alles (Ps 139,4). Wenn jemand meint, dies tun zu müssen, weil er denkt, dass Ihm etwas entgangen ist, und Ihn korrigieren will, dann wird er „verschlungen“ werden. Ein solcher Mensch wird, wenn er zu Gott geht, um Ihn zu informieren, von dem Bewusstsein der Allwissenheit Gottes überwältigt werden. Wenn es darum geht, Gott in seiner Regierung zu beurteilen, tut jeder gut daran, zu schweigen: „Alles Fleisch schweige vor dem HERRN“ (Sach 2,17a).
Abgesehen davon, dass wir nichts über das, was Gott tut, sagen können, sehen wir auch nichts davon; wir sind blind dafür (Vers 21). Uns fehlt das Licht über das, was Gott tut; es ist vor uns durch die Wolken verborgen. Wir sehen die Wolken. Was Gott mit ihnen tun wird, entgeht uns. Aber das Licht leuchtet über ihnen, das dürfen wir wissen. Und zu seiner Zeit wird Er die Wolken durch den Wind vertreiben. Dann wird der Himmel hell.
Wir können dies auf unser Leben anwenden. Die Wolken sind ein Bild für die Prüfungen und Schwierigkeiten, die es in unserem Leben geben kann. Dann sehen wir das Licht nicht, aber wir wissen, dass es da ist. Wir wissen, dass Er über unseren Schwierigkeiten steht, auch wenn es schwierig ist, Ihn zu sehen. Wenn der Moment kommt, in dem Er die Wolken vertreibt, wird das Licht sichtbar. Wir sehen Ihn. Vielleicht sind die Schwierigkeiten nicht verschwunden, aber Er zeigt uns, wozu sie dienen.
Wenn der Himmel von Gott gereinigt ist, scheint es, als sei mit dem Wind aus dem Norden Gold gekommen, das Gold des strahlenden Wetters (Vers 22). Mit diesen letzten Worten Elihus wird Hiob gleichsam auf das Gold des Redens Gottes selbst vorbereitet. In der Anwendung auf unser Leben können wir sagen, dass es nicht nur hell geworden ist, sondern auch bereichert. Die Läuterung des Glaubens ist kostbarer als geläutertes Gold (1Pet 1,7). Wir haben einen tieferen Eindruck von Gottes „furchterregender Pracht“ gewonnen, als wir zuvor hatten. Er hatte und hat alles in der Hand und steuert die Wolken in unserem Leben.
Elihu rundet seine Schlussworte mit einer Art Fazit ab. Er weist darauf hin, dass er und andere „den Allmächtigen“ nicht erreichen können (Vers 23). Was er damit meint, ist das, was er dann über Gott sagt. Gott ist unerreichbar und unermesslich in der Erhabenheit seiner Kraft. Seine Fülle und seine Gerechtigkeit sind unbeugsam und unbestechlich. Niemals tut Er etwas, was dem Recht, der Rechtmäßigkeit einer Sache, mit der Er sich beschäftigt, widerspricht. Das gilt auch für Hiob.
Darüber hinaus ist Er gerecht im Gebrauch seiner Mittel. „Fülle der Gerechtigkeit“ ist wörtlich „höchst gerecht“. In allen Mitteln, die Ihm zur Verfügung stehen, leuchtet seine Gerechtigkeit auf, Er quillt über vor Gerechtigkeit, das ist sein Kennzeichen. Das bedeutet auch, dass Er die Fülle der Gerechtigkeit nicht beugt. Alle seine vollkommenen Eigenschaften setzt Er so ein, dass in seinem Umgang mit den Menschen jede unsensible oder barbarische Härte fehlt.
Aufgrund dieser Eigenschaften, die Er zum Nutzen der Menschen einsetzt, fürchten sie Ihn, d. h. sie haben Hochachtung und Ehrfurcht vor Ihm (Vers 24; vgl. Ps 130,4). Es ist eine allgemeine Furcht vor Gott, wenn sie die Offenbarung seiner Macht sehen (Off 15,4). Diejenigen, die „weisen Herzens“ sind, sind Menschen, die ihre eigene Meinung über Gott haben und Ihm sagen wollen, wie Er regieren soll. Es fehlt ihnen die Ehrfurcht vor Ihm. Deshalb sieht Er sie nicht an, Er würdigt sie keines Blickes.
Damit hat Elihu gesagt, was er auf dem Herzen hatte. Die drei Freunde Hiobs glaubten, dass das Leiden das Ergebnis davon ist, dass Gott „kurzen Prozess“ gemacht hat. Sie hielten sich bei der Beurteilung des Leidens an das, was man eine „Kompensationstheologie“ nennen könnte. Diese Theologie geht davon aus, dass es eine Beziehung zwischen gerechtem Verhalten und Wohlstand, und zwischen sündigem Verhalten und Elend gibt. Elihu hat gezeigt, wie grundfalsch diese Theologie ist.
Hiob stellt die Regierung Gottes in seinem Leben in Frage. Aber von der Regierung Gottes in der Natur versteht er schon wenig. Elihu ermahnt Hiob daher, Gottes Weisheit in beiden Angelegenheiten anzuerkennen und Ihm zu vertrauen. Nachdem Elihu vom Erscheinen der Sonne nach dem Gewitter gesprochen hat, vom Kommen Gottes in seiner furchterregenden Pracht (Vers 22), ist die Zeit reif, dass Gott selbst Hiob auf wundersame Weise über seine Wege belehrt (vgl. Hiob 1,1). Darum geht es in den folgenden Kapiteln.