Einleitung
Elihus Worte sind „in Gnade“, aber „mit Salz gewürzt“ (Kol 4,6). Er spricht Hiob nicht als einen ungerechten Menschen an, sondern weist ihn auf seine falschen Aussagen hin, die er unbedacht gemacht hat. Außerdem wendet er sich nun an die drei Freunde.
1 - 4 Der Appell an weise Menschen
1 Und Elihu hob [wieder] an und sprach:
2 Hört, ihr Weisen, meine Worte, und ihr Kundigen, gebt mir Gehör!
3 Denn das Ohr prüft die Worte, wie der Gaumen die Speise kostet.
4 Erwählen wir für uns, was recht, erkennen wir unter uns, was gut ist!
Elihu gibt Hiob die Möglichkeit, auf seine Worte zu reagieren, aber Hiob bleibt stumm. Deshalb fährt Elihu mit seiner Antwort fort (Vers 1). Er wendet sich an die „Weisen“ und „Kundigen“ (Vers 2). Damit meint Elihu Hiobs Freunde. Indem er sich auf diese Weise an sie wendet, sagt er, dass sie ihren Platz als weise und kundige Menschen wieder einnehmen und aufhören sollten, Hiob unweise und törichte Dinge zu sagen.
Elihus Worte gelten für alle Weisen in jedem Zeitalter. Elihu spricht von Prinzipien, die immer und überall gültig sind. Er legt ihnen seine Worte zur Beurteilung vor. Das ist ein Hinweis für uns, das Gesagte zu beurteilen. Der Herr Jesus weist darauf hin, dass der Mensch diese Fähigkeit hat und aufgrund dessen dafür verantwortlich ist, sie zu nutzen, wenn Er sagt: „Warum richtet ihr aber auch von euch selbst aus nicht, was recht ist?“ (Lk 12,57). Auch Paulus fordert uns auf, zu beurteilen, was er sagt: „Beurteilt ihr, was ich sage“ (1Kor 10,15).
Elihu bezieht die weisen und kundigen Männer in seine Beurteilung der Aussagen Hiobs ein. Er fordert sie auf, auf seine Worte zu hören und ihm sorgfältig zuzuhören. Sie sollen seine Worte mit den Ohren prüfen, „wie der Gaumen die Speise kostet“ (Vers 3). In diesem Sinn beklagte sich Hiob darüber, dass seine Freunde unter dem Deckmantel „weiser Worte von Greisen“ Worte an ihn weitergaben, die keine Nahrung waren (Hiob 12,11.12). Worte und Lehren sind Nahrung für den Geist. Gute Worte sind gute Speise und schlechte Worte sind schlechte Speise. Elihu fordert Hiob und die Zuhörer auf, seine Worte zu prüfen.
Um zu wissen, wie etwas schmeckt, müssen wir es zuerst probieren. Etwas zu kosten ist nicht dasselbe wie es zu essen und herunterzuschlucken, sondern geht dem voraus. So müssen die Zuhörer die Worte Elihus kosten. Sie müssen sich seine Worte über und an Hiob anhören, sie hören und überlegen, ob sie richtig sind, ob sie Hiob und Gott gerecht werden, wie sie Gottes Handeln mit Hiob sehen sollen.
Wenn sie seine Worte geprüft haben, können sie ihre Wahl treffen (Vers 4). Es geht um die Entscheidung für das, „was recht“ ist. Dazu ruft Elihu auf, sowohl für sich selbst als auch für die Weisen. Er möchte mit ihnen gemeinsam „erkennen, was gut ist“. Auch für uns ist es wichtig, zunächst mit den Ohren zu prüfen, was gesagt wird, und erst dann unsere Bewertung abzugeben.
5 - 9 Hiob hat Gott beschuldigt
5 Denn Hiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott hat mir mein Recht entzogen. 6 Trotz meines Rechts soll ich lügen; meine Wunde ist unheilbar, ohne dass ich übertreten habe. 7 Wer ist ein Mann wie Hiob, der Hohn trinkt wie Wasser 8 und in Gesellschaft geht mit denen, die Frevel tun, und mit gottlosen Menschen Umgang hat? 9 Denn er hat gesagt: Keinen Nutzen hat ein Mann davon, dass er Wohlgefallen an Gott hat!
Elihu äußert keine Vermutungen, sondern bezieht sich auf das, was Hiob gesagt hat (Vers 5). Hiob hat gesagt, dass Gott ihm, der von sich selbst weiß, dass er nichts Böses getan hat, Unrecht getan hat, indem Er ihm sein Recht genommen hat. Hiob hat dies wörtlich gesagt (Hiob 12,4; 13,18; 27,2.6), aber es ist auch der ganze Tenor seiner Verteidigung.
Man fragt sich: Welches Recht hätte Hiob gehabt? Kann er und können wir vor Gott auf ein Recht Anspruch erheben, auf etwas, von dem wir Gott sagen können, dass Er es zu unterlassen hat? Wir haben schließlich kein anderes Recht vor Gott als das Gericht der Hölle, oder? Als Geschöpf haben wir kein Recht gegenüber dem Schöpfer (Röm 9,20), und als Sünder sollten wir ganz still sein (Röm 3,19).
Hiob fühlt sich völlig im Recht. Dabei empfindet er es auch so, dass das, was ihm widerfahren ist, ihn zum Lügner gemacht hat (Vers 6). Das haben ihm seine Freunde auch immer in verschleierten Worten gesagt. Sie haben immer gesagt, dass Hiob, weil er so viel leidet, wohl schwer gesündigt haben muss. Hiob leugnet, dass er gesündigt hat, aber seine Freunde glauben ihm nicht und deshalb ist er für sie ein Lügner.
In diese Lage ist er durch das gekommen, was Gott über ihn gebracht hat. Die Pfeilwunde wurde ihm vom Allmächtigen zugefügt, wie Hiob sagte (Hiob 6,4; 16,13). Damit meint er die Verhängnisse, die von Gott über ihn gebracht wurden. Es sind Unglücke, die ihm eine unheilbare Wunde zugefügt haben. Und Gott hat dies getan, urteilt Hiob, „ohne dass ich übertreten habe“. Hiob bringt damit zum Ausdruck, dass Gott ihm Unrecht tut. Elihu ist bemüht, Hiob klarzumachen, dass er hier zu weit gegangen ist.
In Vers 7 ruft Elihu vor Verwunderung über Hiob aus, dass es niemanden wie ihn gibt, einen Mann, der sich über Gottes Handeln mit ihm spottet und dies mit der Leichtigkeit tut, mit der jemand Wasser trinkt. In Vers 8 sagt Elihu, dass Hiob mit seinen Äußerungen über Gott zu weit gegangen ist. Er sagt von Hiob, dass er „in Gesellschaft geht mit denen, die Frevel tun, und mit gottlosen Menschen Umgang hat“. Er sagt nicht, dass Hiob Unrecht begeht oder ein Gottloser ist, aber dass er sich in ihrer Gesellschaft befindet.
Das heißt nicht, dass er selbst gottlos ist. Elihu sagt das so, weil Hiob sich so über Gott ausgelassen hat wie die Übeltäter und die gottlosen Menschen (Hiob 21,14.15). Dadurch vereinigt er sich im Geist mit ihnen. Hiob hatte nämlich gesagt, dass es einem überhaupt keinen Gewinn bringt, „dass er Wohlgefallen an Gott hat“ (Vers 9).
Dies sind Worte, die Hiob nicht wörtlich so gesagt hat, die aber in dem, was er über Gott sagte, durchklingen (Hiob 9,22). Er hat in seinem Leben immer gezeigt, dass er Gott fürchtete. Und was ist nun die Antwort Gottes darauf? Er hat ihm alles genommen und ihm stattdessen tiefes, hoffnungsloses Elend beschert. Nein, nach den Aussagen von Hiob haben Frömmigkeit und Gottesfurcht keinen Nutzen (vgl. Mal 3,14). Es spielt keine Rolle, ob man Gott dient, Ihn anbetet und mit Ihm lebt, denn Gott berücksichtigt das alles nicht. Sieh dir nur sein Elend an.
10 - 15 Gott verdreht nicht das Recht
10 Darum hört mir zu, ihr Männer von Verstand! Fern sei Gott von Gottlosigkeit und der Allmächtige von Unrecht! 11 Sondern des Menschen Tun vergilt er ihm, und nach jemandes Weg lässt er es ihn finden. 12 Ja, wirklich, Gott handelt nicht gottlos, und der Allmächtige beugt nicht das Recht. 13 Wer hat ihm die Erde anvertraut? Und wer hat den ganzen Erdkreis gegründet? 14 Wenn er sein Herz [nur] auf sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Odem an sich zurückzöge, 15 so würde alles Fleisch insgesamt verscheiden und der Mensch zum Staub zurückkehren.
Elihu will vor dem Ohr der „Männer von Verstand“ (Vers 10; vgl. Vers 2) Hiobs Sicht auf Gott widerlegen. Mit einem „Darum“ – das heißt, weil Hiob ein falsches Gottesbild hat – fordert Elihu sie auf, ihm zuzuhören, denn er wird ihnen die Wahrheit über Gott sagen. Es ist undenkbar, dass es bei Gott „Gottlosigkeit“ gibt. Das ist schlicht ausgeschlossen.
Auch gibt es bei „dem Allmächtigen“ kein „Unrecht“. Das ist bei mächtigen Menschen wohl oft der Fall. Macht bedeutet Recht, heißt es wohl. Dann beugen die Mächtigen das Recht nach ihrem Willen, sodass es oft zu Unrecht wird. Es ist unmöglich, dass Gott, der Allmächtige, auf diese Weise handelt. „Gott handelt nicht gottlos, und der Allmächtige beugt nicht das Recht“ (5Mo 32,4; 2Chr 19,7; Ps 92,16; Zeph 3,5). Als der Allmächtige kann Er alles tun, aber nichts, was seinem Wesen widerspricht. Dies ist keine Einschränkung seiner Allmacht, sondern eine Ihm eigene Vollkommenheit. Er kann weder lügen (Tit 1,2 ; 4Mo 23,19) noch Unrecht tun (vgl. Röm 9,14).
Er ist vollkommen gerecht in seinen Wegen mit den Menschen (Vers 11). Alles, was ein Mensch tut und den Weg den er geht, wird von Ihm abgewogen und gerecht vergolten (Spr 5,21). Das ist ähnlich wie das, was die Freunde auch gesagt haben. Und doch ist es ganz anders. Elihu weist auf eine Eigenschaft Gottes hin, und zwar als Antwort auf Hiobs Äußerungen wegen seines Leidens, nicht als Antwort auf die Ursache von Hiobs Leiden. Letzteres ist es, was die Freunde getan haben.
In Vers 12 sagt Elihu erneut, was er auch in Vers 10 gesagt hat. Diese Wiederholung ist schon eine Unterstreichung, aber er setzt eine zusätzliche Zeile darunter, indem er die Wiederholung mit „ja, wirklich“ beginnt. Auf diese Weise unterstreicht er, dass es völlig gegen die Natur Gottes ist, gottlos zu handeln, und dass es daher auch völlig gegen den Gebrauch seiner Allmacht ist, das Recht zu verdrehen. Auf diese Weise zeigt Elihu, wie ernst Hiobs Worte sind, mit denen er Gott anklagt.
Dann weist Elihu auf die Souveränität Gottes hin (Vers 13). Gott ist so völlig anders als der Mensch und so weit erhaben über diesem. Gibt es jemanden, der Gott dazu bestimmt hat, über die Erde zu herrschen? Nein, natürlich nicht. Denn es gibt keine höhere Autorität, die Gott Macht über die Erde hätte geben können. Er hat diese Position selbst eingenommen. Er regiert alle Dinge auf der Erde, auch das Leben eines jeden Menschen, auch das von Hiob. Es ist eine Anmaßung des Menschen, sich über Gott zu stellen und Ihm vorzuschreiben, wie Er zu regieren hat.
Gibt es noch jemanden außer Gott, der „den ganzen Erdkreis gegründet“ hat? Mit anderen Worten: Gibt es irgendjemand anderen als Gott, der die ganze Welt mit all ihrem Drum und Dran und all ihrer Ordnung geschaffen hätte? Auch hier lautet die Antwort: Natürlich nicht. Nur Er allein ist wirklich absolut souverän. Gott, der Sohn, ist der Schöpfer und Erhalter aller Dinge (Kol 1,15–17; Heb 1,1–3).
Wenn der allmächtige Schöpfer und Lenker sein Herz gegen den Menschen wenden würde, wäre das das Ende von allem, was Geist und Odem hat (Verse 14.15). Er allein hat die Macht und das Recht dazu. „Seinen Geist und seinen Odem an sich zurückzöge“ bedeutet, dass es keinen lebenden Menschen mehr auf der Erde geben würde. Wie kann dann ein Mensch über den Verlust von Gesundheit, Besitz und Freunden klagen und Gott sagen, dass Er Unrecht begeht?
Elihu hat dabei nicht nur Hiob im Auge, als ob Gott sein Herz gegen ihn allein richten würde, sondern alle Menschen. Es geht um die Allmacht Gottes angesichts der Nichtigkeit und Sündhaftigkeit des Menschen an sich. Der Mensch hat kein Recht auf das Leben, sondern auf den Tod. Durch seine Sünde ist der Tod in die Welt gekommen. Der Mensch, der stirbt, erhält dadurch seinen Lohn, „denn der Lohn der Sünde ist der Tod“ (Röm 6,23). Wenn er stirbt, kehrt er zu dem Staub zurück, aus dem er genommen wurde (1Mo 3,19).
16 - 22 Gott ist groß, unparteiisch und allwissend
16 Und wenn du doch dies einsehen [und] hören, der Stimme meiner Worte Gehör schenken wolltest! 17 Sollte auch herrschen, wer das Recht hasst? Oder willst du den Allgerechten verdammen? 18 Sagt man zu einem König: Belial, zu Edlen: Gottloser? 19 [Wie viel weniger zu ihm,] der die Person der Fürsten nicht ansieht und den Vornehmen nicht vor dem Geringen berücksichtigt! Denn sie alle sind das Werk seiner Hände. 20 In einem Augenblick sterben sie; und in der Mitte der Nacht wird ein Volk erschüttert und vergeht, und Mächtige werden beseitigt ohne Menschenhand. 21 Denn seine Augen [sind] auf die Wege des Menschen [gerichtet], und er sieht alle seine Schritte. 22 Da ist keine Finsternis und kein Todesschatten, dass sich darin verbergen könnten, die Frevel tun.
In den Versen 16–30 stellt Elihu in großartiger Weise Gottes Gerechtigkeit dar und erklärt von ihm, Er sei
1. groß, unparteiisch und allwissend ist (Verse 16–22) und
2. richtet (Verse 23–30).
Ab Vers 16 wendet sich Elihu erneut an Hiob mit einer neuen Ermahnung, ihm zuzuhören. Er appelliert an die Einsicht, die er bei Hiob voraussetzt. Hiob kann dies zeigen, indem er die Worte Elihus hört und aufnimmt. Elihu fragt Hiob, ob jemand, der das Recht hasst, regieren kann (Vers 17). Es liegt auf der Hand, dass jemand, der sich nicht an das Gesetz hält, nicht gut regieren kann. Während dies bei menschlichen Herrschern oft der Fall ist, kann bei Gott davon nicht die Rede sein. Gut regieren kann nur jemand, der das Recht liebt. Gott ist der „Allgerechte“. Nun, wenn Hiob einsichtig ist, wird er zugeben müssen, dass er Gott nicht für Unrecht anklagen kann.
Gott regiert. Er tut dies durch seinen Sohn. Er hat Ihm bereits jetzt „alle Macht im Himmel und auf der Erde“ gegeben (Mt 28,18). David sprach von Christus, dem Sohn Gottes, als dem zukünftigen Herrscher im Friedensreich, als er von einem „Herrscher unter den Menschen, gerecht, ein Herrscher in Gottesfurcht“ sprach (2Sam 23,3). Dasselbe hören wir vom Schreiber des Hebräerbriefs, der vom Königtum Christi sagt, „das Zepter der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches“ und „du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst“ (Heb 1,8.9). Bei Gott und Christus ist alles vollkommen gerecht. Es besteht somit keinerlei Ungerechtigkeit.
Menschen dürfen gegenüber einem König keine Schimpfwörter verwenden (Vers 18). Heutzutage wagt man das, aber das ändert nichts daran, was uns zusteht. Wir sind aufgerufen, den König und andere Würdenträger zu ehren (1Pet 2,17; Apg 23,5). Ihnen gegenüber ist eine Haltung des Respekts angebracht, die ihrer Stellung angemessen ist, auch wenn sie in eindeutiger Weise mit ihren Sünden konfrontiert werden müssen. Wir sehen das bei Daniel und Nebukadnezar und bei Johannes dem Täufer und Herodes.
Was dem Menschen verboten ist, tut Gott sehr wohl. Er sagt einem König, dass er ein „Belial“ ist, und Er sagt den Edlen, dass sie „Gottlose“ sind. Er hat das Recht dazu, weil Er ihr Schöpfer ist und sie durchschaut. In seinem Gericht und seiner Beurteilung ist Er nicht parteiisch (Vers 19; Röm 2,11 ; 5Mo 10,17; 2Chr 19,7; Apg 10,34; Eph 6,9; Kol 3,25; 1Pet 1,17). Für Ihn macht es keinen Unterschied, ob Er es mit einem Prinzen, einem Reichen oder einem Armen zu tun hat. Er braucht niemanden zu verschonen, „denn sie alle sind das Werk seiner Hände“, Er hat sie alle gemacht (vgl. 1Sam 2,7). Und Er hat sie zu dem Zweck geschaffen, Ihm zu dienen.
Wenn sie den Zweck, für den Er sie geschaffen hat, nicht erfüllen, nimmt Er ihnen das Leben weg (Vers 20). Das ist für Ihn nur eine Sache von einem „Augenblick“. Die Dunkelheit der Nacht ist für Ihn kein Problem, denn „in der Mitte der Nacht“ ist es für Ihn so hell wie mitten am Tag.
Es ist auch unerheblich, ob es sich um eine mächtige Nation oder einen mächtigen Einzelnen handelt. Eine Nation hat Macht, weil sie aus einer Vielzahl von Menschen besteht; eine einzelne Person hat manchmal Macht aufgrund ihrer Position. Für Gott macht das keinen Unterschied. Er erschüttert ein Volk, als wäre es ein einziger Mensch, und es kommt um. Nur eine Berührung mit seiner allmächtigen, unsichtbaren Hand, nicht mit der schwachen Hand eines sterblichen Menschen, und sie sind Geschichte.
Gott ist nicht nur allmächtig, sondern auch allwissend. Er sieht und durchschaut jeden Menschen auf dem Weg, den er geht (Vers 21). Er sieht alle Tritte, die ein Mensch auf seinem Weg setzt, das heißt, Er achtet auf sein ganzes Verhalten, auf alle seine Handlungen und alle seine Worte. Es ist nicht nötig, Ihn auf etwas hinzuweisen, das Er vielleicht übersehen hätte. Für Ihn gibt es keine Geheimnisse. Er muss auch keine gründlichen Nachforschungen anstellen, um die Wahrheit herauszufinden. Monatelange Prozesse mit mehreren Gerichtsverhandlungen sind nicht erforderlich. Er durchschaut alles auf einmal (Heb 4,13).
Er sieht jeden Übeltäter, selbst an den dunkelsten und verborgensten Orten, selbst wenn es im Todesschatten ist (Vers 22). Alle Sünder, die im Grab sind, wo auch immer dieses Grab sein mag, werden dem Gericht nicht entgehen. Die Menschen glauben vielleicht, dass sie einer bestimmten Strafe entgehen, wenn sie ihr Leben selbst beenden. Das ist ein schwerwiegender Denkfehler. Gott wird sie auferwecken und sie richten (Off 20,11–15). Dass Er richtet, wird von Elihu in den folgenden Versen gezeigt.
23 - 30 Gott richtet
23 Denn er braucht nicht lange auf einen Menschen Acht zu geben, damit er vor Gott ins Gericht komme. 24 Er zerschmettert Gewaltige ohne Untersuchung und setzt andere an ihre Stelle. 25 Daher kennt er ihre Handlungen und kehrt sie um über Nacht, und sie werden zermalmt. 26 Er schlägt sie wie Übeltäter auf öffentlichem Platz, 27 weil sie von seiner Nachfolge abgewichen sind und alle seine Wege nicht bedacht haben, 28 um zu ihm hinaufdringen zu lassen das Schreien des Geringen, und damit er das Schreien der Elenden höre. 29 Schafft er Ruhe, wer will beunruhigen? Und verbirgt er das Angesicht, wer kann ihn schauen? So handelt er sowohl gegen ein Volk als auch ebenso gegen einen Menschen, 30 damit der ruchlose Mensch nicht regiere, damit sie nicht Fallstricke des Volkes seien.
Gott verlangt nichts Unredliches vom Menschen (Vers 23). Er hat ihn geschaffen und ihm auch die Fähigkeit gegeben, Ihm zu dienen. Er bürdet dem Menschen auch nicht zu viele Lasten auf. Für den Gläubigen gilt, dass Er ihn nicht über Vermögen versucht (1Kor 10,13). Hiob hat damit Schwierigkeiten, was wir gut verstehen können. Aber er will damit Gott vor Gericht ziehen, und darin geht er zu weit. Niemand kann Gott für das zur Rechenschaft ziehen, was Er einem Menschen in seiner Weisheit auferlegt.
Elihu weist erneut auf die Erhabenheit und Souveränität Gottes hin (Vers 24). Wie könnte ein Mensch (wie Hiob) diesem mächtigen, richtenden Gott in dem widersprechen, was Er mit ihm tut? Gott hat das Recht und die Macht, die Mächtigen zu zermalmen und andere in ihre Schranken zu weisen (vgl. Dan 2,21; Spr 8,15.16). Er tut dies nicht willkürlich und ohne Grund. Die Tatsache, dass der Mensch diese Gründe nicht erkennen kann, gibt ihm nicht das Recht, von Gott zu verlangen, dass Er ihm sagt, warum Er dies tut.
Dennoch gibt Elihu eine Erklärung, wie wir aus dem Wort „daher“ (Vers 25) entnehmen können. Gott tut dies, weil Er die Werke dieser Mächtigen kennt. Wie Er mit Pharao und seinem Volk, den Ägyptern, umging, ist ein Beispiel dafür. Gott zerschlug den Pharao, als Er alle Erstgeborenen im Land Ägypten bei Nacht tötete und damit seine Macht zerbrach (2Mo 12,29.30; Ps 105,36). Andere Beispiele sind die assyrischen Soldaten, die in der Nacht getötet wurden, und Belsazar, der ebenfalls in der Nacht getötet wurde (2Kön 19,35; Dan 5,30).
Gott ist vollkommen gerecht, wenn Er gottlose Menschen niederstreckt, weil sie gottlos sind (Vers 26). Das hat Er unter anderem mit den gottlosen Bewohnern Kanaans getan. Er tut es an einem Ort, an dem andere Menschen es sehen können. Er vollstreckt sein Gericht vor aller Augen, sodass alle es sehen können. Er verbirgt seine Macht und Gerechtigkeit nicht. Für die Gerechten ist dies eine Ermutigung und eine Freude, während die Gottlosen gewarnt werden, nicht weiter gottlos zu leben, sondern sich zu bekehren.
Gottes Gericht trifft vor allem die Abtrünnigen, diejenigen, die Ihm zunächst gefolgt sind, aber „von seiner Nachfolge abgewichen sind“ (Vers 27). Es handelt sich hierbei um Herrscher, die gottlos leben (Vers 26), indem sie die Armen unterdrücken (Vers 28a), deren Hilfeschreie aber vom HERRN erhört werden (Vers 28b). Die Tat dieser Gottlosen wird als eine verblüffende Abkehr von Gottes Geboten und als ein Abweichen von Ihm gesehen. Sie haben seine Wege, die Er in seiner Regierung mit den Menschen und Nationen geht, nicht beachtet. Sie wollen nicht sehen, dass Er in das Leben der Menschen und Nationen eingreift, sondern schreiben alles natürlichen Ursachen oder eben dem Pech zu. Dass eine höhere Hand alles regiert, wollen sie nicht sehen.
Der Gottlose wird von Gott bestraft, weil er die Armen unterdrückt. Gott reagiert damit auf die Hilferufe der Elenden. Er hört, wenn Menschen in ihrer Not zu Ihm schreien. Gott reagiert nicht immer sofort mit einem Gericht über Ungerechtigkeit oder mit Hilfe in der Not. Er kann auch schweigen (Vers 29). Hiob wirft Gott vor, dass Er schwieg und die Dinge gewähren ließ. Aber wenn Er nicht richtet oder hilft, wer kann Ihn dann dafür anklagen? Das ist es, was Hiob tat.
Für Hiob war es, als ob Gott sein Gesicht verbarg. Auch wir können manchmal das Gefühl haben, dass Gott sich vor uns verbirgt, dass wir Ihn nicht wahrnehmen können, weil wir nur Elend sehen, wie Hiob es tat. Gott kann sich sowohl vor einem Volk als auch vor einem einzelnen Menschen verborgen halten. Für Ihn sind die Völker „wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waagschale“ (Jes 40,15).
Wenn Gott sein Angesicht verbirgt, hat das ein Ziel, was durch das Wort „damit“ (Vers 30) angezeigt wird. Er möchte damit bewirken, dass die Menschen seine fehlende Präsenz spüren und anfangen nach Ihm zu fragen. Wenn sie das tun, wird Er dafür sorgen, dass kein Heuchler an die Macht kommt oder an der Macht bleibt. Ein Heuchler ist jemand, der den Menschen schöne Dinge zu sagen hat, sie aber nur benutzt, um sie zu manipulieren und auszubeuten (2Sam 15,2–6). Er legt den Menschen Fallstricke in den Weg und bringt sie ins Verderben. Diese Fallstricke sind die gottlosen Gesetze, die er erlässt, und das unsittliche Leben, das er führt.
31 - 37 Hiob hat nicht mit Erkenntnis gesprochen
31 Denn hat er wohl zu Gott gesagt: Ich trage meine Strafe, ich will nicht mehr Böses tun; 32 was ich nicht sehe, zeige du mir; wenn ich Unrecht verübt habe, so will ich es nicht mehr tun? 33 Soll er es nach deinem Sinn vergelten? Denn du hast seine Vergeltung verworfen, und so musst du wählen, und nicht ich; was du weißt, rede denn! 34 Männer mit Verstand werden zu mir sagen, und ein weiser Mann, der mir zuhört: 35 Hiob redet nicht mit Erkenntnis, und seine Worte sind ohne Einsicht. 36 Ach, dass doch Hiob immerfort geprüft würde wegen seiner Antworten nach Frevlerart! 37 Denn er fügt seiner Sünde Übertretung hinzu, klatscht unter uns in die Hände und mehrt seine Worte gegen Gott.
In diesem Abschnitt sind einige Verse nicht einfach zu übersetzen, darunter die Verse 31 und 32. Die für uns am besten geeignete Übersetzung ist, diese Verse als Ratschläge von Elihu an Hiob zu verstehen. Elihu sagt: „Denn sage zu Gott …“ In diesem Fall geht es nicht um etwas, das Hiob gesagt hat, sondern um das, was Elihu sagt. Elihu sagt Hiob, wie er sich in seiner Prüfung Gott gegenüber verhalten soll. Dafür legt er ihm die Worte der Verse 31 und 32 in den Mund. Er befiehlt Hiob nicht, sie auszusprechen, aber er schlägt es vor. Es ziemt sich für Hiob, Gott zu sagen, dass er sich seiner Züchtigung beugt und Ihn nicht mehr anklagen will.
Solche Worte sind noch nicht aus seinem Mund gekommen, denn er beharrt noch immer auf seiner Unschuld und gibt Gott die Schuld an seinem Leiden. Es sind die Worte eines Menschen, der die Dinge lernen will, die er nicht versteht. Hiob hatte keine Sünde begangen, für die Gott ihn durch die Unglücke, die Er über Hiob brachte, zum Bekenntnis zwingen wollte. So haben die Freunde das Leiden Hiobs immer erklärt. Gott sagte jedoch, dass Hiob nicht gesündigt hatte (Hiob 1,22; 2,10). Das bedeutet nicht, dass er kein Sünder ist. Er ist kein Heuchler, aber indem er Gott anklagt, sündigt er. Dass er ein Sünder ist, geht aus seinen Worten als Antwort auf das Leiden hervor.
Auch wenn er sich keiner konkreten Sünde in seinem Leben bewusst ist, muss er erkennen, dass er sich selbst nicht vollkommen kennt. Vielleicht hat er etwas getan, das in Gottes Augen Sünde ist, ohne sich dessen bewusst zu sein, denn „alles …, was nicht aus Glauben ist, ist Sünde“ (Röm 14,23b).
Dass er sich seines Mangels an Selbsterkenntnis bewusst ist, kann er zeigen, indem er Gott bittet: „Was ich nicht sehe, zeige du mir; wenn ich Unrecht verübt habe.“ Wenn er dies aufrichtig zu Gott sagt, macht er damit deutlich, dass er nicht an Gott, sondern an sich selbst zweifelt. Es wird ihn zu dem Gebet führen, das auch David gebetet hat: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Weg!“ (Ps 139,23.24).
Das ist die Einstellung, die auch zu uns passt. Wir sind uns vielleicht nichts Böses bewusst, aber das sollte uns nicht zu der Annahme verleiten, dass mit uns also alles okay ist. Gott ist so viel größer als wir. Paulus war sich dessen wohl bewusst. Das hören wir, wenn er sagt: „Denn ich bin mir selbst nichts bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr“ (1Kor 4,4). Dessen müssen wir uns auch bewusst bleiben. Wenn wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir unvollkommene Menschen sind und dass nur der Herr all unsere Taten und Worte letztlich richtig beurteilen wird, bewahrt uns das vor dem Gefühl der Selbstgerechtigkeit.
Dann fährt Elihu fort, Hiob vorzustellen, wie dessen Haltung bis jetzt noch ist (Vers 33). Er ist immer noch jemand, der Gott sagen will, wie Er jemandem etwas zu vergelten hat. Tatsächlich sagt Hiob Gott, wie er denkt, dass Gott regieren sollte. Hiob hat Gottes Regierung verachtet, indem er seine Art, Dinge zu tun, ablehnte. Was sollte Gott nun mit Hiobs Schuld tun? Muss Gott nach Hiobs Maßstäben handeln und ihm seine Schulden erlassen? Es steht ihm nicht zu, über Gott zu urteilen, denn er weigert sich, die Herrschaft Gottes über sein eigenes Leben zu akzeptieren. Gott bittet niemanden um Rat oder Erlaubnis für sein Handeln, sondern tut, was Er für richtig hält.
Hiob, nicht Elihu, muss wählen, wie er darüber denkt. Er soll sagen, was er von Gottes Handeln weiß, ob er sich Ihm unterwirft oder nicht. Gott handelt mit Hiob, nicht mit Elihu.
Elihu weist Hiob darauf hin, was weise Menschen zu ihm über Hiob sagen werden (Vers 34). Er weist auch auf den weisen Mann hin, der ihm zuhören wird. Elihu ist mit seiner Einschätzung von Hiob nicht allein. Er weiß, dass weise und verständige Menschen mit ihm übereinstimmen. Sie alle stimmen mit ihm überein, wenn er sagt, dass Hiob nicht mit Erkenntnis geredet hat und dass seine Worte nicht mit Einsicht waren (Vers 35).
Hiob sprach über Gott in einer Weise, die deutlich macht, dass er in Bezug auf seine Züchtigung keine Erkenntnis von Gott hat. Er äußerte sich zu der Situation, in der er sich befand, mit Worten, die aus seinem Gefühl und nicht aus seinem Verstand kamen. Sie verraten seinen Mangel an Erkenntnis über Gott und seinen Mangel an Einsicht, um seine aktuelle Situation zu begreifen.
Das entlockt Elihu den Seufzer, dass das Werk der Prüfung endlich zu dem von Gott gewollten Ziel führen wird (Vers 36). Das Ziel ist, dass Hiob Gott vertraut, dass Er die Kontrolle über seine Umstände hat und dass Er letztlich Segen für ihn bestimmt. Nun ist es immer noch so, dass er mit seinen Antworten Gott anklagt und Ihm Ungereimtes zuschreibt, sodass er ein falsches Bild von Gott „wegen seiner Antworten nach Frevlerart“ vermittelt. Dadurch schließt er sich auch diesen Menschen an.
Wenn Hiob dabei bleibt, Gott Ungerechtigkeit zuzuschreiben, wird er seinen sündigen Worten „Übertretung“ hinzufügen (Vers 37). Eine Übertretung ist hier ein Verstoß gegen ein Gebot oder eine Regel. Das Klatschen der Hände bedeutet, dass diese Handlung aus einem rebellischen Herzen kommt. Hiob ist noch kein Übertreter. In den vielen Worten, die er in seiner großen Not an Gott richtete, sagte er falsche Dinge. Dabei klatschte er im Zorn über die Uneinsichtigkeit Gottes in die Hände (vgl. 4Mo 24,10). Nun hat Elihu ihn auf seine falschen Worte über Gott hingewiesen. Wenn er trotzdem weitermacht, fügt er seiner Sünde eine Übertretung hinzu.