Einleitung
Im vorigen Kapitel sprach Gott über verschiedene Wetterelemente. In diesem Kapitel – und auch schon im vorigen Kapitel (Hiob 38,39–41) – spricht Er von seiner Fürsorge für die Tierwelt. Er hat nicht nur das Universum erschaffen, sondern auch die Erde mit Geschöpfen gefüllt, die in allem von Ihm abhängig sind. Sie finden sich an allen möglichen Orten, z. B. in Höhlen, auf Feldern, in den Bergen, in der Luft und auf einem Felsen. Gott weist Hiob auf allerlei Arten von Tieren hin. Es sind wilde, grausame, hilflose, ängstliche, starke, bizarre, flinke und furchtlose Tiere. Gott gibt einige Beispiele und stellt Hiob Fragen dazu.
1. Über die Löwen und den Raben fragt Er: Woher bekommen sie ihre Nahrung? (Hiob 38,39–41)
2. Von den Steinböcken und Hirschkühen fragt Er: Wie gebären sie Junge? (Verse 1–4)
3. Über den Wildesel und den Wildling fragt Er: Wie kommt es, dass sie so frei sind? (Verse 5–8)
4. Über den Wildochsen fragt Er: Kannst du ihn zähmen? (Verse 9–12)
5. Über die Straußhenne fragt Er: Warum verhält sie sich so seltsam? (Verse 13–18)
6. Über das Pferd fragt Er: Woher hat es seine Kraft und Furchtlosigkeit, und warum dient es dem Menschen so selbstlos? (Verse 19–25)
7. Über den Habicht und den Adler fragt Er: Woher wissen sie, wohin sie fliegen sollen? (Verse 26–30)
Diese Tiere veranschaulichen Gottes unnachahmliche Kreativität und seine fürsorgliche Zuwendung. Die Tierwelt besteht zum Teil aus Arten, deren Existenzberechtigung uns unbekannt ist. Das liegt daran, dass es sich um Arten handelt, die in freier Wildbahn leben. Sie sind dem Menschen nicht direkt dienstbar. Der Mensch kann nicht erklären, warum Tiere so leben, wie sie es tun. Dies ist ein weiteres Geheimnis, das nur Gott vollständig versteht. Es sagt auch etwas über den Egoismus des Menschen aus, der in allem den Nutzen für sich selbst sehen will und erst dann dessen Existenz zu schätzen weiß. Gott zeigt, dass Er solche Geschöpfe erschafft, weil Er sie haben will und sie seine Herrlichkeit erhöhen, unabhängig davon, ob der Mensch einen Nutzen oder eine Wertschätzung für sie hat.
Gott hat all diese unterschiedlichen Tiere mit ebenso unterschiedlichen Eigenschaften ausgestattet. In vielen Fällen wissen wir nicht, wie und warum Er das getan hat. Außerdem kümmert Er sich um jede Art und gibt jedem Tier, was es braucht. In gleicher Weise hat Gott eine große Vielfalt in die menschliche Rasse gebracht. Jeder Mensch ist anders. Jeder Mensch hat einen anderen Lebensverlauf und erlebt andere Umstände. Warum das so ist, wissen wir in vielen Fällen nicht. Wir können aber sicher sein, dass der „allein weise Gott“ (Röm 16,27) alles auf diese Weise lenkt. Wer dies anerkennt, kann sich beruhigt darauf verlassen.
Die Tiere, die Gott erwähnt, zeichnen sich durch Selbständigkeit aus. Sie sind wild, ungebunden und bestimmen selbst, was sie tun. Gott herrscht über alle Tiere, kein Tier ausgenommen. Mit dem Menschen ist es dasselbe. Er fühlt sich autonom in seinem Denken und Handeln und ist doch ganz in Gottes Hand. Und Satan scheint den Menschen nach Belieben versklaven zu können, aber auch er kann nur so weit gehen, wie Gott es ihm erlaubt. Dieser Gedanke wird in den kommenden Kapiteln fortgesetzt.
1 - 4 Die Steinböcke und die Hirschkühe
1 Weißt du die Gebärzeit der Steinböcke? Beobachtest du das Kreißen der Hirschkühe? 2 Zählst du die Monate, die sie erfüllen, und weißt du die Zeit ihres Gebärens? 3 Sie krümmen sich, lassen ihre Jungen durchbrechen, entledigen sich ihrer Wehen. 4 Ihre Kinder werden stark, wachsen auf im Freien; sie gehen fort und kehren nicht zu ihnen zurück.
Gott konfrontiert Hiob in diesem Abschnitt mit dem Gebären von Jungen durch Steinböcke und Hirschkühe. Kann Hiob sagen, zu welcher Zeit die Steinböcke gebären (Vers 1)? Diese Tiere leben auf für den Menschen unzugänglichen Felsen, die die Steinböcke mit Leichtigkeit erklimmen. Auf ihre eigene unnachahmliche Art springen sie von Felsblock zu Felsblock. Wie kann ein Mensch also wissen, wann eine Steinbockmutter gebiert? Dieses Ereignis entzieht sich seiner Beobachtung. Dasselbe gilt für die scheue Hirschkuh, die sich so weit wie möglich von Menschen und Raubtieren fernhält.
Hiob soll auch gleich mal die Frage beantworten, ob er die Monate zählen kann, die sie erfüllen müssen (Vers 2). Und kann er auch etwas über „die Zeit ihres Gebärens“ sagen? Weder das eine noch das andere kann er tun, denn er kann ihnen nicht folgen. Sie bewegen sich außerhalb seiner Reichweite. Aber Gott weiß es genau. Er bewirkt es: „Die Stimme des HERRN macht Hirschkühe kreißen“ (Ps 29,9a), wobei wir an Gewitter denken können, die die Geburt beschleunigen.
Gott hat diesen Tieren die Art und Weise, wie sie ihre Jungen gebären „hineingeschaffen“ (Vers 3). Sie nehmen eine besondere Haltung ein, „sie krümmen sich“, was es ihnen erleichtert, ihre Jungen zu werfen. Im Inneren kommt es zu Wehen, durch die die Jungen herausgetrieben werden. Dies alles geschieht außerhalb des menschlichen Blickfelds, aber unter dem wachsamen Auge Gottes. Er hat die Tiere mit dem versorgt, was sie brauchen, um ein Junges zu gebären.
Sobald die Jungen geboren sind, kümmert sich Gott weiter um sie (Vers 4). Er gibt den Jungtieren, was sie brauchen, um stark zu werden. Das Feld ist ihr natürlicher Lebensraum. Dort wachsen sie auf. Wenn sie selbständig sind und die Fürsorge ihrer Mutter nicht mehr benötigen, verlassen sie die Obhut ihrer Mutter und gehen ihren eigenen Weg. Dies alles tun sie ohne die Hilfe des Menschen. Wenn sie dann eigenständig sind, kümmert sich Gott weiter um sie.
Wenn Gott für diese Tiere und ihre Jungen auf diese Weise sorgt, wird Er sich dann nicht auch um seine Kinder kümmern? Auch wenn wir keine Kontrolle mehr über unsere Kinder haben, die ihren eigenen Weg gehen, kümmert Er sich weiter um sie.
5 - 8 Der Wildesel und der Wildling
5 Wer hat den Wildesel frei entsandt, und wer gelöst die Fesseln des Wildlings, 6 zu dessen Haus ich die Steppe gemacht habe und zu seinen Wohnungen das Salzland? 7 Er lacht über das Getümmel der Stadt, das Geschrei des Treibers hört er nicht. 8 Was er auf den Bergen erspäht, ist seine Weide, und allem Grünen spürt er nach.
Die nächste Frage Gottes bezieht sich auf „den Wildesel“ und „den Wildling“ (Vers 8). Weiß Hiob, wie es kommt, dass er so frei lebt? Dass er ohne Fesseln, ungebunden herumstreift? Wer hat diesem Geschöpf diese Natur mit dem Verlangen nach Freiheit und der Kraft, diese beizubehalten, gegeben? Das hat Gott getan. Er hat dafür gesorgt, dass dieses Tier nicht in die Hände der Menschen gelangt ist und ungezähmt lebt. Wenn es in die Hände von Menschen fiele, würde es gezähmt werden (Jak 3,7).
Gott sorgt nicht nur für die Freiheit des Tieres, sondern auch für eine Umgebung, in der es sich zu Hause fühlt (Vers 6). Die Wildnis entspricht seiner Natur, wo der Wildesel zu Hause ist (Jer 2,24). Das Salzland mit seinen salzhaltigen Böden bietet genügend gesalzene Nahrung, die das Tier benötigt.
Der freie, ungebundene Wildesel lacht den zahmen Esel aus, der in der Stadt, mitten im Getümmel ist (Vers 7). Der Wildesel ist davon befreit. Er ist in der freien Natur und genießt dort die Ruhe. Der gezähmte Esel ist ein Sklave und muss Lasten schleppen (4Mo 22,30). Er muss auf das Geschrei des Treibers hören und wird von ihm getrieben. Damit hat der Wildesel nichts zu tun. Er hört diese Stimme nicht, denn er ist nicht gefangen.
Er ist in Freiheit auf den Bergen, wo seine Weiden sind (Vers 8). Dort sucht er nach Nahrung. Wenn es etwas Grünes gibt, frisst er es mit großer Genugtuung, ohne zu meckern (Hiob 6,5). Es ist ein weiterer Beweis für die Größe Gottes, dass Er auch ein solches Tier geschaffen hat, das sich entsprechend der Natur, die Er ihm gegeben hat, verhält.
9 - 12 Der Wildochs
9 Wird der Wildochs dir dienen wollen, oder wird er an deiner Krippe übernachten? 10 Wirst du den Wildochsen mit dem Seil in der Furche halten können, oder wird er hinter dir her die Talgründe eggen? 11 Wirst du ihm trauen, weil seine Kraft groß ist, und ihm deine Arbeit überlassen? 12 Wirst du dich auf ihn verlassen, dass er deine Saat heimbringt und sie auf deine Tenne sammelt?
Das nächste Tier, nach dem Gott Hiob fragt, ist „der Wildochs“ (Vers 9), ein ungeheuer starkes Tier. Dieses Tier wird mehrmals als Symbol der Kraft erwähnt (4Mo 23,22; 24,8; 5Mo 33,17). Gott fragt Hiob, ob das Tier ihm dienen würde und ob er es als Haustier halten könne. Hiob weiß wohl, dass dies unmöglich ist, denn der Wildochse ist zu stark, um ihn zähmen zu können. Wenn er das Tier an seiner Krippe neben den zahmen Ochsen übernachten ließe, würde es in seinem nächtlichen Unterschlupf große Verwüstung anrichten, denn es lässt sich weder anbinden noch einsperren.
Die große Kraft des Wildochsen wäre ideal, um ihn mit einem Seil vor den Pflug zu spannen und ihn über sein Land zu ziehen (Vers 10). Gott fragt Hiob, ob er dazu imstande sei. In dieser Frage steckt eine gewisse Ironie. Außer dem Pflug könnte der Wildochse natürlich auch die Egge ziehen. Was er von seinen Kräften her tun könnte, will er aber nicht. Sein ganzes Wesen rebelliert dagegen. Deshalb kann Hiob nicht darauf vertrauen, wie groß auch immer seine Kraft sein mag (Vers 11). Er kann ihn keine Arbeit machen lassen. Er kann nicht damit rechnen, dass er die Kraft des Wildochsen nutzen kann, um seine Saat vom Feld in seine Scheunen zu bringen und zu dreschen (Vers 15).
Die Bauern haben keine Verwendung für den Wildochsen, aber Gott will ihn in seiner Schöpfung haben. Dieses für den Menschen unbrauchbare Kraftpaket wurde von Gott geschaffen, um seine Macht zu demonstrieren. So wie der Wildochse seine Kraft nicht in den Dienst des Menschen stellt, so steht auch Gottes Kraft dem Menschen nicht auf seinen Befehl hin zur Verfügung. Wenn Hiob keine Verfügungsgewalt über solche Geschöpfe wie den Wildesel und den Wildochsen hat, um sie sich dienstbar zu machen, wie unfähig ist er dann, die Welt zu regieren oder Gottes Verhalten zu beurteilen.
13 - 18 Die Straußhenne
13 Fröhlich schwingt sich der Flügel der Straußhenne: Ist es des Storches Fittich und Gefieder? 14 Denn sie überlässt ihre Eier der Erde und erwärmt sie auf dem Staub; 15 und sie vergisst, dass ein Fuß sie zerdrücken und das Getier des Feldes sie zertreten kann. 16 Sie behandelt ihre Kinder hart, als gehörten sie ihr nicht; ihre Mühe ist umsonst, es kümmert sie nicht. 17 Denn Gott ließ sie die Weisheit vergessen, und keinen Verstand teilte er ihr zu. 18 Zur Zeit, wenn sie sich in die Höhe peitscht, lacht sie über das Pferd und seinen Reiter.
Ein weiteres Tier, das Gott Hiob vorstellt, ist die Straußhenne (Vers 13). Zu diesem Tier stellt Gott Hiob keine Fragen, aber Er beschreibt es. Obwohl Gott keine Fragen stellt, wirft die Beschreibung doch die Frage auf, warum Gott die Straußhenne geschaffen hat. Er ist der größte heute lebende Vogel. Mit einem Gewicht von bis zu 150 Kilo ist die Straußhenne nicht in der Lage zu fliegen. Mit ihrer beeindruckenden Höhe von bis zu zweieinhalb Metern ist es für sie auch schwierig, sich zu verstecken. Während der Storch Flügel und Federn hat, die es ihm ermöglichen, als Zugvogel weite Strecken zu fliegen, hat die Straußhenne nur rauhaarige, stumpfe Flügel. Aber das beunruhigt sie nicht. Gott hat sie gut auf ihren Lebensstil angepasst.
Mit ihren Flügeln kann sie zwar nicht fliegen, aber sie kann fröhlich mit ihnen schlagen. Auch andere Vögel können mit den Federn schlagen. Sie können damit auch fliegen, aber die Straußhenne kann damit nur Geräusche machen. Die Erwähnung des Storchs unter den anderen Vögeln kommt nicht von ungefähr, sondern weist auf einen Gegensatz hin, den Gott selbst eingerichtet hat. Vom Storch heißt es: „Selbst der Storch am Himmel kennt seine bestimmten Zeiten“ (Jer 8,7). Gott gibt den Vögeln ein bestimmtes Wissen oder Er verweigert es ihnen. Letzteres ist bei der Straußhenne der Fall (Vers 17).
Vers 14 beginnt mit „denn“, was auf einen Gegensatz zu den anderen Vögeln hinweist, die sich mit ihren Flügeln von der Erde erheben können. Eine Straußhenne kann nur über die Erde laufen. Sie geht durch das Leben, ohne sich um irgendetwas Sorgen zu machen und auch ohne jegliches Verantwortungsgefühl für ihre Jungen. Das zeigt sich schon an der mangelnden Sorge um ihre Eier. Andere Vögel sitzen auf ihnen, um zu brüten, aber auch um die Eier zu schützen. Die Straußhenne lässt sich leicht von ihrem Nest weglocken.
Sie vergisst – Gott spricht hier von den Tieren, als ob sie Menschen wären –, dass die Eier auf diese Weise nicht sicher sind. Das ist ein grober Mangel an elterlicher Zuneigung. Es gibt keine Fürsorge für die Nachkommen. Sie kümmert sich nicht darum, dass jemand mit seinem Fuß auf die Eier treten könnte (Vers 15). Es kann auch passieren, dass die Tiere des Feldes sie zertrampeln.
Das heißt nicht, dass sie den Ort vergessen hat, an dem sie ihre Eier abgelegt hat. Das wird deutlich, wenn die Jungen aus den Eiern schlüpfen und sie die Jungtiere hat. Die Art und Weise, wie sie ihre Jungen behandelt, steht im Einklang mit dem Mangel an elterlichen Gefühlen, den sie bereits bei der Eiablage gezeigt hat. „Sie behandelt ihre Kinder hart, als gehörten sie ihr nicht“ (Vers 16; vgl. Klgl 4,3). Sie kümmert sich nicht darum und macht sich auch keinen Kopf darüber, was aus ihren Jungen werden soll.
Aus dem Verhalten der Straußhenne lassen sich zweifellos wichtige und warnende Lektionen für die Erziehung ziehen. Es ist hier nicht die richtige Stelle, um näher darauf einzugehen. Wir empfehlen dem Leser jedoch, in diesem Abschnitt nach ihnen zu suchen und den Herrn zu bitten, ihm zu helfen, sich seinen Kindern gegenüber nicht so zu verhalten, wie es die Straußhenne ihren Jungen gegenüber tut.
Dass die Straußhenne so gleichgültig und hartherzig ist, liegt daran, dass Gott sie „die Weisheit vergessen“ ließ (Vers 17). Gott hat ihr nicht die Weisheit gegeben, die Er anderen Tieren wohl gegeben hat. Er ist völlig frei, in dem was Er Tieren gibt oder eben nicht gibt. Hinter diesem Handeln steht ein weiser Vorsatz. Die Tatsache, dass wir sie nicht immer verstehen, ändert nichts an Gottes Weisheit. Es sollte uns bewusst machen, dass Gott nach seinem Wohlgefallen handelt, ohne dass wir immer den Grund dafür sehen oder eine Erklärung dafür erhalten.
Gott hat der Straußhenne keine Weisheit gegeben, aber Er hat ihr die Fähigkeit gegeben, sehr schnell zu laufen. Sie benutzt ihre Flügel und Federn nicht, um ihre Jungen zu beschützen, sondern um zu fliehen, wenn sie Gefahr sieht. In einer Zeit der Gefahr „peitscht sie sich in die Höhe“, d. h. sie steht auf und beginnt einen Lauf, mit dem nicht einmal ein Pferd Schritt halten kann (Vers 18). Die Kraft ihrer Beine ist enorm. Ihre Höchstgeschwindigkeit beträgt 70 Stundenkilometer. Sie lacht das Pferd und denjenigen, der es reitet, einfach aus.
Die Lektion ist, dass Gott, wenn Er will, Geschöpfe erschafft, die dumm sind und uns seltsam vorkommen, die sich verhalten, als wären sie verrückt. Hier sehen wir einen Vogel, der nicht fliegen kann. Obwohl das Tier Flügel hat, kann es schneller laufen als ein Pferd. Hiob konnte nicht begreifen, was Gott in seinem Leben vorhatte. Gott sagt ihm, dass die geschaffene Welt manchmal genauso schwer zu erklären ist. Die Straußhenne ist ein dummes Tier, aber Gott kümmert sich um sie, so wie Er sich um ihre Jungen kümmert, die sie vergessen hat oder gegenüber denen sie hart ist. Die Frage wird nicht gestellt, aber sie wird angedeutet: Kann Hiob das abnorme Verhalten dieses Tieres erklären?
19 - 25 Das Pferd
19 Gibst du dem Pferd Kraft, bekleidest du seinen Hals mit der wallenden Mähne? 20 Bewirkst du, dass es aufspringt wie die Heuschrecke? Sein prächtiges Schnauben ist Schrecken. 21 Es scharrt in der Ebene und freut sich der Kraft, zieht aus, den Waffen entgegen. 22 Es lacht über die Furcht und erschrickt nicht und kehrt vor dem Schwert nicht um. 23 Auf ihm klirrt der Köcher, der blitzende Speer und Wurfspieß. 24 Mit Ungestüm und Zorn jagt es dahin und lässt sich nicht halten, wenn die Posaune ertönt. 25 Beim Schall der Posaune ruft es: Hui!, und aus der Ferne wittert es die Schlacht, den Donnerruf der Heerobersten und das Feldgeschrei.
Gott fährt mit dem Pferd fort, über das Er wieder in Frageform zu Hiob spricht. Das Pferd ist hier das Schlachtross. Es ist das einzige der von Gott erwähnten Tiere, das im Dienst des Menschen steht und von ihm verwendet wird. Die bereits erwähnten wilden Tiere, die sich stolz ihrer Freiheit und Stärke erfreuen, liegen außerhalb von Hiobs Kontrolle. Aber selbst ein vom Menschen gezähmtes Tier kann ein beängstigendes Verhalten an den Tag legen, das uns erregen kann. Das Schlachtross ist ein solches Geschöpf. Es zeichnet sich durch seine Unerschrockenheit aus. Ohne jede Furcht rennt es auf den Feind zu.
Woher nimmt das Pferd die Kraft, mit der es in den Kampf stürmt (Vers 19)? Hat Hiob sie ihm gegeben? Nein, Gott hat das Pferd auf diese Weise ausgestattet. Und wer hat seinen Hals mit einer Mähne bekleidet? Hat Hiob das getan? Nein, nicht Hiob, sondern Gott. Der Hals wird auch mit Willenskraft verbunden. Die Willenskraft des Pferdes ist mit einem Gewand aus Mähnen geschmückt. Es verleiht dem laufenden Pferd eine eindrucksvolle Ausstrahlung.
Sein Hals mit Mähne hat zudem eine symbolische Bedeutung. Hals und Nacken sind an vielen Stellen ein Bild für den Eigenwillen (5Mo 31,27; 2Kön 17,14; Neh 9,16; Hiob 15,26; Ps 75,6; Jer 7,26). Die Bedeckung mit langem Haar oder einem Schleier spricht von der Anerkennung einer übergeordneten Autorität (1Mo 24,65; 4Mo 6,5; 1Kor 11,15). Gott hat das Pferd so geschaffen, dass es seine Kraft nicht für sich selbst einsetzt, sondern sie in den Dienst seines Herrn stellt.
Abgesehen vom Laufen, kann das Pferd auch über Hindernisse springen (Vers 20). Es tut dies wie eine Heuschrecke. Es ähnelt auch einer Heuschrecke (Off 9,7a; vgl. Joel 2,4). Heuschrecken werden manchmal auch „kleine Pferde“ genannt. Wenn das Pferd sich in die Schlacht stürzt, lässt es ein majestätisches Schnauben ertönen und verbreitet Schrecken in seiner Umgebung.
Bevor das Pferd vorwärts schießt, scharrt es mit den Vorderhufen über die Ebene, als ob es sich sozusagen spannt um dann kraftvoll aus den Startblöcken zu schießen (Vers 21). Es stürzt sich mit Vergnügen ins Schlachtgetümmel. Es kennt seine Kraft und achtet den Feind nicht. So zieht es aus, „den Waffen entgegen“, ohne sich zu fürchten, denn es vertraut auf seine Stärke und ist sich daher des Sieges gewiss.
Angst kennt es nicht, es lacht nur darüber (Vers 22). Das Waffengeklirr beunruhigt es nicht, es lässt sich davon weder aus den Tritt noch aus der Fassung bringen. Umkehren, weil der Feind das Schwert gezogen hat, kommt überhaupt nicht in Frage. Schwert oder nicht, egal, unerschrocken stürmt das Pferd vorwärts. Mit wahrer Todesverachtung stürzt es sich dem Schwert entgegen.
Während es rennt, klappert der Köcher, der an seinem Körper hängt, gegen ihn (Vers 23). Auch andere Waffen, die es bei sich trägt, klirren, während es galoppierend voran stürmt. Wenn es mit voller Geschwindigkeit unterwegs ist, ist es, als würde es die Erde verschlingen, so schnell bewegen sich seine Hufe hin und her. Wir sagen „Kilometer fressen“, wenn wir eine lange Strecke zurücklegen. Wenn es galoppiert, bebt und tobt das Pferd (Vers 24). Als die Posaune ertönte, flog es los wie ein Pfeil. Es gab kein Halten mehr.
Jedes Mal, wenn das Pferd den Klang der Posaune hört, jubelt es (Vers 25). Es spürt, dass es bald wieder in die Schlacht ziehen wird. Für ein Schlachtross gibt es nichts Schöneres. Es riecht die Schlacht schon von weitem und hört den Donnerruf der feindlichen Heerführer und das Feldgeschrei der feindlichen Heere. Das ist ihm völlig egal. Es spornt das Pferd lediglich an, sich in die Schlacht zu stürzen.
26 - 30 Der Habicht und der Adler
26 Schwingt sich der Habicht durch deinen Verstand empor, breitet seine Flügel aus nach Süden? 27 Oder erhebt sich auf deinen Befehl der Adler und baut in der Höhe sein Nest? 28 In den Felsen wohnt und verweilt er, auf Felszacken und den Spitzen der Berge. 29 Von dort aus erspäht er Nahrung, in die Ferne blicken seine Augen. 30 Und seine Jungen schlürfen Blut, und wo Erschlagene sind, da ist er.
Die letzten beiden Tiere, zu denen Gott Hiob Fragen stellt, sind Raubvögel: der Habicht und der Adler. Gott weist Hiob auf das Wunder des Zuginstinkts des Habichts (andere Übersetzungen haben hier Falke) hin. Hat Hiob diesem Vogel den Instinkt gegeben, seine Flügel auszubreiten und zu einer bestimmten Zeit nach Süden zu fliegen (Vers 26)? Der Zuginstinkt ist auch heute noch ein Wunder, das der Mensch mit Erstaunen betrachtet. Die Navigation der Zugvögel ist verblüffend. Sie wissen genau, wo sie hin müssen und welcher Route sie folgen müssen. Wer, wenn nicht Gott, hat den Zugvögeln diese Einsicht gegeben und sie mit einem solchen Navigationssystem ausgerüstet?
Für den Adler – oder vielleicht besser: Geier – gilt das Gleiche. Das Faszinierende am Adler ist nicht sein Zuginstinkt, sondern seine Fähigkeit, in große Höhen aufzusteigen und in der Höhe ein Nest zu bauen (Vers 27). Hat Hiob dem Adler befohlen, in die Höhe zu fliegen und dort ein Nest zu bauen? In der für den Menschen unzugänglichen Höhe wohnt und übernachtet er (Vers 28). Niemand kann ihn dort erreichen oder stören. Seine Behausung auf der Spitze eines Berges bietet die Sicherheit einer Festung.
Bei der Nahrungsbeschaffung kann er sich auf sein phänomenales Sehvermögen verlassen (Vers 29). Sobald er von seinem Platz in der Höhe aus eine Beute in der Ferne sieht, schießt er darauf zu. Mit der Beute im Schnabel kehrt er in sein Nest zurück. Dort gibt er seine Beute an seine Jungen, die das Blut der Beute schlürfen (Vers 33). Seine Nahrung besteht auch aus „erschlagenen“ Tieren, die so schwer verwundet sind, dass sie keine Kraft mehr haben, sich in Sicherheit zu bringen. Es kann sich auch um Menschen handeln, die in einem Krieg so schwer verwundet wurden, dass sie auf dem Schlachtfeld im Sterben liegen. Der Adler wartet auf den Moment, in dem er sich an ihnen gütlich tun kann.