Einleitung
Wir haben gesehen, wie Hiob das abschließende Plädoyer für seine Unschuld in Hiob 29 mit einer anschaulichen Beschreibung der Zeit begann, als er in Wohlstand lebte. Er spricht über seine Stellung in der Gesellschaft, seine hohe Position, seine persönliche Aufrichtigkeit und seine Sorge um die Schwachen und Armen in der Stadt. In Hiob 30 hat er das Elend beschrieben, in das er geraten ist und für das er keine Rechtfertigung sieht.
Im vor uns liegenden Kapitel schließt er sein Plädoyer ab. In Hiob 29 hat er ausführlich über seine guten Dinge gesprochen. Hier, in Hiob 31, bezeugt er, dass er nichts Böses getan hat, nichts, was eine Ursache für das Unglück sein könnte, das ihm widerfahren ist. Er spricht schwere Flüche über sich selbst aus, die ihn ereilen sollen, wenn er sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat. Er tut dies in der Überzeugung, dass er das Unglück, das über ihn gekommen ist, nicht verdient hat.
Er ist ein gebrochener Mann, ein Ausgestoßener, von Gott verlassen und von den Menschen verachtet. Aber sein Geist ist ungebrochen. Er richtet sich auf und hält ein eindringliches Plädoyer. Während der Ankläger sich (noch) nicht zu erkennen gibt, spricht Hiob sich selbst frei. Es geht darum, dass Gott für das, was Er ihm angetan hat, Rechenschaft ablegen muss, woher Er den Grund für sein Handeln mit ihm hat. Sein Appell richtet sich hier nicht an seine Freunde, sondern an seinen Gott.
Hiob listet alle möglichen Straftaten auf. Er schwört, dass er nichts davon begangen hat. Viele Verse beginnen mit „wenn“. Diese Aussagen könnten wir als „bedingte“ Aussagen bezeichnen. In einer Reihe von Fällen folgt darauf eine Verwünschung oder Verfluchung. Der Gedanke ist: Wenn das, was im Bedingungssatz steht, wahr sein oder werden soll, dann kann und wird das, was im Fluch steht, geschehen.
Die „wenn“-Sätze leugnen etwas, und zwar auf die feierlichste Art und Weise, man könnte sagen, unter Eid. Auch wenn nicht auf jeden „wenn“-Satz eine Verwünschung oder Verfluchung folgt, verstehen wir, dass die Absicht darin besteht, etwas feierlich zu verneinen. Das Kapitel ist voll von feierlichen Erklärungen, in denen Hiob schwört, dass er sich der Sünden, die in diesen Erklärungen genannt werden, nicht schuldig gemacht hat.
Diese Unschuldsbeteuerungen sind die letzten Worte, die wir von ihm haben, die er zu seiner Verteidigung spricht. Seine Unschuld ist für ihn von größter Bedeutung. Den endgültigen Schlusspunkt setzt er in Vers 35, wo er alle seine Aussagen mit seiner Unterschrift ratifiziert. Das ist der Höhepunkt.
1 - 4 Ein Bund mit den Augen
1 Ich habe mit meinen Augen einen Bund geschlossen, und wie hätte ich auf eine Jungfrau geblickt! 2 Denn was wäre das Teil Gottes von oben gewesen und das Erbe des Allmächtigen aus den Höhen? 3 Ist nicht Verderben für den Ungerechten und Missgeschick für die, die Frevel tun? 4 Sieht er nicht meine Wege und zählt alle meine Schritte?
Hiobs Freunde haben seine persönliche Reinheit nie angegriffen. Dennoch hat seine erste Aussage über ein Übel, über das Gottes Gericht kommen muss und das er nicht begangen hat, damit zu tun. Es hat mit sexuellen Begierden zu tun (Vers 1). Es ist bemerkenswert und vielsagend, dass er die Liste mit Sünden die er aufzählt, damit beginnt.
Irgendwann in der Vergangenheit hat er, wie er sagt, einen „Bund“ mit seinen Augen geschlossen. Das unterstellt, dass er mit diesem Begierden Mühe hatte. Es ist heute so, dass (fast) alle jungen Menschen – vor allem Jungen –, die für den Herrn Jesus leben wollen, sich in einem bestimmten Lebensabschnitt schwer damit tun. Daraufhin gab Hiob vor Gott das feierliche Versprechen ab, sich in seinem Denken und Handeln reinzuhalten, und das beginnt mit den Augen. Was für eine Lektion für junge Menschen heute! Er suchte nicht nach der Befriedigung seiner eigenen Begierden. Stattdessen wollte er anderen dienen, wie wir gesehen haben und auch in diesem Kapitel sehen werden.
Er hat mit seinen Augen einen Bund geschlossen, um der vom Herrn Jesus erwähnten Gefahr des Ehebruchs zu entgehen (Mt 5,27.28). Auf diese Weise antwortete Hiob auf die Aufforderung: „Flieht die Hurerei!“ (1Kor 6,18). Josef floh, als Potiphars Frau ihn zur Unzucht verführen wollte, und blieb rein (1Mo 39,7–12); David floh nicht und verfiel der Hurerei (2Sam 11,1–5). Hiobs Aussage deutet darauf hin, dass er die Monogamie lebte und praktizierte: Er war der Ehemann einer Frau.
Hiob unterstreicht seine Entscheidung für einen Bund, um rein zu bleiben, indem er sich auf „das Teil Gottes von oben“ bezieht. Er weiß sich Ihm gegenüber verantwortlich (Vers 2). Gott ist über das Böse erhaben. Er hat ein Teil für die Gläubigen, aber auch für die Ungläubigen. Für die Gläubigen ist das Teil Segen, aber das Teil für die Ungläubigen ist Gericht. Unter dem „Erbe des Allmächtigen aus den Höhen“ können wir uns das Recht vorstellen, das er hat, um Gericht zu üben. Dieses Recht ist das Eigentum des Herrn Jesus, der aus der Höhe kommen wird, um die Gottlosen und ihre Gottlosigkeit zu richten. Der Vater hat Ihm, dem Sohn des Menschen, das Gericht übertragen (Joh 5,22.27).
In Vers 3 erklärt Hiob, was „das Teil“ und „das Erbe“ ist, das von Gott über verkehrte sexuelle Begierden kommt. Es bedeutet „Verderben für den Ungerechten und Missgeschick für die, die Frevel tun“. „Verderben“ und „Frevel tun“ sind allgemein und gelten für alle Sünden, aber in diesem Zusammenhang gelten sie vor allem für Hurer und Ehebrecher (Heb 13,4).
Hiob weiß sehr wohl, dass Gott alle seine Wege sieht und alle seine Schritte zählt (Vers 4; Jer 29,23; Spr 5,21). Gott kennt den ganzen Weg, den er geht, seinen ganzen Lebensweg. Gott kennt auch die einzelnen Schritte, die er unternimmt, d. h. alle seine individuellen Überlegungen, einen bestimmten Weg zu gehen und wie er sich dabei verhält. Dieser Gedanke war und ist genug, um ihn davon abzuhalten, das zu tun, was Josef „diese große Bosheit“ nennt (1Mo 39,9).
Wir sehen mehrmals, dass für Hiob der Gedanke, dass Gott ihn sieht, ein Motiv ist, nichts zu tun, was böse ist. Die Verantwortlichkeit gegenüber Gott durchdrang sein Leben und bestimmte seine Gesinnung, seine Worte und seine Taten. Verantwortung abzulegen betrachtete er nicht als Bedrohung, als etwas, das man fürchten muss, sondern als ein gesundes Bewusstsein für die persönliche Verantwortung gegenüber allen, mit denen er zu tun hatte. Wir sehen etwas Ähnliches bei Paulus. Der Gedanke, vor dem Richterstuhl Christi Rechenschaft ablegen zu müssen, erschreckte ihn nicht, sondern motivierte ihn vielmehr, Christus in allen Dingen wohlgefällig zu sein (2Kor 5,9.10). Möge es auch bei uns so sein.
5 - 8 Lügen und Betrug
5 Wenn ich mit Falschheit umgegangen bin und mein Fuß dem Trug zugeeilt ist – 6 er wäge mich auf der Waage der Gerechtigkeit, und Gott wird meine Unsträflichkeit erkennen –, 7 wenn mein Schritt vom Weg abgebogen und mein Herz meinen Augen gefolgt ist und an meinen Händen ein Makel kleben blieb, 8 so möge ich säen und ein anderer essen, und meine Sprösslinge mögen entwurzelt werden!
Ein zweites Übel, von dem Hiob sich entschieden distanziert, ist das Reden von Lüge und Betrug (Vers 5). Er hat nie gelogen, indem er zum Beispiel eine Situation falsch dargestellt hat, um sich von einer Anschuldigung zu entlasten. Er war auch nie schnell bereit, sich beispielsweise durch Betrug einen Vorteil zu verschaffen. Er war immer aufrichtig und ehrlich. Hier folgt keine Verwünschung, sondern eine Aufforderung an Gott, ihn in einer gerechten Waage zu wiegen (Vers 6). Dann wird der gerechte Gott sehen, wie sich die Waage auf die Seite seiner Aufrichtigkeit neigt.
Das nächste „wenn“, das seine Unschuld zum Ausdruck bringt, betrifft den Weg, den er gegangen ist (Vers 7). Er ist nicht vom rechten Weg abgewichen. Es gab nichts in seinem Herzen, was ihn dazu veranlasst hätte, sich an etwas Sündiges zu hängen, das seine Augen gesehen haben und das ihn dazu veranlasst hat, Unrecht zu tun, sodass die Sünde nun an seinen Händen klebt.
An dieses „wenn“ schließt er ein „so“ an, gefolgt von einem Fluch, der ihn im Fall seiner Schuld treffen soll (Vers 8). Wenn bei ihm der Finger auf etwas davon gelegt werden kann, will er dafür bestraft werden. Diese Strafe besteht darin, dass der Segen, für den er gesät und gearbeitet hat, ausbleibt. Ferner soll er mit ansehen, dass ein anderer davon profitiert oder dass das Ergebnis seiner Arbeit zerstört wird (vgl. 5Mo 28,33a; 3Mo 26,16b).
9 - 12 Ehebruch
9 Wenn mein Herz zu einer Frau verlockt worden ist und ich an der Tür meines Nächsten gelauert habe, 10 so möge meine Frau für einen anderen mahlen, und andere mögen sich über sie beugen! 11 Denn das ist eine Schandtat, und das eine Ungerechtigkeit für die Richter. 12 Denn ein Feuer ist es, das bis zum Abgrund frisst und das meinen ganzen Ertrag entwurzeln würde.
Die nächste Unschuldserklärung, eingeleitet durch „wenn“, betrifft die Unsittlichkeit. Hiob bekräftigt und verteidigt hier seine Wertschätzung für den Ehebund. Es ist die logische Konsequenz aus dem Bund von Vers 1, den er möglicherweise geschlossen hat, als er noch unverheiratet war. Er schwört, dass er keinen Versuch unternimmt und keine Gelegenheit sucht, Ehebruch zu begehen (Vers 9). Um diese Gelegenheit zu nutzen, musste er sich an der Tür seines Nachbarn auf die Lauer legen. Dann würde er warten müssen, bis der Mann gegangen ist, und zu seiner Frau gehen. Davon hat er sich mit einem Herzensentschluss ferngehalten.
Wer kann Hiob hierin heute noch nachahmen, wenn es um die Versuchung geht, sich pornografische Seiten im Internet anzusehen? Wir können den Ausdruck „an der Tür meines Nächsten gelauert habe“ auf die heutige Zeit übertragen. Der Besuch von pornografischen Seiten ist ein solches „Lauern“, das heimlich geschieht. Wenn jemand dies liest und zu seiner Schande zugeben muss, dass er ein solcher „Lauerer“ ist, möge er sofort seine Sünde bekennen und in seinem Herzen den Entschluss fassen, absolut und völlig damit zu brechen. Diejenigen, die weiterhin Probleme haben oder deren Versuchung bereits zu einer Sucht geworden ist, sollten sich Hilfe suchen.
Für Hiob gab es nur eine Frau, der er seine ungeteilte Aufmerksamkeit und Hingabe schenken konnte, und das war die Frau seiner Jugend. Er schwört, dass, falls er ihr untreu werden sollte, er die Schande auf sich nehmen wird (Vers 10). Die Schande besteht darin, dass seine Frau von einem anderen missbraucht wird. Das bedeutete sowohl für sie als auch für ihn eine große Demütigung. Das würde in zweierlei Hinsicht Schande über ihn bringen. Er würde die Regel „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ erleben.
Für Hiob ist es keine Frage, wie er ein solches Verhalten nennen soll. Eine Diskussion ist nicht möglich. Untreue in der Ehe „ist eine Schandtat“ (Vers 11). Es gibt keine einzige Rechtfertigung für Ehebruch, kein einziges gutes Wort, das man sagen könnte. Es ist absolut verwerflich. Es handelt sich auch um „eine Ungerechtigkeit für die Richter“, das ohne mildernde Umstände eine Strafe verdient. Deshalb muss derjenige, der diese Sünde begeht, vor Gericht gestellt werden. Die Tatsache, dass dies z. B. in den Niederlanden nicht mehr der Fall ist, ändert nichts an der Schwere und Tragweite dieser Sünde.
Wie bereits erwähnt, wird Gott diese Sünde richten (Heb 13,4). Es ist eine Sünde, die das Gericht des Feuers der Hölle verdient (Vers 12). Aufgrund dieser Sünde wird bereits in den Beziehungen auf der Erde ein zerstörerisches und verzehrendes Feuer entfacht. Untreue in der Ehe ruiniert und zerstört das Leben aller Beteiligten in geistiger, seelischer und körperlicher Hinsicht. Alles, was das Leben hervorbringt, ist von dieser Zerstörung betroffen und geprägt. Wer in diesem Bereich untreu ist, ist auch in allen anderen Bereichen nicht vertrauenswürdig.
13 - 15 Ungerechtigkeit
13 Wenn ich das Recht meines Knechtes und meiner Magd missachtete, als sie mit mir stritten, 14 was wollte ich dann tun, wenn Gott sich erhöbe; und wenn er untersuchte, was ihm erwidern? 15 Hat nicht er, der mich im Mutterleib bereitete, [auch] ihn bereitet, und hat uns nicht einer im Schoß gebildet?
In einer weiteren Unschuldsbeteuerung erklärt Hiob, dass die Art und Weise, wie er mit seinem Sklaven und seiner Sklavin umging, gerecht war (Vers 13). Er war kein harter, gefühlloser Herr. Seine Sklavin oder sein Sklave konnte mit ihm reden, wenn sie mit etwas nicht einverstanden waren. Er hörte ihnen zu, und wenn sie Recht hatten, gab er ihnen, worauf sie Anspruch hatten. Hiob nutzte seine Position nicht, um sie zum Schweigen zu bringen.
Hiob verhielt sich wie ein Herr, der wusste, dass er selbst auch einen Herrn hatte (Vers 14; Eph 6,9; Kol 4,1). Er war sich bewusst, dass er sich vor Gott für sein Verhalten gegenüber seinen Sklaven würde verantworten müssen. Gott achtet darauf, wie Menschen ihre Sklaven behandeln. Es wird die Zeit kommen, in der Gott sich erheben wird, um Recht zu sprechen, ein Urteil zu fällen und es zu vollstrecken. Dazu wird Er alles, was wir getan haben, untersuchen und uns fragen, warum wir es getan haben und warum wir es auf diese Weise getan haben.
Beim Rechenschaftslegen vor Gott sieht Hiob keinen Unterschied in der gesellschaftlichen Stellung (Vers 15). Er sieht sich vor Gott in der gleichen Position wie seinen Sklaven, denn beide wurden von demselben Schöpfer im Mutterleib geschaffen. Beide werden von dem einen Gott im Mutterleib geformt (Ps 139,15; Mal 2,10). Gott formt ihre Körper und Glieder und verleiht ihnen bestimmte Fähigkeiten. Jeder Mensch muss erkennen, dass er das, was er hat, von Gott erhalten hat.
16 - 23 Ausbeutung der Schwachen
16 Wenn ich den Geringen [ihre] Wünsche versagte und die Augen der Witwe verschmachten ließ 17 und meinen Bissen allein aß, so dass der Verwaiste nicht davon gegessen hat – 18 ist er doch von meiner Jugend an [bei] mir aufgewachsen, wie [bei] einem Vater, und von meiner Mutter Leib an habe ich sie geleitet –; 19 wenn ich jemand umkommen sah aus Mangel an Kleidung und den Armen ohne Decke sah, 20 wenn seine Lenden mich nicht gesegnet haben und er mit der Wolle meiner Lämmer sich nicht erwärmte; 21 wenn ich meine Hand über eine Waise geschwungen habe, weil ich im Tor meine Hilfe sah, 22 so falle meine Schulter aus ihrem Blatt, und mein Arm werde abgebrochen von der Röhre! 23 Denn das Verderben Gottes war mir ein Schrecken, und vor seiner Erhabenheit vermochte ich nichts.
Eliphas hatte Hiob in seiner letzten Rede vorgeworfen, die Armen auszubeuten, indem er seine Macht missbrauchte (Hiob 22,5–9). In diesem Abschnitt spricht Hiob einen Fluch über sich selbst aus, wenn auch nur der kleinste Teil dieser Anschuldigung wahr wäre. Er hat sich in seinem Leben von dem Gedanken leiten lassen, dass er vor Gott Rechenschaft über sein Handeln ablegen muss (Vers 23).
Dieser Abschnitt enthält mehrere Unschuldsbeteuerungen. Dies zeigt sich in der häufigen Verwendung des Wortes „wenn“. Sie alle haben damit zu tun, dass er die Schwachen nicht ausgebeutet hat, sondern ihnen im Gegenteil geholfen hat. Er tat dies nicht als Wohltäter, der einfach nur Geschenke an die Armen verteilte, sondern als jemand, der sich mit der Not des anderen befasste.
Hiob zeigt, dass jemand, der innerlich rein und aufrichtig ist, auch mit seinen Mitmenschen wohltätig umgeht. Er hat Barmherzigkeit gezeigt. Wenn arme Menschen ihn um etwas baten, gab er es ihnen und erfüllte ihnen damit einen Wunsch (Vers 16). Selbst wenn eine Witwe um nichts bat, er aber die Not in ihren Augen sah, ließ er sie nicht im Stich. Er hatte ein Auge für unausgesprochene Not.
Er hatte auch ein Auge für die Waise (Vers 17). Als er sein Brot aß, dachte er an ihn und teilte sein Brot mit ihm. Er tat dies nicht als großzügiger Wohltäter, sondern als ein Vater. Er betrachtete das Waisenkind als jemanden, der von Kindheit an mit ihm aufgewachsen war und ihm das Gefühl gab, dass er sein Sohn war (Vers 18). Auch hat er der Witwe von Anfang an geholfen, d. h. von dem Moment an, als er ihre verzweifelte Lage sah. Er ist nicht davor weggelaufen oder hat lange darüber nachdenken müssen. Hiob ist ein Beispiel für jemanden, der einen „reinen und unbefleckten Gottesdienst“ pflegt (Jak 1,27).
Hiob zeigt uns noch ein weiteres Vorbild. Was für eine Wohltat muss es für das Waisenkind gewesen sein, dass sich jemand so um ihn kümmerte, wie Hiob es tat. Er fand in Hiob immer jemanden, der wie ein Vater für ihn war und das Fehlen seines eigenen Vaters ausglich. Es muss ihm das Gefühl gegeben haben: „Ich bin beliebt.“ Gibt Hiob hier nicht ein Beispiel für alle, die Pflegeeltern sind?
Er hatte auch ein Auge für jemanden, der an Kälte litt und deshalb umzukommen drohte (Vers 19). Hiob gab diesem armen Mann, der sich keine Kleidung kaufen konnte, Wollsachen, damit er wieder warm wurde (Vers 20). Er ließ einen solchen Menschen nicht mit schönen Worten abblitzen, sondern zeigte die Werke des Glaubens (Jak 2,15–17).
Sein Handeln brachte ihm den Segen der „Lenden“ derer, denen er Gutes tat (vgl. Hiob 29,13). Die Lenden stellen hier eine Person dar und repräsentieren den Menschen mit seiner ganzen Kraft und Seele. Die wohltuende Wärme war vor allem an den Hüften zu spüren, da der Gürtel die Kleidung dort dicht an den Körper drückte. Gleichzeitig gab die Wärme die Kraft zum Gehen zurück, wofür die Hüften ebenfalls ein Symbol sind.
Hiob kommt noch einmal auf seine Haltung gegenüber dem Waisenkind zurück (Vers 21; vgl. Vers 17). Gegenüber dieser sozial schwachen Person hat er nie das Recht gebrochen. Er hat dem Waisenkind nie damit gedroht ihm Böses zu tun, wobei er sich von seinen Ratsherrenkollegen im Tor unterstützt fühlte. Sie hätten ihm zugestimmt, denn schließlich ging es ja nur um ein minderwertiges Waisenkind. Es kann sein, dass er damit meint, dass er nie einen Prozess gegen einen Waisen angestrengt hat, um ihn auszubeuten, weil er wusste, dass er in dieser Absicht von seinen Ratskollegen unterstützt werden würde.
Hiob unterstreicht alle seine Unschuldsbeteuerungen mit einer starken Verwünschung (Vers 22). Wenn er sich etwas zuschulden kommen lässt, will er völlig und unwiederbringlich kraftlos gemacht werden. Es geht um den Verlust seiner Schulter und seines Arms. Beide beziehen sich auf den Verlust von Kraft. Wenn die Schulter weg ist, hat man keine Kraft mehr, etwas zu tragen, und wenn der Arm weg ist, hat man keine Kraft mehr, etwas zu tun.
Das Motiv für alles, was Hiob getan und in diesem Kapitel vor allem nicht getan hat, ist seine Ehrfurcht vor Gott (Vers 23). Er weiß, dass Gottes Verdammnis über die von ihm genannten Verbrechen hereinbrechen wird. Das hat ihn davon abgehalten, sie zu begehen. Er konnte dem Urteil der Menschen durch seinen Einfluss auf sie entgehen, aber nicht dem Urteil Gottes. Seine „Erhabenheit“ geht weit über jede menschliche Hoheit hinaus. Wenn wir davon beeindruckt sind, werden wir uns davor hüten, irgendeine Art von Ungerechtigkeit zu begehen.
24 - 28 Habsucht und Abgötterei
24 Wenn ich das Gold zu meiner Zuversicht gemacht und zum feinen Gold gesagt habe: Mein Vertrauen!; 25 wenn ich mich freute, dass mein Vermögen groß war und dass meine Hand Ansehnliches erworben hatte; 26 wenn ich die Sonne sah, wie sie glänzte, und den Mond in Pracht dahinziehen, 27 und mein Herz im Geheimen verführt wurde und mein Mund meine Hand geküsst hat, 28 auch das wäre eine gerichtlich zu strafende Ungerechtigkeit; denn Gott droben hätte ich verleugnet.
In seiner nächsten Unschuldserklärung bestreitet Hiob, dass er sich eines materialistischen Lebensstils schuldig gemacht hat. Als sein Reichtum zunahm, hatte er seine Hoffnung und sein Vertrauen nicht darauf gesetzt (Vers 24). In Hiob 1 wird Hiob als ein außergewöhnlich reicher Mann beschrieben. Reich zu sein ist keine Sünde; sich auf den Reichtum zu verlassen ist dagegen Sünde (1Tim 6,17). Wir sollen unsere Hoffnung nicht auf Gold setzen, sondern auf den Herrn, denn Er ist unsere Hoffnung (Spr 3,26; 1Tim 1,1).
Hiob freute sich auch nicht darüber, dass sein Reichtum groß war, dass er ein reicher Mann war (Vers 25). Die Quelle seiner Freude war nicht sein Reichtum, sondern Gott. Es gab auch keinerlei Ruhmsucht für seine eigenen Leistungen. Gewiss, er hat hart gearbeitet, „meine Hand“, und dadurch „viel erreicht“. Er hat seinen Reichtum nicht geerbt oder gestohlen, sondern ihn durch eigene Anstrengung erworben. Er ist sich bewusst, dass seine ganze Arbeit umsonst gewesen wäre, wenn Gott sie nicht gesegnet hätte. Er hat mit den Ergebnissen seiner Arbeit nicht sich selbst, sondern anderen gedient. Das ist die richtige Art, mit Reichtum umzugehen.
Er schwört auch, dass er seinen Wohlstand nicht auf so große Dinge der Schöpfung wie Sonne und Mond zurückführt (Vers 26; 5Mo 4,19; 2Kön 23,5). Damit sagt Hiob, dass er frei von Abgötterei ist. Die Abhängigkeit von irdischen Besitztümern ist eine Form des Götzendienstes. Der Götzendienst ist eng mit der Habsucht verbunden und wird sogar mit ihr identifiziert (Kol 3,5). Hiob wandelte nicht im Licht der Sonne und des Mondes, als ob er in ihnen die Quelle seines Wohlstandes sah, sondern im Licht Gottes.
Sein Herz war nicht heimlich versucht, diese beeindruckenden Himmelskörper anzubeten, die den Weg so wohltuend erhellen können (Vers 27). Er verlieh ihr auch keinen Ausdruck, indem er seine Hand zum Mund führte und sie küsste. Diese äußere Liebesbekundung, von der ein Kuss spricht, kam in Fällen vor, in denen das Objekt der Verehrung zu weit entfernt war, um es selbst zu berühren, wie es bei Sonne und Mond der Fall ist. Wir können hierbei an den so genannten „Handkuss“ denken. Man gibt der Hand einen Kuss und bläst sie dann in Richtung des Objekts der Liebe.
Etwas aus der Schöpfung anstelle des Schöpfers selbst zu verehren, ist ein Verbrechen (Vers 28; vgl. Vers 11; Röm 1,22–25), über das der Richter ein Urteil fällen muss. Es ist ein Verstoß gegen das Gebot, keine anderen Götter vor dem Angesicht Gottes zu haben (2Mo 20,3). Diese Sünde verleugnet Gott als denjenigen, der über allen Dingen steht, und stellt Ihn beiseite. Dies ist eine schwere Beleidigung für Ihn.
Wir gehen davon aus, dass Hiob zur Zeit der Patriarchen lebte, also zu einer Zeit, als es das Volk Israel und damit das Gesetz noch nicht gab. Doch er wusste, was angemessen vor Gott war. Das lag an seiner Beziehung zu ihm. Auch wenn wir noch wenig von der Bibel wissen, können wir doch durch das neue Leben und den Heiligen Geist spüren, ob etwas mit Gottes Willen übereinstimmt oder nicht. Von den Babys im Glauben heißt es: „Und ihr habt die Salbung von dem Heiligen und wisst alles“ (1Joh 2,20).
29 - 32 Schadenfreude und Mangel an Gastfreundschaft
29 Wenn ich mich freute über das Unglück meines Hassers und aufjauchzte, als Böses ihn traf 30 (nie habe ich ja meinem Gaumen erlaubt zu sündigen, durch einen Fluch seine Seele zu fordern); 31 wenn die Leute meines Zeltes nicht gesagt haben: Wer wäre nicht von seinem Fleisch satt geworden! 32 (der Fremde übernachtete nicht draußen, ich öffnete dem Wanderer meine Tür);
Mit dieser Erklärung der Unschuld bringt Hiob zum Ausdruck, dass er sich niemals der Schadenfreude schuldig gemacht hat (Vers 29). Wenn jemand, der ihn hasste, in Not geriet, zum Beispiel in große finanzielle Schwierigkeiten, überkam ihn kein triumphales Gefühl der Freude. Er hat auch nicht plötzlich gute Laune bekommen, als sein Hasser beispielsweise von einer schlimmen Krankheit befallen wurde. Können wir ihm das nachsprechen?
Abgesehen davon, dass er keine Schadenfreude in seinem Herzen zuließ, unterließ er es auch, mit Worten daran Ausdruck zu verleihen (Vers 30). Er unterscheidet zwischen der inneren und äußeren Sünde der Schadenfreude. Hiob spricht nun über die äußere Seite dieser Sünde. Er wünschte seinem Feind keinen Schaden, indem er einen Fluch über ihn aussprach, zum Beispiel, dass er tot umfallen möge. Um aufrichtig sagen zu können, was Hiob hier sagt, muss man in der unmittelbaren Nähe Gottes leben.
Den Vorwurf mangelnder Gastfreundschaft weist Hiob zurück, indem er auf Menschen verweist, die seine Gastfreundschaft bezeugen können (Vers 31). Wir können dabei an seine Diener denken. Alle, die an Hiobs Tisch saßen, genossen das Fleisch, das er hatte servieren lassen. Hiobs Gastfreundschaft war bekannt und wurde von allen gelobt.
Seine Gastfreundschaft beschränkte sich nicht auf eine Mahlzeit und nicht auf Bekannte. Er ging auf die Straße und lud den Fremden, der keine Unterkunft hatte, ein, bei ihm zu schlafen (Vers 32). Der Reisende brauchte keine Herberge zu suchen, sondern Hiob öffnete ihm seine Türen und empfing ihn in häuslicher Atmosphäre.
33 - 34 Scheinheiligkeit
33 wenn ich, wie Adam, meine Übertretungen zugedeckt habe, verbergend in meinem Innern meine Ungerechtigkeit, 34 weil ich mich fürchtete vor der großen Menge und die Verachtung der Familien mich erschreckte, so dass ich mich still hielt, nicht zur Tür hinausging!
Hier bezeugt Hiob, dass er vor Gott und den Menschen absolut durchschaubar ist. Er wandelte im Licht des Antlitzes Gottes. Er war nie scheinheilig, wenn es darum ging, seine Übertretungen zu verbergen und zu vertuschen, sondern gestand sie aufrichtig (Vers 33). Adam verdeckte seine Übertretung, indem er sich mit einem Schurz aus Feigenblättern bedeckte und vor Gott wegkroch (1Mo 3,7.8). Hiob bekannte seine Sünde offen und hielt sie nicht in seinem Inneren verborgen. Durch das Sündenbekenntnis fühlte er sich frei gegenüber Gott und den Menschen. Das gilt auch für uns.
Das Nichtbekennen von Sünden kann auch aus Angst vor dem, was die Leute sagen werden, geschehen. Hiob ließ sich davon nicht abhalten, seine Sünden zu bekennen (Vers 34). Er hatte keine Angst, dass ihn alle verachten und sich darüber aufregen würden. Eine Nebenwirkung davon wäre, dass er sich nicht trauen würde, etwas zu sagen oder sich irgendwo zu zeigen. Hiob erklärt hier, dass er ein reines Gewissen vor Gott und den Menschen hat.
35 - 37 Hiob fordert Gott heraus
35 O dass ich einen hätte, der auf mich hörte: Hier ist meine Unterschrift – der Allmächtige antworte mir! – und die Schrift, die mein Gegner geschrieben hat! 36 Würde ich sie nicht auf meiner Schulter tragen, sie mir umbinden als Krone? 37 Ich würde ihm die Zahl meiner Schritte mitteilen, würde ihm nahen wie ein Fürst.
Hiob ist fast am Ende seines Plädoyers angelangt. Er hat bisher alle Anschuldigungen zurückgewiesen. In den Versen 38–40 beteuert er ein letztes Mal seine Unschuld und hört dann auf zu sprechen. In den Versen 35–37 richtet er erst noch das Wort an Gott. In einer allgemeinen Klage sagt er, dass er sich so sehr danach sehnt, dass ihm jemand zuhört (Vers 35). Was er meint, ist, dass er eine richterliche Stellungnahme von Gott möchte.
Er legt Gott die Liste seiner Unschuldserklärungen vor. Lass Gott einen genauen Blick auf sie werfen. Er kann sagen, dass er die gesamte Erklärung „wahrheitsgemäß ausgefüllt“ hat, wie es auf den Formularen steht, die wir unterschreiben müssen, nachdem wir sie ausgefüllt haben. Er weist Gott auf seine „Unterschrift“ hin, die er darunter gesetzt hat. Diese Unterschrift besagt, dass er mit seiner ganzen Person zu dem steht, was er gesagt hat.
Dann fordert er Gott zu einer Antwort heraus. Er ist doch schließlich „der Allmächtige“, der alles beherrscht und in der Hand hat? Hiobs ganzes Plädoyer diente dazu, Gott von seiner Unschuld zu überzeugen, Gott, der ihn so leiden lässt, der sein Widersacher ist, weil Er ihn ohne Ursache leiden lässt. Das mit seiner Unterschrift beglaubigte Dokument seiner Unschuld legte er Gott vor. Gott soll auch seine Reaktion aufschreiben und erklären, warum Er ihn so leiden ließ.
Er wird Gottes Antwort auf seinen Schultern tragen und sie sich wie eine Krone umbinden (Vers 36). Auch dies sagt Hiob in der vollen Überzeugung, dass Gott keinen triftigen Grund für sein Leiden nennen kann. Aus dem Dokument Gottes wird hervorgehen, dass er unschuldig leidet. Alles, was Gott schreiben wird, wird ihn von allen gegen ihn erhobenen Anschuldigungen freisprechen. Er würde die Antwort Gottes im Triumph mit sich führen. Jedermann würde von seiner Unschuld überzeugt sein. Der Freispruch Gottes würde seine Schmähungen in ein Schmuckstück verwandeln.
Er würde Gott über alle seine Schritte Rechenschaft ablegen, über jeden Schritt, den er getan hatte, und dass er ihn im Gehorsam Ihm gegenüber getan hatte (Vers 37). Im Bewusstsein seiner Rechtschaffenheit würde er sich Gott wie ein Fürst nähern.
Mit dieser Schlussfolgerung irrt Hiob, wie wir sehen werden. Er wird Gott ganz anders begegnen, wenn er Ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Hiob wird sich dann nicht Gott nähern, sondern Gott wird sich Hiob nähern. Und dann ist nichts mehr übrig von seiner eigenen Gerechtigkeit, nichts von seinen „fürstlichen“ Gefühlen, sondern er wird sich selbst verachten (Hiob 42,6). Dann wird er erkennen, dass er in Wirklichkeit nicht verstanden hat, wovon er sprach, und dass er hätte warten sollen, bis Gott spricht, bevor er etwas sagen konnte.
38 - 40 Missbrauch der Ländereien
38 Wenn mein Acker über mich schreit und seine Furchen allesamt weinen,
39 wenn ich seinen Ertrag ohne Zahlung verzehrt habe und die Seele seiner Besitzer aushauchen ließ,
40 so mögen Dornen statt Weizen und Unkraut statt Gerste hervorkommen!
Die Worte Hiobs sind zu Ende.
Nachdem Hiob ausgiebig seine Unschuld erklärt und unterschrieben hat, folgt ein P.S., ein Nachsatz, denn eigentlich hätte Hiob noch viel zu sagen. Er spricht noch über sein Land, wie er damit umging, was er mit den Erträgen tat und wie er die Pächter behandelte. Er kann bezeugen, dass er sein Land sorgfältig bewirtschaftet und es nicht vernachlässigt hat (Vers 38). Gemäß dem (später gegebenen) Gebot ließ er das Land zu bestimmten Zeiten ruhen (2Mo 23,10.11; 3Mo 26,35.36) und besäte es in richtiger Weise (3Mo 19,19; 5Mo 22,9).
Die Furchen, die er mit dem Pflug auf seinem Land zog, weinten nicht, was bedeutet, dass er sein Land in der rechten Weise bearbeitete. Das bewirtschaftete Land wird persönlich zu Wort kommen, um Hiobs ordnungsgemäßen Umgang mit ihm zu bezeugen. Er hat keinen Raubbau betrieben, d. h. dass durch unkluge Bewirtschaftung seines Ackers dieser seine Fruchtbarkeit verliert und der Ertrag stark zurückgeht oder sogar verschwindet.
Sein Land brachte seinen vollen Ertrag (Vers 39). Er aß von seinem Ertrag und genoss ihn. Dabei wurde er nicht von einem Gewissen geplagt, das ihm vorwarf, seine Arbeiter, die den Ertrag eingesammelt und verarbeitet hatten, nicht bezahlt zu haben (vgl. Jak 5,4).
Er hatte auch Pächter, also Leute, die ein Stück Land von ihm gemietet hatten. Er behandelte sie nicht hart, indem er mehr verlangte, als angemessen war, oder ihnen mit allen möglichen Strafen drohte, wenn sie die Pacht wegen schlechter Ernten nicht zahlen konnten. Er hat sie nicht zum Seufzen gebracht. Laban war eine ganz andere Sorte von Chef. Er zog Jakob das Fell über die Ohren und ließ ihn seufzen (1Mo 31,7.39–41).
Hiob beschließt diese Unschuldserklärung wieder mit einer Verfluchung (Vers 40). Wenn er sich eines der genannten Dinge schuldig gemacht hat, verdient er es, dass anstelle des Weizens, den er gesät hat, Disteln, und anstelle der Gerste, die er gesät hat, giftiges Unkraut wächst. Der Segen, von dem er dachte, er würde ihn bekommen, muss sich dann in einen Fluch verwandeln, denn das hat er verdient. Disteln symbolisieren den Fluch (1Mo 3,18).
Hiob ist nicht unwillig zu leiden, wenn er es verdient hat. Dies hat er in diesem Kapitel immer wieder unterstrichen. Alle seine Unschuldsbekundungen sollen jedoch zeigen, dass sein Leiden sinnlos ist, wenn es mit der Sünde zusammenhängt, denn er hat nicht gesündigt. Deshalb hat er dieses Leiden nicht verdient. Wo Hiob hinkommen muss, ist, nicht auf Ursache und Wirkung zu schauen, wie es seine Freunde immer getan haben, sondern auf Gott. Er ist beinahe so weit.
Vorerst hat Hiob sein Sprechen beendet (vgl. Ps 72,20). Gott hat sich alle seine Worte geduldig angehört, ohne ihn zu unterbrechen oder auf Hiobs Herausforderungen an seine Adresse einzugehen. Solange wir uns noch selbst rechtfertigen, kann Gott uns nichts sagen. Erst wenn wir zu Ende gesprochen haben, bekommt Er die Gelegenheit, uns etwas zu sagen. Zur Vorbereitung darauf hören wir in den folgenden Kapiteln zunächst Elihu. Nachdem Gott gesprochen hat, spricht Hiob erneut, aber kurz und sehr bescheiden.