1 Die Klage des Propheten
1 O dass ich in der Wüste eine Wanderer-Herberge hätte, so wollte ich mein Volk verlassen und von ihnen wegziehen! Denn sie sind allesamt Ehebrecher, eine Rotte Treuloser.
Jeremias Seelenkampf geht hier weiter. Am liebsten würde Jeremia nun nichts mehr mit diesem Volk zu tun haben (vgl. Ps 55,6–8). Sie sind alle, jeder Einzelne, „Ehebrecher“. Das Ganze ist „eine Rotte Treuloser“. Es wird Ausnahmen gegeben haben, aber dies ist das Merkmal des Ganzen, das von allen, die es sehen, wahrgenommen wird. Jeremia beobachtet es nicht nur. Was er sieht, quält seine Seele und er äußert es.
Darin schließt er in seinen Gefühlen an den Gefühlen Gottes an, der auch „zu rein von Augen“ ist, „um Böses zu sehen“ (Hab 1,13a). Dies steht zwar im Gegensatz zum letzten Vers des vorherigen Kapitels (Jer 8,23), widerspricht ihm aber nicht. Dort trägt er das Volk auf seinem Herzen, hier sieht er ihre Sünden. Er liebt das Volk, aber er hasst ihre Sünden. Er will weg von einer so ehebrecherischen und treulosen Rotte, damit er ihre Sünden nicht mehr sehen muss. Die Tatsache, dass sein Predigen keine Wirkung zu haben scheint, mag bei diesem Wunsch auch eine Rolle spielen. Was hat es für einen Sinn, weiter zu predigen? Ein solcher Wunsch kann in jedem aufkommen, der ein Werk für den Herrn tut, bei dem das Ergebnis nur noch mehr Untreue zu sein scheint.
In einer „Wanderer-Herberge“ zu leben, wird sicher nicht den begehrten Frieden bringen. Wir können es mit dem Rückzug in ein Kloster vergleichen. Es ist ohnehin keine Option für einen Gläubigen, zu dessen Aufgaben es gehört, in seinem täglichen Leben Zeugnis für seinen Erlöser abzulegen. Wir müssen auch bedenken, dass wir in ein Kloster immer noch uns selbst mitnehmen. Lernen, wie man in einer gottlosen Welt und einer abgefallenen Christenheit zur Ehre des Herrn in Übereinstimmung mit der Wahrheit lebt, können wir nur in der Praxis des täglichen Lebens im Umgang mit Ihm.
2 - 8 Der Betrug der Zunge
2 Und sie spannen ihre Zunge, ihren Bogen, mit Lüge, und nicht nach Treue herrschen sie im Land; denn sie schreiten fort von Bosheit zu Bosheit, und mich kennen sie nicht, spricht der HERR. 3 Hütet euch, jeder vor seinem Freund, und vertraut auf keinen Bruder; denn jeder Bruder treibt Hinterlist, und jeder Freund geht als Verleumder umher. 4 Und sie betrügen einer den anderen, und Wahrheit reden sie nicht; sie lehren ihre Zunge Lügen reden, sie mühen sich ab, verkehrt zu handeln. 5 Deine Wohnung ist mitten unter Trug. Vor Trug weigern sie sich, mich zu erkennen, spricht der HERR. 6 Darum, so spricht der HERR der Heerscharen: Siehe, ich will sie schmelzen und läutern; denn wie sollte ich [anders] handeln wegen der Tochter meines Volkes? 7 Ihre Zunge ist ein mörderischer Pfeil, man redet Trug; mit seinem Mund redet man Frieden mit seinem Nächsten, und in seinem Innern legt man ihm einen Hinterhalt. 8 Sollte ich dies nicht an ihnen heimsuchen, spricht der HERR, oder sollte an einer Nation wie dieser meine Seele sich nicht rächen?
Das Volk glaubt, dass es durch seine Zunge stark geworden ist, durch den Gebrauch von Lügen (Vers 2). Die Zunge ist hier der Bogen und die Lüge ist der Pfeil (Ps 64,4.5). Die Sünde der Zunge ist ein großes und weit verbreitetes Übel (Ps 12,3–5; Jak 3,1–12). Der HERR stellt der Macht ihrer Lügen die „Treue“ gegenüber. Der Kontrast ist groß.
Sie gehen ihren Weg der Bosheit, weil sie den HERRN nicht kennen. Ihr Weg ist so voller Ungerechtigkeit, dass Er von ihnen sagt: „Sie schreiten fort von Bosheit zu Bosheit.“ Das ist diametral entgegengesetzt zu denen, die ihre Kraft beim HERRN suchen. Von ihnen sagt Er: „Sie gehen von Kraft zu Kraft; sie erscheinen vor Gott in Zion“ (Ps 84,8).
Sünde bringt nicht nur Trennung zwischen Gott und Mensch, sondern auch zwischen Menschen (Vers 3). Hier hören wir die Warnung, dem Nächsten und sogar dem Freund nicht zu trauen (Mich 7,5.6). Wenn das Zusammenleben von Misstrauen beherrscht wird, ist der Zusammenhalt dahin. Es zerstört die Einheit des Volkes von innen heraus. Wenn Freundschaft und Blutsverwandtschaft, beides im Osten so heilige Dinge, keine Garantie mehr für Treue sind, dann ist jegliche Verbundenheit aus dem gemeinschaftlichen Leben verschwunden.
Die Lüge ist die Sünde, die den Sündenfall verursacht hat. Die Zunge, die Gott bekennen soll, lügt über Gott. Die Zunge wird benutzt, um Lügen und nicht die Wahrheit zu verbreiten (Vers 4). Die Lehre ist sogar darauf ausgerichtet, der Zunge Lügen zu lehren und diese Lügen auszusprechen. Dadurch gehören Lügen gewissermaßen zum Charakter. Sie können nichts anderes mehr tun als lügen. In der Folge mühen sie sich ab, Unrecht zu tun und das gelehrte Unrecht in die Praxis umzusetzen. Bei dem neuen Menschen ist das anders (Eph 4,25.28).
Jeremia wird gesagt, dass er mitten unter Trug wohnt (Vers 5). Das Gleiche gilt für uns (vgl. Off 2,13). Alles, was gesagt wird, soll die Menschen davon abhalten, den HERRN zu erkennen. Das ist auch heute so. In Vers 2 heißt es noch, dass sie den HERRN nicht kennen, aber in Vers 5 heißt es, dass sie sich weigern, Ihn zu erkennen. Das liegt an ihrem Trug. Sie wollen nicht aufhören, zu lügen und zu betrügen, weil keine Liebe für die Wahrheit da ist.
Der HERR ist immer noch darauf aus, sie zu läutern, nicht sie zu vernichten (Vers 6; vgl. Mal 3,3a; Hes 22,18–22). Ihm bleibt keine andere Wahl als zu richten, Er kann nicht anders handeln, aber sein Ziel ist ihre Wiederherstellung. Er spricht von ihnen als „der Tochter meines Volkes“. Das zeigt seine Liebe zu ihnen.
Er wird den Gebrauch der Zunge, die eine wunderbare Gabe von Ihm ist, bestrafen, weil sie diese wie einen mörderischen Pfeil benutzen (Vers 7). Was mit der Zunge bekundet wird, mag noch so schön klingen, aber die Gedanken dahinter sind mit einem Hinterhalt zu vergleichen. Hinter oder unter ihren schönen Worten, in ihrem Inneren, stecken Habgier und Mordlust. Sie wollen andere mit ihrem schönen Gerede so einwickeln, dass sie zur leichten Beute werden. Sie sind darauf aus, andere zu töten, wenn sie darin einen Vorteil sehen.
Solche Dinge kann der HERR nicht ungestraft lassen (Vers 8), Er muss sie vergelten. Das Verhalten seines Volkes berührt Ihn in seiner Seele und trifft Ihn tief. Er kann es nicht ignorieren und muss dieses sündige Verhalten an ihnen heimsuchen, an denen, die nach seinem Namen genannt sind und mit denen Er sich mit Herz und Seele verbunden hat.
9 - 15 Das drohende Gericht
9 Über die Berge will ich ein Weinen und eine Wehklage erheben und über die Weideplätze der Steppe ein Klagelied. Denn sie sind verbrannt, so dass niemand hindurchzieht und man die Stimme der Herde nicht hört; sowohl die Vögel des Himmels als auch das Vieh sind geflohen, weggezogen. 10 Und ich werde Jerusalem zu Steinhaufen machen, zur Wohnung der Schakale, und die Städte von Juda zur Einöde machen, ohne Bewohner. 11 Wer ist der weise Mann, dass er dieses versteht, und zu wem hat der Mund des HERRN geredet, dass er es kundtut, warum das Land zugrunde geht [und] verbrannt wird wie die Wüste, so dass niemand hindurchzieht? 12 Und der HERR sprach: Weil sie mein Gesetz verlassen haben, das ich ihnen vorgelegt habe, und auf meine Stimme nicht gehört haben und nicht darin gewandelt sind, 13 sondern dem Starrsinn ihres Herzens und den Baalim nachgegangen sind, was ihre Väter sie gelehrt haben. 14 Darum, so spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Siehe, ich will ihnen, diesem Volk, Wermut zu essen und Giftwasser zu trinken geben 15 und sie unter die Nationen zerstreuen, die sie nicht gekannt haben, weder sie noch ihre Väter; und ich will das Schwert hinter ihnen hersenden, bis ich sie vernichtet habe.
Jeremia sieht die Folgen der Gerichte Gottes. Er weint darüber und hebt ein Klagelied darüber an (Vers 9). Überall um ihn herum ist der Boden geschwärzt. Die Straße ist für Menschen unpassierbar und für das Vieh gibt es nichts auf den Weiden, weil alles verbrannt ist. Alle Vögel und Tiere „sind geflohen und weggezogen“. Infolgedessen wird kein Laut von Tieren mehr gehört. In Jerusalem wird es keine Bewohner mehr geben (Vers 10). Die Ruinen werden zur Wohnung der Schakale. Auch die Städte Judas werden „zur Einöde ohne Bewohner“.
Der Weise ist der, der aus allem die Lehre zieht, dass nur die Furcht des HERRN Ruhe und Frieden gibt (Vers 11). Ein solcher Mensch versteht Gottes Absichten in seinen Handlungen und wird Gottes Herz kennenlernen und in der Lage sein, dies anderen mitzuteilen. Aber solche Weisen gibt es dort nicht. Deshalb gibt der HERR selbst die Antwort und sagt, dass die Ursache alles Elends darin liegt, dass sie sein Gesetz verlassen haben (Vers 12). Anstatt auf den HERRN zu hören, sind sie den Eingebungen ihres verhärteten Herzens gefolgt und hinter den Baalim hergelaufen (Vers 13). Das haben sie nicht von dem HERRN gelernt, sondern von ihren Vätern.
Doch dafür können sie nicht ihren Vätern die Schuld geben, sondern es ist ihre eigene Schuld, denn sie sind „dem Starrsinn ihres Herzens“ gefolgt. Ein Dieb wird vom Richter keine Strafmilderung bekommen, wenn er ihm sagt, dass sein Vater ihm das „Diebeshandwerk“ beigebracht hat und er dadurch zum Dieb wurde. Der Ursprung ihrer sündigen Wege und Handlungen liegt in ihrem verbohrten Herzen. Hier liegt auch der Unterschied zwischen dem Weisen und dem Toren.
Der HERR wird sie deshalb die Folgen ihres eigenen Handelns tragen lassen. Er wird ihnen, „diesem Volk“, „Wermut zu essen und Giftwasser zu trinken geben“ (Vers 14). Das erinnert an die Warnung Moses (5Mo 29,17; Jer 8,14; Off 8,11). Wermut ist eine Pflanze mit einem sehr bitteren Saft; Giftwasser kommt von einem giftigen, bitteren Kraut. Sie repräsentieren das bittere Leiden des Falls des Königreichs. Wären sie gehorsam gewesen, hätten sie Honig zum Essen und Milch zum Trinken in Hülle und Fülle gehabt.
Aber damit ist das Leiden noch nicht zu Ende. Der HERR sagt, dass Er sie auch unter die Nationen zerstreuen wird (Vers 15). Sie werden aus ihrem Land weggeführt werden. Dieses Gericht wurde bereits von Mose angekündigt (3Mo 26,33; 5Mo 28,64). Auch im Land ihrer Gefangenschaft sind sie noch nicht am Ende ihres Leidens. Der HERR wird das Schwert hinter ihnen herschicken und erst dann wird das Ende für sie kommen. Diese Ausrottung betrifft die gottlosen Glieder des Volkes.
16 - 21 Die allgemeine Wehklage
16 So spricht der HERR der Heerscharen: Gebt Acht und ruft Klageweiber, dass sie kommen, und schickt zu den weisen Frauen, dass sie kommen 17 und schnell eine Wehklage über uns erheben, damit unsere Augen von Tränen rinnen und unsere Wimpern von Wasser fließen. 18 Denn eine Stimme der Wehklage wird aus Zion gehört: „Wie sind wir verwüstet! Wir sind völlig zuschanden geworden; denn wir haben das Land verlassen müssen, denn sie haben unsere Wohnungen umgestürzt.“ 19 Denn hört, ihr Frauen, das Wort des HERRN, und euer Ohr fasse das Wort seines Mundes; und lehrt eure Töchter Wehklage und eine die andere Klagegesang. 20 Denn der Tod ist durch unsere Fenster gestiegen, er ist in unsere Paläste gekommen, um das Kind auszurotten von der Gasse, die Jünglinge von den Straßen. 21 Rede: So spricht der HERR: Ja, die Leichen der Menschen werden fallen wie Dünger auf der Fläche des Feldes und wie eine Garbe hinter dem Schnitter, die niemand sammelt.
Der HERR ruft zum Klagen auf (Vers 16). Klageweiber werden aufgerufen, zu kommen und zu klagen. Juda wird dadurch mit einem Trauerhaus verglichen. Der Tod ist mit all seinen Schrecken eingezogen und hat eine ungeheure Trauer zur Folge. Es sollen mehr Menschen kommen und mithelfen, ihre Trauer auszudrücken, damit die Tränen fließen (Vers 17). Sie wollen sich mit der Trauer Zions vereinen, die trauert, weil sie verwüstet worden ist (Vers 18). Der Anlass der Trauer ist nicht die Sünde, sondern die Folgen davon, die sie tragen müssen, wie das Verlassen des Landes und das Umstürzen ihrer Wohnungen.
Wenn wir trauern, dürfen wir uns nicht selbst betrügen, sondern sollen erkennen, was der wahre Grund für unsere Trauer ist. Die Frauen leiden, zusammen mit den Kindern, am meisten unter den Folgen der Sünde (Vers 19). Zu ihnen kommt das Wort des HERRN und die Aufforderung, es zu hören. Das Leid ist so groß – und dadurch der Bedarf an Klageweibern –, dass sie ihren Töchtern und Freundinnen die Ursache des Leids erzählen sollen, damit auch sie wehklagen. Sie sollen erzählen, was in ihren Palästen, in ihren getäfelten Wohnungen und was ihren kleinen Kindern und ihren jungen Männern geschehen ist (Vers 20).
Der HERR sagt ihnen, sie sollen die Folgen der Sünde in all ihrem Schrecken vorstellen (Vers 21). Sie sollen es nicht schöner vorstellen, als es ist. Es ist auch nicht so sehr das Gericht Gottes, sondern es sind die Ergebnisse ihres eigenen Handelns. Der Tod wird hier als ein grimmiger Schnitter dargestellt, der die Ähren auf dem Feld erntet, sie zu Garben bindet und auf den Boden legt. Die Leichen liegen wie Garben auf dem Feld, und das nicht, um später begraben zu werden, sondern als Mist.
All die Schrecken, die die Menschheit in den Weltkriegen heimgesucht haben, haben viele Millionen Tote und unzählige körperliche und geistige Krüppel hinterlassen. Es gab auch wirtschaftliche Verluste in astronomischem Ausmaß. Was ist das Ergebnis? Lernt der Mensch daraus? Wir sehen, dass die Liebe zu Reichtum und Vergnügen nur zugenommen hat und dass Gott weiter denn je aus der Gesellschaft verdrängt wurde.
22 - 23 Sich des Bösen oder des Guten rühmen
22 So spricht der HERR: Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums, 23 sondern wer sich rühmt, rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, dass ich der HERR bin, der Güte, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht der HERR.
Der Mensch rühmt sich mehr denn je „seiner Weisheit“, „seiner Stärke“ und „seines Reichtums“ (Vers 22). Der HERR warnt davor, das zu tun. Was hier gesagt wird, fasst das Tun der ganzen Welt zusammen:
1. Die Weisheit, die Wissenschaft ohne Gott, füllt die Welt. Alles wird von den sogenannten Weisen durchdacht. Diese Weisheit durchdringt unsere ganze Gesellschaft, eine Weisheit, die sich rühmt.
2. Stärke, Macht und Gewalt sind das Zweite, wovon die Welt voll ist. Die „Starken“ bestimmen in einem Spiel von Macht und Politik, was zu tun ist.
3. Das Dritte, Reichtum, Geld und Besitz, sind auch Dinge, wonach die ganze Welt strebt. Macht und Einfluss sind bei den Reichen.
Mit diesen drei Dingen rühmt sich der Mensch, und auch der Gläubige ist geneigt, ihnen Wert beizumessen. Aber nichts von diesen Dingen kann das Gericht und das Missfallen des HERRN abwenden. Die Weisheit der Menschen ist nicht wie die Weisheit Gottes (Ps 111,10; Spr 1,7; 9,10). Ihre Kraft ist nicht die geistliche Kraft der Gerechtigkeit. Ihr Reichtum ist nicht der geistliche Reichtum, der immun ist gegen Diebstahl oder Zerstörung. Damals wie heute werden der Student, der Sportler, der Kämpfer und der Finanzier hoch geschätzt. Solche Personen neigen dazu, sich auf ihre eigenen Ressourcen zu verlassen.
Der Mensch hat nicht aus der Vergangenheit gelernt, welche Auswirkungen diese Dinge gehabt haben. Er ist blind für die Tatsache, dass sie nichts Gutes, sondern nur Elend hervorgebracht haben. Der HERR in seiner Gnade hält dem Menschen vor, was wahres Rühmen ist, und das ist das Rühmen, Einsicht zu haben, dass Er HERR ist, und Ihn zu erkennen (Vers 23). Das ist der Schlüssel zu aller wahren Weisheit, Stärke und Reichtum. Dann wendet sich das Herz dem zu, der reich an „Güte“ ist und sie beweist, und der „Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde“. In diesen Dingen findet der HERR seine Freude (vgl. Mich 6,8). Wir sehen, dass die Güte an erster Stelle steht, aber sie wird nicht auf Kosten von Recht und Gerechtigkeit bewiesen.
Unser höchstes Gut ist es, Gott zu kennen, nicht nur intellektuell oder philosophisch, sondern im Geist und in seinen wahren Kennzeichen. Kennen bedeutet, Lebensgemeinschaft mit Ihm zu haben in einer innigen und persönlichen Beziehung. Das ist wahre und bleibende Weisheit. Die Quelle des höchsten christlichen Segens ist die Erkenntnis des Vaters und von Jesu Christi, der vom Vater gesandt wurde. Den Vater und den Sohn zu kennen, ist ewiges Leben (Joh 17,3; 1Joh 5,20).
Paulus zitiert diese Verse aus Jeremia, um deutlich zu machen, dass nichts aus dem Menschen, sondern allein das Kreuz Christi Menschen retten kann (1Kor 1,30.31; 2Kor 10,17). Die Weisheit des Menschen ist absolut verwerflich und kann keine Lösung in der tiefsten Not eines Menschen bieten: seinen Sünden. Die Weisheit Gottes zeigt sich in der durch Christus bewirkten Erlösung für jeden, der glaubt. Darin kann man sich rühmen, nicht in irgendetwas von dem Menschen.
24 - 25 Israel ist unbeschnittenen Herzens
24 Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da werde ich alle Beschnittenen mit den Unbeschnittenen heimsuchen: 25 Ägypten und Juda und Edom und die Kinder Ammon und Moab und alle mit geschorenen Haarrändern, die in der Wüste wohnen; denn alle Nationen sind unbeschnitten, und das ganze Haus Israel ist unbeschnittenen Herzens.
Die Verse 22 und 23 sind eine Warnung davor, sich auf menschliche Fähigkeiten zu verlassen. Die Verse 24 und 25 verurteilen das Verlassen auf religiöse Vorrechte. So wie die Erkenntnis des HERRN wichtiger ist als Weisheit, Stärke und Reichtum, so ist der Glaube im Herzen wichtiger als jede äußere Form der Religion. Das Gericht kommt über alle, die nur das äußere Zeichen tragen, dass sie zu Gottes Volk gehören, aber auch über die, die dieses Zeichen nicht haben, die Nationen (Vers 24). Sie sind alle gleich vor Gott, weil sie Ihn alle ignorieren (Röm 2,12).
Juda wird in einem Atemzug mit den Nationen genannt (Vers 25), weil sie sich wie die Nationen verhalten. Das Scheren der Haarränder ist ein heidnischer Brauch und vom HERRN für sein Volk verboten (3Mo 19,27). Juda ist viel schuldiger als die Nationen, denn sie haben das äußere Zeichen, dass sie Gottes Volk sind, aber sie verhalten sich wie die Nationen. Sie sind ein „unbeschnittenes Volk“ im Herzen, obwohl sie äußerlich beschnitten wurden. Was für Juda gilt, gilt für das ganze Haus Israel: Sie sind körperlich beschnitten, aber im Herzen unbeschnitten. Die wahre Beschneidung vor Gott ist die des Herzens (Röm 2,29).