1 - 6 Verwüstung der Städte Moabs
1 Über Moab. So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Wehe über Nebo, denn es ist verwüstet! Zuschanden geworden, eingenommen ist Kirjataim; zuschanden geworden ist die hohe Festung und bestürzt. 2 Moabs Ruhm ist dahin. In Hesbon hat man Böses gegen es ersonnen: „Kommt und lasst es uns ausrotten, dass es keine Nation mehr sei!“ Auch du, Madmen, wirst vernichtet werden; das Schwert zieht hinter dir her. 3 Horch! Ein Geschrei aus Horonaim: Verheerung und große Zertrümmerung! 4 Moab ist zerschmettert, seine Geringen haben ein lautes Geschrei erhoben. 5 Denn die Anhöhe von Luchit steigt man mit Weinen [hinauf], mit Weinen; denn am Abhang von Horonaim hat man Angstgeschrei der Zertrümmerung gehört. 6 Flieht, rettet euer Leben, und seid wie ein kahler [Strauch] in der Wüste!
Der HERR der Heerscharen, der Gott Israels, spricht sein Gericht auch über Moab aus (Vers 1; Jes 15,1–9; 16,1–14). Der Gott Israels ist auch der Gott aller Nationen (Röm 3,29). Moab ist der Sohn Lots, den er, nachdem er von seiner Tochter betrunken gemacht wurde, im Inzest mit seiner Tochter gezeugt hat (1Mo 19,37). Seine Nachkommen waren immer Feinde des Volkes Gottes. Der Name Moab kommt in diesem Kapitel 30-mal vor.
Diese Prophezeiung über Moab ist länger als jede andere Prophezeiung in Jeremia 46–49. Die Länge ist zum Teil auf die große Anzahl der erwähnten geographischen Bezeichnungen zurückzuführen. Sie ist die ausführlichste aller alttestamentlichen Prophezeiungen über Moab (5Mo 23,3; Ps 60,10; 83,6.7; 108,10; Jes 15,1–9; 16,1–14; 25,10–12; Jer 9,25; 25,21; 27,3; Hes 25,8–11; Amos 2,1–3; Zeph 2,8–11).
Moab ist ein Bild für die Welt in ihrer Faulheit und ihrem Stolz. Es ist die Welt, die das Vergnügen sucht und vor Anstrengungen flieht. Diejenigen, die Bequemlichkeit suchen, sind schnell dabei, mit dem zu prahlen, was sie haben. Aber die Liebe zur Bequemlichkeit führt immer in die Armut. Es folgt Zerstörung, Schande und Bestürzung. Die Städte, die ihr Stolz sind, werden eingenommen. Moab liegt östlich von Juda, auf der anderen Seite des Toten Meeres. Sie haben viele Städte. Nebo und Kirjataim gehörten zunächst zum Stamm Ruben (4Mo 32,37.38; Jos 13,19), wurden aber von Moab erobert. Diese Städte werden vom Feind eingenommen und zerstört werden.
Es ist vorbei mit der Herrlichkeit der Moabiter (Vers 2). Alles, worauf sich der Mensch in seiner Bequemlichkeit rühmt, wird zunichtegemacht werden. Alle Herrlichkeit des Menschen ist ausgeschlossen. Die einzige Herrlichkeit, die bleibt, ist die Herrlichkeit des Herrn.
Hesbon gehörte auch zum Stamm Ruben (4Mo 32,37). In dieser Stadt werden Pläne geschmiedet, um Moab auszurotten. Das Böse braut sich in dieser Stadt zusammen. Eine andere Stadt, Madmen, erhält die Nachricht, dass sie zerstört werden und dass diejenigen, die aus ihr fliehen, vom Schwert verfolgt werden wird.
Aus Horonaim, einer anderen Stadt, ertönt ein Aufschrei (Vers 3). Dort hat der Feind bereits sein zerstörerisches Werk getan und man spricht von einer großen Zertrümmerung. Moab ist ins Unglück gestürzt worden (Vers 4). Auch seine kleinen, wehrlosen Kinder sind Opfer. Sie schreien auf. Das leidenschaftliche Weinen von Kindern, die unter Gewalt leiden, ist eine Qual für das Gehör eines jeden, der noch irgendein natürliches Gefühl hat. Es bedeutet auch, dass das Land keine Hoffnung auf Besserung hat.
Man geht benommen durch die Straßen und weint ständig (Vers 5). Es gibt die, die den Weg nach oben gehen, nach Luchit. Andere gehen den Weg nach unten, nach Horonaim. Auf dem Weg nach unten treffen die Notschreie aus Horonaim auf die Flüchtlinge. Horonaim ist bereits zerstört (Vers 3). Es wird dort keine sichere Zuflucht gefunden werden.
Sie schreien einander zu, um zu fliehen und ihr Leben zu retten (Vers 6). Sie sollen all ihr Hab und Gut zurücklassen und wie ein kahler Strauch in der Wüste leben. Es geht nur darum zu überleben. Ihr Zustand wird hier mit einem kahlen Strauch in der Wüste verglichen, ein Bild der Verwüstung und Trostlosigkeit.
7 - 10 Selbstvertrauen und Vertrauen in Götzen
7 Denn weil du auf deine Werke und auf deine Schätze vertrautest, sollst auch du eingenommen werden; und Kamos wird in die Gefangenschaft ziehen, seine Priester und seine Fürsten allesamt. 8 Und der Verwüster wird über jede Stadt kommen, und keine Stadt wird entkommen; und das Tal wird zugrunde gehen und die Ebene vernichtet werden, wie der HERR gesprochen hat. 9 Gebt Moab Flügel, denn fliegend wird es wegziehen; und seine Städte werden zur Wüste werden, so dass niemand darin wohnt. 10 Verflucht sei, wer das Werk des HERRN lässig treibt, und verflucht, wer sein Schwert vom Blut zurückhält!
Der Grund für dieses Gericht ist das Vertrauen in sich selbst und ihrem Götzen (Vers 7). An Gott wird nicht gedacht. Diejenigen, die nur mit sich selbst beschäftigt sind, für sich selbst leben und sich ihrer eigenen Stärke und ihres Reichtums rühmen, werden untergehen. Deshalb wird Moab eingenommen werden. Ihr Gott Kamos wird sich, wie die Götter Ägyptens im vorigen Kapitel, als ein wertloser Gott erweisen. Er wird als ein totes Stück Material in die Gefangenschaft ziehen, zusammen mit dem Volk, das ihn angebetet und in seinem Namen regiert hat.
Die Wurzel des moabitischen Elends ist sein Stolz. Kamos (Verse 7.13.46) ist die Nationalgottheit der Moabiter (vgl. 4Mo 21,29; 1Kön 11,7.33). Der Hinweis auf das Vertrauen in ihre Werke und Schätze bedeutet, dass der Grund für Moabs Fall sein Materialismus ist. Als Kamos in die Gefangenschaft zieht, begleiten ihn seine Anhänger. Götzen werden gewöhnlich mit ihren Anbetern gefangen genommen (Jer 43,12; Jes 46,1–2).
Widerstand gegen den Zerstörer, der kommt, ist zwecklos (Vers 8). Auch ihr Gott kann sie nicht schützen. Keine Stadt wird verschont bleiben. Auch alles Leben im Tal und in der Ebene wird zugrunde gehen. Der Feind vollzieht ein gründliches Werk, denn es geschieht, „wie der HERR gesprochen hat“. Moab muss sich also beeilen wegzukommen, so schnell wie Vögel fliegen können (Vers 9). Es ist eine Ermahnung, eilig zu fliehen. Die Städte werden nicht in der Lage sein, Schutz zu bieten, denn sie werden zu einer Verwüstung werden, wo niemand leben kann.
Der Feind wird zu schnellem und völligem Gehorsam angespornt durch den Fluch des HERRN, der über ihn kommen wird, wenn er nicht tut, was der HERR von ihm erwartet, oder wenn er zu langsam ist, sein Werk zu tun (Vers 10). Der HERR hat geboten, dass das Schwert Moab treffen soll. Diejenigen, die das nicht tun und Ihm nicht gehorchen, sind verflucht. Meros wird verflucht, „denn sie sind dem HERRN nicht zu Hilfe gekommen“, indem sie Barak und Debora halfen, die seinen Kampf kämpften (Ri 5,23).
Dieses Wort ist auch für uns wichtig. Wenn wir die Bequemlichkeit lieben und langsam sind, das Werk des Herrn zu tun, spricht der Herr seinen Fluch darüber aus. Das scheint dem Zeitalter der Gnade, in dem wir leben, zu widersprechen, ist aber nicht so. Paulus sagt den Korinthern: „Wenn jemand den Herrn Jesus Christus nicht lieb hat, der sei verflucht“ (1Kor 16,22).
11 - 19 Die stolze Zufriedenheit der Moabiter
11 Sorglos war Moab von seiner Jugend an, und still lag es auf seinen Hefen und wurde nicht ausgeleert von Fass zu Fass, und in die Gefangenschaft ist es nie gezogen; daher ist ihm sein Geschmack geblieben und sein Geruch nicht verändert. 12 Darum siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da ich Umfüller zu ihm senden werde, die es umfüllen und seine Fässer ausleeren und seine Krüge zerschmeißen werden. 13 Und Moab wird sich über Kamos schämen, wie das Haus Israel sich geschämt hat über Bethel, ihre Zuversicht. 14 Wie sprecht ihr: Wir sind Helden und tapfere Männer zum Kampf? 15 Moab ist verwüstet, und seine Städte hat man erstiegen, und die Auslese seiner Jünglinge ist zur Schlachtung hingestürzt, spricht der König, HERR der Heerscharen ist sein Name. 16 Moabs Verderben steht nahe bevor, und sein Unglück eilt sehr. 17 Beklagt es, alle, die ihr rings um es her wohnt, und alle, die ihr seinen Namen kennt! Sprecht: Wie ist zerbrochen das Zepter der Macht, der Stab der Majestät! 18 Steige herab von der Herrlichkeit und wohne in dürrem Land, du Bewohnerin, Tochter Dibons; denn Moabs Verwüster ist gegen dich heraufgezogen, hat deine Festungen zerstört. 19 Tritt an den Weg und schau, Bewohnerin von Aroer! Frage den Fliehenden und die Entronnenen, sprich: Was ist geschehen?
Israel war immer im Kampf, außer für eine kleine Zeit unter der Herrschaft Salomos. Moab kannte nie etwas von Sorgen oder Kampf (Vers 11). Ein Mensch, der sorglos und im Wohlstand aufgewachsen ist wie ein verwöhntes Kind, kennt keine Rückschläge. Ein solcher Mensch wird unerträglich, wenn er nicht sofort bekommt, was er fordert.
Moab ist wie Wein, der nicht von einem Gefäß in ein anderes umgeschüttet wurde. Durch das Umgießen wird der Wein immer reiner, denn nach dem Umgießen bleibt der trübe Bodensatz im alten Gefäß zurück. Je öfter dieser Vorgang wiederholt wird, desto reiner wird der Wein. Dies ist bei Moab nicht geschehen. Er hat seinen verdorbenen Geschmack behalten und sein Geruch ist wie von alters her. Es ist nichts Frisches an ihm.
Das ist das Merkmal von Menschen, die alles haben, was ihr Herz begehrt, und die keine Sorgen kennen. Der Christ, der keine Prüfungen und Kämpfe hat, wird kein hingebungsvolles Leben führen, sondern nur mit seinem angenehmen Leben auf der Erde beschäftigt sein und dafür leben. Wer zum Glauben an den Herrn Jesus kommt, muss „durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen“ (Apg 14,22). Er muss auch in dem in Römer 7 beschriebenen Kampf zur Selbsterkenntnis kommen. Das wird zu einem Leben der vollen Hingabe an den Herrn Jesus führen.
Der HERR sagt zu Moab, dass es bald mit seinem bequemen Leben vorbei sein wird (Vers 12). Es wird Umfüller geben, Menschen, die Gefäße kippen, die all seinen Wohlstand und all seine Annehmlichkeiten ausgießen werden. Sie werden entleert werden. Danach werden sie selbst zerschmettert werden wie die Krüge, in denen der Wein war. Sie haben ihren Wohlstand dem Gott Kamos zugeschrieben und werden feststellen, dass es nur Beschämung zur Folge hat. Sie sollten auf Israel schauen, das auch auf den Götzen, das goldene Kalb in Bethel, vertraute (Vers 13; vgl. Amos 3,14a). Das wurde zur Beschämung für Israel und endete in der Zerstreuung.
Wenn sie das anschauen würden, wie können sie es dann wagen, so überheblich zu sein und zu sagen, dass sie Helden sind, tapfere Männer zum Kampf (Vers 14)? Die Antwort ist direkt und unmissverständlich (Vers 15). Ihre ganze Angeberei führt zu nichts. Es wird ihnen vorgestellt, dass Moab verwüstet worden ist. Es klingt ironisch, dass „die Helden“ in seinen Städten aufgestellt sind, dass aber „die Auslese seiner Jünglinge zur Schlachtung hinstürzt“. Von einem Kampf ist nicht die Rede. Der Verlauf der Schlacht wird nicht von großspurigen Schwätzern bestimmt, die sich ihrer Stärke rühmen, sondern von „dem König“, dessen Name „HERR der Heerscharen“ ist. Wenn Er spricht, was hat dann der nichtige Mensch zu sagen? Was Er sagt geschieht, und das allein.
Deshalb steht der Untergang Moabs nahe bevor (Vers 16). Die Feinde sind die Stämme aus dem Osten (Hes 25,9.10). Das Unglück, das über Moab kommt, wird bei den umliegenden Völkern, bei allen, die es bewundert haben, Trauer und Wehklagen auslösen (Vers 17). Seine Macht und Herrlichkeit sind gebrochen. Zerschlagen liegt es am Boden. Das zerbrochene Symbol der Regierung und Autorität zeigt, dass seine Macht und nationale Herrlichkeit vorbei sind.
Dibon und Aroer gehörten auch zum Stamm Ruben (Jos 13,15–17) und wurden von Moab eingenommen. Dibon ist eine blühende Stadt, aber der Feind kommt, der Verwüster Moabs (Vers 18). Er wird die „Bewohnerin, Tochter Dibons“, zwingen, von dieser Herrlichkeit herabzusteigen. Sie wird so gedemütigt werden, dass ihr sogar das Wasser fehlen wird, weil sie im dürren Land wohnt. Die Festung, die Stärke, in der sie sich sicher wähnte, wird zerstört werden.
Aroer wird aufgefordert, an den Weg zu treten und nach den Flüchtlingen aus Dibon Ausschau zu halten (Vers 19). Wenn „die Bewohnerin von Aroer“ dann die lange Reihe von Flüchtlingen sieht, den Rückzug und die Demütigung von Dibon, wird sie Fragen aufwerfen. Sie wird „den Fliehenden und die Entronnenen“, Männer und Frauen, die geflohen sind, fragen, was denn passiert sei. Wenn sie klug ist, wird sie durch das, was ihr erzählt wird, alarmiert sein und ebenfalls fliehen. Die Katastrophen, die über andere hereinbrechen, sind ein Ruf Gottes an diejenigen, die es sehen, zu Ihm umzukehren.
20 - 28 Der Fall von Moab
20 Moab ist zuschanden geworden, denn es ist bestürzt. Heult und schreit, verkündet am Arnon, dass Moab verwüstet ist! 21 Und das Gericht ist über das Land der Ebene gekommen, über Cholon und über Jahza und über Mephaat 22 und über Dibon und über Nebo und über Beth-Diblataim 23 und über Kirjataim und über Beth-Gamul und über Beth-Meon 24 und über Kerijot und über Bozra und über alle Städte des Landes Moab, die fernen und die nahen. 25 Das Horn Moabs ist abgehauen, und sein Arm ist zerschmettert, spricht der HERR. 26 Berauscht es – denn gegen den HERRN hat es großgetan –, damit Moab sich wälzt in seinem Gespei und auch selbst zum Gelächter wird! 27 Oder war dir Israel nicht zum Gelächter? Oder war es unter Dieben ertappt worden, dass du, sooft du von ihm sprachst, den Kopf schütteltest? 28 Verlasst die Städte und wohnt in den Felsen, ihr Bewohner von Moab, und seid wie die Taube, die an den Rändern des Abgrunds nistet!
Der Feind ist gekommen und hat Moab verwüstet (Vers 20). All seine Prahlerei ist dahin. Da stehen sie, beschämt und bestürzt. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu wehklagen und zu schreien. Ja, das Gericht ist gekommen, keine Stadt ist verschont geblieben (Verse 21–24). Überall, wohin sie schauen, so weit sie sehen können und auch in der Nähe, hat das Gericht alle Städte Moabs getroffen. Ihre Stärke, für die das Horn und der Arm ein Bild sind, ist verschwunden (Vers 25). Das Horn ist abgeschnitten und der Arm gebrochen.
Moab befindet sich in einem erbärmlichen Zustand. Nicht nur die Macht ist weg, sondern auch das Ansehen, und es ist selbst zum Gelächter geworden (Vers 26). Das kommt davon, wenn sich jemand gegen den HERRN großtut. Ein solcher Mensch hat seinen Weg verloren. Er weiß nicht mehr, wohin er geht und was er tut. Moab kommt ins Wanken wie ein Betrunkener auf der Straße, fällt hin und kotzt. Er hat seinen Wohlstand erbrochen und wälzt sich nun in seinem Erbrochenen.
Moab wird daran erinnert, dass es auch über Israel gelacht hat (Vers 27). Nun wird es mit dem Maß gemessen, mit dem es gemessen hat. Sicherlich wurde Israel nicht unter Dieben gefunden, die Land raubten. Früher verbot der HERR seinem Volk, das Land Moab, das von den Amoritern erobert worden war, in Besitz zu nehmen. Aber weil die Amoriter den Israeliten den freien Durchzug verweigerten, nahmen sie ihr Land in Besitz (4Mo 21,21–35). Ihr Gelächter ist völlig unbegründet.
Den Moabitern wird geraten, die Städte zu verlassen und sich in den Felsen zu verstecken (Vers 28). Wenn sie sich wie eine Taube in der Öffnung einer Felsspalte einnisten würden, könnten sie dem Schwert des Feindes entgehen.
29 - 39 Der Stolz der Moabiter
29 Wir haben den Hochmut Moabs vernommen, [das] sehr hochmütig [ist], seinen Stolz und seinen Hochmut und sein Großtun und die Überheblichkeit seines Herzens. 30 Ich kenne wohl sein Wüten, spricht der HERR, und sein eitles Prahlen; unwahr haben sie gehandelt. 31 Darum jammere ich über Moab, und wegen ganz Moab schreie ich; über die Leute von Kir-Heres seufzt man. 32 Mehr, als man Jaser beweinte, weine ich über dich, du Weinstock von Sibma; deine Ranken gingen über das Meer, sie reichten bis zum Meer von Jaser. Über deine Obsternte und über deine Weinlese ist der Verwüster hergefallen, 33 und verschwunden sind Freude und Frohlocken aus dem Baumgarten und aus dem Land Moab. Und dem Wein aus den Fässern habe ich ein Ende gemacht: Man tritt nicht mehr [die Kelter] unter Jubelruf; der laute Ruf ist kein Jubelruf. 34 Vom Geschrei Hesbons haben sie bis Elale, bis Jahaz ihre Stimme erschallen lassen, von Zoar bis Horonaim, bis Eglat-Schelischija; denn auch die Wasser von Nimrim sollen zu Wüsten werden. 35 Und ich mache ein Ende in Moab, spricht der HERR, dem, der auf die Höhe steigt und seinen Göttern räuchert. 36 Deshalb klagt wie Flöten mein Herz um Moab und klagt wie Flöten mein Herz um die Leute von Kir-Heres. Deshalb geht das, was es erübrigt hat, zugrunde. 37 Denn jedes Haupt ist kahl und jeder Bart abgeschoren; auf allen Händen sind Ritze, und Sacktuch ist an den Lenden. 38 Auf allen Dächern Moabs und auf seinen Straßen ist lauter Klage; denn ich habe Moab zerbrochen wie ein Gefäß, an dem man kein Gefallen hat, spricht der HERR. 39 Wie ist es bestürzt! Sie heulen. Wie hat Moab den Rücken gewandt vor Scham! Und allen, die rings um es her wohnen, wird Moab zum Gelächter und zur Bestürzung sein.
Die große Sünde der Moabiter ist ihr Stolz (Vers 29), zusammen mit ihrer Sorglosigkeit (Vers 11). „Wir“, das heißt Jeremia und seine Gefährten, „haben den Hochmut Moabs vernommen“. Jeremia hat es schon früher erwähnt (Verse 7.11), aber noch nicht in der starken Form dieses Verses. Sechsmal wird in diesem einen Vers in unterschiedlicher Weise davon gesprochen. Hochmut ist die Ursünde. Sie ist im Herzen der Moabiter und im Herzen eines jeden Menschen. Hochmut ist im Herzen, aber der HERR kennt das Herz der Moabiter und den Stolz, von dem es erfüllt ist (Vers 30). Bei den Menschen äußert sich dieser Hochmut in „eitlem Prahlen“ und unwahrem Handeln, dem Tun von Dingen, die nicht in Ordnung sind. Hochmut führt zu allen anderen Sünden.
Wegen all dieser Sünden kommt das Gericht über Moab. Aber Jeremia freut sich nicht darüber (Vers 31). Damit zeigt er auch, dass der HERR sich nicht über das Gericht freut, das Er ausführen muss. Er drückt damit die Gefühle des HERRN aus. Er weint über sie und erwähnt Sibma (Vers 32). Sibma ist für seine Weinberge weit und breit bekannt, bis zum Meer von Jaser. Die gesamte Ernte wurde von den Feinden vernichtet. Wein ist ein Bild der Freude. Den Wein wegzunehmen bedeutet, die Freude wegzunehmen (Vers 33). Es gibt keine Weinernte. Alle Ausdrücke der Freude, die beim Keltern der Trauben zu hören waren, sind verschwunden. Der HERR hat sie zum Verstummen gebracht.
Anstelle von Freudenbekundungen ertönt nun ein Aufschrei als Ausdruck tiefen Leids (Vers 34). Dieses Geschrei, das aus Hesbon, das in der Nähe von Sibma liegt, ertönt, ist überall zu hören. Es bedeckt sozusagen das ganze Land; das ganze Land ist voll davon. Es gibt nicht nur keinen Wein mehr, sondern auch keine Erfrischung durch Wasser, denn die Wasser von Nimrim werden zu Wüsten.
Der HERR wird nicht nur die Freude und die Erquickung aufhören lassen, sondern auch dem Götzendienst ein Ende setzen (Vers 35). Er wird dies tun, indem Er alle tötet, die den Götzen räuchern. Damit sind vor allem die Priester gemeint, aber auch das ganze Volk, das sich den Götzen hingegeben hat, mit Kamos als Hauptgott. Ihm opferten sie Kinder (2Kön 3,27), eine Praxis, die die Israeliten nachahmten (Jer 7,31; 32,35).
Wegen der großen und vielen Sünden weint Jeremias Herz um Moab und die Leute von Kir-Heres (Vers 36). „Wie Flöten“ bezieht sich auf den Gebrauch der Flöte als Instrument, um Gefühle auszudrücken, sowohl in Freude als auch in Trauer. Jeremia sieht alles, was Moab durch seine Sünden verloren hat. Dabei denkt er nicht an die ungerechte Art und Weise, in der Moab seinen Reichtum erlangt hat. Er sieht, dass das Volk bekommt, was es verdient, aber das bereitet ihm Kummer, nicht Schadenfreude.
Die Moabiter drücken auch ihre Trauer über ihre Verluste aus (Vers 37). Sie rasieren ihre Köpfe, schneiden ihre Bärte ab, machen Ritze in ihre Hände und tragen ein Sacktuch an ihren Lenden. Auf viele Arten zeigen sie ihre Niedergeschlagenheit. Auch lassen sie ihr Wehklagen überall laut werden (Vers 38). Sie lassen es auf allen Dächern hören, wo sie ihren Götzen opfern, und auf allen Gassen, wo sie sich treffen.
Aber von einer Umkehr zum HERRN ist keine Rede. So ist Er schließlich mit Moab verfahren wie mit einem wertlosen Topf, an dem niemand interessiert ist. Ein solcher Topf nimmt nur Platz weg und wird deshalb zerschlagen.
Alle, die davon hören und es sehen, merken, wie bestürzt Moab ist (Vers 39). Wegen des entgangenen Gewinns, der im Handel mit Moab liegt, werden sie darüber klagen. Gleichzeitig können sie ihr Gelächter aus Schadenfreude nicht zurückhalten, wenn sie sehen, dass das hochmütige Moab ein Gegenstand der Bestürzung geworden ist. So können entgegengesetzte Gefühle in einem Menschen zusammengehen: Er trauert über seinen eigenen Verlust und freut sich über den Verlust eines anderen.
40 - 47 Die Furcht vor dem Eindringling
40 Denn so spricht der HERR: Siehe, wie der Adler fliegt er daher und breitet seine Flügel aus über Moab. 41 Kerijot ist eingenommen, und die Festungen sind erobert. Und das Herz der Helden Moabs wird an jenem Tag sein wie das Herz einer Frau in den Geburtswehen. 42 Und Moab wird vertilgt werden, dass es kein Volk mehr ist, weil es großgetan hat gegen den HERRN. 43 Grauen und Grube und Garn über dich, du Bewohner von Moab!, spricht der HERR. 44 Wer vor dem Grauen flieht, wird in die Grube fallen, und wer aus der Grube heraufsteigt, wird im Garn gefangen werden; denn ich bringe über es, über Moab, das Jahr seiner Heimsuchung, spricht der HERR. 45 Im Schatten Hesbons bleiben Flüchtlinge kraftlos stehen; denn ein Feuer ist ausgegangen von Hesbon und eine Flamme aus der Mitte Sihons und hat die Seite Moabs verzehrt und den Scheitel der Söhne des Getümmels. 46 Wehe dir, Moab! Verloren ist das Volk des Kamos! Denn deine Söhne sind als Gefangene weggeführt und deine Töchter in die Gefangenschaft. 47 Aber ich werde die Gefangenschaft Moabs wenden am Ende der Tage, spricht der HERR. Bis hierher das Gericht über Moab.
Der Feind wird mit der Geschwindigkeit eines Adlers kommen (Vers 40; Jer 49,22; vgl. Hes 17,3). Dieser Adler wird ganz Moab mit seinen Flügeln bedecken. Moab wird plötzlich und vollständig vom Feind erobert werden. Eine starke Stadt wie Kerijot wird eingenommen werden, und ebenso alle Städte und auch die Festungen, die sie für uneinnehmbar gehalten haben (Vers 41). Das Herz der Helden Moabs, die sie beschützen wollten, wird wie das einer Frau in den Geburtswehen. Sie sind wehrlos und verängstigt. Moab wird so radikal ausgerottet, dass es kein Volk mehr sein wird (Vers 42). Der Grund dafür ist, dass es in seinem Stolz großgetan hat gegen den HERRN. Es ist die Sünde des Satans, der auch Gott gleich sein wollte (Jes 14,13.14).
Für die Bewohner Moabs ist überall Schrecken, nirgends ist ein sicherer Ort (Verse 43.44). Sie werden vor dem Grauen fliehen, aber dann in eine Grube fallen. Wenn sie es schaffen, von dort hochzuklettern und weiter zu fliehen, werden sie im Garn gefangen werden (vgl. Jes 24,17.18a). Ihre Lage ist hoffnungslos, es gibt kein Entrinnen vor dem Gericht, denn der HERR bringt das Jahr seiner Heimsuchung über Moab. Der HERR spricht und so geschieht es.
Einige denken, sie werden in Hesbon sicher sein und Schutz (Schatten) finden (Vers 45). Aber der Feind wird dort sein und sie verzehren. Der Feind herrscht in ganz Moab. Sie können nichts anderes tun als wehklagen (Vers 46). Moab, das Volk des Gottes Kamos, ist untergegangen wie ein sinkendes Schiff, das in den Wellen verschwindet und vom Meer verschluckt wird. Kamos, der Götze, ist als Lügner entlarvt worden. Er hat nicht verhindern können, dass die Söhne und Töchter „seines“ Volkes in Gefangenschaft geraten sind.
Das Kapitel zeigt die Gerechtigkeit Gottes in seinem Gericht über die Sünde. Er wird Moab für seine Sünden des Stolzes und des Götzendienstes bestrafen. Der letzte Vers zeigt jedoch, dass Gott auch ein Gott der Gnade ist (Vers 47). Gott verheißt hier, dass Moab in späteren Zeiten, also in der Endzeit, als Volk wiederhergestellt werden wird. Wenn Christus zum zweiten Mal auf der Erde erscheint, um dann als Messias zu regieren, dann wird es geschehen.