Einleitung
Hier beginnt ein neuer Teil des Buches. Wir befinden uns hier in der Regierungszeit Zedekias, dem letzten König von Juda. Nach Jeremia 1 wird Zedekia hier zum ersten Mal wieder erwähnt (Vers 1; Jer 1,1). In den folgenden Kapiteln hören wir häufig von ihm. Er ist ein böser Mann, aber auch einer, der dennoch eine Botschaft vom HERRN haben will. Es ist die Zeit, als der König von Babel die Stadt bereits belagert hat.
1 - 7 Die Abgesandten Zedekias
1 Das Wort, das von Seiten des HERRN an Jeremia erging, als der König Zedekia Paschchur, den Sohn Malkijas, und Zephanja, den Sohn Maasejas, den Priester, zu ihm sandte und sagen ließ: 2 Befrage doch den HERRN für uns, denn Nebukadrezar, der König von Babel, kämpft gegen uns; vielleicht wird der HERR mit uns handeln nach allen seinen Wundern, dass er von uns abziehe. 3 Und Jeremia sprach zu ihnen: So sollt ihr zu Zedekia sagen: 4 So spricht der HERR, der Gott Israels: Siehe, ich will die Kriegswaffen umwenden, die in eurer Hand sind, mit denen ihr außerhalb der Mauer gegen den König von Babel und gegen die Chaldäer kämpft, die euch belagern, und sie in diese Stadt hinein versammeln. 5 Und ich selbst werde gegen euch kämpfen mit ausgestreckter Hand und mit starkem Arm und mit Zorn und mit Grimm und mit großer Wut. 6 Und ich werde die Bewohner dieser Stadt schlagen, sowohl Menschen als Vieh; an einer großen Pest sollen sie sterben. 7 Und danach, spricht der HERR, werde ich Zedekia, den König von Juda, und seine Knechte und das Volk, und zwar die, die in dieser Stadt von der Pest, vom Schwert und vom Hunger übrig geblieben sind, in die Hand Nebukadrezars, des Königs von Babel, geben, und in die Hand ihrer Feinde und in die Hand derer, die nach ihrem Leben trachten; und er wird sie schlagen mit der Schärfe des Schwertes, er wird sie nicht verschonen und kein Mitleid haben und sich nicht erbarmen.
Jeremia wird von zwei Priestern, Paschchur und Zephanja, besucht (Vers 1). Zedekia hat sie zu ihm gesandt. Möglicherweise ist dies eine Ermutigung für Jeremia, der so tief deprimiert ist, weil er zumindest für Zedekia ein wahrer Prophet des HERRN ist. Zedekia möchte, dass Jeremia den HERRN für ihn befragt, das heißt, für ihn betet (Vers 2). Er ist von Nebukadnezar in die Enge getrieben worden und will nun vom HERRN einen Ausweg wissen. Der Name Nebukadnezar – hier geschrieben als Nebukadrezar – wird hier zum ersten Mal erwähnt.
Zedekia möchte, dass der HERR ein Wunder für ihn tut oder ihn auf eine wunderbare Weise befreit. Er weiß, dass der HERR in der Vergangenheit viele Wunder getan hat, wie z. B. bei seinem Vorfahren Hiskia, der auch mit einer Belagerung zu kämpfen hatte. Hiskia schickte damals auch einen Abgesandten zu einem Propheten und wurde dann vom HERRN von seinen Feinden befreit (2Chr 32,20.21; Jes 37,1–4.36.37). Würde Er es „vielleicht“ auch jetzt tun wollen und zu ihrem Nutzen Nebukadnezar in die Flucht schlagen?
Hier haben wir ein Gebet von einem gottlosen Menschen, das Gott ein Gräuel ist und das Er nicht erhört (Spr 28,9). Es ist die Art von Gebet, die sich der Pharao von Mose wünscht, als er ihn bittet, für die Befreiung von den Plagen zu beten, mit denen der HERR sein Land schlägt (2Mo 10,17). Das Wissen um die Wunder Gottes, das Zedekia besitzt, ist ein verstandesmäßiges Wissen und wird nicht vom Glauben an den Gott der Wunder begleitet.
Jeremia schickt die beiden Männer zurück zu Zedekia mit drei Antworten, eine für Zedekia, eine für das Volk und eine für das Haus David. Er sagt den beiden Männern, was sie sagen sollen (Vers 3). Die Antwort durch Jeremias Mund kommt von „dem HERRN, dem Gott Israels“ (Vers 4). Es ist nicht die Antwort, auf die sie gehofft haben, sondern eine Wiederholung dessen, was Zedekia bereits weiß.
In dieser Antwort hören wir den HERRN oft sagen: „Ich werde.“ Er wird die Waffen, die sie gegen den Feind einsetzen, zu Waffen machen, die sich gegen sie wenden. Er wird sie machtlos machen gegen den Feind, der jetzt außerhalb der Stadtmauer steht, und Er wird den Feind in das Zentrum der Stadt bringen. Sie werden erleben, dass Er selbst gegen sie kämpfen wird (Vers 5). Nicht Nebukadnezar ist der wahre Feind, sondern der HERR! Es muss ein großer Schock für Zedekia sein, das so deutlich zu hören.
Der HERR kämpft gegen ihn „mit Zorn und mit Grimm und mit großer Wut“ wegen seines Abfalls und wegen des Abfalls des Volkes. Die „ausgestreckte Hand“ und der „starke Arm“, die einst das Volk erlösten (5Mo 4,34; 5,15; 26,8), geben das Volk nun dem Elend, der Unterwerfung und der Wegführung preis. Der HERR hat sich in seinem Zorn völlig gegen sein Volk gewendet. Statt eines Wunders der Befreiung entlädt sich der Zorn Gottes. Diese Botschaft steht im krassen Gegensatz zu dem, was die falschen Propheten immer gesagt haben, die Gott stets als den Helfer Israels dargestellt haben. Jetzt erweist Er sich als ihr Widersacher.
Die Bewohner der Stadt werden nicht nur durch das Schwert des Feindes sterben, sondern auch durch eine große Pest, die Er schicken wird (Vers 6). Menschen und Vieh werden davon betroffen sein. Diejenigen, die nach diesen Katastrophen noch am Leben sind, einschließlich Zedekia und seiner Knechte, sollen nicht denken, dass sie dem Gericht entgangen sind (Vers 7). Die Hand Nebukadnezars ist die Hand des Feindes und die Hand derer, die ihnen nach dem Leben trachten. Er wird sie nicht verschonen, sondern sie ohne Mitleid durch das Schwert töten. Sie dürfen kein Erbarmen erwarten.
8 - 10 Die Wahl
8 Und zu diesem Volk sollst du sagen: So spricht der HERR: Siehe, ich lege euch den Weg des Lebens vor und den Weg des Todes. 9 Wer in dieser Stadt bleibt, wird sterben durch Schwert und durch Hunger und durch Pest; wer aber hinausgeht und zu den Chaldäern überläuft, die euch belagern, wird leben, und seine Seele wird ihm zur Beute sein. 10 Denn ich habe mein Angesicht gegen diese Stadt gerichtet zum Bösen und nicht zum Guten, spricht der HERR; sie wird in die Hand des Königs von Babel gegeben werden, und er wird sie mit Feuer verbrennen.
Jeremia gibt auch eine Botschaft des HERRN für das Volk (Vers 8). Unter ihnen gibt es solche, die noch treu sein wollen, während der König es nicht ist. Es ist eine Botschaft der Hoffnung. Diese Botschaft ist wie das Evangelium und mit einer Wahl verbunden. Diese Wahl ist der Weg zum Leben oder der Weg zum Tod (Vers 9; 5Mo 11,26–28; 30,15–20).
Zuerst wird der Weg des Todes vorgestellt. Hierfür müssen sie nichts tun. Das Wort „wer“ weist darauf hin, dass es sich um eine persönliche Entscheidung handelt und dass nicht erwartet wird, dass sich die ganze Stadt dem Gericht Gottes beugt. Jeder ist persönlich verantwortlich für die Wahl, die er trifft. Diejenigen, die in der Stadt bleiben, werden sterben.
Wer den Weg des Lebens wählt, muss etwas tun. Er muss den Ort verlassen, auf dem Gottes Zorn ruht und über den Gottes Zorn bald ausbrechen wird, und hinausgehen und zum Feind hinübergehen. Wer das tut, wird am Leben bleiben und sein Leben als Beute haben. Zum Feind überlaufen heißt, sich dem Gericht Gottes beugen, und das ist immer der Weg des Lebens.
Das Gericht kommt unwiderruflich (Vers 10). Die Stadt ist vor dem Angesicht des HERRN nicht zum Guten, sondern zum Bösen. Sie wird in die Hand des Königs von Babel gegeben werden, der sie mit Feuer verbrennen wird. Es ist deutlich, die Wahl muss getroffen werden.
11 - 14 Ermahnung an das Haus David
11 Und zum Haus des Königs von Juda [sollst du sagen]: Hört das Wort des HERRN! 12 Haus David, so spricht der HERR: Haltet jeden Morgen Gericht und befreit den Beraubten aus der Hand des Bedrückers, damit mein Grimm nicht ausbreche wie ein Feuer und unauslöschlich brenne wegen der Bosheit eurer Handlungen. 13 Siehe, ich will an dich, du Bewohnerin des Tals, des Felsens der Ebene, spricht der HERR – die ihr sprecht: Wer wird gegen uns herabsteigen, und wer wird in unsere Wohnungen kommen? 14 Und ich will euch heimsuchen nach der Frucht eurer Handlungen, spricht der HERR; und ich will ein Feuer anzünden in ihrem Wald, dass es ihre ganze Umgebung verzehrt.
Dann gibt es ein weiteres Wort des HERRN „an das Haus des Königs von Juda“ (Vers 11). Es wird aufgefordert, auf den HERRN zu hören. Diesem Haus, das dann als „Haus David“ angesprochen wird, wird gesagt, es solle am Morgen Recht sprechen (Vers 12; vgl. Ps 101,8; 2Sam 15,2). Der Ruf ergeht an ein baufälliges Haus, ein Haus, in dem Korruption und Ungerechtigkeit herrschen.
Die Beraubten, also Witwen, Waise und Fremdlinge, müssen ihr Recht bekommen. Sie sind ohne Unterstützung, ohne Eigentum und ohne Freiheit. Solche sozial schwachen Menschen fallen leicht in die Hand eines rücksichtslosen Menschen. Deshalb soll das Haus David Gerechtigkeit üben. Das Versäumnis, Gerechtigkeit zu üben, ist eine Sache, die den Zorn des HERRN wie Feuer ausbrechen lässt. Wenn keine Gerechtigkeit geübt wird, brennt der Zorn des HERRN unauslöschlich über diesen bösen Taten.
In ihrem Hochmut denken die, die im Tal wohnen, dass niemand sie sieht und dass niemand zu ihnen kommen wird, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen (Vers 13). Der Fels, in dem sie wohnen, glauben sie, ist unauffindbar und auch uneinnehmbar. Aber sie berücksichtigen den HERRN nicht. Er wird kommen, um sie zu richten, und dabei wird Er mit ihnen in völliger Gerechtigkeit verfahren (Vers 14). Sie werden nach der Frucht ihrer Taten bestraft werden. Alles, womit sie sich umgeben haben wie mit einem Wald, wird durch das Feuer seines Gerichts verzehrt werden.