1 - 3 Entweihung der Gräber
1 In jener Zeit, spricht der HERR, wird man die Gebeine der Könige von Juda und die Gebeine seiner Fürsten und die Gebeine der Priester und die Gebeine der Propheten und die Gebeine der Bewohner von Jerusalem aus ihren Gräbern herausnehmen. 2 Und man wird sie ausbreiten vor der Sonne und vor dem Mond und vor dem ganzen Heer des Himmels, die sie geliebt und denen sie gedient haben und denen sie nachgewandelt sind und die sie gesucht und vor denen sie sich niedergebeugt haben; sie werden weder gesammelt noch begraben werden; zu Dünger auf der Fläche des Erdbodens sollen sie werden. 3 Und der Tod wird dem Leben vorgezogen werden von dem ganzen Rest, der von diesem bösen Geschlecht übrig geblieben ist an allen Orten, wohin ich die Übriggebliebenen verstoßen haben werde, spricht der HERR der Heerscharen.
Diese drei Verse gehören noch zum vorherigen Kapitel und schließen daher mit einem Bild von Leichen, die nicht begraben werden. Damit ist der Tiefpunkt der Erniedrigung noch nicht erreicht. Es folgt, wenn möglich, etwas noch Schrecklicheres, nämlich das Ausgraben bereits begrabener Leichen, also ihrer Knochen, um sie zu entweihen (Vers 1). Auch hier macht die ständige Wiederholung der Worte, in diesem Fall „die Gebeine der“, die Botschaft umso eindringlicher (vgl. Jer 7,34).
„In jener Zeit“ bezieht sich auf die Zeit der nationalen Katastrophen, die über sie kommen werden, wegen ihrer oben beschriebenen Untreue und Ungerechtigkeit. Der Feind, das Heer der Babylonier, wird kommen und Grabschändungen begehen. Der Grund dafür mag sein, dass sie nachsehen wollen, ob vor allem in den Gräbern der Könige und Fürsten irgendwelche Wertgegenstände zu finden sind. Aber der HERR lässt dies geschehen, um die tiefe Schmach, die das ganze Volk, von den Höchsten bis zu den Niedrigsten unter ihnen, einschließlich der religiösen Klasse, über sich gebracht hat, noch zu vergrößern.
Der Feind wird die Gebeine „ausbreiten vor der Sonne und vor dem Mond und vor dem ganzen Heer des Himmels“ (Vers 2). Diese Himmelskörper waren Objekte der Anbetung für alle, zu denen diese Gebeine gehören, als sie lebten (2Kön 21,3.5; 23,4.11). Ihre Verehrung für sie wird detailliert beschrieben. Sie haben diese Götzen
1. Geliebt
2. und ihnen gedient
3. und sind ihnen nachgewandelt
4. und haben sie befragt
5. und haben sich vor ihnen niedergebeugt.
Es zeigt ihren großen Eifer und ihre Hingabe an ihre Götzen. Die Wertlosigkeit der Götzen und die Nutzlosigkeit ihrer Verehrung wird auch daran deutlich, dass die Götzen die große Schande, die nun über ihre Gebeine kommt, nicht verhindern. Die Schande findet ihren Höhepunkt, wenn die exhumierten Gebeine nicht wieder begraben werden, sondern wie Mist auf dem Erdboden liegen (vgl. Jer 25,33). Ein noch tieferer Ausdruck der Verachtung für diese Götzendiener ist nicht möglich.
Der HERR wird die, die zu diesem bösen Geschlecht gehören und nach dem Einfall des Feindes noch am Leben sind, überall dort zu finden wissen, wohin sie von Ihm vertrieben werden (Vers 3). An den Orten, wo sie sind, werden sie so unglücklich sein, dass sie sich wünschen werden, sie wären wie die anderen umgekommen (3Mo 26,36–39; 5Mo 28,65–67). Das bittere Schicksal wird die Verstoßenen aller Lebenskraft berauben.
4 - 7 Die Verhärtung Israels im Götzendienst
4 Und sprich zu ihnen: So spricht der HERR: Fällt man denn und steht nicht wieder auf? Oder wendet man sich ab und kehrt nicht wieder zurück? 5 Warum kehrt sich dieses Volk Jerusalems ab in immerwährender Abkehr? Sie halten fest am Trug, sie weigern sich umzukehren. 6 Ich habe Acht gegeben und zugehört: Sie reden, was nicht recht ist; da ist keiner, der seine Bosheit bereut und spricht: Was habe ich getan! Allesamt wenden sie sich zu ihrem Lauf, wie ein in den Kampf stürmendes Pferd. 7 Selbst der Storch am Himmel kennt seine bestimmten Zeiten, und Turteltaube und Schwalbe und Kranich halten die Zeit ihres Kommens ein; aber mein Volk kennt das Recht des HERRN nicht.
Jeremia soll dem Volk zwei Beispiele aus dem Alltag präsentieren (Vers 4). Es sind zwei Situationen, die das Volk erkennen muss. Diese beiden Beispiele werden dem Volk als Fragen präsentiert. Die Antwort wird auch direkt gegeben, weil sie naheliegend ist. Das erste Beispiel ist das von jemandem, der fällt. Was macht er? Natürlich bleibt er nicht liegen, sondern steht wieder auf. Das zweite Beispiel handelt von jemandem, der sich abgewandt hat, der seinen Weg verloren hat. Wird er auf diesem Weg weitergehen, wenn er sich seines Fehlers bewusst wird? Natürlich nicht, er wird auf den guten Weg zurückkehren wollen.
Nun folgt eine Frage, die das Volk zum Nachdenken bringen soll: Warum denn hat sich Jerusalem vom HERRN abgewandt und kehrt nicht zu ihm zurück (Vers 5)? Dies ist ein unnatürliches Verhalten. Sie haben sich vom HERRN abgewandt und sind dem Götzendienst verfallen, aber sie wollen nicht aufstehen und zu Ihm zurückkehren; sie verharren in der Abkehr vom HERRN und kehren nicht um. Sie verharren in der Täuschung, weil sie auf sich selbst vertrauen und nicht auf Gott. Sie weigern sich umzukehren, weil sie glauben, dass der Weg, den sie gehen, der richtige Weg ist und dass der Weg, den der HERR ihnen zeigt, nicht der richtige Weg ist.
Der HERR hat achtgegeben und ihnen zugehört (Vers 6). Er hat gehört, dass ihr Reden nichts taugt. Es ist keine Reue bei ihnen zu bemerken, nichts von Umkehr. Da ist niemand, der sich fragt, was er getan hat, eine Haltung, die kennzeichnend für einen unbußfertigen Menschen ist . Gott stellt den Menschen diese Frage, um sie zum Nachdenken über ihre Taten zu bringen, damit sie zur Einsicht kommen (1Mo 4,10; 1Sam 13,11). Ein jeder Mann seines Volkes wendet sich von Ihm ab und rennt in die falsche Richtung auf die Zerstörung zu. Wie entlaufene Pferde rennen sie weiter (Hiob 39,19–25), ohne Rücksicht auf die Gefahr, in der sie sich befinden, weil sie blind dafür sind.
Wenn die Verbindung mit Gott aufgegeben wird, verliert der Mensch jeden Sinn für das, was richtig ist. Die Tiere könnten ihm ein Vorbild sein, aber er erkennt es nicht (Vers 7; vgl. Jes 1,3). Die Zugvögel, von denen Jeremia einige erwähnt, wissen um ihr Ziel. Wenn sie am Zielort angekommen sind, wissen sie auch, wann sie von dort wieder abfliegen müssen. Sie reagieren auf die von Gott gesetzten Naturgesetze, sie kennen den Weg, den sie gehen müssen, um zu überleben. Der Mensch beweist, dass er dümmer ist als die Tiere, indem er Gottes Gesetze nicht für sich in Betracht zieht. Ähnlich wirft der Herr Jesus den Pharisäern und Sadduzäern vor, dass sie die Zeichen der Zeit nicht unterscheiden können (Mt 16,1–3).
Jeremia hat viele Gleichnisse aus der Natur. Die Natur ist voll von den Gesetzen Gottes. Nicht nur der Mensch ist dem Gesetz Gottes unterworfen, sondern auch die Tiere. Der Mensch hat, was die Tiere nicht haben, Verstand und einen Willen sowie die Fähigkeit zum bewussten Widerstand. Die Tiere gehorchen instinktiv den Naturgesetzen Gottes. Der Mensch ist von Gott als Haupt der Schöpfung gesetzt worden. Alle anderen Geschöpfe sind niedriger als er, aber er sinkt auf ein Verhalten unter dem der Tiere, wenn er Gott nicht gehorcht.
8 - 13 Vergeltung für Judas Betrug
8 Wie könnt ihr sagen: Wir sind weise, und das Gesetz des HERRN ist bei uns? Ja, siehe, zur Lüge hat es gemacht der Lügengriffel der Schreiber. 9 Die Weisen werden beschämt, bestürzt und gefangen werden; siehe, das Wort des HERRN haben sie verschmäht, und welcherlei Weisheit haben sie? 10 Darum werde ich ihre Frauen anderen geben, ihre Felder anderen Besitzern. Denn vom Kleinsten bis zum Größten sind sie allesamt der Gewinnsucht ergeben; vom Propheten bis zum Priester üben sie allesamt Falschheit, 11 und sie heilen die Wunde der Tochter meines Volkes leichthin und sprechen: „Frieden, Frieden!“, und da ist doch kein Frieden. 12 Sie werden beschämt werden, weil sie Gräuel verübt haben. Ja, sie schämen sich keineswegs, ja, Beschämung kennen sie nicht. Darum werden sie fallen unter den Fallenden; zur Zeit ihrer Heimsuchung werden sie straucheln, spricht der HERR. 13 Wegraffen werde ich sie, spricht der HERR. Keine Trauben am Weinstock und keine Feigen am Feigenbaum, und das Blatt ist verwelkt: So will ich ihnen [solche] bestellen, die sie verheeren werden.
Nach all den genannten Sünden, die deutlich machen, wie weit sie sich vom HERRN entfernt haben, erklingt voll Erstaunen die Frage, wie sie es in den Kopf bekommen, sich ihrer Weisheit zu rühmen (Vers 8). Sie rühmen sich ihrer Weisheit, weil sie das Gesetz des HERRN bei sich haben (vgl. Röm 2,17–20). Es ist damit wie mit der Prahlerei im Tempel am Anfang des vorigen Kapitels (Jer 7,4). Aber was ist das für eine Anmaßung! Sie haben zwar sein Gesetz, aber sie hören nicht darauf.
Das liegt an der falschen Darstellung des Gesetzes durch die Schriftgelehrten. Sie haben über das Gesetz mit einem Lügengriffel geschrieben. Sie haben es so ausgelegt, wie es ihnen am besten passt. Damit haben sie „das Wort Gottes ungültig gemacht“ (Mt 15,6).
Den Schriftgelehrten begegnet man oft in den Evangelien, wo sie die Gegner des Herrn Jesus sind. Es gibt sicher auch gute Schriftgelehrte wie zum Beispiel Esra (Esra 7,6), aber das ist eine Ausnahme. In der Mehrzahl verdrehten und verfälschten sie das Wort Gottes „zu ihrem eigenen Verderben“ und dem ihrer Hörer (2Pet 3,16; 2Kor 2,17).
In unseren Tagen erkennen wir die Prahlerei, der Tempel des HERRN zu sein und sein Gesetz zu haben, in jenen Gruppierungen, die behaupten, die einzigen zu sein, die die Wahrheit besitzen. Aussagen wie „wir haben“ und „bei uns“ zeugen von einer Prahlerei im Hochmut (vgl. 2Chr 13,10–12). Das ist es, was wir hören – oder vielleicht ganz heimlich in unserem Herzen denken –, wenn es heißt: „Wir haben Erkenntnis und Einsicht, denn wir allein haben Kommentare, in denen die Wahrheit dargelegt ist.“
Solches Rühmen ist große Torheit. Der Anspruch auf Besitz von Erkenntnis und Weisheit bei gleichzeitiger Verschmähung des Wortes Gottes (Vers 9) ist größte Torheit. Wie kann jemand Weisheit besitzen, wenn er die Quelle der Weisheit, das Wort Gottes, ablehnt oder nach seinen Vorstellungen verdreht? Es betrifft hier die Theologen der Zeit Jeremias. Diese haben jedoch ihre Gleichgesinnten in unseren Tagen. Auch die modernen Theologen benutzen die Feder des Lügengriffels und die religiösen Eiferer, die Sektierer, benutzen sie auch. Das zeigt den totalen Mangel an Weisheit. Wahre Weisheit ist „die Weisheit, die von oben kommt“ (Jak 3,17).
Sie werden die Folgen ihrer Torheit erfahren, wenn sie ihrer Frauen beraubt werden und wenn ihre Felder von anderen in Besitz genommen werden (Vers 10; 5Mo 28,30). Dann werden sie mit all ihrer Weisheit beschämt werden. Das ist die Folge ihrer Profitgier, nach der das ganze Volk, vom Kleinsten bis zum Größten, trachtet (vgl. Mich 3,11). Die religiösen Führer, die Priester und die Propheten handeln alle gleich. Sie praktizieren Betrug, indem sie dem Volk Lügen verkünden über einen Frieden, der kommen wird (Vers 11; vgl. 1Thes 5,3). „Friede, Friede“ bedeutet vollkommener Friede. Anstatt auf den Bruch der Beziehung mit dem HERRN hinzuweisen und den Weg der Buße und Umkehr zu predigen, reden sie, was das Volk gerne hört. Der HERR fügt kurz und eindringlich hinzu: „Da ist doch kein Frieden.“
Das Volk ist verstockt (Vers 12). Es gibt kein Schuldbewusstsein. Ohne zu erröten begehen sie die abscheulichsten Missetaten. Ihr Gewissen ist abgestorben. Sie haben jedes Gefühl für Würde und Ehre verloren. Wenn sie mit ihren gröbsten Sünden konfrontiert würden, würden sie sich immer noch rechtfertigen und diejenigen auslachen, die ihre Taten verurteilen. Das macht sie reif für die Verwüstung und für die Wegführung in die Gefangenschaft nach Babel.
Die Worte der Verse 10–12 sind eine Wiederholung dessen, was zuvor in Jeremia 6 gesagt wurde (Jer 6,12–15). Jeremia muss die Wahrheit wiederholen, um sie unauslöschlich in den Köpfen des Volkes einzuprägen. Aber das Volk, das sich weigert, auf Gottes Wort zu hören, wird von den falschen Propheten und betrügerischen Priestern verführt. Deshalb gibt es keine Rettung für sie. Die Vergeltung wird kommen, und dann werden sie fallen und nicht mehr aufstehen. Sie werden straucheln, denn ihre Kraft ist dahin.
Die Vernichtung wird vollständig sein und sie geht vom HERRN aus (Vers 13). Die Ernte, die Er erwartet hat, ist nicht da, denn sein Volk hat keine Frucht für Ihn gebracht. Der Weinstock und der Feigenbaum sind leer. Auch die Blätter sind verdorrt. Der ganze Segen, den der HERR ihnen gegeben hat, wurde nicht gewürdigt. Anstatt Ihm für seinen Segen zu danken, haben sie ihn missbraucht und sogar Götzen damit gedient. Deshalb wurden die früheren Segnungen von ihnen genommen und es bleibt nichts übrig als die hier angekündigte völlige Trostlosigkeit und Verwüstung. Von diesem Volk ist nichts mehr zu erwarten (vgl. Mt 21,19).
14 - 17 Das eindringende Heer
14 Wozu bleiben wir sitzen? Versammelt euch, und lasst uns in die festen Städte ziehen und dort umkommen, denn der HERR, unser Gott, hat uns zum Untergang bestimmt und uns Giftwasser zu trinken gegeben, weil wir gegen den HERRN gesündigt haben. 15 Man hofft auf Frieden, und da ist nichts Gutes; auf die Zeit der Heilung, und siehe da, Schrecken. 16 Von Dan her wird das Schnauben seiner Pferde gehört; vom Schall des Wieherns seiner starken [Pferde] erzittert das ganze Land. Und sie kommen und verzehren das Land und seine Fülle, die Städte und ihre Bewohner. 17 Denn siehe, ich sende unter euch Schlangen, Vipern, gegen die es keine Beschwörung gibt; und sie werden euch beißen, spricht der HERR.
Es scheint, dass das Volk die feindlichen Armeen sieht und Zuflucht suchen will (Vers 14). Es entsteht eine panische Angst. Sie rufen sich gegenseitig zu, gemeinsam in die festen Städte zu ziehen. Dort können sie das Geschehen abwarten, weil sie wissen, dass dieses Unglück vom HERRN, ihrem Gott, ausgeht. Sie erkennen an, dass der HERR ihnen das bittere „Giftwasser“ zur Strafe für ihre Abtrünnigkeit zu trinken gegeben hat. Diese Anerkennung ist jedoch weder eine Sache des Herzens noch des Gewissens. Es folgt keine Reue.
Sicherlich freuen sie sich auf Frieden und Heilung, wie jeder Mensch, auch der Böseste, sich darauf freut (Vers 15). Doch dieser Frieden kommt nicht; im Gegenteil, es kommt überhaupt nichts Gutes. Der Frieden wurde ihnen von den falschen Propheten vorausgesagt und sie erwarteten ihn, aber er scheint nicht da zu sein. Jeder wünscht sich Frieden, aber er kann nur bei Gott und seinem Christus gefunden werden. Diejenigen, die das ignorieren, glauben an einen anderen Frieden, der aber nie kommen wird. Unsere Erwartungen haben nur dann ein Fundament, wenn wir sie aus dem Wort Gottes ableiten.
Sie sehnen sich auch nach Heilung ihrer Wunden. Weil sie sich damit nicht an den HERRN als ihren Heiler wenden (2Mo 15,26b), werden sie nicht geheilt, sondern es bricht im Gegenteil eine Zeit des Schreckens an. Statt des Friedens hören sie den anrückenden Feind, der im Norden, in der Nähe von Dan, ins Land gekommen ist (Vers 16). Der Klang des Schnaubens der Pferde der feindlichen Heere erfüllt die Luft und dringt bereits durch bis Juda. Der Boden erzittert vom Klang der wild angreifenden, wiehernden Hengste. Die feindlichen Heere kommen und verschlingen das ganze Land und auch die Stadt Jerusalem – alle Menschen und alle Ernte.
Der Feind wird plötzlich dargestellt als Schlangen, ja, als giftige Vipern (Vers 17). Sie werden nicht in der Lage sein, sich vor ihnen zu schützen (Pred 10,11; Ps 58,5.6). Diese Schlangen werden sie beißen, sodass tödliches Gift in sie eindringen wird. Die Beschwörungsformeln der falschen Propheten gegen das Gift dieser Schlangen werden sich als fruchtlos erweisen. Denn der HERR schickt diese Schlangen.
18 - 23 Der Kummer Jeremias
18 O meine Erquickung im Kummer! Mein Herz ist krank in mir. 19 Siehe, die Stimme des Geschreis der Tochter meines Volkes [kommt] aus fernem Land: „Ist der HERR nicht in Zion, oder ist ihr König nicht darin?“ Warum haben sie mich gereizt durch ihre geschnitzten Bilder, durch Nichtigkeiten der Fremde? 20 „Vorüber ist die Ernte, die Obstlese ist zu Ende, und wir sind nicht gerettet!“ 21 Ich bin zerschlagen wegen der Zerschmetterung der Tochter meines Volkes; ich gehe trauernd umher, Entsetzen hat mich ergriffen. 22 Ist kein Balsam in Gilead, oder kein Arzt dort? Denn warum ist der Tochter meines Volkes kein Verband angelegt worden? 23 O dass mein Haupt Wasser wäre und mein Auge ein Tränenquell, so wollte ich die Erschlagenen der Tochter meines Volkes Tag und Nacht beweinen!
Jeremia ist nun schon seit vielen Jahren Prophet, aber seine Prophezeiungen sind ergebnislos geblieben. Anstatt erquickt zu werden, indem er sieht, dass das Volk zuhört, sieht er nur noch mehr Abfall (Vers 18). Die Aussicht auf die unmittelbar bevorstehende Zerstörung bricht ihm das Herz. Er liebt sein Volk zutiefst, aber seine Liebe stößt auf Ablehnung. Er kennt den Weg des Segens für sein Volk, aber das Volk will diesen Weg nicht gehen.
So kann es auch bei uns sein, wenn wir sehen, was Menschen nötig haben und es ihnen anbieten, sie aber das Angebot der Gnade rundheraus ablehnen. Das tut weh, nicht für uns selbst, sondern für sie. Jeremia und Paulus und Mose liebten das Volk Gottes von ganzem Herzen und litten unter ihrer Ablehnung der Gnade. Mehr als sie alle litt der Herr Jesus unter der Ablehnung von Ihm und seiner Gnade.
Jeremia hört die Hilfeschreie seines Volkes aus fernem Land (Vers 19). Sein prophetisches Ohr hört das Volk, das schon aus der Gefangenschaft um Hilfe ruft. Die Antwort auf die Fragen ist, dass der HERR ganz sicher in Zion ist und dass ihr König mit ihr ist. Aber, so die Antwort weiter, warum hält das Volk, das bald fragen wird, ob der HERR in Zion ist, immer noch so fest an den Götzen aus fremden Ländern? Das ist der Grund für seinen Zorn. Darum hat Er sein Volk in die Hand ihrer Feinde übergeben.
Das Volk antwortet, dass die Erntezeit vorbei ist (Vers 20). Der Sommer, die angenehme Zeit, in der der volle Ertrag des Landes geerntet werden kann, ist zu Ende. Die Verheißung der Ernte ist an den Gehorsam gegenüber dem HERRN gebunden. Diesen Gehorsam haben sie aufgegeben. Sie haben auch geistlich die angenehme Zeit verstreichen lassen, die Zeit, in der der HERR zur Buße und Umkehr aufrief (vgl. Lk 19,43.44; 2Kor 6,2). Die Erlösung ist nicht mehr in Reichweite.
Diese Erkenntnis bringt Jeremia in große Seelennot (Vers 21). Der Bruch ist endgültig. Das bricht ihm das Herz und bringt ihn zum Trauern. Es schmerzt und er bittet um Medizin und einen Arzt (Vers 22). Balsam wird als Medizin und auch als Schönheitsmittel verwendet (1Mo 37,25; Jer 46,11; 51,8; Hes 27,17). Es ist eine stärkende, wohlriechende Salbe. Der Gebrauch tut dem Menschen gut. Aber diese Medizin ist nur von dem „Arzt“ erhältlich, der der HERR ist. Sie sind beide – der HERR als der Arzt (2Mo 15,26) und sein Wort als der Balsam – verfügbar. Warum hat das Volk keinen Gebrauch davon gemacht?
Jeremia ist tief besorgt über den Zustand seines Volkes und die Katastrophen, die auf sie zukommen. Er leidet sehr darunter, dass sie nicht auf ihn gehört haben (Vers 23). Er hat eine intensive Liebe zu Gottes Volk, zu dem er mit Herz und Seele gehört. Er wünschte, er hätte mehr Tränen, um seinen Kummer über all die auszudrücken, die infolge der Züchtigung Gottes umgekommen sind und noch umkommen werden (Jer 13,17; 14,17).
Was hier geschrieben steht, hat ihm den Beinamen „der weinende Prophet“ eingebracht. Er ähnelt hier dem Herrn Jesus, der auch über die Stadt weinte (Lk 19,41). Es erinnert auch an das Weinen des Paulus um seine Brüder nach dem Fleisch (Röm 9,1–5; 10,1). Weinen wir auch über den Zustand von Gottes Volk, sowohl allgemein als auch in der örtlichen Gemeinde, in der wir sind? Oder vermeiden wir diese Gefühle und geben uns lieber den angenehmen Aspekten des Christseins hin? Ziehen wir es vor, unterhalten statt ermahnt zu werden?