1 - 4 Gute Lehre gilt jeder Generation
1 Hört, Söhne, die Unterweisung des Vaters, und hört zu, um Verstand zu kennen! 2 Denn gute Lehre gebe ich euch: Verlasst meine Belehrung nicht. 3 Denn ein Sohn bin ich meinem Vater gewesen, ein zarter und einziger vor meiner Mutter. 4 Und er lehrte mich und sprach zu mir: Dein Herz halte meine Worte fest; beachte meine Gebote und lebe.
Der Vater appelliert an seine Söhne, auf seine Unterweisung zu hören und darauf zu achten, mit dem Ziel, „Verstand zu kennen“ (Vers 1). Ein Vater sucht das Beste für seine Söhne und gibt ihnen nur das, was nützlich für sie ist. Er wird ihnen nichts Schlechtes geben (Lk 11,11.12). Der Vater gibt das Beste, und das dient dazu, Gottes Gedanken besser zu verstehen, wie man leben soll.
Der Vater ist davon überzeugt, dass er seinen Söhnen „gute Lehre“ gibt (Vers 2). Dabei geht es um die gesunde Lehre; er gibt gesunde Unterweisung mit gesunder Wirkung. Das ist etwas ganz anderes als das, was falsche Propheten und falsche Lehrer lehren, die den Menschen schmeicheln (Jes 30,10; Jer 5,31; Hes 33,31.32; Gal 1,6.7; 2Tim 4,3.4). Sie erzählen Geschichten, die das religiöse Volk gern hört, die es aber auch ins Verderben führen. So spricht der Vater nicht zu seinen Söhnen. Er lehrt sie das Wort Gottes und gebietet ihnen, seine Lehre nicht zu verlassen und sich nicht von Schönwetterpropheten mitreißen zu lassen.
In Vers 3 unterstreicht der Vater durch das Wort denn, was er in den Versen 1 und 2 gesagt hat. Er spricht zu seinen Söhnen als jemand, der weiß, was es heißt, seinem Vater ein „Sohn“ zu sein, denn das war er selbst auch einmal. In der Erinnerung an diese Zeit sieht er, wie „zart“ er war (1Chr 22,5; 29,1). Er fühlte sich als „ein einziger“ seiner Mutter, der sich ihrer liebevollen Aufmerksamkeit und Fürsorge sicher sein konnte.
Es ist ein Segen, wenn auch wir so an unsere Eltern zurückdenken können, an die Zeit, als sie sich um uns kümmerten. Immer mehr Kinder können das nicht. Diese Kinder können aber wohl dafür sorgen, dass ihre Kinder sich so an sie erinnern werden.
Wieder finden wir in der Familie die Atmosphäre, in der Bildung und Unterweisung erfolgt (5Mo 6,6–9). Wir sehen hier erneut (Spr 1,8), dass Vater und Mutter unterweisen, nicht formal, akademisch, wie in der Schule, sondern aus einer persönlichen Anteilnahme heraus, mit Wärme und Liebe. Dies ist zweifellos die beste Art der Unterweisung.
Der Vater erzählt seinen Kindern, was sein Vater ihm gesagt hat (Vers 4). Was er ihnen erzählt, hat er sich nicht ausgedacht, sondern von seinem Vater gehört. Auch sein Vater nahm sich Zeit, um ihn als Sohn zu unterrichten. Genau das tut ein Vater, wenn er sich der Verantwortung bewusst ist, seinen Kindern zu helfen, gute Entscheidungen im Leben zu treffen. Väter sollen ihre Kinder „in der Zucht und Ermahnung des Herrn“ erziehen (Eph 6,4).
Wir hören die Stimme der Erfahrung von zwei Generationen mitschwingen (vgl. 5Mo 6,2; 2Tim 1,5; vgl. Hiob 8,8–10). Das macht die Unterweisung in der Weisheit zu einer wertvollen Tradition über Generationen hinweg. Es ist auch eine Ermutigung für die Söhne, denn so wissen sie, dass die Erfahrungen, die sie machen, auch die Erfahrungen ihres Vaters sind. Das ist geteilte Erfahrung und kein aufgezwungenes Verhalten. So wird Unterweisung attraktiv. Bilder und Anekdoten zeigen jungen Menschen, dass ihr Vater auch einmal jung und unerfahren war und dass er bei seinem Vater den Platz einnahm, den sie heute bei ihm einnehmen.
Persönliche Gemeinschaft mit Gott kann man nicht übertragen, wohl aber zeigen und attraktiv machen, so dass das Verlangen nach ihr geweckt wird. Salomo hatte die enge Beziehung gesehen, die sein Vater David mit Gott hatte; und das hatte ihn eifersüchtig gemacht. Gewiss hatte Salomo auch die Sünden seines Vaters gesehen. Aber das war kein Hindernis, seine Söhne zu unterweisen, denn er hatte bei seinem Vater auch die Betrübnis über die Sünde gesehen.
Das gilt auch in geistlicher Hinsicht in der Gemeinde, wie auch aus den Worten des Paulus an Timotheus deutlich wird: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast“ (2Tim 3,14). Es ist ein großes Vorrecht, einen „geistlichen Stammbaum“ zu haben, von früheren Generationen zu lernen und das Gelernte an die folgenden Generationen weiterzugeben: „… und was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Leuten an, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren“ (2Tim 2,2). Das werden wir dann tun, wenn wir völlig überzeugt sind, dass das, was wir gelernt haben, in Übereinstimmung mit der Schrift ist.
In Vers 4b lässt der Vater seinen Vater, den Großvater der Söhne, zu Wort kommen. Er spricht, und er hat etwas zu sagen. Anscheinend redet er bis Sprüche 5,6, denn in Sprüche 5,7 hören wir wieder den Vater zu seinen „Söhnen“ sprechen. Die Enkel werden gut daran tun zuzuhören, was ihr Großvater zu ihrem Vater sagte. Ihr Vater gibt es an sie weiter, damit sie Nutzen davon haben können. Dieser Gewinn ist nichts weniger als Leben.
Dadurch beweist der Vater, dass er in voller Hingabe handelt, um seine Söhne durch seine Worte zu überzeugen, damit sie den Weg der Weisheit gehen und ihr Leben vor dem Verderben bewahrt wird. Das sollte die Leidenschaft aller Eltern sein, für jedes Kind, das ihnen anvertraut ist. Eine feste Herzensabsicht äußert sich in den Worten: „Soweit es von mir abhängt, werden meine Kinder nicht verlorengehen, sondern treue Diener des Herrn werden.“ Das muss die Gnade bewirken, doch das ändert nichts an den Mühen, die den Eltern abverlangt werden.
Um diesen Gewinn zu haben, muss der Sohn zuerst die Worte, die sein Vater zu ihm gesprochen hat, im Herzen festhalten. Es geht hier um das Herz, nicht um den Verstand, obwohl man das natürlich nicht voneinander trennen kann. Wenn das Herz die Worte festhält, werden diese Worte als „Gebote“ beachtet: Sie werden sich im Leben niederschlagen. Dann wird das Leben so gelebt, wie Gott es beabsichtigt hat; man erlebt es mit all den Segnungen, die ein Leben im Gehorsam gegenüber Gott in sich trägt.
5 - 9 Erwirb Weisheit, erwirb Verstand!
5 Erwirb Weisheit, erwirb Verstand; vergiss nicht und weiche nicht ab von den Reden meines Mundes. 6 Verlass sie nicht, und sie wird dich behüten; liebe sie, und sie wird dich bewahren. 7 Der Weisheit Anfang ist: Erwirb Weisheit; und mit allem, was du erworben hast, erwirb Verstand. 8 Halte sie hoch, und sie wird dich erhöhen; sie wird dich zu Ehren bringen, wenn du sie umarmst. 9 Sie wird deinem Haupt einen anmutigen Kranz verleihen, wird dir darreichen eine prächtige Krone.
Liebevoll drängt der Vater seinen Sohn, sich um jeden Preis „Weisheit“ und „Verstand“ zu erwerben, mit welchen Anstrengungen das auch immer verbunden ist (Vers 5). Er muss alles dafür tun und alles dafür einsetzen. Salomo war ja schon weise, aber Weisheit kann und muss auch zunehmen. Wer weise ist, wird an Weisheit zunehmen wollen. Weisheit und Verstand sind nicht so leicht zugänglich, sie müssen erworben werden. Du kannst alles wollen, aber bedenke dabei, dass der Gewinn von Weisheit und Verstand das Wichtigste ist.
Weisheit erwerben heißt, Christus besser kennenlernen. Genau darum geht es im Leben. Der Sohn soll die Worte, die der Vater gesprochen hat, nicht vergessen. Er soll darüber nachdenken und sie im Gedächtnis behalten. Das hält die Erinnerung an das Wort Gottes lebendig. Er darf nicht davon abweichen.
In Vers 6 wird die Weisheit als eine Person dargestellt, die Bewahrung und Schutz gibt. Die Voraussetzung für diese Bewahrung und diesen Schutz besteht darin, dass der Sohn die Weisheit nicht verlässt (negativ), sondern sie liebt (positiv). Die Weisheit – oder Christus – verlassen, ist ein großes Übel, mit äußerst bedauerlichen Folgen. Dann ist jemand allen schlechten Elementen der Welt ausgeliefert. Es ist wichtig, die Weisheit, also Christus, zu lieben. Das ist der sicherste Schutz vor allen Versuchungen zur Sünde.
Der erste Schritt, der Anfang zum Erwerb der Weisheit, ist die Entscheidung, sie zu erwerben (Vers 7). Hier finden wir den Schlüssel, Weisheit zu bekommen. Der Erwerb von Weisheit erfordert Zeit, Geld und Mühe. Es geht nicht um unseren Intellekt oder die Gelegenheiten, die wir haben oder nicht haben, sondern um unser entschiedenes Wollen. Wem klar ist, wie wertvoll die Weisheit wirklich ist, der wird sie um jeden Preis erwerben wollen.
Das gilt auch für den Verstand, also das Ergründen und Unterscheiden, wie Dinge oder Menschen beschaffen sind, ob sie gut oder böse sind, ob sie es gut oder böse meinen. Weisheit und Verstand gehören zusammen. Weisheit zeigt sich in Verstand. Wer Verstand hat, durchschaut bestimmte Situationen und weiß, wie er zu handeln hat; er weiß auch, wie man an bestimmte Leute herangehen oder sie einschätzen soll.
Einer der Hauptunterschiede zwischen dem Weisen und dem Toren ist das jeweilige Wissen über die eigenen Bedürfnisse. Wer glaubt, dass er damit kein Problem hat, hat eigentlich das größte Problem. Wenn wir erkennen, was unser größtes Problem ist, werden wir alles tun, um es zu lösen. Dann merken wir unseren Mangel an Weisheit. Wenn wir uns dieses Mangels bewusst sind, werden wir alles tun und jedes Mittel gebrauchen, um sie zu erwerben. Dabei können wir beispielsweise denken an Zeit fürs Bibelstudium, Zeit fürs Gebet, Zeit für den Besuch der Gemeinde, Zeit für Zusammenkünfte, wo Gottes Wort erklärt wird, Gespräche mit Gläubigen oder das Lesen von Büchern von Gläubigen, die viele Erfahrungen mit dem Herrn gemacht haben, um von ihnen zu lernen.
Paulus spricht davon, Christus zu „gewinnen“ (Phil 3,8). Dies weist auf Einsatz hin, als ginge es um das Gewinnen eines Preises in einem Wettkampf. Er wollte Christus kennenlernen. Natürlich war Christus in ihm und natürlich kannte er Ihn. Aber damit gab Paulus sich nicht zufrieden, sondern es war für ihn ein Verlangen, „Ihn zu gewinnen“, das heißt, Ihm immer gleichförmiger zu werden, Ihn immer besser kennenzulernen.
Die Weisheit muss sichtbar gemacht werden wie ein Banner (Vers 8). Wir müssen hoch in Bezug auf die Weisheit denken. Es darf nichts geben, was einen höheren Stellenwert in unserem Denken hat. Das führt dazu, dass sie uns aufrechthält. Wer die Weisheit aufrechthält, hat Ansehen bei anderen. Die Weisheit wird mit der Frau verglichen, die man liebt und die man umarmt. Das steht im Gegensatz dazu, dass man die fremde Frau umarmt. Der unerfahrene junge Mann darf seine volle Hingabe und Liebe der Weisheit widmen.
Dies können wir auch mit Christus, der Weisheit Gottes, in Verbindung bringen. Es geht in unserem Leben darum, Ihn zu erheben und zu ehren. Ihn zu umarmen, bedeutet, dass wir Ihm sehr nahe sind und Ihn unsere Liebe spüren lassen. Das tun wir, wenn Er für uns über allem und allen anderen steht. Wir ehren Ihn, wenn wir Ihm sagen, welche Eigenschaften wir an Ihm entdeckt haben und Ihn dafür preisen. Dann werden diese Eigenschaften auch in uns sichtbar werden, was Gott sehr schätzt. Er sagt: „Die, die mich ehren, werde ich ehren“ (1Sam 2,30).
Die Ehre, die die Weisheit denen gibt, die sie lieben, wird mit einem „anmutigen Kranz“ und einer „prächtigen Krone“ auf dem Haupt verglichen (Vers 9). Kranz und Krone sind ein klarer, sichtbarer Beweis, ein Zeichen der Wertschätzung dafür, die Weisheit gewählt zu haben. Sie sind die Ehrung eines Siegers. Die Liebe zur Weisheit erfordert Opfer. Wer diese Opfer bringt, wird dafür durch die Weisheit (Christus) belohnt (vgl. 1Kor 9,25; 2Tim 4,8; Jak 1,12; 1Pet 5,4; Off 2,10).
10 - 13 Der Weg der Weisheit
10 Höre, mein Sohn, und nimm meine Reden an, und die Jahre des Lebens werden sich dir mehren. 11 Ich unterweise dich im Weg der Weisheit, leite dich auf Bahnen der Geradheit. 12 Wenn du gehst, wird dein Schritt nicht beengt werden, und wenn du läufst, wirst du nicht straucheln. 13 Halte fest an der Unterweisung, lass sie nicht los; bewahre sie, denn sie ist dein Leben.
In den Versen 10–19 werden dem jungen Mann wieder zwei Wege beschrieben: der Weg der Weisheit (Verse 10–13) und der Weg der Gottlosen und Bösen (Verse 14–19). Der eine Weg ist der zur strahlenden Sonne, der andere der zur Finsternis der Nacht. Es geht um die Wahl zwischen dem schmalen und dem breiten Weg. Der Sohn steht gleichsam wieder vor der Wahl zwischen den beiden Bäumen im Paradies. Letztlich stehen Gehorsam und Ungehorsam zur Wahl. Bei dieser Wahl geht es also um Leben und Tod.
Der Vater wiederholt seine Ermahnung, zuzuhören und seine Worte anzunehmen (Vers 10; vgl. Vers 1). Daran knüpft er die Verheißung vieler Lebensjahre. Dies betrifft nicht nur die Anzahl Jahre, sondern auch das Genießen der Lebensfreude. Es geht um die Lebensqualität, um ein reiches Leben; und das umfasst mehr als seine irdische Dauer. Im Grunde geht es um den Genuss des ewigen Lebens im Friedensreich.
Die Worte des Vaters enthalten Anweisungen, wie man den Weg der Weisheit gehen muss; sie sind auch Hinweise auf den Weg zur Weisheit (Vers 11). Er führt ihn auf den Weg dorthin. Es ist der schmale Weg, „der zum Leben führt“ (Mt 7,14). Wenn er sich von den weisen Worten seines Vaters leiten lässt, wird er „auf Bahnen der Geradheit“ geleitet und wird deshalb keine verschlungenen Wege gehen. In seinem Verhalten wird er gerade, gerecht, heilig und wahrhaftig sein.
Der Weg der Weisheit ist frei von Hindernissen und Einschränkungen, frei von Feinden und Gefahren, so dass man sicher vorankommt (Vers 12). Es gibt Bewegungsfreiheit. Auch wenn sich der Gläubige auf dem schmalen Weg befindet, so wandelt er doch in der Freiheit des Wortes Gottes, weil das Wort Gottes einen Menschen frei macht. Wer nach der Lehre des Wortes Gottes lebt, wird durch nichts in seinem Fortschritt behindert werden. Trotz Rennen im Wettlauf, trotz Eile, um Gottes Willen zu tun, laufen wir nicht Gefahr, wegen der leicht umstrickenden Sünde zu straucheln und zu fallen (Heb 12,1.2). Wie man auf dem Weg der Weisheit geht, sehen wir in Vollkommenheit beim Herrn Jesus.
Die Ermahnung, die Unterweisung, festzuhalten und nicht loszulassen (Vers 13), bedeutet, dass auch Gegenkräfte wirken. Diese Kräfte sind entschlossen, uns dazu zu bringen, die Unterweisung, die wir erhalten haben, aufzugeben. „Nicht loslassen“ bedeutet: Der Gegner will sie uns wegreißen. Wir halten die Unterweisung nur dann fest, wenn wir ihren Wert im Herzen kennen. Weisheit ist nicht nur das Mittel, um im Leben voranzukommen, sie ist selbst das Leben. Was so wichtig ist, muss man mit Kraft und Begeisterung festhalten.
Man kann das mit einem Seil vergleichen, das jemandem zugeworfen wird, der im Wasser ist und nicht schwimmen kann. Man ruft ihm zu, dass er das Seil ergreifen und festhalten soll. Wenn er es loslässt, ertrinkt er. Dieses Seil ist sein Leben. Auch wir müssen die Ermahnung, die Unterweisung, die wir empfangen, ergreifen und festhalten.
14 - 19 Der Weg der Bösen
14 Begib dich nicht auf den Pfad der Gottlosen und beschreite nicht den Weg der Bösen. 15 Lass ihn fahren, geh nicht darauf; wende dich von ihm ab und geh vorbei. 16 Denn sie schlafen nicht, wenn sie nichts Böses getan haben, und ihr Schlaf wird ihnen geraubt, wenn sie nicht jemand zu Fall gebracht haben. 17 Denn sie essen Brot der Gottlosigkeit und trinken Wein der Gewalttaten. 18 Aber der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe. 19 Der Weg der Gottlosen ist dem Dunkel gleich; sie erkennen nicht, worüber sie straucheln.
Der junge Mann wird gewarnt, den Weg böser Menschen zu meiden, indem er auch nicht einen Schritt auf diesem Weg geht (Vers 14). Ohne einen ersten Schritt auf diesem Weg endet man auch niemals auf einem falschen Weg. Diese Warnung passt zu der Ermahnung, etwas festzuhalten. Wer auf den Pfad der Gottlosen geht, verliert den festen Zugriff auf den gesunden Unterricht; er hält ihn nicht mehr fest und lässt ihn schließlich ganz los.
Vers 15 stellt mit vier kurzen Imperativsätzen dem jungen Mann die Notwendigkeit vor, den Weg der Bösen zu meiden. Wer diesen Weg wählt, wählt den Weg des Todes. Der Vater ist sehr entschieden:
Zuerst geht es um die innere Einstellung, diesen Weg abzulehnen.
Dazu gehört die klare Entscheidung, diesen Weg nicht zu betreten.
Nicht einmal in die Nähe dieses Weges sollte er kommen wollen, sondern sich davon abwenden und
an ihm vorbeigehen, also keinen Fuß daraufsetzen.
Wenn er sich ihm nähert, kann die Sogwirkung plötzlich zu stark werden, so dass er auf diesem Weg landet. Er muss einen Umweg machen und weitergehen. Über diesen Weg sollte er nicht nachdenken und ihn auch nicht beobachten, nicht einmal aus der Ferne. Diesem Weg darf er nicht die geringste Aufmerksamkeit schenken; er muss ihn völlig ignorieren.
Für die Lebenspraxis bedeutet das, dass wir uns nicht von dem Denken beeinflussen lassen, das den Weg der Welt bestimmt. Wenn wir keinen Auftrag vom Herrn dazu haben, sollten wir uns darauf nicht einlassen und uns klar davon distanzieren. Es ist nicht nötig, wissen zu wollen, was es auf diesem Weg alles zu erleben gibt.
Dina, die Tochter Jakobs, wollte wissen, was auf diesem Weg zu erleben war; und sie erfuhr es auch. Was sie erlebte, zeigt uns, wo es hinführt, diesen Auftrag zu missachten: „Und Dina, die Tochter Leas, die sie Jakob geboren hatte, ging aus, die Töchter des Landes zu sehen. Und es sah sie Sichem, der Sohn Hemors, des Hewiters, des Fürsten des Landes, und er nahm sie und lag bei ihr und entehrte sie“ (1Mo 34,1.2). Das ist ein warnendes Beispiel. Es mag vielleicht interessant sein, allen möglichen Klatsch in Zeitschriften oder im Internet zu lesen. Dies können wir mit der Ausrede tun, wir müssten ja wissen, was in der Welt läuft. Aber diesen Gedanken müssen wir verwerfen. Wir sollten nicht nur am Klatsch unbeteiligt bleiben, sondern ihn auch nicht zur Kenntnis nehmen. Davon müssen wir uns abwenden und daran vorbeigehen.
Man sollte den schlechten Weg unbedingt meiden, weil er süchtig macht (Vers 16). Die Gottlosen und Bösen sind süchtig nach dem Bösen (Ps 36,5). Wenn sie nicht ihre tägliche Portion Schaden anrichten können, sind sie aggressiv wie ein Drogenabhängiger, wenn er seine tägliche Dosis an Drogen nicht bekommt. Sie werden immer unruhiger; sie können nicht schlafen, wenn sie nicht etwas Böses getan oder jemand zu Fall gebracht haben. Sie sind echte Kinder ihres Vaters, des Teufels.
Ihnen geht es nicht einmal um Geld oder Macht, sondern um das Böse an sich. Sie lieben das Böse. Böses zu tun, ist ihr „Brot“ und ihr „Wein“, also ihr Essen und Trinken (Vers 17). Damit kam Melchisedek zu dem müden Abraham, um ihn zu stärken (1Mo 14,18). Diese Menschen nehmen jedoch dieses Essen und Trinken nicht aus der Hand Gottes, sondern aus der „Gottlosigkeit“, aus der „Gewalt“. Sie essen davon, sie leben davon, sie finden Gefallen daran. Bei Menschen, die diesen Weg gehen, fehlt jede Art von Mitmenschlichkeit.
Vers 18 beginnt mit dem Wort „aber“. Damit zeigt er den Gegensatz zu Vers 17 auf und macht deutlich, wie gefährlich der Weg und das Leben der Gottlosen sind. Das ist der Gegensatz zwischen Finsternis und Licht. Der Pfad der Gerechten ist ein Licht, das ihnen nach einem Leben in der Finsternis aufgegangen ist (vgl. 1Pet 2,9). Es atmet die Frische des Morgens und verbreitet den Glanz der aufgehenden Sonne.
Der Pfad selbst ist ein Licht, weil Wahrheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit darauf zu sehen sind. Christus ist zu sehen, und Er ist das Licht. „Licht der Welt“ werden auch die Gerechten genannt, die ihr Licht vor den Menschen leuchten lassen (Mt 5,14.16; Phil 2,15). Je weiter die Gerechten auf diesem Pfad voranschreiten, desto heller wird das Licht leuchten, bis sie „zur Tageshöhe“ gekommen sind: Sie werden im vollen Licht enden. Dann ist es völlig Tag geworden. Das ist der Tag des Friedensreichs.
Der Weg der Gottlosen ist die tiefe Finsternis der Sünde und des Unglaubens, mitten in der Nacht (Vers 19; vgl. 2Mo 10,22), wodurch sie straucheln und fallen. Sie haben keine Ahnung, worüber sie straucheln, weil sie nichts sehen. Straucheln ist auch ein Ergebnis falscher Belehrung im Gesetz (Mal 2,8). Um sie her und in ihnen herrscht Dunkelheit. Wer im Licht wandelt, strauchelt nicht; wer in der Finsternis wandelt, strauchelt (Joh 11,9.10). Wer in der Finsternis wandelt, endet in der ewigen Finsternis, wo sich das Licht Gottes in ewiges Feuer verwandelt hat.
20 - 27 Wache über Herz, Lippen, Augen und Fuß
20 Mein Sohn, höre aufmerksam auf meine Worte, neige dein Ohr zu meinen Reden. 21 Lass sie nicht von deinen Augen weichen, bewahre sie im Innern deines Herzens. 22 Denn Leben sind sie denen, die sie finden, und Gesundheit ihrem ganzen Fleisch. 23 Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens. 24 Tu von dir die Verkehrtheit des Mundes, und die Verdrehtheit der Lippen entferne von dir. 25 Lass deine Augen geradeaus blicken und deine Wimpern gerade vor dich hinschauen. 26 Ebne die Bahn deines Fußes, und alle deine Wege seien gerade; 27 biege nicht ab zur Rechten noch zur Linken, wende deinen Fuß ab vom Bösen.
Der Abschnitt der Verse 20–27 handelt vom Leben. Es folgt eine Art „ärztlicher Untersuchung“ des Herzens, des Mundes, der Augen und der Füße, um zu sehen, in welchem Zustand sie sind, um den Sohn zu lehren, sie gut zu gebrauchen. Das ganze äußere Leben kommt aus dem hervor, was im Herzen ist (Verse 21.23). Mit dem Herzen ist das Zentrum der Existenz gemeint, das ganze Sein des Menschen, mit seinem Verstand, seinem Willen und seinem Gefühl. In diesem Zentrum muss das Wort Gottes seinen Platz haben.
Das Herz muss bewacht werden; wir müssen darauf achten, was hineinkommt. Wenn Gutes hineinkommt, wird auch Gutes herauskommen. Was herauskommt, tritt nach außen durch Mund und Lippen (Vers 24), Augen und Wimpern (Vers 25), Fuß und Wege (Vers 26). Wenn das Herz in Ordnung ist, weiß der Mund, was er sagen soll, die Augen, wo sie hinschauen sollen, die Füße, wo sie hingehen sollen. Das ist möglich, wenn das Herz mit der Furcht des HERRN erfüllt ist.
Erneut appelliert der Vater an seinen Sohn, aufmerksam auf seine Worte zu hören (Vers 20). Solche Aufrufe kommen in diesem Buch immer wieder vor, weil die Gottesfurcht zu einem großen Teil darin besteht, an bekannten Wahrheiten festzuhalten. Der Sohn muss sein Ohr dem zuneigen, was sein Vater sagt. Er muss ein williger und guter Zuhörer sein, denn es geht um Worte, die von größter Bedeutung sind.
Außerdem soll er diese Worte nicht von seinen Augen weichen lassen; er soll immer seine Augen darauf gerichtet halten (Vers 21). Dies kann er sehr wörtlich tun, indem er sie niederschreibt (vgl. 5Mo 17,18). Das wird ihm helfen, sie „im Innern“ seines Herzens zu bewahren. Durch den Einsatz von Ohr, Augen und Herz wird seine ganze Person von den Worten seines Vaters gelenkt werden.
Die Folgen sind Leben und Gesundheit (Vers 22). Die Worte der Schrift, die Worte Christi, „sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63). Sie befreien von bösen Dingen, die Schmerzen verursachen und das Ausleben des wahren Lebens verhindern. Auf die Belehrung zu hören und ihr zu gehorchen, fördert das Wohlergehen der ganzen Person. Sünde zerstört den Körper. Beispiele dafür sind Aids als Folge sündhafter sexueller Kontakte und Magersucht als Folge eines ungesunden Kontrollbewusstseins. Wer mit Sündenbekenntnis auf den Weg der Weisheit zurückkehrt, findet Heilung.
Nach der Ermahnung in Vers 21, Weisheit im Herzen zu bewahren, folgt in Vers 23 die Ermahnung, das Herz zu behüten. Das bedeutet, dass die Gefahr des Eindringens falscher Elemente besteht, die die Kontrolle übernehmen wollen. Dies geschieht über den Verstand oder das Gedankenleben, den Willen und das Gefühl. Man kann das Herz nur schützen durch beständiges Gebet, Hören auf Gottes Wort und Heiligung durch Gottes Geist. Das Herz ist der Ausgangspunkt der Aktivitäten des Lebens und bestimmt den Lauf des Lebens, mit allem, was jemand sagt (Vers 24), sieht (Vers 25) und tut (Verse 26.27).
Was im Herzen steckt, äußert sich zuerst und am deutlichsten in den Worten, die aus dem Mund und über die Lippen kommen (Vers 24, vgl. Lk 6,45; Mt 12,34.35; 15,18.19). Was nicht aus einem von Weisheit beherrschten Herzen kommt, muss aus unseren Worten gestrichen werden. Der junge Mann muss einen radikalen Bruch mit falschen Worten vollziehen (Eph 4,29).
Die „Augen“ müssen geradeaus schauen: Sie sollen einfach nur auf ein Ziel gerichtet sein (Vers 25). Das Ziel ist hier, Weisheit zu erlangen, das ist Christus, um Ihn zu gewinnen. Wir können auch sagen, dass der Sohn „in das vollkommene Gesetz, das der Freiheit, nahe hineinschaut und darin bleibt, indem er nicht ein vergesslicher Hörer, sondern ein Täter des Werkes ist“ (Jak 1,25). Er muss ständig auf die Vorschriften des Wortes Gottes blicken, die sein Vater ihm einschärft. Darin sieht er Verheißungen, aber auch Beispiele, die ihn ermutigen, geradeaus auf das Ziel zu schauen.
Er muss die „Wimpern“ gerade vor sich hinschauen lassen. Die Konzentration auf das Ziel soll so intensiv sein, dass er nicht einmal mit den Augen blinzelt. Wenn das Auge ziellos und ehebrecherisch wandert, kommt es zu ehebrecherischen Taten. Der Herr Jesus spricht darüber, gerade nach vorn zu schauen, wenn Er sagt: „Wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“ (Mt 6,22). Damit sagt Er, dass der ganze Leib weiß, was zu tun ist, wenn das Auge auf das eine Ziel gerichtet ist.
Die Aufforderung, geradeaus zu schauen, wirkt sich direkt auf den „Fuß“ des jungen Mannes aus (Vers 26). Er muss seinen Weg passierbar machen, indem er Schlaglöcher beseitigt und Stolpersteine aus dem Weg räumt (Heb 12,13). Dann können alle seine „Wege … gerade“ sein, so dass er einen verlässlichen Weg gehen kann, der gradlinig zum Ziel führt.
Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem, wohin unsere Augen sehen und wohin unsere Füße treten. Jeder, der Auto fährt, weiß, dass man das Auto nur gerade auf der Straße hält, wenn man geradeaus blickt. Gleiches gilt für den Pflüger. Auch er schaut auf das Ende des Feldes, damit er gerade Furchen zieht. Hätte die Frau Lots geradeaus geschaut und nicht zurückgeblickt, wäre sie nicht zu einer Salzsäule geworden (1Mo 19,17.26). Es ist fatal, nicht geradeaus zu schauen. Deshalb sagt der Herr Jesus: „Erinnert euch an Lots Frau!“ (Lk 17,32).
Das Prinzip ist klar: Unsere Füße neigen dazu, unseren Augen zu folgen. Wir bestimmen den Kurs unseres Weges durch das, worauf wir unsere Augen richten. Der Verfasser des Briefes an die Hebräer spricht von einem Wettlauf. Er betont, dass es darum geht, von allen anderen Dingen wegzusehen und unsere Augen nur auf ein Ziel zu richten, nämlich auf Christus in der Herrlichkeit (Heb 12,1.2).
Die Ermahnung im letzten Vers (Vers 27) schließt an den vorherigen Vers an. Der Sohn soll den Weg, den der Vater ihm zeigt, nicht nach rechts oder links verlassen (5Mo 5,32; 28,13.14; Jos 1,7). Dafür muss er auf die Stimme Gottes hören (vgl. Jes 30,21). Nicht nach rechts abbiegen bedeutet für uns, nicht in Gesetzlichkeit und in starre Rechtgläubigkeit zu verfallen; und nicht nach links abbiegen bedeutet, nicht dem Liberalismus und der Abgötterei zu verfallen.
Weder Drohungen noch Schmeicheleien sollen ihn vom Weg abbringen; auch nicht Zeiten des Unglücks und Zeiten des Wohlstands. Er soll also geradeaus auf den angegebenen Wegen gehen. Wenn er seinen Fuß vom Bösen abwendet, schafft er Distanz zwischen sich und dem Bösen.