1 - 2 Eine milde Antwort und die Zunge der Weisen
1 Eine milde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn. 2 Die Zunge der Weisen spricht tüchtiges Wissen aus, aber der Mund der Toren sprudelt Narrheit hervor.
Salomo, der König des Friedens, erklärt in Vers 1, wie jemand, der vor Zorn glüht, beruhigt werden kann. Dies gilt für alle Situationen, in denen jemand wegen einer (angeblichen) Ungerechtigkeit, die ihm angetan wurde, wütend ist. Das kann in der Familie, in einer freundschaftlichen Beziehung, im Lebens- und Arbeitsumfeld oder in der Gemeinde vorkommen. Wie wichtig ist es dann, mit „einer milden Antwort“ auf den Wutausbruch zu reagieren. Ein Mensch, der in seinem Gemüt verletzt ist, kann mit einer freundlichen oder nachdenklichen Antwort beruhigt werden, so dass die Spannung weicht und wieder Ruhe einkehrt.
Einer milden Antwort steht „ein kränkendes Wort“ gegenüber. Ein solches Wort beruhigt nicht, sondern erregt gerade den Zorn. Es kommt zu einer Explosion. Ein kränkendes Wort ist nicht nur hart, sondern auch scharf und beleidigend; es verursacht Schmerzen oder Trauer. Ein solches Wort bewirkt eine heftige, böse Reaktion. Wenn die Antwort auf eine fleischliche Äußerung wiederum eine fleischliche Äußerung ist, gibt es Streit.
Für beide Arten von Antworten finden wir je ein klares Beispiel in der Schrift: Die Art, wie Gideon zu den trotzigen Ephraimitern redete, ist ein Beispiel für eine milde Antwort (Ri 8,1–3). Was er sagt, nimmt die Spannung weg. Die Härte, mit der Jephta den erneut trotzigen Ephraimitern begegnet, führt zu einem Bürgerkrieg mit vielen Opfern (Ri 12,1–6; vgl. 1Kön 12,13–16).
Wie weise Menschen sind, lässt sich oft daran erkennen, was sie sagen (Vers 2). Die Weisen wissen, wann, wo und wie sie reden müssen. Die Geschicklichkeit, in der weise Menschen mit ihrer Zunge ihr Wissen weitergeben, macht dieses Wissen für andere attraktiv, so dass sie keine Mühe scheuen, es ebenfalls zu erwerben. Dann ist Wissen keine Theorie, sondern Praxis und ein Segen für die Zuhörer.
Wissen kommt von den Weisen und Narrheit von den Toren. Das sogenannte Wissen der Toren ist Narrheit. Was aus dem Mund der Toren kommt, ist nichts als Narrheit. Aus ihrem Mund sprudelt sie hervor, er fließt davon über. Die vielen Worte, die sie aus ihrem Mund aufsteigen lassen wie Wasser aus einer Quelle, zeigen, wie töricht ihr Herz ist.
3 Der HERR sieht alles und jeden
3 Die Augen des HERRN sind an jedem Ort, schauen aus auf Böse und auf Gute.
Gott kennt und durchschaut jeden vollständig. Er ist allwissend und allgegenwärtig. Er besitzt ein vollständiges Wissen über seine ganze Schöpfung, über Menschen und Dinge. Nichts ist vor Ihm verborgen. Er beobachtet alles und jeden wie eine Wache, die eine Stadt bewacht. Nichts und niemand entkommt Ihm (Jer 23,24; Ps 11,4; 33,13.14; Heb 4,13). Dies ist notwendig, wenn Er der Richter eines jeden Menschen sein soll (vgl. Jer 32,19).
Dieser Gedanke setzt sich in der zweiten Verszeile fort. Das Wissen darum, dass Gott alles sieht, ist eine Warnung für „Böse“ und ein Trost für „Gute“. „Böse“ Menschen sind sowohl die großen Sünder als auch die anständigen Menschen, die ordentlich leben, aber Gott nicht in ihr Leben einbeziehen. „Böse“ sind Menschen, die offen sündigen, und die, die im Verborgenen sündigen. Gott will, dass sie sich bewusst werden, dass Er sie sieht, damit sie sich bekehren.
„Gute“ Menschen sind in sich selbst auch Sünder, aber sie tun Gutes, weil sie sich als Sünder erkannt haben. Sie leben aus einer guten Beziehung zu Gott heraus. Diese Beziehung wurde gut durch ihr Bekenntnis der Sünden und ihren Glauben an Gottes Vergebung. Diese Vergebung kann Gott auf der Grundlage des Werkes Christi am Kreuz schenken, das Er für jeden reuigen Sünder vollbracht hat. Das Wissen darum, dass Gott sie beobachtet, ermutigt die „Guten“, ein Leben zu seiner Ehre zu führen (2Chr 16,9).
4 Gelassenheit der Zunge
4 Gelassenheit der Zunge ist ein Baum des Lebens, aber Verkehrtheit in ihr ist eine Verwundung des Geistes.
Dass die mit der Zunge gesprochenen Worte als „Gelassenheit“ bezeichnet werden, bedeutet, dass es um Worte geht, die beruhigen, als wären sie eine Medizin. Das setzt voraus, dass der Zuhörer niedergeschlagen ist. Wie Medizin wirkende Worte sind sanft, beruhigend und wohltuend. Das passt gut zum Bild vom „Baum des Lebens“, der sich als Quelle der Vitalität für andere erweist. Hier wird der Baum des Lebens schon zum vierten Mal im Buch der Sprüche erwähnt (Spr 3,18; 11,30; 13,12; 15,4).
Wer jemanden in einem elenden Zustand mit seinen guten und tröstenden Worten aufrichten kann, stellt sozusagen dessen Verbindung zum Baum des Lebens wieder her. Das Leben erhält nun wieder Glanz und Bedeutung; es bekommt wieder etwas von der Schönheit des Paradieses. Die gesprochenen Worte sind Worte vom und über den Herrn Jesus; sie weisen auf Ihn hin. Er ist der Baum des Lebens.
Aber Worte mit „Verkehrtheit in ihr“ haben die gegenteilige Wirkung. Das sind trügerische Worte, die den Geist zermalmen. Die Verkehrtheit in Worten greift die angesprochene Persönlichkeit innerlich an, zerbricht sie und lässt sie dahinsiechen (Jes 65,14). Was Hiobs Freunde sagten, war keine Medizin der Zunge für Hiob. Das, was sie sagten, war Verkehrtheit. Dies führte zum Fortbestehen des Bruchs in Hiobs Geist über das Leid, das ihm widerfuhr.
5 Verschmähen oder beachten
5 Ein Narr verschmäht die Unterweisung seines Vaters; wer aber die Zucht beachtet, ist klug.
Nur „ein Narr verschmäht die Unterweisung seines Vaters“. Niemand außer einem Vater kann ein Kind auf die eindringlichste und zugleich angemessenste Weise ermahnen. Er kennt sein Kind und weiß, was es braucht. Er kennt auch das Leben und weiß, wo die Gefahren liegen. Das Kind, das die liebevolle Unterweisung seines Vaters nicht beachtet und sogar verschmäht, ist ein Narr.
Dagegen bezeugt ein Sohn, dass er „klug“ ist, wenn er „die Zucht beachtet“. Damit beweist er sein Wissen darum, dass er noch viel zu lernen hat und Korrektur braucht. Er zeigt gesunden Menschenverstand.
Nach der Ausübung der Furcht des HERRN ist es von höchstem Wert, die Unterweisung der Eltern anzunehmen. Die Autorität des Vaters und der Eltern ist die Autorität Gottes. Unterweisung muss zu Hause beginnen und liegt in der Verantwortung des Vaters oder der Eltern. Dort beginnt unser Leben. Weil wir dazu neigen, das Falsche zu tun, brauchen wir Korrektur. David war klug. Er hielt es für eine Gunst, wenn er bestraft wurde: „Der Gerechte schlage mich – es ist Güte. Und er strafe mich – es ist Öl des Hauptes. Mein Haupt wird sich nicht weigern, denn noch ist bei ihren Bosheiten mein Gebet für sie“ (Ps 141,5).
6 Eine große Schatzkammer oder Zerrüttung
6 Das Haus des Gerechten ist eine große Schatzkammer; aber im Einkommen des Gottlosen ist Zerrüttung.
„Das Haus des Gerechten“ ist wie „eine große Schatzkammer“. Ein Schatz bedeutet nicht unbedingt Geld und Gut. Es kann vor allem auch um geistliche Schätze gehen. Wenn Liebe, Freude und Frieden, die Frucht des Geistes (Gal 5,22), das Haus eines Gerechten kennzeichnen, ist es eine große Schatzkammer (Vers 16). Wenn sich die Bewohner des Hauses gegenseitig mit Respekt vor den Fähigkeiten und Qualitäten des anderen behandeln, ist das ebenfalls ein großer Schatz.
Ein Gottloser weiß nichts von solchen Schätzen. Er kann ein großes Einkommen haben, aber in diesem Einkommen lauert der Same des Verfalls und des Elends. Es liegt ein Fluch darauf, denn er denkt nur an sich selbst. Stolz und Begehrlichkeit sorgen dafür, dass er es nicht in Zufriedenheit genießen kann. Er wird von Eifersucht auf andere getrieben, die nur ein wenig mehr haben als er. Dazu kommt noch seine Angst davor, dass man es ihm wegnehmen könnte. Alle diese Faktoren verbergen sich in seinem Einkommen und berauben ihn seiner Freude daran. Zusammen mit seinem Einkommen halten Verwirrung, Unruhe und Schlaflosigkeit Einzug in seinem Haus.
7 Die Lippen der Weisen und das Herz der Toren
7 Die Lippen der Weisen streuen Erkenntnis aus, aber nicht so das Herz der Toren.
Weise Menschen streuen beim Reden Erkenntnis aus. Ihre Worte sind nützlich und bringen den Zuhörern Gewinn. So wird Erkenntnis auch in der richtigen Weise genutzt. Erkenntnis ist nicht dazu da, dass man sie für sich behält oder nur mit einer ausgewählten Gruppe von Menschen teilt. „Die Lippen der Weisen“ werden allen die Erkenntnis Gottes und seinen Willen bekanntmachen, der in ihren Herzen ist. Sie tun dies nicht, um ihre Erkenntnis zu zeigen, sondern damit andere daran Anteil haben. Die Erkenntnis, die ihnen vermittelt wurde, haben sie empfangen, um sie weiterzugeben.
Die Tatsache, dass Erkenntnis „ausgestreut“ wird, schließt auch den Gedanken der Vermehrung in sich. Aus ausgestreutem Saatgut wird eine große Ernte. Was die Lippen der Weisen an Erkenntnis ausstreuen, kommt in die Herzen vieler Menschen, die ihrerseits die empfangene Erkenntnis ausstreuen.
Die Lippen des Herrn Jesus streuten Erkenntnis aus, damit seine Zuhörer Gott kennenlernen und sein Urteil über sie erfahren konnten. Es ist wichtig, dass wir an andere weitergeben, was wir aus dem Wort Gottes über Gott und Christus sowie über uns selbst gelernt haben. Dann zeigen wir, dass wir „Lippen der Weisen“ haben.
Im „Herzen der Toren“ gibt es keine Erkenntnis. Toren halten ihre Herzen für Erkenntnis verschlossen. Deshalb gibt es im Herzen der Toren nichts, was für andere nützlich sein könnte. Toren verstehen Erkenntnis nicht und wollen es auch nicht; sie öffnen sich ihr nicht. Folglich können sie auch keine Erkenntnis ausstreuen.
8 - 10 Was für den HERRN ein Gräuel ist
8 Das Opfer der Gottlosen ist dem HERRN ein Gräuel, aber das Gebet der Aufrichtigen sein Wohlgefallen. 9 Der Weg des Gottlosen ist dem HERRN ein Gräuel; wer aber der Gerechtigkeit nachjagt, den liebt er. 10 Schlimme Züchtigung wird dem zuteil, der den Pfad verlässt; wer Zucht hasst, wird sterben.
Wie überall in der Bibel, ist auch hier „das Opfer der Gottlosen … für den HERRN ein Gräuel“ (Vers 8), weil die Herzen derer, die es bringen, unaufrichtig sind (1Sam 15,22; Jes 1,10–17; Jer 6,20). Es ist für Gott nicht nur unannehmbar, sondern Er verabscheut es auch. Kain war solch ein böser Mensch, der ein Opfer brachte, das Gott mit Abscheu ablehnte (1Mo 4,5). Kain brachte ein eigenwilliges Opfer, mit dem sich Gott begnügen sollte. So kommen „Christen“ mit allen möglichen Opfern zu Gott. Es sind die Opfer ihrer guten Werke; aber Gott weist sie zurück. Im römischen Katholizismus ist so etwas reichlich zu finden.
Was Er annimmt, ist „das Gebet der Aufrichtigen“. Das Gebet wird als „Opfer“ bezeichnet: „Lass als Räucherwerk vor dir bestehen mein Gebet, das Erheben meiner Hände als Abendopfer!“ (Ps 141,2). Wenn Aufrichtige zu Ihm beten, ist das „sein Wohlgefallen“. Die Aufrichtigen nehmen ihren wahren Platz vor Gott ein. In ihren Herzen stehen sie recht vor Gott. Sie erkennen, dass sie Ihm nur auf der Grundlage des Opfers Christi nahen können – nicht aufgrund eigener Leistungen. Ihr Gebet ist das Gebet des Glaubens. Sie beten in dem Wissen, dass sie von Natur aus Sünder sind. Das Gebet steht im Gegensatz zum hochmütigen Opfer selbstzufriedener Menschen, die Gott erzählen, wie gut sie Ihm dienen (Lk 18,10–14).
Nicht nur das Opfer der Gottlosen oder das rein mechanische Einhalten religiöser Verpflichtungen ist ein Gräuel für Gott, sondern auch „der Weg des Gottlosen“, also sein ganzes Leben (Vers 9). Ebenso gefällt Ihm nicht nur das Gebet der Aufrichtigen, sondern auch das ganze Leben dessen, der „der Gerechtigkeit nachjagt“. Wer das tut, den „liebt Er“. Der Gerechtigkeit nachzujagen bedeutet, anderen das zu geben, was ihnen zusteht, und vor allem Gott zu geben, was Ihm zusteht. Es ist eine aktive, andauernde und sogar mit Gefahren verbundene Suche nach Gerechtigkeit (1Tim 6,11). Das kann ein Mensch nur tun, wenn er neues Leben hat.
Im Anschluss an Vers 9 lesen wir in Vers 10 vom Weg des Gottlosen, denn der Gottlose ist jemand, „der den Pfad verlässt“, den der Mensch nach Gottes Willen gehen soll. Gemeint ist hier der Pfad der Gerechtigkeit, wie er im Buch der Sprüche betont wird. Wer diesen Pfad verlässt, erfährt „schlimme Züchtigung“. Das ist nicht angenehm, aber nötig. Jeder, der nicht auf die Zucht seiner Eltern oder anderer hört, zeigt, dass er die Zucht hasst. Das wird zu seinem Tod führen (vgl. 2Chr 25,16; 2Pet 2,15.21; Röm 8,13).
11 Alles ist offen vor dem HERRN
11 Scheol und Abgrund sind vor dem HERRN, wie viel mehr die Herzen der Menschenkinder!
Bei dem Gedankengang dieser beiden Verszeilen vollzieht sich eine Entwicklung vom Kleinen zum Großen („wie viel mehr“). „Scheol“ (Grab) und „Abgrund“ (Abaddon) repräsentieren die unsichtbare Unterwelt und alle Mächte, die dort wohnen, inzwischen aber machtlos geworden sind (Hiob 26,6; Ps 139,8; Amos 9,2; Off 9,11). Dieser Bereich liegt völlig außerhalb der menschlichen Wahrnehmung, birgt aber vor Gott keine Geheimnisse. Die Tatsache, dass diese unsichtbare Region und ihre Bewohner vor Ihm offenbar sind, bedeutet, dass Er allwissend ist, und somit auch, dass Er ganz bestimmt „die Herzen der Menschenkinder“ kennt.
Das Wort „Herzen“ steht für Motive und Gedanken (Ps 44,22). Die Augen des HERRN sehen nicht nur alle Menschen und ihre Taten (Vers 3), sondern Er sieht auch ihre Herzen und alles, was darin ist. Kein Mensch kennt sein eigenes Herz, geschweige denn das eines anderen; aber Gott kennt jedes Herz (Jer 17,10; Joh 2,25; Heb 4,12.13). Er kennt jede Absicht jedes Einzelnen.
12 Ein Spötter geht nicht zu den Weisen
12 Der Spötter liebt es nicht, dass man ihn zurechtweist; zu den Weisen geht er nicht.
Ein Spötter widersteht allen Versuchen, dass er korrigiert wird. Er liebt keine Verweise oder Rügen, und deshalb „liebt“ er „es nicht, dass man ihn zurechtweist“. Er klammert sich ganz fest an seine eigenen unsinnigen Ideen, die er gern weitergibt. Sein Ziel ist es, andere zu verspotten, besonders Gott und den Dienst für Ihn. Das ist es, woraus sein Leben besteht. Spaß und Verhöhnung liebt er viel zu sehr, um darauf zu verzichten.
Er wird nicht zu den Weisen gehen, um weise zu werden, was beweist, dass ein Spötter ein Narr ist. Er will nicht einmal in der Gesellschaft von Weisen sein – undenkbar, dass er auch nur irgendetwas von ihrer Weisheit annimmt. Er kann sich ein Leben ohne Spott nicht vorstellen. Spötter sind Menschen, die nicht zum Licht kommen wollen, weil sie nicht offenbar werden wollen (Joh 3,19.20). Ihr eigenes Ich ist ihr Gott und Zweck, und Verspotten ist ihr Leben; für alle Weisheit von oben haben sie nur Verachtung übrig.
13 - 15 Ein frohes, verständiges und fröhliches Herz
13 Ein frohes Herz erheitert das Angesicht; aber bei Kummer des Herzens ist der Geist zerschlagen. 14 Das Herz des Verständigen sucht Erkenntnis, aber der Mund der Toren weidet sich an Narrheit. 15 Alle Tage des Elenden sind böse, aber ein fröhliches Herz ist ein beständiges Festmahl.
Der emotionale Zustand eines Menschen, was er in seiner Seele erlebt, hat eine klare Wirkung auf seinen Geist. Wenn jemand „ein frohes Herz“ hat, kann man es auf seinem Gesicht sehen (Vers 13). Wer auf dem Weg zum Treffen mit seiner Geliebten ist, wird ein glückliches Herz haben. Die Freude über dieses Treffen wird sein Gesicht strahlen lassen. So ist es mit einem Herzen, das vom Herrn Jesus erfüllt ist und mit Ihm lebt. Da gibt es Freude über die Erlösung von Sünden und das Gericht über sie sowie über die bevorstehende Begegnung mit Ihm.
Wenn ein Herz von Kummer erfüllt ist, wird der „Geist zerschlagen“. Die hier verwendeten Wörter betonen Schmerz und Depression, verbunden mit der Vorstellung von Verzweiflung. Ein zerschlagener Geist führt zu einem traurigen Gesichtsausdruck. Nehemia hatte „Traurigkeit des Herzens“, was auf seinem Gesicht zu lesen war: Und der König sprach zu mir: Warum ist dein Angesicht traurig? Du bist doch nicht krank! Es ist nichts anderes als Traurigkeit des Herzens“ (Neh 2,2; vgl. 1Mo 40,6.7). Bei Hanna änderte sich der Gesichtsausdruck von niedergeschlagen zu froh, nachdem sie die Zusicherung erhalten hatte, dass ihr Gebet für einen Sohn erhört werden würde: Sie „aß, und ihr Angesicht war nicht mehr dasselbe“ (1Sam 1,18). Auf diese Weise können auch wir für unsere Sorgen, die unserem Geist zusetzen, zum Herrn beten; das hebt auch unsere Stimmung.
Diese Aussage ist ganz allgemein, ohne Garantie, dass es immer und sofort geschieht. Es kann Situationen geben, in denen jemand depressiv ist und (für lange Zeit) bleibt, obwohl er alles zum Herrn bringt. Das kann alle möglichen Ursachen haben, die wir nicht immer verstehen – nicht, wenn es uns selbst so geht, und erst recht nicht, wenn es anderen geschieht. Lange Zeit hatte Hiob kein frohes Herz und ging nicht mit einem glücklichen Gesicht umher. Erst als Gott mit ihm zum Ziel kam, veränderte sich sein Gemütszustand völlig (Hiob 42,6–17).
„Das Herz der Weisen“ steht im Gegensatz zum „Mund der Toren“, „sucht“ steht im Gegensatz zu „weidet“, und „Erkenntnis“ zu „Narrheit“ (Vers 14). Wie der Verständige ist auch der Tor darauf aus, seinen Verstand mit etwas zu füllen. Wer im Herzen verständig ist, wünscht sich Erkenntnis. Wer Erkenntnis hat, sehnt sich nach mehr Erkenntnis. Es geht um Erkenntnis, wie man sein Leben nach den Gedanken Gottes einrichten soll. Wenn ein Herz das sucht, zeigt es Weisheit.
Im Herzen der Toren gibt es keine Sehnsucht nach dieser Erkenntnis. Er ist auf der Suche nach etwas Essbarem. Deshalb ist hier vom „Mund der Toren“ und von „weiden“ die Rede. „Weiden“ ist grasen, wie das Vieh es tut – ein Hinweis auf die Zufriedenheit des Toren mit dem Futter der Marke „Torheit“ (vgl. Jes 44,20).
Was jemand sucht, zeigt sich unter anderem daran, was er liest und was er sich ansieht. Ein weises Herz hat „geschmeckt …, dass der Herr gütig ist“ (1Pet 2,3) und verlangt daher „nach der vernünftigen, unverfälschten Milch“ des Wortes Gottes (1Pet 2,2). Die Toren füttern ihren Geist mit verdorbener Lektüre und schauen sich schlechte Filme an. Sie grasen wie das dumme Vieh auf schmutzigen Wiesen und verschlingen völlig ungefiltert die Narrheit dieser Wiesen.
Das Leben kann elend oder angenehm sein, jeweils entsprechend der Ausrichtung (Vers 15). „Ein Elender“ fühlt sich jeden Tag innerlich elend. Alle seine Tage sind „böse“. Er kann an nichts Freude finden, weil er sich innerlich elend fühlt. Was man auch immer versucht, ihn aufzuheitern – das Elend hat alles überwuchert, so dass er nur das Elend sieht. Alles ist schlecht. Nichts schmeckt gut, nichts macht froh. Er ist ständig in schlechter Verfassung.
Elend entsteht, wenn wir es nicht schaffen, unsere Hilfe bei Gott zu finden. Jakob sagte zum Pharao: „Wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre“ (1Mo 47,9). Denn sein Leben war voll davon, seinen eigenen Weg zu gehen, ohne Gott um Hilfe zu bitten. Noomi ging zusammen mit ihrem Mann Elimelech ebenfalls ihren eigenen Weg. Sie bezeugt, dass diese Tage „sehr bitter“ waren (Rt 1,20.21).
Wer „ein fröhliches Herz“ hat, sieht und führt das Leben im Licht der Sonne, also im Licht des Herrn Jesus, der „die Sonne der Gerechtigkeit“ genannt wird (Mal 3,20). Für ein fröhliches Herz ist das Leben ein ständiges Festmahl. Unser Herz ist dann fröhlich, wenn wir froh im Herrn sind und in Gemeinschaft mit Ihm leben. Sogar schlechte Tage haben keinen Einfluss auf einen fröhlichen Gemütszustand. Äußere Umstände können eine solche Fröhlichkeit im Inneren nicht auslöschen.
Das bezeugt der Prophet Habakuk. Auch als er um sich herum eine trostlose Dürre und Leere sah, bezeugte er: „Ich will in dem HERRN frohlocken, will jubeln in dem Gott meines Heils“ (Hab 3,18). Uns bietet der Herr Jesus eine kontinuierliche Mahlzeit seiner selbst an (Joh 6,35). Er will mit uns essen, und wir können mit Ihm essen, wenn wir unsere Herzen für Ihn öffnen (Off 3,20).
16 - 17 Besser …, als …
16 Besser wenig mit der Furcht des HERRN, als ein großer Schatz und Unruhe dabei. 17 Besser ein Gericht Gemüse und Liebe dabei, als ein gemästeter Ochse und Hass dabei.
Die Verse 16 und 17 gehören eindeutig zusammen. Sie besagen, dass geistliche Dinge besser sind als materielle Dinge oder Reichtümer (vgl. Ps 37,16). In Vers 16 geht es um Geld und die Furcht des HERRN, in Vers 17 um Essen und Liebe.
Vers 16 sagt, dass Ehrfurcht vor Gott mehr Befriedigung bringt als „ein großer Schatz und Unruhe dabei“. Unruhe drückt sich in Verwirrung, Panik oder Aufruhr aus. Unruhe ist Angst. In einem Sprichwort heißt es: Je mehr Besitz, desto mehr Angst. Die Ehrfurcht vor Gott kennt diese Angst nicht, denn sie bringt Zufriedenheit und Ruhe – das Gegenteil von Unruhe.
Salomo macht deutlich, dass der Gerechte sich nicht vom Wohlstand dominieren lässt. So kann man viel Geld haben, das teuerste Auto, den schnellsten Computer, den größten Fernseher mit dem schärfsten Bild, ein gut ausgestattetes Haus, und dennoch keine Ruhe finden (vgl. Pred 4,6). Diese Ruhe wird nur im ehrfurchtsvollen Umgang mit Gott gefunden.
Vers 17 sagt, dass eine glückliche, liebevolle Beziehung besser ist als eine köstliche Mahlzeit, bei der das Herz derer, die an der Mahlzeit teilnehmen, mit gegenseitigem Hass erfüllt ist. Das ist die Situation in einer Familie, in der Reichtum die Liebe ersetzt. Es mag durchaus eine reichhaltige Mahlzeit mit Liebe geben, aber hier handelt es sich um eine Situation, in der man wählen muss zwischen einer luxuriösen Mahlzeit und Hass auf der einen Seite und einem kargen Essen mit Liebe auf der anderen Seite.
Viele Menschen erkennen, dass ein Haus mit billigen Möbeln, in dem man sich liebt, besser ist, als ein luxuriös eingerichtetes Haus, in dem man sich gegenseitig hasst. Liebe macht schwierige Umstände erträglich, während Hass alle Freude zerstört, die man bei einer guten Mahlzeit haben sollte. Man kann Essen der allerbesten Qualität im Überfluss auf dem Tisch haben und trotzdem nicht das „beständige Festmahl“ von Vers 15 feiern. Stattdessen fühlt man sich jeden Tag elend und wird in seinem Herzen von Angst, Unruhe, Hass und Bitterkeit verzehrt. Der Sauerteig des Hasses sorgt dafür, dass die Mahlzeit kein wirklicher Genuss ist.
Obwohl jemand nicht als reich gilt und nur sehr bescheidene Mahlzeiten zu sich nimmt, kann er dennoch in einer ständigen Hochstimmung sein. Das ist so, wenn er seinen geistlichen Reichtum kennt, schätzt und genießt. Das macht das Herz wirklich und beständig froh. Es verschafft Ruhe und Zufriedenheit – das Gegenteil von Verwirrung und Unruhe.
Diese Verse können wir auch auf eine örtliche Gemeinde anwenden. Wenn in einer Gemeinde ein „großer Schatz“ an Erkenntnis vorhanden ist, besteht die große Gefahr der Verwirrung, wenn man anfängt, stolz darauf zu sein. Das war in Korinth der Fall, wo die Gläubigen reich in Christus waren (1Kor 1,4–7). Das machte sie aber nicht demütig und dankbar, sondern aufgebläht; die Liebe fehlte (vgl. 1Kor 8,1).
Weil die Korinther mit ihrer Erkenntnis prahlten, gab es Meinungsverschiedenheiten, Verwirrung und alle möglichen Missstände (1Kor 1,10–12; 14,33; 11,17–22). Im Gegensatz dazu steht, was der Herr Jesus über die Gemeinde in Philadelphia (Bruderliebe) sagt, nämlich dass sie nur „wenig Kraft“ hat. Er preist und ermutigt sie (Off 3,7–13).
18 Zornig oder langmütig
18 Ein zorniger Mann erregt Zank, aber ein Langmütiger beschwichtigt den Streit.
Hier steht „ein zorniger Mann“, wörtlich „ein Mann der Wut“, jemand, der hitzköpfig ist, in Gegensatz zu „einem Langmütigen“, wörtlich „langsam zur Wut“ oder, wie Jakobus es ausdrückt „langsam zum Zorn“ (Jak 1,19). Zorn kommt durch bestimmte Umstände zum Ausdruck. Ein zorniger Mensch ist von Natur aus stolz, sonst würde er sich nicht so leicht über etwas aufregen, das ihn betrifft. Zorn erregt Zank. Ein zorniger Mann muss und wird sein Recht einfordern, sogar vor Gericht.
Ein Langmütiger setzt seine Autorität nicht aufs Spiel; er weiß, die Sache zu beruhigen, indem er unaufgeregt reagiert. Durch seine ruhige Reaktion bringt er den entstandenen „Zank“ zum Schweigen. Es braucht viel Geduld und Ruhe, um friedliche Beziehungen zu erhalten oder wiederherzustellen. Zum Zanken braucht es zwei Leute. Wenn einer von beiden seine Geduld bewahrt, wird der Zank beschwichtigt.
Der Langmütige ist ein Friedensstifter. Frieden stiften beginnt in einem Herzen, das sich in Christus vor Gott beugt. Das wird den Geist und den Wandel prägen. Abram bewies einen solchen Geist, als es Meinungsverschiedenheiten zwischen den Hirten seines Viehs und den Hirten von Lots Vieh gab (1Mo 13,7–9).
19 Der Weg eines Faulen und der Pfad der Aufrichtigen
19 Der Weg des Faulen ist wie eine Dornenhecke, aber der Pfad der Aufrichtigen ist gebahnt.
Der Faule sieht seinen „Weg“, also sein Leben, „wie eine Dornenhecke“, die ihn am Arbeiten hindert. Sein Leben, so meint er, ist übersät mit Schwierigkeiten, Gefahren und schmerzhaften Erfahrungen. Er sucht und findet Ausreden in allem, was ihm im Leben widerfährt, um ja nicht arbeiten zu müssen. Die Dornenhecke, die er sieht, blockiert ihn, wie er selbst glaubt und andere glauben machen will. Dadurch, dass der Faule in der zweiten Verszeile in Gegensatz zu den Aufrichtigen, und nicht den Fleißigen, steht, zeigt sich, dass Faulheit von Unaufrichtigkeit zeugt.
Aufrichtige leiden nicht unter einer Dornenhecke. Ihr „Pfad … ist gebahnt“. Es ist ein gut ausgebauter, gut aussehender Pfad. Sie gehen einen Weg, „und er wird der heilige Weg genannt werden“ (Jes 35,8). Sie haben keinen Grund, einen Umweg zu machen oder auszuweichen. Das bedeutet nicht, dass der Weg der Aufrichtigen auf Rosen gebettet ist und dass sie ein einfaches Leben haben.
Sowohl der Faule als auch die Aufrichtigen, gehen einen Pfad, auf dem sie Rückschläge und Schwierigkeiten erleiden. Der Unterschied besteht in ihrem jeweiligen Umgang mit Rückschlägen und Schwierigkeiten. Der Faule sieht in Schwierigkeiten Löwen und Bären – eine Dornenhecke auf seinem Weg; auch die Aufrichtigen sehen ihre Schwierigkeiten, schauen aber über sie hinweg auf Gott und gehen ihren Pfad im Vertrauen auf Ihn, denn sie wissen, dass Er sie auf diesen Pfad gestellt hat. Sie verlassen sich auf seine Barmherzigkeit.
20 - 21 Der Einfluss der Weisheit und der Narrheit
20 Ein weiser Sohn erfreut den Vater, aber ein törichter Mensch verachtet seine Mutter. 21 Die Narrheit ist dem Unverständigen Freude, aber ein verständiger Mann wandelt geradeaus.
Wenn sich ein Sohn oder eine Tochter als Reaktion auf die Liebe des Vaters und die warme Zuneigung der Mutter weise verhält, die starken Schutz bieten, werden sie Freude bei ihnen hervorrufen (Vers 20). Wenn sie sich jedoch töricht verhalten, verachten sie die Fürsorge der Eltern. Darin liegt ein Vorwurf an die Mutter, es sei ein Fehler gewesen, sie zur Welt gebracht zu haben.
Weise Kinder geben den Eltern Anlass, sich über sie zu freuen. Törichte Kinder verachten ihre Mutter. Sie begegnen ihr mit unnatürlicher Härte, die ihr großes Leid zufügt. Die größte Freude und die bitterste Traurigkeit in der Welt der Tränen finden sich in den Herzen der Eltern. Es gibt keine größere Freude, als zu sehen, dass Kinder in der Wahrheit wandeln (3Joh 1,4). Es gibt keine größere Trauer, als zu sehen, dass ein Kind die Wahrheit ablehnt, dass es im Unglauben lebt und stirbt (2Sam 19,1).
Der „Unverständige“ lebt nicht nur ohne Gott in seinen Sünden, sondern findet auch seine Freude an der „Narrheit“ (Vers 21). Das zeichnet ihn als Unverständigen aus. Jeder Mensch, der sich an der Narrheit erfreut, hat kein Verständnis. Er geht einen törichten Weg, der im ewigen Tod endet. Wer Verstand hat, „wandelt geradeaus“ und somit auf dem Weg des Lebens, der zum ewigen Leben führt.
Der Unverständige folgt jedem Modetrend und lebt von tagesaktuellen Wahnvorstellungen. Dieses Leben ist für ihn ein Vergnügen, denn er hat keine Einsicht in Gottes Willen und will es auch nicht. Wer Einsicht hat, weiß, was Gottes Wille für ihn ist; deshalb geht er den geraden Weg – den Weg, den Gott für ihn vorgezeichnet hat. Er weiß, „dass nicht beim Menschen sein Weg steht, nicht bei dem Mann, der da wandelt, seinen Gang zu richten“ (Jer 10,23).
22 Viele Ratgeber machen einen Plan erfolgreich
22 Pläne scheitern, wo keine Besprechung ist; aber durch viele Ratgeber kommen sie zustande.
Es ist nicht Gottes Absicht, dass wir alles allein machen. Er schuf den Menschen als soziales Wesen, das andere braucht, um gut zu funktionieren. Auch in der Gemeinde brauchen die Glieder einander (1Kor 12,27–30). Eigensinn wird immer schlecht enden. Die Pläne von jemandem, der allein arbeitet, ohne Rücksprache mit anderen, scheitern oft. Das Gelingen von Plänen setzt voraus, dass man sich gut beraten lässt und guten Rat annimmt.
Einen Plan ohne Rücksprache ausführen zu wollen, zeigt auch Eile. Eine Besprechung kostet Zeit und kann als Zeitvergeudung angesehen werden, ist es aber nicht. Zwei sehen nun einmal mehr als einer. Es ist gut, seine eigenen Beschränkungen zu sehen, egal wie begabt man ist. Die Beratung mit zuverlässigen und tüchtigen Menschen ist entscheidend für ein gutes Ergebnis, für das Zustandekommen des Plans.
Das ist eine allgemeine Beobachtung von hohem gesellschaftlichem Wert, sowohl auf persönlicher als auch auf nationaler Ebene. Es bedeutet, dass wir andere brauchen. Dies gilt auch für Gemeindeangelegenheiten. In Apostelgeschichte 15, bei der Erörterung der Frage, ob die Heiden das Gesetz halten sollen oder nicht, haben wir ein gutes Beispiel für eine Besprechung, die zur erforderlichen Lösung führt (Apg 15,1–35). Gut wird das Ergebnis durch das Hören auf die Schrift und auf den Heiligen Geist (Ps 119,24). In allen Besprechungen ist es vor allem wichtig, auf den zu schauen, der „Berater“ heißt (Jes 9,5).
23 Wie gut ist ein Wort zu seiner Zeit
23 Ein Mann hat Freude an der Antwort seines Mundes; und ein Wort zu seiner Zeit, wie gut!
Hier finden wir eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage. Die Frage, um die es hier geht, auf die es eine Antwort gibt, kann alles betreffen. Es kann eine mündliche Frage, eine Bitte um Rat oder auch eine Situation sein, in der sich jemand in Verlegenheit gebracht fühlt. Die zweite Verszeile macht deutlich, dass es sich nicht um eine direkte und formal korrekte Antwort handelt. Es ist eine Antwort, die sich mit dem Inhalt der Frage befasst, aber auch zur richtigen Zeit – nicht früher und nicht später – gegeben wird.
Die Freude an einer solchen Antwort ist daher nicht so sehr das Ergebnis ihrer Richtigkeit, sondern ihres genauen Zeitpunkts. Wir sprechen weise, wenn wir das, was wir sagen, zur richtigen Zeit sagen, wenn der andere es braucht. „Das Herz eines Weisen kennt Zeit und richterliche Entscheidung“ (Pred 8,5). Das Richtige zur rechten Zeit zu sagen, ist zutiefst befriedigend; es erfordert Erkenntnis, Weisheit und Selbstverleugnung. Das Richtige zu sagen, aber zur falschen Zeit, ist das genaue Gegenteil.
Wenn Paulus dem Gefängniswärter gesagt hätte, dass er an den Herrn Jesus glauben solle, bevor er ihn ins Gefängnis geworfen hatte, hätte Paulus zwar Recht gehabt, aber keine Wirkung erzielt. Das war noch nicht die Zeit für das richtige Wort. Diese Zeit kam erst, als der Gefängniswärter im Begriff stand, sich umzubringen (Apg 16,27–32). Diese Art des Sprechens können wir nur vom Herrn Jesus lernen (Jes 50,4).
24 Der Weg des Lebens führt aufwärts
24 Der Weg des Lebens geht für den Einsichtigen aufwärts, damit er dem Scheol unten entgehe.
„Der Einsichtige“ sieht das Leben aus der richtigen Perspektive. Er weiß, dass er auf dem Weg des Lebens ist und dass dieser Weg auch zum Leben führt. Es ist ein Weg „aufwärts“; er führt zum ewigen Leben, zum Himmel, wo das ewige Leben in seiner Fülle genossen wird. Der einsichtige Christ wird das suchen, was droben ist; denn dort ist Christus, sein Leben (Kol 3,1.2). Er schaut auf „Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Heb 12,2).
Der Einsichtige geht diesen Weg, weil er sich so weit wie möglich vom „Scheol unten“ fernhalten will. Dabei geht es nicht so sehr darum, möglicherweise in der Hölle zu landen. Er weiß ja, dass er durch das Blut Christi dem Gericht der Hölle entkommen ist und dass er nicht dort enden wird. Es kommt darauf an, dass er jetzt den Weg des Lebens geht und sich daher auch in seiner Lebenspraxis von Dingen distanziert, die zum „Scheol unten“ gehören. Er wurde von oben geboren und geht den Weg nach oben. Er gehört zum Himmel und nicht zum Scheol. Dies zeigt sich an der Ausrichtung seines Lebens.
25 Der HERR beschützt die Witwe
25 Das Haus der Stolzen reißt der HERR nieder, aber die Grenze der Witwe stellt er fest.
Das Haus der „Stolzen“ reißt der HERR komplett nieder, aber die verletzliche „Witwe“ beschützt Er. Hier stehen die „Stolzen“ im Gegensatz zu der „Witwe“. Stolze vertrauen völlig auf sich selbst. Die Witwe ist machtlos und hat niemand anderen als Gott (Ps 68,6). Die Schrift betont immer wieder, dass Gott sich der Sache der Witwe, der Waise, der Armen und der Bedürftigen annimmt.
Ausgangspunkt dieses Gegensatzes ist, dass die Witwe die Beute der stolzen Menschen ist, die ihr Land und ihre Heimat wegnehmen wollen (Jes 5,8–10). Gott hat die Grenzen seines Volkes im Land festgesetzt und wird sie bewahren (5Mo 19,14). Die Stolzen berücksichtigen das nicht, deshalb reißt Gott alles nieder, auch ihr ganzes Reich, auf das sie vertrauen und von dem sie glauben, dass es für immer feststeht. Nur das, was von Gott festgestellt ist, wie der Grenzstein der Witwe, steht unerschütterlich fest.
26 Böse Gedanken oder huldvolle Worte
26 Böse Gedanken sind dem HERRN ein Gräuel, aber huldvolle Worte sind rein.
Gott hasst nicht nur das Opfer und den Weg der Bösen (Verse 8.9), sondern auch ihre „Gedanken“. Ein böser Mensch ist zugleich ein Übeltäter. Die Gedanken, die er hat, die Pläne, die er macht, haben zum Ziel, andere zu verletzen, zu benachteiligen und zu schädigen. An Gott denkt er nicht. Alles dreht sich um ihn selbst. Der HERR kennt sein Herz. Was er im Herzen bewegt, ist für Ihn „ein Gräuel“.
In der zweiten Verszeile besteht ein Gegensatz zwischen versteckten Plänen oder Gedanken und „huldvollen Worten“. Huldvolle Worte müssen nicht versteckt werden; man kann sie ruhig aussprechen. Sie können nur aus einem reinen, auf Gott gerichteten Herzen kommen. Solche Worte spiegeln keine bösen Gedanken wider; sie sind nicht unrein, sondern rein.
David ist „der Liebliche in Gesängen Israels“ (2Sam 23,1). Die Worte, die er sprach, sind reine Worte, weil es Worte sind, die der Geist Gottes durch ihn redete (2Sam 23,2). Wenn wir durch den Geist Gottes sprechen, sind unsere Worte huldvoll und rein.
27 Warnung vor Habsucht
27 Wer der Habsucht frönt, zerrüttet sein Haus; wer aber Geschenke hasst, wird leben.
„Habsucht“ führt zu unlauteren Praktiken, wie dem Einsatz von „Geschenken“ und Bestechung zur Verzerrung des Gesetzes (2Mo 23,8; 5Mo 16,19; Hiob 8,3; Mt 28,11–15; 2Mo 18,21; 1Sam 8,3; Jes 33,15; 1Pet 5,2). Der Habsüchtige ist jemand, der schnell reich werden will und sich nicht darum kümmert, wie das geschieht. Er bringt nicht nur Unglück über sich selbst, sondern zieht auch andere mit hinein. Sein ganzes Haus, Frau und Kinder, stürzt er ins Unglück.
Dieser Vers ist eine Warnung vor der Annahme von Bestechungsgeldern. Geschenke können neutral sein, aber sie können auch die Normen und Werte eines Menschen verändern und sie herabsenken. Wer Geschenke hasst, die als Bestechungsgelder gedacht sind, „wird leben“ und das Unglück von seiner Familie fernhalten. Habsucht ist Sklaverei. Wer Habsucht hasst, erlebt schon jetzt das wahre Leben, das er später einmal vollkommen genießen wird – das Leben in der Freiheit des Geistes.
28 Erst überlegen, dann antworten
28 Das Herz des Gerechten überlegt, um zu antworten; aber der Mund der Gottlosen sprudelt Bosheiten hervor.
„Der Gerechte“ ist kein Klatschmaul. Er „überlegt“ in seinem Herzen, was er antworten wird, wenn man ihn etwas fragt oder wenn Gott ihm etwas zeigt (Hab 2,1). Überlegen ist abwägen oder erforschen. Wer weise ist, geht vorsichtig mit seinen Worten um. Für eine gute Antwort brauchen wir göttliche Weisheit, denn wir sind von einer bösen Welt umgeben. Deshalb müssen wir sorgfältig darüber nachdenken, was und wie wir antworten sollen.
Die Gottlosen werden nicht von Gottesfurcht geleitet. Deshalb kommt aus ihrem Mund ein Strom des Bösen. Durch das, was aus ihrem Mund kommt, verursachen sie Böses; ihr Mund fließt davon über. Ihr Mund ist eine unaufhaltsame Quelle des Schmerzes für andere. Aus dem bösen Schatz ihrer Herzen bringen sie Böses hervor (Mt 12,34.35).
29 Der HERR hört das Gebet der Gerechten
29 Der HERR ist fern von den Gottlosen, aber das Gebet der Gerechten hört er.
Die Gottlosen halten den HERRN auf Abstand. Deshalb ist Er weit weg von ihnen. Wenn sie Ihn brauchen, weil sie meinen, Er könne ihnen nützlich sein, stellt sich heraus, dass Er für sie unerreichbar und für ihr Rufen zu Ihm taub ist. Seine Gnade, Liebe und Hilfe sind ihnen nicht zugänglich, weil sie sich weigern, mit ihren Sünden zu brechen. Natürlich ist ein Bußgebet der Gottlosen die Ausnahme, denn dadurch werden sie zu Gerechten. Wenn sie als Gerechte beten, antwortet Er (Jak 5,16–18; Ps 34,16.18; 1Pet 3,12).
30 Was das Herz erfreut und das Gebein labt
30 Das Leuchten der Augen erfreut das Herz; eine gute Nachricht labt das Gebein.
„Das Leuchten der Augen“ kommt von der Sonne. Es ist das Licht des Himmels, das Licht Gottes. Wenn dieses Licht in die Augen kommt, wenn die Augen es sehen, freut sich das Herz (vgl. Pred 11,7). Durch das Licht Gottes in unseren Augen können wir alles sehen, was Gott getan hat, und Ihn dafür loben. Das gilt sowohl für die alte Schöpfung als auch für die neue, sowohl für die materielle als auch für die geistliche Welt. Wenn wir „erleuchtet an den Augen“ unseres Herzens sind (Eph 1,18), bedeutet das, dass wir wissen, was wir alles an geistlichen Segnungen von Gott empfangen haben.
„Eine gute Nachricht“ ist etwas Gutes, das unsere Ohren hören. Dies hat eine labende Wirkung auf unser Gebein. Das sehen wir bei Jakob, als er hörte, dass Joseph noch lebte. Sein Geist lebte auf und er zog zu ihm hin (1Mo 45,27.28). Wir gewinnen Kraft für unseren Wandel, wenn wir von dem Guten hören, das Gott mit seiner Zucht für uns vorhat (Heb 12,11–13). Zehn der zwölf Kundschafter verbreiteten ein böses Gerücht über das gelobte Land und lähmten damit das Volk, weshalb es auch nicht hinziehen wollte.
31 - 33 Hören und fürchten ist Leben, Verstand und Ehre
31 Ein Ohr, das auf die Zucht zum Leben hört, wird inmitten der Weisen weilen. 32 Wer Unterweisung verwirft, verachtet seine Seele; wer aber auf Zucht hört, erwirbt Verstand. 33 Die Furcht des HERRN ist Unterweisung zur Weisheit, und der Ehre geht Demut voraus.
Das „Ohr“ (Vers 31) steht hier für eine Person. „Zucht“ kann schmerzhaft sein, aber wer darauf hört, wird dadurch nach der Weisheit Gottes leben. Ein wissbegieriger Mensch gehört zu den Weisen, denn wer „auf die Zucht zum Leben hört“, zeigt, dass er weise ist. Der Weise möchte gern zur Ehre Gottes leben. Die Zucht dient dazu, alles aus dem Leben zu entfernen, was dies verhindert. Wer dafür ein offenes Ohr hat, wird „inmitten der Weisen weilen“, das bedeutet, dass er inmitten der Weisen Ruhe findet. Er ist einer von ihnen.
„Wer Unterweisung verwirft“, was noch weiter geht als die Weigerung, auf die Zucht zu hören, der „verachtet seine Seele“ (Vers 32). Er meint, dass sich niemand in sein Leben einzumischen hat. Er will so leben, wie er es für richtig hält. Es entgeht ihm, dass er mit einer solchen Haltung sein Leben verachtet. Die Unterweisung soll ihn dazu bringen, das wahre Leben zu leben – ganz nach den Gedanken Gottes. Das gibt dem Leben volle Befriedigung.
Wer „auf Zucht hört, erwirbt Verstand“; er erlangt einen klaren Blick auf sich selbst und auf das Leben. So kann er geistlich, intellektuell und emotional wachsen. Dann weiß er, wie er zur Ehre Gottes leben soll. Für seinen Nächsten wird er nicht das Böse, sondern das Gute suchen und wissen, was Gott von ihm verlangt.
Wer sich in seinem Leben von „der Furcht des HERRN“ leiten lässt, wird ständig unterwiesen, weise durchs Leben zu gehen (Vers 33), denn „die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang“ (Spr 9,10). Er weiß, wie man die richtige Wahl trifft, wenn man sich entscheiden muss, und vermeidet so das Böse. Sein Leben ist darauf eingestellt, den Willen Gottes zu tun.
Die erste Wirkung der Weisheit ist, dass sie bei dem Gerechten „Demut“ bewirkt. Gottesfurcht wird von Demut begleitet. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Das eine ist der Weg zur Weisheit, das andere der Weg zur Ehre. Demut ist eine Gesinnung des Herzens, die wir lernen müssen. Demut können wir von dem Herrn Jesus lernen, der die Weisheit ist. Er sagte: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,29).
Die demütige Unterwerfung im Vertrauen auf den HERRN bringt „Weisheit“ und „Ehre“. Der Herr Jesus erniedrigte sich selbst und wurde von Gott erhöht. Er ist selbst das beste Beispiel für das, was Er uns sagt: „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11). Unsere Erhöhung, die Ehre, die wir erfahren werden, entspricht unserer Erniedrigung. Wenn wir uns „unter die mächtige Hand Gottes“ demütigen, wird Er uns „zur rechten Zeit“ erhöhen (1Pet 5,6).