1 Ein schlechtes oder ein gutes Gewissen
1 Die Gottlosen fliehen, obwohl kein Verfolger da ist; die Gerechten aber sind getrost wie ein junger Löwe.
„Gottlose“ mögen einen großen Mund haben, aber innerlich sind sie ständig in Furcht. Sie haben ein schuldiges Gewissen und fürchten sich vor dem Gericht. Sie vertrauen niemandem, sie sind misstrauisch und fliehen selbst vor einer nur eingebildeten Gefahr: „Und die Übriggebliebenen von euch – in ihr Herz werde ich Feigheit bringen in den Ländern ihrer Feinde: Und das Rauschen eines verwehten Blattes wird sie jagen, und sie werden fliehen, wie man vor dem Schwert flieht, und fallen, obwohl niemand sie jagt“ (3Mo 26,36; Ps 53,6). Gottlose Menschen sind immer auf der Flucht, weil sie, wohin sie auch gehen, ihr schlechtes Gewissen mit sich herumtragen. Die Sünde macht den Menschen zu einem Feigling.
„Die Gerechten aber“ sind sich der Gunst Gottes und der des Menschen bewusst. Sie haben ein reines Gewissen. Sie brauchen nicht ständig über die Schulter zu schauen, um zu sehen, ob ihnen jemand auf den Fersen ist, der ihnen schadet. „Wie ein junger Löwe“ sind sie frei von Angst. Ihr „getrost“ sein, was sie ausstrahlen, liegt nicht in ihrer eigenen Kraft, sondern in Gott. Die Gerechten werden nicht vor einem eingebildeten Feind davonrennen, er existiert ja gar nicht für sie.
Der Vers zeigt die Verbindung zwischen Mut und einem guten Gewissen sowie die Folge eines schlechten Gewissens. „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2Tim 1,7). Wer sich vom Heiligen Geist leiten lässt, braucht nicht zu fliehen. Elia, ein gerechter Mann, stand als ein Mann Gottes „getrost wie ein junger Löwe“ auf dem Karmel Hunderten von falschen Propheten gegenüber (1Kön 18,22).
2 - 5 Folgen der Nichtanerkennung der Autorität Gottes
2 Durch die Frevelhaftigkeit eines Landes werden seine Fürsten zahlreich; aber durch einen verständigen, einsichtigen Mann wird sein Bestand verlängert. 3 Ein armer Mann, der Geringe bedrückt, ist ein Regen, der wegschwemmt und kein Brot bringt. 4 Die das Gesetz verlassen, rühmen die Gottlosen; die aber das Gesetz halten, entrüsten sich über sie. 5 Böse Menschen verstehen das Recht nicht; die aber den HERRN suchen, verstehen alles.
Nationale Sünden bewirken nationale Katastrophen. Wenn ein Land nicht mit Gott und seinem Wort rechnet, ist das auf die Tatsache zurückzuführen, dass es im Land keinen gottesfürchtigen Herrscher gibt. So kommt es, dass sich die nachfolgenden Machthaber einander in schneller Folge ablösen, weil jeder nur seine eigenen Interessen verfolgt (Vers 2). Die Zeit der Richter mit ihren dreizehn Richtern und die Zeit des nördlichen Königreiches Israel mit seinen neun Dynastien sind Beispiele für die politische Instabilität als Folge der Sünde. Während rebellischer, turbulenter Zeiten ist eine Nation von vielen Machtübernahmen und Machtkämpfen gekennzeichnet.
Jede Nation bekommt die Regierung, die sie verdient. Das wird nicht nur in Königreichen sichtbar, sondern auch in Ländern, wo demokratisch gewählte Herrscher an der Macht sind. Eine Regierung folgt der anderen, während die abtretende Regierung das Land in einem Zustand zurücklässt, der chaotischer ist als der, den sie bei ihrem Antritt vorfand.
Aber wenn sich in der Regierung „ein verständiger, einsichtiger Mann“ befindet, „wird sein Bestand verlängert“. Es geht um das Verständnis und die Erkenntnis des Willens Gottes. Wenn sie vorhanden sind, wird es eine gute und auch dauerhafte oder bleibende Regierung geben. Beständige Gerechtigkeit bedeutet, dass böse Elemente, die die Rechtsordnung bedrohen, verurteilt werden, sobald sie sich zeigen. Sobald aber dieses Prinzip ignoriert wird, „werden seine Fürsten zahlreich“, was zu Instabilität im Land führt. Wenn aber die Rechtsordnung aufrechterhalten wird, wird es nicht zu ständigen Regierungswechseln kommen. Das kommt der Stabilität eines Landes sehr zu gute.
Es ist sehr tragisch, wenn „ein armer Mann“ mächtig wird, zum Herrscher aufsteigt und in dieser Stellung „den Geringen bedrückt“ (Vers 3). In einer solchen Stellung der Autorität, die er sich durch Erfahrung erwirbt, wäre jemand, der früher arm war, für seinesgleichen zum Segen, gleich einem erfrischenden Regen. Keiner wäre dafür besser geeignet als er, der aus eigener Erfahrung bestens weiß, was es heißt, „gering“ zu sein. Aber im gegenteiligen Fall kann jemand die größte Verachtung gegenüber denen zeigen, mit denen er früher zusammengelebt hat. Seine Unterdrückung der Geringen kommt einem Verrat gleich.
Die zweite Verszeile behandelt anhand eines Vergleichs die Folgen der Haltung des armen Mannes, der mächtig wurde. Dieser ist „ein Regen, der wegschwemmt und kein Brot bringt“. Regen ist dazu da, der Saat zum Segen zu gereichen, damit es zu einer guten Ernte kommt, denn nur so wird es Brot geben. Aber hier tut er ein verderbliches Werk. Es entsteht Hunger. Ein Herrscher soll eine wohltätige Gesellschaft schaffen (Ps 72,5–7) und sie nicht durch starken Druck auseinanderdriften lassen (2Chr 10,10–19).
Menschen, „die das Gesetz verlassen“, haben die richtige Beurteilung der Gottlosen, nämlich Gottes Beurteilung, verloren (Vers 4). Sie sind nicht mehr imstande, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Sie sind dem Gesetz Gottes gegenüber ungehorsam und werden deshalb von solchen bewundert, die offensichtlich Gott zur Seite geschoben haben und ihr eigenes Leben bestimmen. In einer Gesellschaft, in der die Gottlosen gewürdigt werden, hat man das Wort Gottes über Bord geworfen. Der freie Wille, das heißt, die Freiheit für jeden, sagen zu können, was man denkt, und tun zu können, was man will, ist zum höchsten Gut geworden. Wer solch ein Denken unterstützt, lobt die Gottlosen wegen ihrer Gottlosigkeit: „... die, obwohl sie Gottes gerechtes Urteil erkennen, dass die, die so etwas tun, des Todes würdig sind, es nicht allein ausüben, sondern auch Wohlgefallen an denen haben, die es tun“ (Röm 1,32). Ein Beispiel dazu ist das sexuelle Verhalten zwischen Menschen des gleichen Geschlechts.
Jeder, der nach Gottes Wort leben will, wird solch einem Denken den Kampf ansagen. Das kann dazu führen, dass das Böse ganz offen beim Namen genannt wird. Auf jeden Fall darf man sich nicht denen anschließen, die die Gottlosen preisen. Dadurch wird man in den Kampf um die vorherrschende Meinung hineingezogen. Wenn das geschieht, entsteht Widerstand.
Das Recht verstehen (Vers 5) hängt von der Gesinnung einer Person ab, und nicht von ihrem Verstand (vgl. Ps 119,100; Joh 7,17). „Böse Menschen“ sind Menschen, die nicht mit Gott in Einklang stehen, sondern mit ihrer eigenen bösen Natur. Sie sinnen auf Bosheit. Ihre Gedanken sind verdorben. Deshalb können sie „das Recht“, die gesetzlichen Rechte von Personen, die Gott festgelegt hat, nicht verstehen. Sie haben keinen „Sensor“ dafür, weil sie verfinstert am Verstand sind. Das wird durch all das Unrecht sichtbar, das sie ihren Mitmenschen antun.
Das Wort „aber“ am Anfang der zweiten Verszeile leitet den Gegensatz zur ersten Verszeile ein. „Den HERRN suchen“ bedeutet, nach dem Willen Gottes zu fragen um ihn zu tun (2Sam 21,1). Wir suchen den Willen Gottes, wenn wir in seinem Wort forschen. Wenn wir sein Wort nicht öffnen, suchen wir seinen Willen nicht. Der Heilige Geist hilft uns, den Willen Gottes in seinem Wort zu entdecken, ihn zu verstehen und in die Praxis umzusetzen. Wir „verstehen alles“ durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt (1Joh 2,20.27). Wenn wir in unserem Leben seine volle Kraft erfahren wollen, müssen wir geistlich gesinnt sein, denn dann können wir alle Dinge richtig beurteilen (1Kor 2,14.15).
6 Lauterkeit ist besser als zwei Wege gehen
6 Besser ein Armer, der in seiner Lauterkeit wandelt, als ein Verkehrter, der auf zwei Wegen geht und dabei reich ist.
Dieser Vers ist wieder ein „Besser … als“-Spruch. Er sagt, dass ehrliche Armut besser ist als unehrlicher Reichtum. Sicher gibt es auch arme Menschen, die unehrlich, und reiche Menschen, die ehrlich sind. Der Vers stellt nur einen Armen, „der in seiner Lauterkeit wandelt, jemandem gegenüber, der verkehrt und dabei reich ist (Spr 19,1). Das Wort „zwei Wege“ sagt aus, dass der Reiche manchmal nach rechts, manchmal nach links geht. Es meint weiter, dass dieser Mensch ein Heuchler ist und inkonsequent handelt. Äußerlich zeigt er sich religiös, aber innerlich ist er verdorben und habgierig. Einmal spielt er den Religiösen, ein anderes Mal ist er gierig.
Lauterkeit ist nicht automatisch mit Reichtum verbunden als ein Beweis, dass Gott diese Lauterkeit wertschätzt. Arm zu sein birgt die Gefahr in sich, unehrlich oder unlauter zu sein. Der Arme, der in seiner Lauterkeit wandelt, gibt dieser Versuchung nicht nach. Sein Wandel mit Gott beschützt ihn in seiner Lauterkeit.
Reichtum ist nicht automatisch ein Beweis für Gottes Anerkennung. Der Reiche, der auf zwei Wegen geht, zeigt, dass er seinen Reichtum nicht als Gabe Gottes ansieht. Er geht seinen Weg ohne Gott. Er wandelt nicht mit Gott, sondern nach seinen verdorbenen Ansichten, mit denen er an seinem Reichtum festhalten und ihn vermehren will.
7 Ein verständiger Sohn oder ein Sohn, der Schande macht
7 Ein verständiger Sohn bewahrt das Gesetz; wer sich aber zu Schlemmern gesellt, macht seinem Vater Schande.
Wer das Gesetz befolgt, beweist damit, dass er „ein verständiger Sohn“ ist. Sein Vater hat ihn gelehrt, wie wichtig es ist, das Gesetz zu halten und hat es ihm vorgelebt; der verständige Sohn hat die Belehrung zu Herzen genommen. Deshalb trifft er weise Entscheidungen und ist eine Freude für seinen Vater.
Ein Sohn, der „sich … zu Schlemmern gesellt“ – beispielsweise durch ungezügeltes Essen, Trinken und Sexualleben –, hat sich um die Belehrungen seines Vaters nicht gekümmert. Er hat nicht gesagt: „Weicht von mir, ihr Übeltäter: Ich will die Gebote meines Gottes bewahren“ (Ps 119,115). Stattdessen hat er sich seine eigenen Freunde ausgesucht, die in allen Lebensbereichen Grenzen überschreiten. Er ist ein Genussmensch. Die schlechte Gesellschaft und das ausschweifende Leben sind zum großen Kummer seines Vaters, dem er durch sein Verhalten ebenfalls Schande macht. Er bringt Schmach auf seine ganzen Familie.
8 Unehrliche Besitzvermehrung
8 Wer sein Vermögen durch Zins und durch Wucher mehrt, sammelt es für den, der sich der Geringen erbarmt.
Die Verbindung zwischen der ersten und zweiten Verszeile scheint zu zeigen, dass die Vermehrung des Besitzes darauf zurückzuführen ist, dass dieser den Armen weggenommen wurde, die von ihm geliehen oder gekauft haben. Diese Aussage macht deutlich, dass der Reichtum einer Person, die ihn auf eine unehrliche Weise erworben hat, letztlich in den Händen des Armen landet (Jer 17,11; Jak 5,1–6). Gott selbst wird dafür sorgen (Hiob 27,16.17; Pred 2,26). Er wird dafür sorgen, dass dieser Reichtum jemandem in die Hände fällt, „der sich der Geringen erbarmt“.
Das Gesetz untersagt, dass man von einem Nachbarn, einem Landsmann, Zins verlangt (2Mo 22,25; 3Mo 25,36.37; 5Mo 23,19.20; Ps 15,5). Wenn arme Menschen Hilfe brauchten, so waren die Reichen dazu verpflichtet, ihnen diese als Wohltätigkeit zu gewähren. Sie durften die notvolle Situation eines anderen Israeliten nicht zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen.
9 Gott ist taub für den, der taub für Ihn ist
9 Wer sein Ohr abwendet vom Hören des Gesetzes: Sogar sein Gebet ist ein Gräuel.
Gemeinschaft mit Gott entsteht durch sein Wort und durch Gebet. Durch sein Wort redet Gott zum Menschen und im Gebet redet der Mensch zu Gott. Wenn Gott redet, der Mensch aber nicht hört, wird Gott auch nicht zuhören, wenn jener Mensch zu Ihm spricht. Zuhören heißt nicht einfach nur hören, sondern auch tun. Wenn ein Mensch seinerseits für die Belehrung aus dem Wort Gottes taub ist, sich davor verschließt, wird Gott seinerseits für sein Gebet taub sein.
Das Gebet wird sicherlich kein reines Gebet sein. Gott ist nicht nur taub dafür, es ist vielmehr ein Gräuel für Ihn. Wer es ablehnt, Gott gehorsam zu sein, kann unmöglich entsprechend dem Willen Gottes beten. Sollte jemand es doch wagen, Gott in der Haltung des Ungehorsams um etwas zu bitten, so wird er erfahren, dass Gott sein Gebet verwirft (Jes 1,15). Als die Ältesten Israels zu Hesekiel kamen, um nach Gottes Willen zu fragen, sagte Gott, dass Er nicht auf ihre Fragen antworten werde, weil sie nicht getan hatten, was Er ihnen geboten hatte (Hes 20,1–8). Wer nicht hört, verdient nicht, angehört zu werden. Selbstverständlich ist ein Bußgebet für Gott kein Gräuel.
10 In seine Grube fallen oder Gutes erben
10 Wer Aufrichtige auf einen bösen Weg irreführt, wird selbst in seine Grube fallen; aber die Vollkommenen werden Gutes erben.
Das Gericht wird den sicher treffen, der „Aufrichtige auf einen bösen Weg irreführt“, der sie zur Sünde verleitet. Vor Gott ist es ein großes Übel, die „Aufrichtigen“ – das sind die, die mit Ihm in Verbindung stehen – zu Fall zu bringen: „Wer aber irgend einem dieser Kleinen, die an mich glauben, Anstoß gibt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde. Wehe der Welt der Ärgernisse wegen! Denn es ist notwendig, dass die Ärgernisse kommen; doch wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt!“ (Mt 18,6.7). Satan wird alles versuchen, um Aufrichtige irrezuführen, und dazu hat er genügend Leute zur Verfügung. Die Welt hat eine riesige Auswahl an Verführungen anzubieten, um Aufrichtige auf einen bösen Weg irrezuführen. Das geschieht durch Werbung und durch das Internet. Man leugnet, dass Untreue in der Ehe böse ist, eine Liebesaffäre muss man haben dürfen. Aber Satan wird zusammen mit jedem Geschöpf, das wie er handelt, in die Grube fallen, die er und sie selbst gegraben haben.
Aber wenn wir „Vollkommene“ sind und es bleiben, so werden wir nicht nur davor bewahrt, in die Grube eines Irrlehrers zu fallen, sondern wir werden „Gutes erben“. Gott wird uns das Gute als Erbe schenken. Das Gute umfasst alles, was Gott dem Herrn Jesus als Belohnung gegeben hat, alles, was wir einmal mit Ihm teilen dürfen. Denken wir dabei an all die guten Dinge, die wir einmal im Friedensreich genießen werden.
11 Wer weise ist in seinen Augen, wird durchschaut
11 Ein reicher Mann ist weise in seinen Augen, aber ein verständiger Geringer durchschaut ihn.
Auch in diesem Spruch geht es wieder um den Gegensatz zwischen „einem reichen Mann“ und „einem verständigen Geringen“. In diesem Vers ist der Reiche „weise in seinen Augen“. Er ist erfüllt von seinem Eigendünkel. Er sieht nur sich selbst und ist davon überzeugt, dass er alles richtig beurteilen kann. „Aber ein verständiger Geringer durchschaut ihn“, er lässt sich nicht betören. Der Geringe erkennt den Mangel, an dem der Reiche leidet und durchschaut seine arrogante Gesinnung.
Reichtum und Weisheit gehen nicht oft zusammen. Meistens ist es so, dass der Reichtum des Reichen ihn für seine geistliche Armut blind macht. Er glaubt, dass sein Geld den Wert seiner Seele bestimmt. Wer Geld besitzt, kann damit Macht erwerben und diese auch geltend machen. Wer dagegen kein Geld hat, dafür aber Verständnis besitzt, durchschaut ihn; er sieht, dass er nur ein Wichtigtuer ist, der nicht ist, was er zu sein vorgibt.
Reichtum kann zu Hochmut führen: „Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen, sondern auf Gott“ (1Tim 6,17). Die Weisheit des Gerechten besteht nicht darin, dass er weiß, wie er möglichst zu viel Geld kommt und wie er möglichst schnell reich wird. Seine Weisheit ist, dass er die Unsicherheit des Reichtums sieht und nicht darauf vertraut (Mt 6,19).
12 Wenn Gerechte oder Gottlose die Macht haben
12 Wenn die Gerechten frohlocken, ist die Pracht groß; wenn aber die Gottlosen emporkommen, verstecken sich die Menschen.
Die Gegenüberstellung in diesem Vers betrifft die Situation, dass „die Gerechten“ triumphieren und „die Gottlosen“ an die Macht kommen (Spr 11,10). Es geht darum, dass es viel Vertrauen bei den Menschen gibt, wenn die Gerechten erhöht sind, wenn sie an der Macht sind, wenn sie „frohlocken“. Die Gerechten üben einen positiven Einfluss auf die Menschen aus. Sie geben der Gesellschaft „Pracht“. Die Gesellschaft profitiert davon. Alle sind zufrieden und glücklich, weil das Verteilen der Lasten auf eine gerechte Art und Weise geschieht und Gewinne ehrlich verteilt werden.
„Wenn aber die Gottlosen emporkommen“, wenn sie an die Macht kommen, ist das das Ende einer friedlichen, glücklichen Gesellschaft. Sie haben einen negativen Einfluss auf die Menschen. Wenn die Gottlosen mächtig werden, wird es still auf den Straßen, weil die Menschen sich aus Furcht vor ihnen verstecken. Wir sehen die beiden einander entgegengesetzten Einflüsse in der Regierung von Mordokai (Est 8,17) und in jener der Midianiter (Ri 6,2).
13 - 14 Bekennen und fürchten
13 Wer seine Übertretungen verbirgt, wird kein Gelingen haben; wer sie aber bekennt und lässt, wird Barmherzigkeit erlangen. 14 Glückselig der Mensch, der sich beständig fürchtet; wer aber sein Herz verhärtet, wird ins Unglück fallen.
Der Gegensatz in Vers 13 – hervorgehoben durch das Wort „aber“ – besteht zwischen „wer seine Übertretungen verbirgt“ und „wer sie … bekennt und lässt“. Ersterer „wird kein Gelingen haben“, Letzterer „wird Barmherzigkeit erlangen“. Dieser Vers ist einzigartig im Buch der Sprüche. Er befasst sich mit der Wahrheit der Vergebung. Jeder einzelne Teil dieses Verses ist wichtig in Zusammenhang mit dieser Wahrheit. Gottes Vergebung wird offensichtlich mit einer echten Umkehr zu Gott verbunden, um bei Ihm Erbarmen anstatt Gericht zu finden (Ps 32,1–5; 1Joh 1,6–9).
Eine Übertretung ist das Überschreiten einer Grenze, die deutlich als solche markiert ist. Als David mit Bathseba Ehebruch beging, übertrat er, überschritt er die Grenze, die Gott rund um die Ehe gezogen hatte. Zuerst „verbarg“ David seine Sünde und schwieg. In diesem Zustand hatte er „kein Gelingen“. Seine Gebeine verzehrten sich und er spürte, wie Gottes Hand schwer auf ihm lastete. Dann sah er ein, dass er gesündigt hatte, er bekannte seine Sünde und sagte: „Ich … habe meine Ungerechtigkeit nicht zugedeckt“ (Ps 32,3–5). Dann erst konnte er sagen, dass Gott ihn mit Rettungsjubel umgab (Ps 32,7).
Empfangenes Erbarmen nach Bekenntnis der Sünde führt dahin, „sich beständig“ zu „fürchten“ (Vers 14). Furcht vor der Sünde scheint mehr der Absicht dieses Verses zu entsprechen als Ehrfurcht vor dem HERRN. Letzteres ist immer wahr, aber hier liegt die Betonung nicht darauf.
Es geht um die Furcht vor der Sünde in dem Sinn, wie Joseph die Sünde fürchtete (1Mo 39,8.9), um die Furcht vor den Folgen der Sünde. Es ist die Furcht, (zurück) in die Sünde zu fallen, es ist tiefe Furcht vor der Macht der Sünde. Es geht darum, dass diese Furcht beständig da sein sollte. Diese Furcht muss vor der Sünde da sein, die wir bekennen müssen (Vers 13). Wenn wir diese Furcht haben, sind wir „glückselig“, denn dann werden wir die Sünde meiden.
Dass wir hier vor allem an die Furcht vor der Sünde denken sollten, geht auch aus dem Gegensatz zur zweiten Verszeile hervor. Der Vers stellt den Menschen, „der sich beständig fürchtet“, dem gegenüber, der „sein Herz verhärtet“. Es ist unvermeidlich, dass der, der Letzteres tut, „ins Unglück fallen“ wird. Ein tiefes Empfinden für die Sünde ist eine besondere Gnade. Wer vor der Sünde keine Furcht hat und sein Herz vor den Warnungen verhärtet, wird in Sünde fallen und sich selbst und andere ins Elend bringen.
15 - 16 Der Tyrann
15 Ein brüllender Löwe und ein gieriger Bär: So ist ein gottloser Herrscher über ein armes Volk. 16 Ein Fürst ohne Verstand ist auch reich an Erpressungen. Wer unrechtmäßigen Gewinn hasst, wird seine Tage verlängern.
„Ein brüllender Löwe und ein gieriger Bär“ sind Raubtiere, die Furcht einflößen und keinerlei Mitleid kennen (Vers 15). Sie machen Beute, indem sie ihren Instinkten folgen. Sobald sie ihre Beute gepackt haben, reißen sie sie auseinander. Diese grausamen Tiere, die Angst einflößen und ihre Beute jagen, sind das geeignete Symbol für „einen gottlosen Herrscher“. Politische Tyrannen sind wie diese Tiere, unberechenbar, stark, gefühllos, grausam, blutrünstig und zerreißend. Die skrupellosen Weltherrscher, die Daniel in seiner Vision sieht, werden auch als Tiere dargestellt (Dan 7,1–8). Die Armen leiden unter der Herrschaft dieser Tyrannen, weil sie deren Forderungen nicht nachkommen können: „Und ich wandte mich und sah alle Bedrückungen, die unter der Sonne geschehen: Und siehe, da waren Tränen der Bedrückten, und sie hatten keinen Tröster; und von der Hand ihrer Bedrücker ging Gewalttat aus, und sie hatten keinen Tröster“ (Pred 4,1).
In diesem gottlosen Herrscher sehen wir ein Bild des Antichristen. Dieser äußerst grausame Herrscher wird nach der Entrückung der Gemeinde von der Masse des jüdischen Volkes als Führer anerkannt werden. Dieser gottlose Herrscher wird es besonders auf den gläubigen Überrest absehen, den wir in dem Ausdruck „ein armes Volk“ erkennen. Aber diese Menschen werden vom wahren David erlöst werden, wenn Er auf die Erde zurückkehrt. So wie David „sowohl den Löwen als auch den Bären“ erschlagen hat (1Sam 17,34–36), so wird der Herr Jesus den gottlosen Antichrist vernichten, den wir hier in dem Löwen und dem Bären sehen.
Einem Tyrannen fehlt es immer an „Verstand“ (Vers 16). Verblendet durch sein Machtstreben hält er seine Herrschaft durch „Erpressungen“ aufrecht. Seine Geldliebe ist bestimmend für sein Auftreten. So unterdrückt er die Menschen, indem er ihnen beispielsweise hohe Steuerlasten auferlegt. Demgegenüber ist da der gerechte Herrscher. Das ist jemand, der nicht seine eigenen Vorteile verfolgt (2Mo 18,21). Er ist nicht nur dem Geld nicht hinterher, er hasst sogar „unrechtmäßigen Gewinn“. Dieser Machthaber „wird seine Tage verlängern“. Darin sehen wir den Herrn Jesus, dessen Herrschaft kein Ende haben wird: „Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben“ (Lk 1,32.33).
17 Blutschuld führt zur Grube
17 Ein Mensch, belastet mit dem Blut einer Seele, flieht bis zur Grube: Man unterstütze ihn nicht!
Die erste Verszeile heißt wörtlich: „Ein Mensch, gequält durch das Blut eines Lebens.“ Dieser Satz beschreibt einen Mörder auf der Flucht. Er ist ein belasteter Mensch. Das bedeutet, dass er eine beschwertes Gemüt oder ein schuldiges Gewissen hat. Selbst wenn er auf seiner Flucht dem Bluträcher entkommt, klagt ihn doch sein Gewissen auch weiterhin an. So wird seine Flucht früher oder später in der Grube des Grabes enden. Daran ist nichts zu ändern. Kain, der Brudermörder, hatte das verstanden (1Mo 4,12–14).
Die zweite Verszeile sagt, dass es nicht gut ist, einem Mörder zu helfen, wenn er auf der Flucht ist. Man sollte nichts mit ihm zu tun haben, denn die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen: „Wer Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden; denn im Bild Gottes hat er den Menschen gemacht“ (1Mo 9,6).
Ihm kann sehr wohl das Evangelium verkündet werden, so dass er durch Buße und Bekehrung Ruhe für sein Gewissen findet. Dann ist er zwar immer noch auf dem Weg zur Grube des Grabes, denn er verdient die Todesstrafe, nur nicht länger als einer, der vor dem verdienten Gericht flieht.
18 Gerettet werden oder fallen
18 Wer untadelig wandelt, wird gerettet werden; wer aber verkehrt auf zwei Wegen geht, wird auf einmal fallen.
Wer untadelig wandelt, kann von feindlich gesinnten Menschen bedroht werden oder einem Unfall zum Opfer fallen. Wer untadelig wandelt, wandelt mit Gott. Es gibt keine andere Möglichkeit, untadelig zu wandeln. Wer so wandelt, weiß, dass Gott mit ihm ist und ihn aus der Not retten wird. Wer untadelig wandelt, wandelt sicher.
Die zweite Verszeile beginnt mit „aber“, was bedeutet, dass ein Gegensatz zur ersten Verszeile folgt. Es gibt zwei Gegensätze in diesem Vers. „Wer untadelig wandelt“ steht im Gegensatz zu dem, der „verkehrt auf zwei Wegen geht“. Wer auf krummen Wegen geht, wandelt nicht untadelig. Er ist unehrlich und verdorben und trachtet danach, sich auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen. Er rechnet nicht mit Gott. Deshalb gibt es keine Rettung für ihn, wenn er in Not ist. Sein Sturz wird plötzlich kommen, er wird „auf einmal fallen“.
19 - 20 Folgen von Fleiß und Treue
19 Wer sein Land bebaut, wird mit Brot gesättigt werden; wer aber nichtigen Dingen nachjagt, wird mit Armut gesättigt werden. 20 Ein treuer Mann hat viele Segnungen; wer aber hastig ist, reich zu werden, wird nicht schuldlos sein.
In Vers 19 werden zwei Arten von Sättigung erwähnt (Spr 12,11). Es gibt Sättigung mit Brot und Sättigung mit Armut. „Mit Brot gesättigt werden“ ist das Ergebnis fleißiger und täglicher Arbeit, was in diesen Versen ausgedrückt wird mit „wer sein Land bebaut“. Man bekommt sein Brot nicht durch dieses oder jenes Wunder, der Mensch muss dafür arbeiten. Wenn er das tut, wird er bis zur Sättigung zu essen haben.
Die zweite Verszeile beginnt wieder mit „aber“, was darauf hindeutet, dass ein Gegensatz folgt. Dem fleißigen Arbeiter steht jemand gegenüber, der „nichtigen Dingen nachjagt“. Wer so handelt, zeigt, wie er selbst ist. Er rührt keinen Finger, sondern lebt auf Kosten anderer. Ab und zu hat er etwas zu essen, aber schlussendlich wird er „mit Armut gesättigt werden“. Wer sein Land bebaut, hat seinen Brotkorb, seinen Tisch und seinen Magen voll Brot. Wer hingegen nichtigen Dingen nachjagt, hat einen leeren Brotkorb, einen leeren Tisch und einen leeren Magen.
Der Gegensatz besteht zwischen demjenigen, der sich auf seine Arbeit konzentriert, und demjenigen, der sich ablenken lässt und seine Zeit und Energie mit wertlosen Aktivitäten vergeudet. Etwas Erholung und Ablenkung zur rechten Zeit sind nützlich, aber zu viel davon führt zu materieller und geistlicher Verarmung.
Vers 20 setzt den Gedanken von Vers 19 fort. Die erste Verszeile betrifft „einen treuen Mann“, was unter anderem bedeutet, dass er fleißig arbeitet und zuverlässig ist. Er „hat viele Segnungen“. Der Gegensatz zur zweiten Verszeile scheint darauf hinzuweisen, dass ausreichendes Einkommen eine der vielen Segnungen ist. Er muss sich nicht hetzen, um reich zu werden, er ist durch seine Treue in der Arbeit reich. Deshalb ist er fähig, für seine Familie zu sorgen. Darüber hinaus kann er auch den Armen etwas abgeben, und vor allem kann er Gott seinen Teil geben. Er erfreut sich der Gnade Gottes. Treue bestimmt den Erfolg.
Dem treuen Mann steht der gegenüber, der „hastig ist, reich zu werden“, was auch übersetzt werden kann mit: „Wer darauf erpicht ist, reich zu werden.“ Ein solcher Mensch bedient sich unehrlicher Mittel. Zu diesem Schluss kommen wir durch die Worte „wird nicht schuldlos sein“. Der Gedanke ist, dass die erste Person ihren Verpflichtungen Gott und Menschen gegenüber treu nachkommt. Die zweite Person, die hastig reich werden will, versucht ihr Ziel mit Betrug statt mit fleißigem Arbeiten zu erreichen. Auf diese Weise lädt sich solch eine Person nicht nur Reichtum auf, sondern vor allem Schulden. Sie wird für ihren Betrug und ihr Fehlverhalten büßen müssen (1Tim 6,9.10).
21 Die Person ansehen, führt zur Übertretung
21 Die Person ansehen ist nicht gut, und für einen Bissen Brot kann ein Mann übertreten.
Die Person ansehen ist nicht gut, es ist nicht erlaubt (3Mo 19,15; 5Mo 1,17; 16,19; Spr 18,5; 24,23). Jemand kann die Person ansehen, weil es um eine angesehene Person geht, um jemanden, der reich ist, um ein Familienmitglied oder um einen Freund. Die zweite Verszeile gibt die Begründung für die Aussage in der ersten Verszeile. Parteilichkeit führt zu einem unlauteren Urteil in einem Konflikt. Wenn ein Richter in einem Gerichtsverfahren oder jemand, der einen Konflikt mit einem anderen hat, parteiisch ist, ist er bestechlich. Die Beweggründe sind falsch. Deshalb begeht eine solche Person schon ein Unrecht, falls sie darauf eingeht, wenn jemand ihr ein Stück Brot anbietet mit der Absicht, sie zu einem falschen Urteil zu bewegen. So einfach ist es, ihn zu bestechen.
Wir können das Gesagte auf die Prediger anwenden, die zu ihrem Vorteil den Kirchgängern nach dem Mund reden. Hier trifft das Sprichwort zu: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. Menschen sind gern bereit, Prediger zu bezahlen, die Vorträge halten, die ihnen gefallen. Solche Prediger sehen die Person an; sie wählen die Gunst der Menschen statt die Gunst Gottes. Sie übertreten Gottes Wort und verstümmeln es für ein Stück Brot.
22 Gier führt zu Mangel
22 Ein missgünstig blickender Mann hascht nach Reichtum, und er erkennt nicht, dass Mangel über ihn kommen wird.
Wer darauf aus ist, seinen Besitz zu vermehren und danach hascht, ist so auf seinen Besitz fixiert, dass er „missgünstig blickt“ (wörtlich „ein böses Auge hat“). Der Gedanke, jemandem etwas zu gönnen, ist für ihn verwerflich. Dann wäre er ein Dieb gegenüber sich selbst. Nein, gönne niemandem etwas. Was du der anderen Person gönnst, könnte dir fehlen, und so wird dein Besitz nicht wachsen.
Er hat einen missgünstigen Blick, weil sein Auge auf die Reichtümer der Welt gerichtet ist und nicht auf Gott und seinen Willen. Deshalb weiß er nicht, dass Gott ihn für seine Gier bestrafen wird, „dass Mangel über ihn kommen wird“. Er wird seinen Besitz nicht behalten können, sondern wird ihn als Folge des Eingreifens Gottes in seinem Leben verlieren.
23 Strafen ist besser als Schmeicheln
23 Wer einen Menschen straft, wird danach mehr Gunst finden, als wer mit der Zunge schmeichelt.
Die Bestrafung oder Zurechtweisung einer Person wegen ihrer charakterlichen Fehler oder wegen ihrer falschen Taten bekommt selten sofort Anerkennung. Man kann ablehnend oder sogar verärgert reagieren. Aber eine Weile später macht die Beleidigung einer dankbaren Anerkennung Platz. Man wird einsehen, dass die Zurechtweisung begründet war und dass es einen Segen gebracht hat, darauf zu hören. Es geht hier nicht um Einmischung oder eine kritische Haltung, sondern um eine Zurechtweisung aus Liebe mit der Absicht, dem anderen zu helfen.
Eine junge gläubige Frau, die eine feste Beziehung mit einem jungen Ungläubigen hatte, wurde deswegen zurechtgewiesen. Die Schrift sagt, dass ein Gläubiger nicht in einem ungleichen Joch mit einem Ungläubigen sein soll (2Kor 6,14). Es ist sicher nicht angenehm, jemanden damit zu konfrontieren und nicht angenehm, damit konfrontiert zu werden. Die Schwester nahm die Zurechtweisung an. Durch Gottes Gnade kam der Mann danach zum echten lebendigen Glauben an den Herrn Jesus. Beide waren sehr dankbar für die Zurechtweisung. Einige Zeit später heirateten sie.
Hätte man dieser Frau zu ihrer falschen Beziehung gratuliert, hätte sie sich möglicherweise geschmeichelt und in ihrer Wahl bestärkt gefühlt. Aber wie dramatisch wäre die Entwicklung der Beziehung geworden. Eine Zurechtweisung in Liebe anhand des Wortes Gottes bringt sowohl dem Zurechtweisenden als auch dem Zurechtgewiesenen Segen. Wer dem anderen mit der Zunge schmeichelt, führt ihn und sich selbst ins Unglück.
Wer schmeichelt, ist auf eigenen Vorteil bedacht. Er will auf keinen Fall als unfreundlich erscheinen, was bei Zurechtweisung aber leicht geschehen kann. Wenn wir Menschen gefallen wollen, werden wir schmeicheln; wenn wir Gott gefallen und Gunst bei Menschen finden wollen, werden wir zurechtweisen. Gott schmeichelt niemandem, sondern ermahnt den Menschen, sich zu bekehren. Wer auf Gott hört und tut, was Er sagt, wird seine Gunst finden.
24 - 25 Habsucht
24 Wer seinen Vater und seine Mutter beraubt und spricht: „Kein Frevel ist es!“, der ist ein Genosse des Verderbers. 25 Der Habgierige erregt Zank; wer aber auf den HERRN vertraut, wird reichlich gesättigt.
Vers 24 geht über die Pflicht eines Menschen hinaus, für seine Eltern zu sorgen (Spr 19,26). Er spricht von einem Menschen, der „seinen Vater und seine Mutter beraubt“ und dann auch noch wagt, ohne Scham oder Schuldgefühl zu behaupten: „Kein Frevel ist es!“ Ist es möglich, noch tiefer zu sinken? Hier wird von einem Menschen gesprochen, der selbst die grundlegendste Form natürlicher Liebe aufgegeben hat, nämlich die Liebe zu seinen Eltern. Die Gesellschaft, der er sich angeschlossen hat, ist die „des Verderbers“.
Wer seine Eltern beraubt, ganz gleich, wie er seine Tat zu rechtfertigen sucht, ist ein Verderber. Er nimmt vorweg, was er bei ihrem Tod erben wird. Er kann es nicht abwarten. Er versucht, vorzeitig die Kontrolle über den Besitz der Eltern zu erlangen. Dazu übt er seelischen Druck aus oder gebraucht sogar körperliche Gewalt. Seine Argumentation ist, dass das Erbe eines Tages sowieso ihm gehören wird. Deshalb braucht ihm niemand ein Vergehen vorzuwerfen.
Eine solche Person ist geistlich verwandt mit den Pharisäern, die sich besonders schlaue Methoden ausgedacht hatten, um Vater und Mutter zu berauben (Mt 15,1–9; Mk 7,6–13). Sie sagten den Menschen, sie sollten, als eine Art Zauberspruch, das Wort „Korban“ über einen bestimmten Geldbetrag aussprechen, der tatsächlich für die Unterstützung der Eltern gedacht war. Das Geld wurde stattdessen durch diesen Spruch für heilig erklärt und so war es keine Sünde, wenn es den Pharisäern gegeben wurde und nicht den Eltern. So stopften sich diese verdorbenen Leute die Taschen voll. Der Herr Jesus verurteilt sie mit scharfen Worten für ihre Heuchelei.
Vers 24 hat Bezug auf die Sphäre der Familie, während Vers 25 mit der ganzen Gesellschaft zu tun hat. „Der Habgierige“ (Vers 25) glaubt, dass Glück von Besitztümern abhängig ist. Deshalb ist all sein Begehren ausschließlich darauf gerichtet und er tut alles dafür, so viel wie möglich zusammenzuraffen. Er ist ein großer Egoist und oft auch rücksichtslos. Um seine Habsucht zu befriedigen, geht er über Leichen. Er „erregt Zank“, wo immer er hinkommt. Er kümmert sich um niemanden, außer um sich selbst. Seine Haltung und sein Handeln führen zu Zank, weil die Menschen ihn nicht lange dulden.
Verglichen mit der Unruhe, die in der ersten Verszeile durchklingt, ist die zweite Verszeile eine Oase der Ruhe. Das Wort „aber“ leitet den Gegensatz ein. Wer in Bezug auf zeitliche und ewige Dinge „auf den HERRN vertraut, wird reichlich gesättigt“. Vertrauen auf den HERRN beseitigt die Habsucht. Dann gibt es kein Bedürfnis nach mehr irdischen Besitztümern, es gibt keinen Platz für Habsucht. Gott erfüllt alle Bedürfnisse derer, die Ihm vertrauen. Das ist reichliche Sättigung, die eine Person wirklich befriedigt. Für die irdischen Umstände ist die Sättigung, sich mit „Nahrung und Bedeckung“ zu begnügen (1Tim 6,8).
26 Selbstvertrauen oder in Weisheit wandeln
26 Wer auf sein Herz vertraut, der ist ein Tor; wer aber in Weisheit wandelt, der wird entkommen.
Ein Merkmal eines Toren ist es, dass er „auf sein Herz vertraut“. Er hat keine Vorstellung davon, dass das menschliche Herz – auch sein eigenes – arglistig ist (Jer 17,9). Erfüllt von Selbstbewusstsein glaubt er, dass das, was ihm sein eigenes Herz eingibt, ihm am meisten Gewinn bringen wird. Deshalb folgt er auch den Eingebungen seines eigenen törichten Herzens, ohne sich mit anderen zu beraten, geschweige denn mit Gott. Das ist unnötig, denn er allein weiß stets selbst, was das Beste ist. Dieser Vers verurteilt und entkräftet Aussagen wie: „Folge einfach der Stimme deines Herzens“, oder: „Tu, was dein Herz dir sagt.“
Das Wort „aber“ verdeutlicht, dass auf die Beschreibung des törichten Menschen, der sich auf sein Herz verlässt, ein Gegensatz folgt. Dem Toren steht ein Mensch gegenüber, der „in Weisheit wandelt“. Auf solch einen Menschen schaut Gott mit Wohlgefallen, weil er seinem Wort entsprechend wandelt und auf seine Belehrungen hört. Wenn er so wandelt, entkommt er der törichten Versuchung, der Stimme seines eigenen Herzens zu folgen. Er wird von den unheilvollen Folgen verschont bleiben, denen der Tor zwangsläufig ausgesetzt ist. Der Weise entkommt diesen Folgen, während der Tor darin umkommt.
27 Wer gibt, hat keinen Mangel
27 Wer dem Armen gibt, wird keinen Mangel haben; wer aber seine Augen verhüllt, wird mit Flüchen überhäuft werden.
Freigebigkeit wird belohnt, aber Gleichgültigkeit wird verflucht (Spr 22,9; 11,24–26). Die Gegenwart der Armen im Volk Gottes ist eine Prüfung für die Reichen. Gott will, dass sein Volk ein gebendes Volk ist, wie Er selbst gibt (5Mo 15,7–11). Wer gibt, wird nicht ärmer, sondern reicher. Gott wird nicht zulassen, dass er Mangel erleidet, sondern wird ihn mit allem Nötigen versorgen. Schon allein diese Erfahrung ist eine große Belohnung. Dazu kommt, dass der Arme für den Geber beten wird und auch dazu bereit ist, für ihn zu tun was er kann.
Der Gegensatz, eingeleitet durch das Wort „aber“, ist der gleichgültige Reiche. Ein Mensch, der „seine Augen verhüllt“, ist nicht offen für die Not seines Nächsten. Jedes Mal, wenn er wegschaut, überhäuft ihn der Arme mit Flüchen. Der Mensch, um den es hier geht, wird dadurch gekennzeichnet. Die Tatsache, dass er mit Flüchen überhäuft wird, zeigt, dass er ein routinierter Egoist ist. Er will nichts mit Not zu tun haben, denn das kostet Geld oder bedeutet Verlust von Besitz. Schlussendlich wird er von Gott verflucht werden.
28 Gottlose kommen empor, kommen aber auch um
28 Wenn die Gottlosen emporkommen, verbergen sich die Menschen; und wenn sie umkommen, mehren sich die Gerechten.
Wenn die Gottlosen sich zeigen und sich gottlos verhalten können, wenn ihnen Raum gegeben wird und sie sogar an die Macht kommen, ist kein Mensch mehr sicher (Vers 12). Die Gerechten werden sich vor dem Bösen verbergen. Auch andere Gruppen von Menschen, die zur Zielscheibe der Gottlosen werden können, verbergen sich. Die Gottlosen kennen kein Mitleid. Sie lassen sich nicht davon abhalten, alles denkbar Böse zu tun und möglichst viel Schaden anzurichten.
Aber die Zeit ihrer Herrschaft ist begrenzt, sie regieren nicht für immer. Es wird der Moment kommen, dass sie „umkommen“. Wenn das geschieht, treten „die Gerechten“ in Erscheinung und „mehren sich“ (Est 8,17). Dann werden sich die Gerechten vermehren, die Gott geben, was Ihm gebührt. Dies wird im Friedensreich völlig erfüllt werden. Wenn das Friedensreich aufgerichtet wird, wird der Herr Jesus zuerst die Erde reinigen, indem Er die Gottlosen richtet. Dann wird ein Volk von Gerechten in das Friedensreich einziehen und Gott wird sie mehren (Jes 26,2; Jer 30,19).