Einleitung
Ab Sprüche 10,1 erfolgt eine bemerkenswerte Änderung der Form, wie Salomo seine Sprüche mitteilt. Das ist bis Sprüche 22,16 der Fall. Hier finden wir keine kräftigen Ermahnungen zur Suche nach Weisheit und auch keine langen Reden mit klaren Situationen, Personen oder Personifizierungen. Stattdessen finden wir, wie der Name des Buches sagt, „Sprüche“ – eine Sammlung von kurzen, prägnanten Sprüchen oder Aussagen, und zwar ungefähr 375 Sprüche.
Im ersten Teil des Buches (Sprüche 1–9), geht es um zwei Personen: Frau Weisheit und Frau Torheit. In diesem zweiten Teil (Sprüche 10–22,16), geht es um zwei Arten von Personen, die jeweils einer der genannten Frauen folgen. Die eine Art ist weise, gerecht, gut und so weiter; die andere töricht, gottlos, böse und so weiter.
Bis auf wenige Ausnahmen, bestehen die Sprüche in diesem zweiten Teil jeweils aus zwei Verszeilen, wobei die zweite Zeile den Grundgedanken der ersten Zeile verstärkt. Diese Art des Schreibens nennt man „Parallelität“. Die Zeilen laufen parallel zueinander.
Wir werden drei Hauptarten dieser Parallelität begegnen. Es lohnt sich, darauf zu achten:
Parallelen, die einander entsprechen, auch synonyme Parallelität genannt. In diesem Fall kommt in der zweiten Zeile ein ähnlicher Gedanke wie in der ersten Zeile zum Ausdruck, nur mit anderen Worten. In zwei Versteilen wird jeweils ein Gedanke gespiegelt. Beispiel: “Stolz geht dem Sturz, und Hochmut dem Fall voraus“ (Spr 16,18).
Einander gegenüberstehende Parallelen, die einen Gegensatz bilden, auch antithetische Parallelität genannt. In diesem Fall wird in der zweiten Zeile das Gegenteil von dem gesagt, was in der ersten Zeile steht. Oft wird dies durch das Wort „aber“ am Anfang der zweiten Zeile verdeutlicht. Beispiel: “Ein weiser Sohn erfreut den Vater, aber ein törichter Sohn ist der Kummer seiner Mutter“ (Spr 10,1).
Ergänzende Parallelität, auch synthetische Parallelität genannt: Dabei ergänzt die zweite Verszeile die erste. Der Gedanke der ersten Zeile wird in der zweiten weiterentwickelt. Oft wird dies durch das Wort „und“ am Anfang der zweiten Zeile angedeutet. Beispiel: “In der Furcht des HERRN ist ein starkes Vertrauen, und seine Kinder haben eine Zuflucht“ (Spr 14,26).
Die Verwendung dieser verschiedenen Arten der „Parallelität“ lässt uns die Aussagekraft der einzelnen Sprüche nur umso deutlicher erscheinen. Übrigens werden Parallelitäten auch in manchen Psalmen und im Buch Prediger gebraucht.
Die Sprüche in diesem zweiten Teil betreffen hauptsächlich die Konsequenzen richtigen oder falschen Handelns. Im Brief an die Galater drückt Paulus es so aus: „Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Denn wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten; wer aber für den Geist sät, wird von dem Geist ewiges Leben ernten“ (Gal 6,7.8). Die folgenden Sprüche sind eine Hilfe und ein Anreiz, die richtige Wahl zu treffen oder für den Geist zu säen. So etwas wie eine Vorherbestimmung bei zu treffenden Entscheidungen gibt es nicht; eine bestimmte Entscheidung zu treffen, ist nie etwas Unvermeidliches. Das würde ja die eigene Verantwortung ausschließen. Dieses Buch macht deutlich, dass jeder für die Wahl, die er trifft, verantwortlich ist und damit auch für deren Konsequenzen. Das macht dieses Buch so wichtig.
In diesem langen Abschnitt ist keine klare Reihenfolge erkennbar, obwohl es manchmal vorkommt, dass zwei oder mehrere aufeinander folgende Sprüche miteinander in Verbindung stehen. In solchen Fällen ergibt sich dies aus einem in diesen aufeinanderfolgenden Versen genannten Thema oder Wort. Dass in den meisten Fällen keine Verbindung zwischen den einzelnen Versen besteht, zwingt den Leser dazu, sich mit der Bedeutung eines bestimmten Verses oder eines bestimmten Spruches, eingehend zu beschäftigen, bevor er zum nächsten Spruch übergeht.
Es passt zum Alltag, dass – zumindest für unser Verständnis – die Verbindung zwischen zwei aufeinander folgenden Sprüchen fehlt. Auch der Alltag verläuft nicht immer nach einem bestimmten Muster oder in einer festen Reihenfolge. Auch wenn wir ein gewisses Erwartungsmuster haben, das auf Erfahrung basiert, ist das Leben immer noch voller Überraschungen. Wenn wir einmal beim Herrn Jesus sind, wird sich zeigen, dass alle möglichen Ereignisse, zwischen denen wir keinen Zusammenhang sehen, doch miteinander zu tun hatten. Das entgeht uns allerdings in dieser Zeit noch.
Gerade wegen des scheinbar fehlenden Zusammenhangs lädt uns dieses Buch ein, es jeden Tag zu lesen, wobei es nicht so sehr darauf ankommt, jeden Tag ein Kapitel zu lesen. Das ist sicher nicht falsch, weil wir auf diese Weise mit dem Inhalt im Allgemeinen immer vertrauter werden. Es geht darum, beim Lesen eines Verses oder einiger Verse auch darüber nachzudenken. Wer weiß – vielleicht kommen wir in eine Situation, auf die das zutrifft, was wir gerade lesen und bedenken.
So geben die Sprüche in diesem Abschnitt immer wieder neue Impulse, weil uns jedes Mal eine andere Wahrheit oder die gleiche Wahrheit aus einer anderen Perspektive vorgestellt wird. Gottes Geist hat Salomo diese lose Sprüchesammlung eingegeben, die auf den ersten Blick keine bestimmte Reihenfolge erkennen lässt, aber für uns einen bestimmten Zweck erfüllt. Der Geist Gottes weiß, was wir an einem bestimmten Tag oder in einer bestimmten Situation brauchen. Dafür kann Er uns an einen bestimmten Spruch erinnern oder unsere Augen darauf richten.
1 Ein weiser Sohn und ein törichter Sohn
1 Sprüche Salomos. Ein weiser Sohn erfreut den Vater, aber ein törichter Sohn ist der Kummer seiner Mutter.
Dieser zweite Teil der Sprüche (Sprüche 10,1–22,16) hat denselben Titel wie der erste: „Sprüche Salomos“ (Vers 1; vgl. Spr 1,1). Das bestätigt, dass das Buch hier fortgesetzt wird, wenn auch formal anders als im ersten Teil. Der zweite Teil von Vers 1, der den ersten Spruch beinhaltet, unterstreicht das. Der erste Spruch handelt von einem Sohn in seiner Beziehung zu seinem Vater und zu seiner Mutter. Das zeigt, dass die Belehrung hier, genau wie im ersten Teil, im familiären Umfeld erfolgt (Spr 1,8). Das unterstreicht die Bedeutung einer Erziehung zur Gottesfurcht.
Alle folgenden Sprüche sollen dem Sohn helfen, als weiser Sohn zu handeln und sollen ihn vor törichtem Handeln bewahren. Wer als weiser Sohn handelt, erweist sich als Sohn der Weisheit und bewirkt Freude bei seinem Vater, der ihn, wie die vorangegangenen Kapitel gezeigt haben, in Weisheit erzogen hat. Dazu gehört auch die Warnung, sich nicht wie ein törichter Sohn zu verhalten, was seine Mutter nur traurig macht. Esau war solch ein törichter Sohn. Es war ein Herzeleid für seine Eltern, als er zwei hethitische Frauen heiratete (1Mo 26,34.35; 27,46).
Vater und Mutter haben beide ihre eigene, unverzichtbare Rolle bei der Erziehung. Der Vater sorgt durch seine kraftvolle Liebe für Sicherheit und Geborgenheit. Die Mutter gibt durch ihre warme, einfühlsame Liebe dem Kind das Gefühl, erwünscht und akzeptiert zu sein.
Das Kind kann ein Sohn oder eine Tochter sein. Dass immer von einem „Sohn“ die Rede ist, beruht auf der Tatsache, dass es hier um den „männlichen“ Aspekt des Lebens als Gläubiger geht, also darum, eine Beziehung in die Praxis umzusetzen. Der „weibliche“ Aspekt des Gläubigen zeigt mehr die Beziehung selbst, in der ein Gläubiger steht.
Weise wird ein weiser Sohn nicht durch seine viele Erkenntnis oder seinen reichen Erfahrungsschatz. Weisheit ist nicht „Erkenntnis plus Erfahrung“, sondern die Erkenntnis Christi als der Weisheit Gottes. Der Anfang der Weisheit ist die Furcht des HERRN. Es ist unmöglich, weise zu werden, wenn Er nicht das Zentrum unseres Herzens und Lebens ist. Weisheit ist auf Christus ausgerichtet.
Im ersten Spruch sehen wir, wozu es jeweils führt, wenn man auf die Belehrung der Weisheit und über die Weisheit hört oder eben nicht darauf hört. Wer darauf hört, ist „ein weiser Sohn“. Er ist eine ständige Quelle der Freude für seinen Vater. Wer nicht darauf hört, ist „ein törichter Sohn“. Er ist eine ständige Ursache tiefen Kummers bei seiner Mutter. Dabei ist völlig klar, dass sich die Mutter ständig mit dem Vater über den weisen Sohn freut und dass der Vater mit der Mutter ständig über den törichten Sohn trauert.
Wie wir sehen, berühren die Auswirkungen der Weisheit oder Torheit im Leben des Sohnes auch andere: in erster Linie die Eltern, die ihm Weisheit und Torheit gezeigt haben (vgl. Spr 17,21.25; 23,24.25). Aber auch andere Menschen, die mit Gott leben, werden froh oder traurig sein, wenn sie junge Menschen beobachten und Weisheit oder Torheit bei ihnen wahrnehmen (vgl. 2Joh 1,4).
2 - 3 Gerechtigkeit ist Leben
2 Schätze der Gottlosigkeit nützen nichts, aber Gerechtigkeit errettet vom Tod. 3 Der HERR lässt die Seele des Gerechten nicht hungern, aber die Gier der Gottlosen stößt er zurück.
Der nächste Spruch handelt von Leben und Tod (Vers 2). Der Gottlose lebt für das Hier und Jetzt und will in diesem Leben so viele Schätze wie möglich sammeln. Dies tut er auf seine eigene, gottlose Weise. Solche Schätze sind alles „Schätze der Gottlosigkeit“, an denen die Gottlosigkeit klebt – sei es, dass man sie auf gottlose Art erworben hat oder aber entsprechend gottlos damit umgeht. Der Gottlose meint, mit diesen Schätzen der Gottlosigkeit ein angenehmes Leben führen zu können.
Aber von solchen Schätzen hat er nichts, wenn er stirbt. Ein bekanntes Sprichwort sagt es so: „Unrecht Gut gedeihet nicht.“ Was hat es Ahab gebracht, dass er sich den Weinberg Nabots aneignete (1Kön 21,4–24; 22,37.38)? Welchen Vorteil hatte Judas von den dreißig Silberstücken, die er für den Verrat des Herrn Jesus bekam (Mt 27,5)? Beide sind in ihren Sünden umgekommen.
Nur „Gerechtigkeit errettet vom Tod“. In den Regierungswegen Gottes wird uns das Tun der Gerechtigkeit nicht den Tod bringen, sondern uns vor dem Tod bewahren. Gerechtigkeit tun wir, wenn wir jedem das geben, worauf er Anspruch hat, sowohl Gott als auch Menschen. Dies kann nur jemand erfüllen, der die Gerechtigkeit Gottes in Christus hat. Ein solcher Mensch besitzt einen Schatz von unschätzbarem Wert. Dieser Schatz ist völlig losgelöst von allen irdischen Schätzen. Wer diesen Schatz besitzt, kann dem Tod ohne Furcht ins Auge sehen, denn der Tod hat seinen Schrecken verloren. Christus hat den Tod überwunden.
Gerechtigkeit ist von viel größerem Wert als irdischer Wohlstand, besonders wenn dieser auf ungerechte Weise erworben wird. Darüber hinaus kann man Wohlstand nur für eine begrenzte Zeit genießen, jedenfalls nie länger, als der kurze Aufenthalt auf der Erde dauert, während die Gerechtigkeit über den Tod hinaus reicht und auch dann noch genossen werden kann.
Der HERR sorgt dafür, dass es einem Gerechten an nichts fehlt (Vers 3). Seine Jünger weist der Herr Jesus darauf hin, wie Er für die Vögel des Himmels sorgt. Und dann sagt Er, dass die Seinen weit über diesen Vögeln stehen (Mt 6,25.26). Wer in Verbindung mit Ihm lebt, empfängt von Ihm, was er braucht. Auch wenn ihm etwas fehlt, leidet seine Seele keinen Hunger, denn in seiner Seele hat er Gemeinschaft mit Gott. Deshalb kann Habakuk singen, obwohl es ihm an allem mangelt (Hab 3,17–19).
Gottlose bekommen nichts von Gott. Sie haben nie etwas von Ihm erbeten, sondern nur ihren Besitz von anderen, und vor allem von Gott, gestohlen. Er stößt ihre Gier zurück. Ein Gottloser ist niemals zufrieden; er sagt nie, dass er genug hat, sondern will immer mehr. Seine Begierden sind böse, denn er will sie auf Kosten anderer befriedigen. Manchmal gelingt es ihm; aber schließlich wird Gott ihm alles wegnehmen. Er wird für immer mit unerfüllten Begierden leben müssen. Darin liegt eine der Qualen der Hölle, dass die Gottlosen niemals bekommen werden, wonach sie sich sehnen, weil sie sich nie nach Gott sehnten, als Er ihnen Christus anbot.
4 - 5 Fleißig arbeiten im Sommer
4 Wer mit lässiger Hand schafft, wird arm; aber die Hand der Fleißigen macht reich. 5 Wer im Sommer einsammelt, ist ein einsichtsvoller Sohn; wer zur Erntezeit in tiefem Schlaf liegt, ist ein Sohn, der Schande bringt.
Diese Verse schließen an den vorherigen Vers an. Die Tatsache, dass Gott sorgt (Vers 3), bedeutet nicht, dass der Mensch nicht arbeiten muss, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen (Vers 4). Hier werden Faulheit und Armut einerseits mit Fleiß und Reichtum andererseits verbunden. Faulheit verursacht Armut, und Fleiß führt zu Reichtum. Eine „lässige Hand“ ist eine schlaffe, faule Hand, eine Hand, die ein wenig zu leisten scheint, aber in Wirklichkeit gar nichts tut; eine Hand, die täuscht, die enttäuscht, weil man nichts mit ihr anfängt. Wer faul ist, wird arm werden. Fleiß oder Eifer sind Voraussetzungen dafür, reich zu werden. Paulus warnt vor Faulheit (2Thes 3,7–12). Ruth steht für eine Person, die fleißig ist (Rt 2,2.19).
Zu Fleiß gehört auch, die rechte Zeit zum Arbeiten zu sehen und zu nutzen (Vers 5). Wir sollen nicht erst dann arbeiten, wenn wir Lust dazu haben. Es muss gearbeitet werden, wenn die Gelegenheit günstig ist oder, wie es der Herr Jesus von sich selbst sagt, dass Er wirkte „so lange es Tag ist“ (Joh 9,4). Ein Sohn der Weisheit wird „im Sommer“ einsammeln (Spr 6,6–8; 30,25). Damit zeigt er, dass er ein „einsichtsvoller Sohn“ ist. Die Ernte ist die richtige Zeit, um das Richtige zu tun. Joseph handelte als ein einsichtsvoller Sohn, weil er in einer Zeit des Überflusses den Überfluss einsammelte und ihn für die „mageren“ Jahre aufbewahrte (1Mo 41,46–56).
Wenn wir die gelegene Zeit auskaufen, die Gelegenheit völlig nutzen (Eph 5,15.16), handeln wir wie ein „einsichtsvoller Sohn“. Das hat alles damit zu tun, den Willen Gottes zu erkennen, den Er denen offenbart, die gehorsam sein wollen. Junge Menschen zeigen, dass sie einsichtsvolle Söhne sind, wenn sie eifrig das Wort Gottes studieren. Dann befolgen sie die Ermahnung Salomos im Buch Prediger: „Gedenke deines Schöpfers in den Tagen deiner Jugendzeit, ehe die Tage des Unglücks kommen“ (Pred 12,1).
Dem einsichtsvollen Sohn steht der Sohn gegenüber, der „zur Erntezeit in tiefem Schlaf liegt“. Während alle hart arbeiten, um die Ernte einzubringen, liegt dieser Sohn im Tiefschlaf auf seinem Bett. So lässt er die Zeit des Einsammelns verstreichen und wird nichts haben, wenn er aufwacht. Der Herr Jesus sagt: „Die Felder … sind schon weiß zur Ernte“ (Joh 4,35). Aber leider muss Er auch sagen: „Die Ernte zwar ist groß, die Arbeiter aber sind wenige“ (Mt 9,37; Lk 10,2). Viele Christen sind in einen tiefen geistlichen Schlaf versunken. Sie sind mit vielen auf sich selbst bezogenen Dingen beschäftigt, aber nicht mit der Arbeit für den Herrn.
Ein Sohn, der in der Erntezeit schläft, missachtet nicht nur sich selbst. Er „ist ein Sohn, der Schande bringt“, er beschämt und missachtet seinen Vater, der ihn Weisheit zu lehren suchte. Seine Pflicht zu vernachlässigen, obwohl man sie kennt, ist ein ungehöriges Verhalten. Demas ist ein Beispiel für jemand, der andere beschämt. Voller Trauer schrieb Paulus an Timotheus, dass Demas „den jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hat“ (2Tim 4,10). Wer als Christ untreu ist, beschämt andere Gläubige, die für sein geistliches Wohl gebetet und gekämpft haben (vgl. 1Joh 2,28).
Christen, die der Berufung, mit der Gott sie berufen hat, nicht gerecht werden, beschämen Gott. Gott schämt sich ihrer. Das Volk Gottes, das von Babylon nach Juda und Jerusalem zurückgekehrt war, beschämte Gott, als es sagte, es sei nicht die richtige Zeit, um das Haus Gottes zu bauen (Hag 1,2–4). Sie liefen schnell für ihr eigenes Haus, während ihnen jede Anstrengung für das Haus Gottes zu viel war.
6 - 7 Segen oder Verwesung
6 Dem Haupt des Gerechten werden Segnungen zuteil, aber der Mund der Gottlosen birgt Gewalttat. 7 Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen, aber der Name der Gottlosen verwest.
„Der Gerechte“ und „Segnungen“ gehören zusammen (Vers 6). Auf dem Haupt des Gerechten ruhen Segnungen Gottes (vgl. 1Mo 49,26), was auch immer Menschen ihm antun oder über ihn sagen mögen. Gott spricht seinen Segen über den Gerechten aus und segnet ihn mit materiellen und geistlichen Segnungen. Hier können wir wieder in erster Linie an den Herrn Jesus als den Gerechten denken.
Dem Haupt des Gerechten steht „der Mund des Gottlosen“ gegenüber. Sein Mund „birgt Gewalttat“. Das könnte bedeuten, dass sein Mund mit Gewalt gestopft wird. Für ihn gibt es keinen Segen, vielmehr wird er brutal zum Schweigen gebracht (vgl. Ps 107,42). Es kann auch bedeuten, dass Gewalt wie ein Gewand auf seinem Mund liegt, dass aus seinem Mund nur Gewalt kommt. Jedes Wort des Segens für einen anderen ist ihm fremd.
Was das Leben des Gerechten und des Gottlosen gekennzeichnet hat, zeigt sich auch nach dem Tod (Vers 7). Wie gesegnet ist die Erinnerung an den Gerechten, das ist zuerst einmal Christus Jesus (Ps 112,6); und wie entsetzlich ist der Name des Judas. An gerechte Menschen zu denken, die vor uns gelebt haben, ist für uns segensvoll (Heb 11,1–40). Das erfahren wir, wenn wir Biografien von hingegebenen Gläubigen lesen. Solche Gläubige behalten wir in dankbarer Erinnerung.
„Der Name des Gottlosen“ bewirkt das Gegenteil. Darüber nachzudenken oder ihn zu nennen, ruft Ekel hervor. Auch unseren Kindern geben wir nicht den Namen eines Gottlosen. Von einem solchen Namen geht kein Segen aus, sondern er „verwest“, was auf einen Zerfallprozess hinweist. Solch ein Name ist beispielsweise der des Königs Jerobeam. Er wird nach seinem Tod als der König bezeichnet, der „Israel zu sündigen veranlasst hatte“ (1Kön 14,16; 15,30; 22,53; 2Kön 3,3; 10,29.31; 13,2.6.11; 14,24; 15,18.24.28; 23,15).
Dabei stellt sich uns die Frage, wie wir wollen, dass man sich an uns erinnert. Bei Beerdigungen werden oft nur die guten Dinge erwähnt, während man den Verstorbenen doch manchmal ganz anders kannte. Aber der Geruch des Lebens, das jemand geführt hat, bleibt nach dem Tod hängen, was auch immer bei der Beerdigung gesagt wird. Hinterlassen wir einen angenehmen Geruch oder einen üblen Geruch? Nennt man unseren Namen mit Dankbarkeit oder mit Entsetzen?
8 - 10 Fallen oder sicher wandeln
8 Wer weisen Herzens ist, nimmt Gebote an; aber ein närrischer Schwätzer kommt zu Fall. 9 Wer in Lauterkeit wandelt, wandelt sicher; wer aber seine Wege krümmt, wird bekannt werden. 10 Wer mit den Augen zwinkert, verursacht Kränkung; und ein närrischer Schwätzer kommt zu Fall.
„Wer weisen Herzens ist, nimmt Gebote an“, die ihm sein Vater oder ein anderer, der über ihm steht, vorlegt (Vers 8). Er tut dies, weil er sich seiner Bedürfnisse und ihres Wertes bewusst ist. In sich selbst hat er keine Kraft, zur Sünde in sich selbst und zu den Versuchungen der Welt um ihn herum Nein zu sagen. Darum sehnt sich jemand, der weisen Herzens ist, nach Geboten, die er in seinem Herzen bewahren kann, um sich von ihnen in seinem Leben führen zu lassen (Spr 4,23). Er möchte belehrt werden, um noch weiser zu werden.
Der Narr hat ständig selbst das Wort, mit unsinnigem Geschwätz. Dadurch kann er nicht auf die Gebote hören, die ihm vorgelegt werden und die zum Leben führen. Man kann versuchen, ihn darauf hinzuweisen, dass er Weisheit braucht, aber er wird das mit unsinnigen Worten zurückweisen. Auf diese Weise umschifft er die Konfrontation mit seiner wirklichen Not, denn die will er nicht sehen.
Jemand wandelt „in Lauterkeit“, wenn er mit Gott wandelt und nicht in Augengefälligkeit vor den Menschen (Vers 9; 1Mo 17,1). Dann wandelt er „sicher“. Sicherheit ist gepaart mit Lauterkeit. Joseph ging seinen Weg in Lauterkeit und genoss den Schutz Gottes. „Wer aber seine Wege krümmt“, also sündige Wege geht, bleibt nicht unbemerkt. Gott sieht alle seine Wege und wird ihn damit konfrontieren. Diese Entdeckung, dieses „Bekanntwerden“, bringt Bestrafung mit sich (Ps 125,5).
Petrus krümmte seinen Weg, als er aus Furcht vor den Juden seine christliche Stellung verleugnete. Er ging nicht den geraden Weg nach der Wahrheit des Evangeliums. Paulus bemerkte das und ermahnte ihn deswegen streng (Gal 2,11–14).
Es gibt Menschen, die durch geheime Kommunikation Leid auf andere bringen (Vers 10, vgl. Spr 6,12–14, Ps 35,19). Etwas mit einem Augenzwinkern zu sagen, bedeutet, dass das Gesagte nicht wahr ist. „Ein närrischer Schwätzer“ verursacht seinen eigenen Fall. Hier ist die zweite Verszeile kein Vergleich mit der ersten und auch nicht ihr Gegenteil, sondern eine Ergänzung dazu, was durch das Wort „und“ am Anfang der zweiten Zeile ausgedrückt wird.
11 - 14 Der Mund des Gerechten und des Gottlosen
11 Eine Quelle des Lebens ist der Mund des Gerechten, aber der Mund der Gottlosen birgt Gewalttat. 12 Hass erregt Zwietracht, aber Liebe deckt alle Übertretungen zu. 13 Auf den Lippen des Verständigen wird Weisheit gefunden; aber der Stock gebührt dem Rücken des Unverständigen. 14 Die Weisen bewahren Erkenntnis auf, aber der Mund des Narren ist drohender Unglücksfall.
„Der Mund des Gerechten“ ist das, was der Gerechte sagt, und das „ist eine Quelle des Lebens“ für solche, die auf ihn hören (Vers 11). Seine Worte sind wohltätig und geben Lebenskraft. Eine Quelle gibt immer frisches Wasser. Das trifft vollkommen auf den Mund des Herrn Jesus zu. Aus seinem Wort kommen Worte der Gnade (Lk 4,22). Seine Worte „sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63).
Das finden wir auch bei allen Propheten, die das Wort Gottes geredet haben. Alle Worte der Ermahnung, die sie im Namen Gottes aussprachen, sollten dem Volk Gottes dazu dienen, das wahre Leben zu leben. Dies gilt auch für den Mund des Gläubigen zur Zeit des Neuen Testaments. Er ist eine Quelle des Lebens, wenn er sich in seinen Worten vom Heiligen Geist leiten lässt. Dann kommen aus seinem Leib „Ströme lebendigen Wassers“ für andere hervor (Joh 7,38.39).
Was der Gottlose sagt, hat einen ganz anderen Inhalt. Er verbreitet Gewalt. Was er sagt, richtet bei anderen nur Schaden an (Vers 6). Er zerstört nur die Lebensqualität. Wo er ist und den Mund aufmacht, wird die Atmosphäre vergiftet. Statt Erfrischung und Leben, sät er mit seinem Geschwätz Tod und Zerstörung.
Der Gottlose wird von „Hass“ getrieben, aber der Gerechte von „Liebe“ (Vers 12). Aus Hass entstehen Zwietracht und Streit. Auf den Worten der Gottlosen liegt Gewalt, aber die Liebe des Gerechten deckt Sünden zu, indem diese vergeben werden. Liebe bringt Frieden durch Vergebung, durch die Bedeckung „aller Übertretungen“.
Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen bergen von Vers 11 und zudecken von Vers 12. In Vers 11 handelt es sich um die Bedeckung als solche. Hier wird nichts bedeckt, sondern sichtbar und zwar Gewalt. In Vers 12 wird durch das Zudecken etwas verborgen und weggenommen, und zwar alle Übertretungen.
In seiner Liebe hat der Herr Jesus alle Übertretungen derer, die an Ihn glauben, mit seinem Blut bedeckt und dadurch vergeben. Liebe „rechnet das Böse nicht zu“ (1Kor 13,5). Petrus bezieht dieses Wort kraftvoll auf unseren Umgang untereinander als Gläubige, die in der Endzeit leben: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. Seid nun besonnen und seid nüchtern zum Gebet. Vor allem habt untereinander eine inbrünstige Liebe, denn die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden“ (1Pet 4,7.8). Das Bedecken von Übertretungen oder Sünden geschieht auch, wenn wir einen Sünder von der Verirrung seines Weges zurückführen (Jak 5,19.20).
Wer „Weisheit“ sucht, findet sie „auf den Lippen des Verständigen“ (Vers 13). Dort ist Weisheit zu finden. Weisheit und Lippen des Verständigen gehören ebenso zusammen, wie „der Stock“ und der Rücken „des Unverständigen“. Die einzige Sprache, die Menschen ohne Verstand verstehen, ist die Sprache des Stocks, mit dem man sie auf den Rücken schlägt, um sie zu bestrafen. Sie haben andere mit ihrem Geschwätz verletzt und werden dafür selbst mit Schmerzen gestraft.
Rehabeam, der törichte Sohn Salomos, handelte wie ein Mann ohne Verstand, als das Volk um Erleichterung seiner Lasten bat. Er hörte nicht auf vernünftigen Rat, sondern folgte einem törichten Rat. Deshalb bekam er es mit dem Stock zu tun, das ist mit der Zucht Gottes (1Kön 12,1–24).
„Weise“ sind ein Aufbewahrungsort für „Erkenntnis“ (Vers 14). Sie können die richtigen Dinge zur richtigen Zeit hervorholen (Mt 12,35; 13,52). Weise kennen den Wert des Schweigens. Die Erkenntnis ist ein kostbarer Schatz, den man nicht achtlos wegwirft. Weise streuen nicht aufs Geratewohl mit weisen Worten um sich. Der Narr äußert sich zur unpassendsten Zeit und in den unpassendsten Situationen. Was er sagt, macht klar, dass er kurz vor dem Fall ins Unglück steht.
15 - 17 Sicherheit und Leben oder Unglücksfall
15 Der Wohlstand des Reichen ist seine feste Stadt, der Unglücksfall der Geringen ihre Armut. 16 Der Erwerb des Gerechten gereicht zum Leben, der Ertrag des Gottlosen zur Sünde. 17 Es ist der Pfad zum Leben, wenn einer Unterweisung beachtet; wer aber Zucht unbeachtet lässt, geht irre.
Wer reich ist, fühlt sich dadurch genauso sicher wie jemand, der in einer befestigten Stadt wohnt (Vers 15). Er kann sich mit allen Mitteln ausstatten, um sich vor Schaden zu schützen. Bei Armen ist das nicht so; sie fallen leicht Bösewichten zum Opfer. Dies ist es, was der Weise in der Welt wahrnimmt. Jemand kann reich oder arm sein, was ihn in gewisser Hinsicht entweder unverletzbar oder verletzlich macht.
Geistlich können wir das auf Reichtum oder Armut im Glauben anwenden. Wer weiß, wie reich er in Christus ist, weiß, dass er sich in einer starken Stadt befindet. Doch der Gläubige, der davon keine Ahnung hat, führt ein armes und verletzliches Glaubensleben. Der reiche Gläubige ist sicher vor falscher Lehre; er wird sich seinen Reichtum nicht rauben lassen. Der Arme ist eine Beute von „jedem Wind der Lehre“ (Eph 4,14).
Die Belohnung eines Menschen hängt von seinem moralischen Charakter ab, nämlich ob er ein Gerechter oder ein Gottloser ist (Vers 16). Was ein Gerechter tut, fördert das Leben; was ein Gottloser erwirbt, sein Einkommen, führt in Sünde und Tod. In der Sprache des Neuen Testaments heißt es: „Denn die Gesinnung des Fleisches ist der Tod, die Gesinnung des Geistes aber Leben und Frieden“ (Röm 8,6). Vor allem ist „der Erwerb des Gerechten“, des Christus, ein Erwerb „zum Leben“. Sein Erwerb hat zur Folge, dass „jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16).
Wenn jemand „eine Unterweisung beachtet“, einer Unterweisung zuhört und sie annimmt, gelangt er auf „den Pfad zum Leben“ (Vers 17). An dieser Unterweisung wird er auch festhalten und so auf dem Pfad des Lebens bleiben. So ist er ein einladendes Beispiel für andere, ebenfalls auf Unterweisung zu hören. Wer kein Ohr für Ermahnung hat, wird in die Irre gehen oder, wie es auch übersetzt werden kann, andere in die Irre führen. Wie wir sind, hat nicht nur Konsequenzen für uns. Wir sind dadurch ein Vorbild, das andere zu einem bestimmten Handeln anspornt. Einem guten Beispiel folgen gute Taten, einem schlechten Beispiel folgen schlechte Taten.
18 - 21 Der Gebrauch der Lippen
18 Wer Hass verbirgt, hat Lügenlippen; und wer Verleumdung verbreitet, ist ein Tor 19 Bei der Menge der Worte fehlt Übertretung nicht; wer aber seine Lippen zurückhält, ist einsichtsvoll. 20 Die Zunge des Gerechten ist auserlesenes Silber, der Verstand der Gottlosen ist wenig wert. 21 Die Lippen des Gerechten weiden viele, aber die Narren sterben durch Mangel an Verstand.
Den „Hass“ verbergen oder zudecken, das Falsche verbergen, ist heuchlerisch und zeugt von „Lügenlippen“ (Vers 18). Wer Hass verbirgt, ist ein Lügner, denn er verdeckt seine wahren Absichten. Er tut höflich, aber in seinem Herzen brennt der Hass. Solch ein Mensch war Absalom im Umgang mit Amnon (2Sam 13,22–29). Die zweite Verszeile spricht von einem möglicherweise noch größeren Übel. Hier geht es um die Verbreitung von „Verleumdung“. Wer das tut, macht jemanden schlecht bei allen, denen er die Verleumdung erzählt. Wer das tut, ist ein Tor. In der ersten Verszeile wird etwas zugedeckt oder verborgen gehalten; in der zweiten wird etwas verbreitet oder veröffentlicht.
Ein Vielredner kann unmöglich in allem, was er sagt, hundertprozentig die Wahrheit sagen (Vers 19). Besonders für ihn gilt, was Jakobus über die Worte sagt, die ein Mensch äußert: „Denn wir alle straucheln oft“ (Jak 3,2). Ein Tor gebraucht viele Worte (Pred 5,2). Eine „Übertretung“ bedeutet, eine Grenze zu überschreiten, verbotenes Gebiet zu betreten. Es zeugt von Einsicht, wenn wir unsere Lippen zurückhalten. Von Einsicht zeugt auch, nicht immer (und sicher nicht sofort) alles zu sagen, was wir denken. Jeder Mensch soll „schnell zum Hören, langsam zum Reden“ sein (Jak 1,19).
„Die Zunge des Gerechten“, was also der Gerechte sagt, ist viel mehr wert als „der Verstand der Gottlosen“, das heißt, was ihre besten Absichten sein mögen (Vers 20). Diese beiden Ausdrücke zeigen den Gegensatz zwischen dem Äußeren und dem Inneren. Das Äußere ist die Zunge, also das, was gesagt wird. Das Innere ist der Verstand oder das, was man beabsichtigt. Beides muss in einem gesunden Gleichgewicht zueinander stehen.
Was der Gerechte sagt, hat den Wert von „auserlesenem Silber“, die Absichten des Gottlosen haben hingegen keinen Wert. Der Herr Jesus hatte eine Zunge von auserlesenstem Silber, denn Er gebrauchte seine Zunge erst, nachdem Er Unterweisung erhalten hatte. So wusste Er, „den Müden durch ein Wort aufzurichten“ (Jes 50,4). Silber ist ein Bild des Preises, der für die Erlösung gezahlt werden musste (2Mo 30,11–16). Die Worte des Herrn Jesus waren darauf gerichtet, Menschen zu erlösen.
Der Wert der Worte des Gerechten besteht darin, dass viele (geistlich) davon ernährt werden und dadurch am Leben bleiben (Vers 21). Weiden bedeutet, wie ein Hirte Nahrung zu geben. Es geht nicht nur um Essen, sondern auch darum, sich um das richtige Essen zu kümmern. Die Worte werden mit Sorgfalt weitergegeben. Das gilt besonders für die Worte des Herrn Jesus. Er ist das Brot des Lebens. Sogar die Propheten, die in seinem Namen sprachen, ernährten das Volk mit ihren Worten; sie gaben ihm gute geistliche Speise (Jer 3,15). Solche Worte bauen auf. Auch Hirten und Lehrer in der Gemeinde haben die Aufgabe, die Gemeinde aufzuerbauen.
Den Narren fehlt es an Verstand. Sie wollen nicht von dem Gerechten, Jesus Christus, genährt werden; sie verachten seine Worte. Damit lehnen sie das Leben ab und sterben. Wer Ihn verwirft und seine Worte nicht annimmt, wird durch das Wort, das Er gesprochen hat, gerichtet werden (Joh 12,48).
22 - 26 Der Segen des HERRN
22 Der Segen des HERRN, er macht reich, und Anstrengung fügt neben ihm nichts hinzu. 23 Dem Toren ist es wie ein Spiel, Schandtat zu verüben, und in Weisheit zu handeln dem verständigen Mann. 24 Wovor dem Gottlosen graut, das wird über ihn kommen, und das Begehren der Gerechten wird gewährt. 25 Wie ein Sturmwind daherfährt, so ist der Gottlose nicht mehr; aber der Gerechte ist ein ewig fester Grund. 26 Wie der Essig den Zähnen und wie der Rauch den Augen, so ist der Faule denen, die ihn senden.
Aller Reichtum, den wir haben, ist uns von Gott gegeben (Vers 22). Es ist sein Segen, ohne dass Er irgendeine Leistung, irgendeine „Anstrengung“, von unserer Seite fordert (vgl. Ps 127,1). Das Wort „er“ legt die volle Betonung auf „den Segen des HERRN“. Nur dieser Segen macht reich. Dieser Vers warnt vor Selbstzufriedenheit, vor der Vorstellung, dass wir unseren Reichtum uns selbst verdanken.
Hier besteht kein Widerspruch zu Vers 4, der besagt, dass die Hand des Fleißigen reich macht. Das eine gilt ebenso wie das andere. Natürlich müssen wir arbeiten, doch wir sollen auch einsehen, dass der Herr uns dazu Kraft und Segen geben muss. Dann erkennen wir, dass alles von Ihm kommt, und werden Ihm dafür die Ehre geben.
Der Charakter eines Menschen wird durch die Dinge offenbar, an denen er Freude hat (Vers 23). Der Tor macht sich einen Sport und ein Spiel daraus, sich schändlich zu benehmen. Das ist für ihn genau so leicht wie für ein Kind das Spielen. Er empfindet es als größtes Vergnügen, ganz unverschämt zu reden und dabei die schmutzigsten Ausdrücke zu gebrauchen. „Schandtat verüben“ ist eine Bezeichnung für sehr sündiges Verhalten. Der Tor betrachtet sogar das Schlimmste auf dem Gebiet der Sünde als Spaß, als Scherz, und verübt es mit Lachen.
Das steht im Gegensatz zur Weisheit, die uns mit Einsicht völlige Freude vermittelt, als wäre es ein schönes Spiel. Es geht nicht darum, was jemand tut, sondern um die Einstellung, die jemand bei dem hat, was er tut. Wer Verstand hat, dem gibt die Weisheit auch Vergnügen.
Der Gottlose mag sein schändliches Vergnügen genießen, aber gleichzeitig hat er innerlich große Angst vor dem, was kommt. Tatsächlich kommt auch über ihn, wovor er Angst hat (Vers 24). Weil er ohne Gott lebt, hat er keine Gewissheit und immer Angst. Im Gegensatz dazu bekommt der Gerechte das, was er begehrt, denn er lebt mit Gott und erwartet alles von Ihm. Hier wird ein großer Gegensatz geschildert.
Wer keine Grundlage in seinem Leben hat, wer also keine biblischen Prinzipien hat, ist wie ein Sturmwind, der daherfährt (Vers 25). Ein Sturmwind wütet für einen Moment und verschwindet dann wieder, hinterlässt dabei jedoch eine Spur der Verwüstung. So ist der Gottlose. Dies schließt an den vorherigen Vers an, dass das über den Gottlosen kommt, was er befürchtet. Er kann alles genießen, was er sich in seinem Leben wünscht: Reichtum, Ansehen, Familie, lebt dabei jedoch in der beständigen Angst, alles zu verlieren. In der Tat wird es ihm wie von einem wütenden Sturm weggenommen werden – vielleicht schon in diesem Leben, ganz bestimmt aber bei seinem (möglicherweise plötzlichen) Tod.
Der Gerechte ist das Gegenteil davon. Über ihn können die gleichen Dinge kommen wie über den Gottlosen. Auch er kann Reichtum, Ansehen und Familie verlieren (Hiob 1,1–3.13–19). Aber wenn sich in seinem Leben Katastrophen ereignen, erweist er sich als „ein ewig fester Grund“ (vgl. Mt 7,24–27). Darin zeigt sich die Unerschütterlichkeit der Stellung des Gerechten, die er einnimmt, weil er sein Leben auf Christus, den Felsen, gebaut hat. Dadurch bleibt sein Lebenshaus fest stehen, wie sehr auch der Sturmwind daran rüttelt.
Wenn du sauren Wein trinkst, hast du ein unangenehmes Gefühl an den Zähnen (Vers 26). Rauch in den Augen ist ebenfalls sehr ärgerlich, weil deine Augen anfangen zu tränen; du kannst nichts mehr sehen und deshalb auch nicht mehr gehen. Mit diesen unangenehmen Empfindungen wird ein Fauler verglichen, der mit einer bestimmten Aufgabe losgeschickt wird. Er führt diese Aufgabe gar nicht, zu spät oder ungenau und unzureichend aus. Ein Fauler sorgt nur für Ärger, wenn du von ihm etwas erwartest. Trägheit im Werk des Herrn ist ebenfalls schlecht und störend. Wer darin lässig ist, wird sogar einen Fluch auf sich bringen (Jer 48,10).
27 - 28 Erwartung und Hoffnung
27 Die Furcht des HERRN mehrt die Tage, aber die Jahre der Gottlosen werden verkürzt. 28 Das Harren der Gerechten wird Freude, aber die Hoffnung der Gottlosen wird zunichte.
Die normale Erwartung eines Menschen, der den HERRN fürchtet, ist ein langes Leben, während die Jahre der Gottlosen „verkürzt“ werden (Vers 27). Dass ein Gottesfürchtiger manchmal jung stirbt und ein Gottloser lange lebt, kann an diesem Vers Zweifel aufkommen lassen (Ps 73,3–12). Diese Zweifel verschwinden jedoch, wenn wir daran denken, dass seine Bedeutung über den Tod hinaus reicht.
Die Erwartung, die der Gerechte hat, gibt ihm bereits jetzt Freude und nicht erst später, wenn die Erwartung erfüllt wird (Vers 28). Der Grund dafür ist, dass seine Erwartung mit dem treuen Gott und seinem Christus verbunden ist. Dieser Gott ist auch jetzt schon bei ihm. Sein Herz vertraut auf Ihn. Das Auge des Gerechten richtet sich nicht primär auf das, was er erwartet, Leben bis in Ewigkeit, sondern auf den, der seine Erwartung nicht beschämen wird.
Jemand hat gesagt, dass es nicht um ein langes, sondern um ein volles Leben geht. Ein volles Leben ist ein Leben, das vom Willen Gottes erfüllt ist und schon allein deshalb ein langes Leben ist; denn „wer … den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1Joh 2,17). Der Herr Jesus spricht von Leben in Überfluss (Joh 10,10). Dieses Leben kommt nie zu einem Ende und ist auch ein Leben, das in seiner Fülle genossen wird. Es geht nicht nur um die Dauer, sondern auch um den Inhalt des Lebens. Dem kurzen Aufenthalt auf der Erde folgt ein Leben bis in Ewigkeit beim Herrn Jesus, im Haus des Vaters.
Auch die Gottlosen haben ihre Hoffnung (Vers 29). Sie halten sich für reich, wenn sie wohlhabend und gesund sind, und leben so, als ob das endlos so bleiben würde. In ihrem Traumhaus wähnen sie sich schon im Himmel, aber sie werden in der Hölle erwachen. Sie haben keine Grundlage für ihre Hoffnung, dass ihr Wohlstand auf Dauer bleibt, weil sie nicht mit Gott rechnen. Deshalb wird ihre Hoffnung auch untergehen. König Zedekia ist ein deutliches Beispiel dafür (Jer 39,1–8).
29 - 30 Der Weg des HERRN
29 Der Weg des HERRN ist eine Festung für die Lauterkeit, aber Untergang für die, die Frevel tun. 30 Der Gerechte wird nicht wanken in Ewigkeit, aber die Gottlosen werden das Land nicht bewohnen.
„Der Weg des HERRN“, das heißt, der Weg, den Er geht, die Handlungen, die Er ausführt und die Arbeit, die Er tut, ist eine Festung für die Lauterkeit (Vers 29). Die in Lauterkeit wandeln, werden sich auf Gottes Weg, unter seiner Leitung, völlig sicher fühlen, geschützt vor allen möglichen Gefahren. Vertrauensvoll überlassen sie alles Gott, weil sie wissen, dass Er gerecht handelt. So hat es der Herr Jesus getan (1Pet 2,23). Das gleiche Handeln Gottes, das eine Festung für die Aufrichtigen ist, bedeutet für solche, die Frevel tun, den „Untergang“. Gott wendet sich in seiner Macht gegen sie. Er ist gerecht in seinem Handeln mit Gerechten und Gottlosen.
„Der Gerechte“ wird mit Sicherheit „nicht wanken in Ewigkeit“ (Vers 30). Er wird unerschütterlich, ununterbrochen standhalten und alle Verheißungen empfangen, die Gott ihm gegeben hat. Er wird immer im Land wohnen (3Mo 20,22). Aber die Gottlosen bekommen nichts von dem zukünftigen Segen ab, den Gott seinem Volk auf der Erde geben wird (5Mo 4,25–27). Sie werden von der Erde ausgerottet und sie daher auch „nicht bewohnen“.
31 - 32 Mund und Lippen des Gerechten
31 Der Mund des Gerechten bringt Weisheit hervor, aber die Zunge der Verkehrtheit wird ausgerottet werden. 32 Die Lippen des Gerechten verstehen sich auf Wohlgefälliges, aber der Mund der Gottlosen ist Verkehrtheit.
„Der Mund des Gerechten“ spricht nicht nur Weisheit aus, sondern „bringt“ sie „hervor“ (Vers 31). Wie immer denken wir auch hier bei dem Gerechten in erster Linie an den Herrn Jesus. Er spricht fortwährend und überfließend Weisheit. Andere können sich daran erquicken. Er ist die Quelle, aus der ununterbrochen Weisheit strömt.
Völlig anders steht es um „die Zunge, die Verkehrtheit“ spricht. Sie wird „ausgerottet“ werden, wie ein „Baum, der keine gute Frucht bringt, … abgehauen und ins Feuer geworfen“ wird (Mt 3,10). Der Mensch der Sünde, der Antichrist, ist der Prototyp dafür. Das gilt auch für alle falschen Propheten und falschen Lehrer. Wenn die Zunge ausgerottet ist, kann man kein einziges Wort mehr sagen. Das Ergebnis ist, dass er mit seiner schändlichen Rede niemanden mehr zerstören kann.
„Die Lippen des Gerechten“ sprechen wohlgefällige Dinge, die einem Menschen guttun (Vers 32). Der Gerechte weiß, was für andere wohlgefällig ist, wenn sie darauf hören; er weiß seine Worte gut zu wählen. Der Herr Jesus redete immer, was wohlgefällig war. Er redete Worte der Gnade, über die die Menschen erstaunt waren (Lk 4,22). Wir werden aufgefordert, das zu reden, „was irgend gut ist zur notwendigen Erbauung, damit es den Hörenden Gnade darreiche“ (Eph 4,29). Das sind wohlgefällige Worte.
Der Gottlose hingegen lässt nur Verkehrtheit hören. Er spricht, ohne darüber nachzudenken. Was er sagt, wird ihn selbst und andere ins Verderben bringen.