1 Die Sprüche und der Schreiber
1 Sprüche Salomos, des Sohnes Davids, des Königs von Israel:
Die Verse 1–6 sind die Einleitung zu diesem Buch. Hier erfahren wir, wer der Schreiber ist und was der Zweck des Buches ist. Das Buch trägt den Namen des ersten Wortes: Sprüche. Sprüche bedeutet: Ein kurzes und prägnantes Sprichwort, das eine klare und allgemeingültige Wahrheit ausdrückt (vgl. Hes 16,44). Ein Spruch ist eine zeitlose Wahrheit, die wichtige Grundsätze des Lebens in Form eines einfachen Vergleichs ausdrückt. Es kann sich dabei auch um eine Lektion handeln, die man aus der Vergangenheit zieht (Ps 78,2–6). Das Ziel eines Spruches ist, die bestmögliche Wahl zu treffen, damit man den Weg der Torheit vermeidet und den Weg der Weisheit geht.
Die Grundbedeutung des hebräischen Wortes für Sprüche (mashal) ist der Vergleich von zwei Dingen, die man nebeneinanderstellt. Mashal bedeutet Vergleich oder Gleichnis. In diesem Buch werden also beständig Dinge miteinander verglichen. So finden wir beispielsweise Gegensätze zwischen Gut und Böse, dem Verständigen und dem Toren, dem Gehorsamen und dem Ungehorsamen oder Widerspenstigen, dem Fleißigen und dem Faulen.
Das Wort mashal hat mehrere Bedeutungen. Es bedeutet auch Spruch im Sinn von Lehre oder Unterweisung (Ps 78,2). Die Bedeutung dieses Wortes ist vermutlich auch mit Macht verwandt, es geht also auch um ein Machtwort. Ein kurzer Spruch ist ein machtvolles Wort, über das der Hörer gut nachdenken soll. Salomo war nicht nur ein weiser König, sondern auch ein mächtiger König. Bei ihm gingen Weisheit und Macht Hand in Hand. Darin ist Salomo ein Vorbild oder Schattenbild von dem Herrn Jesus, der „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ genannt wird (1Kor 1,24).
Es sind die Sprüche „von Salomo“. Die weitaus meisten Sprüche sind von Salomo, das Buch enthält aber auch Sprüche von anderen Schreibern, wie Sprüche 30 und 31 (Spr 30,1; 31,1). Man kann das Buch mit den Psalmen vergleichen, die allgemein David zugeschrieben werden, obwohl es auch Psalmen von anderen Autoren gibt. Salomo hat dreitausend Sprüche geredet (1Kön 5,12), eine Auswahl von etwa achthundert finden wir im Buch der Sprüche. Unter der Führung Gottes hat er aus der Fülle von Gedanken eine geordnete Sammlung zusammengestellt, die dem Volk Gottes bis zum Ende der Zeit stets als Belehrung dient.
Der Name Salomo bedeutet „Friede“. Die Sprüche sollen dem Gläubigen helfen, seinen Lebensweg in Frieden zu gehen, so wie auch der Herr Jesus seinen Weg auf der Erde in Frieden gegangen ist.
Salomo hat als „der Sohn Davids“ gesprochen. David hatte mehrere Söhne, aber Salomo ist der vorrangige Sohn, denn er ist der Geliebte des HERRN (2Sam 12,24.25). Er ist daher auch ein wunderbares Bild von dem Herrn Jesus, dem großen Sohn Davids.
Er hat seine Sprüche auch als „der König Israels“ gesprochen. Als Fürst dieses Volkes ist er auch ihr Lehrer. Auch als König Israels ist er ein Bild oder Schatten des Herrn Jesus und zwar als der Friedefürst, der im Tausendjährigen Reich mit Recht und Gerechtigkeit über sein Volk regieren wird.
Den Großteil der Psalmen hat David, der Mann der Leiden und des Kampfes, geschrieben. Die Sprüche hat größtenteils Salomo, ein Mann des Friedens, geschrieben. Er hat sie nicht einfach nur von anderen übernommen, sondern sie selbst verfasst. Sie sind Äußerungen seiner Weisheit, die Gott ihm gegeben hat. Die Sprüche sind ein Buch der Weisheit. Dass der Name Salomos damit in Verbindung steht, verleiht dem Buch noch mehr Gewicht. Er hatte ein Herz, das so weit wie der Sand am Ufer des Meeres war, er war weiser als alle Menschen (1Kön 5,9–11).
Salomo ist ein herausragendes Bild von Christus. In seiner Person weist er hin auf den, der „mehr ist als Salomo“ (Mt 12,42). Wir lesen von Christus, dass Er für uns „Weisheit von Gott“ geworden ist (1Kor 1,24.30). Er ist die Weisheit in Person. In Ihm sind „alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ verborgen (Kol 2,2.3). Als die Weisheit sendet Er Weise zu seinem Volk (Mt 23,34; Lk 11,49). Die Weisen, die Er sendet, kennen wir sowohl aus dem Alten als auch aus dem Neuen Testament. Im Alten Testament sind dies seine Propheten (Heb 1,1). Im Neuen Testament sind dies seine Apostel und Propheten. So ist auch Salomo ein Weiser, der von Ihm zu seinem Volk gesandt wurde.
Dieses Buch handelt von Christus, dem König Israels. So wird Er sich in der Zukunft zeigen. In den Sprüchen regiert Er noch nicht öffentlich, obwohl bereits auf die Zeit seiner Regierung hingewiesen wird. Die Tatsache seiner Abwesenheit bedeutet, dass das Böse in der Regel nicht sofort bestraft wird und das Gute nicht direkt belohnt wird. Wir befinden uns in einer Situation, in der das Böse herrscht und wir als Gerechte den Weg finden müssen, den Gott für uns bestimmt hat. Bei dieser Suche nach dem Weg ist Christus unser Vorbild. Ihn müssen wir in diesem Buch sehen. Er hat das Gesetz und die Propheten erfüllt. Jedes Buch des Alten Testamentes erhält durch Ihn seine Bedeutung, das gilt auch für die Sprüche.
2 Weisheit kennenlernen und Worte verstehen lernen
2 um Weisheit und Unterweisung zu kennen, um Worte des Verstandes zu verstehen,
In den Versen 2–4 macht Salomo deutlich, was die verschiedenen Ziele dieses Buches sind. Dazu benutzt er in diesen Versen neun Wörter, die immer wieder in diesem Buch vorkommen:
Weisheit (hokma): das Ergründen der Natur von Dingen und Situationen, wodurch man fähig ist, gute Entscheidungen zu treffen.
Unterweisung (musar): Belehrung oder Erziehung durch Korrektur, Warnung und Zucht.
Verstand (bina): das Vermögen, das Erfasste anzuwenden, indem man zwischen Gut und Böse, gesund machend und krank machend, Wahrheit und Lüge unterscheidet.
Gerechtigkeit (tsedek): das richtige Verhalten (im Blick auf Handeln und Denken).
Recht (mishpat): was den Normen und dem Wesen Gottes entspricht.
Geradheit (meyshar): die Fähigkeit, ehrenhaft und tugendhaft zu handeln, wie es der Situation entspricht.
Klugheit (orma): die Fähigkeit, bei anderen zu erkennen, worum es geht.
Erkenntnis (da´at): gesunde, durch Erfahrung erworbene Information.
Besonnenheit (mezimma): die Fähigkeit, achtsam, überlegt, mit Vorsicht und taktvoll zu handeln.
Es geht primär darum, „Weisheit und Unterweisung kennenzulernen“. Weisheit und Unterweisung werden als eine Einheit miteinander verbunden. Die Grundbedeutung von Weisheit ist „Fähigkeit“ (2Mo 31,6; Ps 107,27; 1Kön 3,28). In den Sprüchen ist Weisheit die Fähigkeit, das Leben so zu leben, wie Gott es will. Es beschreibt die Fähigkeit, weise Entscheidungen zu treffen und erfolgreich nach den Geboten Gottes zu leben. Erfolgreich ist hier im Sinn von Segen und Nutzen für das geistliche Leben gemeint. Wenn wir in diesem Sinn leben, wird unser Leben Früchte bringen, die bleibenden Wert für Gott und die Gemeinschaft haben, der wir angehören. Alle Vorschriften Gottes sind einfach. Wenn wir danach leben, dann ist der „Erfolg“ garantiert.
Weisheit ist die Kunst, das Leben zu bewältigen, und zwar so, wie Gott es will. Die Kunst besteht nicht allein darin, dass der Weise die Gefahren des Lebens kennt, sondern auch weiß, wie er sie überwinden kann. Weisheit bedeutet, die Dinge so zu sehen und zu betrachten, wie Gott sie sieht und betrachtet. Es bedeutet, zu betrachten, wie Gott die Welt regiert und darauf in richtiger Weise zu reagieren.
Unterweisung ist untrennbar mit Weisheit verbunden. Sie beinhaltet Erziehung und auch Ausbildung. Sie umfasst die Unterweisung des Sohnes durch seinen Vater. Dazu gehören auch Ermahnung und Bestrafung oder Züchtigung, weil die Neigung zur Torheit korrigiert und die Ehrfurcht vor dem Herrn entwickelt werden müssen. Auf diese Weise wird der junge Mann in die richtige Richtung gelenkt. Diese Unterweisung geschieht mit Autorität, denn wenn er abweicht, zieht dies Züchtigung nach sich.
Weisheit und Unterweisung sollen „kennengelernt werden“, damit sie unser Besitz werden. Das heißt, wir müssen uns anstrengen. Es fällt uns nicht einfach automatisch zu. Wir müssen unser Bestes geben, um uns Weisheit und Unterweisung anzueignen.
„Worte des Verstandes“ sind Worte, die zeigen, dass jemand Einsicht hat in den Weg, den er wählen soll. Es sind Worte, die jemandem den richtigen Weg zeigen. Sollen diese Worte die gewünschte Wirkung haben, muss der junge Mann sie „verstehen“. Deshalb werden sie erklärt. Doch mit einer Erklärung allein ist dem jungen Mann noch nicht geholfen. Er muss die Erklärung auch verstehen. Dazu muss er die richtige Gesinnung haben.
Zusammenfassend können wir sagen, dass Salomo seine Worte kundtut und erklärt, damit sie verstanden werden. Um Nutzen aus der Unterweisung zu ziehen, muss der junge Mann zwei Voraussetzungen erfüllen: Er muss bereit sein, sich anzustrengen, um die weisen Worte kennenzulernen, und er muss sie verstehen wollen.
3 Unterweisung empfangen
3 um zu empfangen einsichtsvolle Unterweisung, Gerechtigkeit und Recht und Geradheit;
Die Belehrung Salomos hat zum Ziel, dass sein Sohn und wir verständig werden, die richtigen Entscheidungen im Leben zu treffen. Er lehrt „einsichtsvolle Unterweisung“. Der Lehrer der Weisheit stellt seinem Sohn eine Ermahnung vor, die Einsicht gibt, wie das Leben gelebt werden soll. Es ist eine „Gebrauchsanleitung“ für das Leben.
So möchte er seinen Sohn und uns dazu bringen, seine Unterweisung anzunehmen. Es wäre sehr unweise, wenn wir seine „Gebrauchsanleitung“ für unser Leben ablehnen oder unbeachtet lassen. Das Wort „empfangen“ drückt aus, dass man sich der Ermahnung oder Unterweisung unterwirft mit dem Hinweis, dass es die Mühe wert ist, das Angebot anzunehmen.
Von Natur aus wollen wir unser eigenes Leben selbst bestimmen und uns nicht unterordnen. Obwohl es notwendig ist, dass wir uns unterordnen, um Einsicht in das Leben zu erwerben, werden wir nicht gezwungen, Unterweisung zu empfangen, sondern dazu eingeladen. Obwohl uns die Unterweisung nicht als eine Verpflichtung auferlegt wird, ist sie doch sehr eindringlich und bestimmt nicht unverbindlich. Niemand zwingt uns, die mitgelieferte Gebrauchsanleitung zu einem Gerät zuerst zu lesen, bevor wir das Gerät benutzen, aber es wird uns doch dringend empfohlen. Es kann uns manchmal teuer zu stehen kommen, wenn wir ein Gerät benutzen, bevor wir die Gebrauchsanleitung gelesen haben. So verhält es sich auch vor allem mit der Gebrauchsanleitung des Lebens. Diese Verse laden uns ein, den Inhalt dieses Buches anzunehmen und in unserem Leben anzuwenden.
„Einsicht“ bedeutet, dass wir unseren durch das Wort Gottes erleuchteten Verstand gebrauchen, gewisse Dinge zu überdenken, Pläne zu machen und Risiken einzuschätzen, damit wir die richtige Wahl zwischen Gut und Böse treffen. Wenn wir diese Belehrung annehmen, werden wir bei unseren Handlungen auch folgende Dinge berücksichtigen:
„Gerechtigkeit“ ist ein Handeln nach der richtigen Norm oder dem richtigen Standard, so wie dies beispielsweise mit Maßen und Gewichten geschieht, damit etwas richtig abgemessen und abgewogen wird (5Mo 25,15); es bedeutet, dass wir in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz handeln;
„Recht“ ist das Handeln entsprechend einem offiziellen Gerichtsurteil (5Mo 17,18.19); wir tun, was angemessen ist;
„Geradheit“ ist das Handeln, das fair und angenehm für andere ist; es bedeutet auch, dass wir aufrichtig handeln.
4 Klugheit, Erkenntnis und Besonnenheit
4 um Einfältigen Klugheit zu geben, dem Jüngling Erkenntnis und Besonnenheit.
In diesem Vers erwähnt Salomo die zwei Menschengruppen, an die sich seine Belehrung besonders richtet, und deren Charakter er durch diese Belehrung formen möchte. Wenn sie auf seine Belehrung achten, werden sie geistlich erfolgreich sein. Wir können sagen, dass das Buch der Sprüche der Schlüssel zum Erfolg ist. Wer darauf hört und es zu Herzen nimmt, weiß, welchen Weg er zu gehen hat und welches der beste Weg für ihn ist. Es ist der Weg, auf dem Gott seinen Segen geben kann.
Die „Einfältigen“ sind die erste Gruppe. Sie sind leichtgläubig, naiv, gedankenlos und dumm. Wir dürfen sie nicht den Toren gleichstellen. Der Einfältige lebt einfach in den Tag hinein. Er regt sich über nichts auf und macht sich keine Gedanken. Das bedeutet, dass er sich leicht auf einen falschen Weg verführen lässt.
Der „Jüngling“ gehört zu der zweiten Gruppe. Weil er jung ist, fehlt es ihm an Erfahrung. Er kann noch nicht wissen, was das Leben alles mit sich bringt und ist deshalb angreifbar und ebenfalls leicht zu verführen.
Die Einfältigen und die Jünglinge müssen angeleitet werden, Gott zu fürchten. Dann wird Er sie den Weg lehren, den sie wählen sollen (Ps 25,12).
Der Lehrer der Weisheit möchte durch seine Unterweisung den Einfältigen „Klugheit“ geben. Klugheit bedeutet Gescheitheit oder Scharfsinnigkeit. Wenn der Einfältige die Klugheit gebraucht, die ihm gegeben wird, wird er wissen, wie er überlegt handeln soll. Seine Entscheidung wird nicht zum Nachteil für ihn sein, sondern im Gegenteil zum Vorteil (Spr 22,3). Er weiß, wie er die Tücken des Lebens vermeiden kann. Wenn er nicht auf die Unterweisung der Weisen hört, sondern sich mit Toren einlässt, wird er ein Tor.
Für den jungen Mann hat der Lehrer der Weisheit „Erkenntnis und Besonnenheit“ im Auge. Weil es dem jungen Mann an Erkenntnis des Lebens mangelt, besteht die Unterweisung darin, ihn mit den Geheimnissen des Lebens bekanntzumachen. Jünglinge glauben manchmal, viel Erkenntnis zu haben, aber es ist nur Erkenntnis aus Büchern. Sie reden oft kopflos. Sie können einfach noch nicht wissen, was das Leben birgt. Diesem Mangel an Erkenntnis kann das Buch der Sprüche in hervorragender Weise abhelfen.
Wenn der Mangel an Erkenntnis behoben ist, indem man den Inhalt der Unterweisung dieses Buches beachtet, ist es wichtig, diese Erkenntnis in der richtigen Art und Weise und zur rechten Zeit anzuwenden. Darum wird hier die „Besonnenheit“ direkt mit der Erkenntnis verbunden (vgl. 2Pet 1,6). Besonnenheit bedeutet Umsichtigkeit, Bedachtsamkeit oder Selbstbeherrschung. Wer besonnen ist, denkt zuerst nach, bevor er etwas tut oder sagt. Er wird nicht übereilt handeln oder reden, sondern den richtigen Zeitpunkt abwarten.
5 Der Weise und der Verständige
5 Der Weise wird hören und an Kenntnis zunehmen, und der Verständige wird sich weisen Rat erwerben;
Nicht nur der Einfältige und der Jüngling profitieren von diesem Buch, sondern auch jeder, der bereits „weise“ und „verständig“ ist. Weise und verständig werden hört nie auf. Wer jedoch weise und verständig ist, wird dies nicht ausposaunen, sondern hat den Wunsch, immer mehr zu lernen. Wir können stets noch weiser und verständiger werden, wir können Christus immer noch ähnlicher werden. Gottes Weisheit ist unendlich und sein Verstand ist unergründlich. Das Buch ist für jeden, der den Weg der Weisheit und des Verstandes noch nicht geht, ein Ansporn, ihn zu gehen. Das Buch ist für jeden, der diesen Weg bereits gewählt hat, ein Leitfaden, diesen Weg weiter zu verfolgen.
Wenn wir weise sind und den Weg der Weisheit eingeschlagen haben, können wir umso besser hören, was der Lehrer sagt. „Hören“ oder Zuhören ist ein großartiges Mittel, um zu lernen. Zuerst hören, dann handeln. Wenn wir hören, werden wir „an Kenntnis zunehmen“. Gott möchte nicht, dass wir stillstehen, sondern geistlich weiterwachsen und in der Kenntnis seiner Gedanken dauernd zunehmen. Kenntnis (oder Lehre, Einsicht) erfasst Zusammenhänge, die eine bestimmte Sache ausmachen, und durchschaut die Elemente, die dabei wichtig sind: „Und von den Kindern Issaschar: Männer, die Einsicht hatten in die Zeiten, um zu wissen, was Israel tun musste; ihre Häupter, 200; und alle ihre Brüder folgten ihrem Befehl“ (1Chr 12,33).
„Weisen Rat erwerben“ ist eine Tätigkeit, mit der man gute und weise Ratschläge erwirbt, um gute Überlegungen anzustellen und in der Lage zu sein, eine gute Entscheidung zu treffen. Wer verständig ist, wird sein Bestes tun, gute und weise Ratschläge zu erwerben. Erwerben ist anstrengend. Der Verständige erkennt die wertvolle Bedeutung, sich weisen Rat zu sammeln und wird gründlich darüber nachdenken. Er verlässt sich nicht auf sein eigenes Urteil (Spr 3,5).
6 Spruch, verschlungene Rede, Worte, Rätsel
6 um einen Spruch zu verstehen und verschlungene Rede, Worte der Weisen und ihre Rätsel.
Salomo hat in den vorhergehenden Versen die Wichtigkeit seiner Unterweisung in diesem Buch eindringlich unterstrichen. Wenn wir verstanden haben, wie groß die Bedeutung eines Führers zum Weg und auf dem Weg der Weisheit ist, so werden wir den Wunsch haben, den Inhalt dieses Buches zu verstehen.
Das bedeutet nicht, dass alles leicht zu verstehen ist. Es gibt da ein scheinbares Problem. Das Buch besteht neben deutlichen Sprüchen und für jedermann verständlichen Worten der Weisen auch aus verschlungener Rede und Rätseln der Weisen. Das bedeutet, dass nicht immer sofort deutlich ist, was gemeint ist. Sprüche enthalten oft Aussagen, über die wir gründlich nachdenken müssen, sie sind also Rätsel. Wir müssen sie erwägen und darüber nachdenken. Wir müssen intensiv auf jeden Spruch hören und ihn genau betrachten. Dabei müssen wir auch auf den Zusammenhang achten, in dem ein Spruch steht.
Manchmal müssen wir über einen Spruch nachdenken und seine Bedeutung erforschen. Wenn wir das tun, werden wir zu unserer Überraschung entdecken, dass der Spruch uns erforscht. Er regt dazu an, dass wir uns selbst prüfen und Fragen an uns selbst stellen. Das Erforschen stellt uns unter das forschende Auge Gottes, weil Er selbst in diesem Buch zu uns spricht. Gott richtet seinen Scheinwerfer auf unser Leben, damit wir es in seinem Licht sehen. Das muss uns zu einer Schlussfolgerung führen, die zeigt, dass wir Ihn verstanden haben und unser Leben entsprechend ausrichten.
Dieses Nachdenken über einen Spruch ist ein wichtiger Punkt, der am Anfang dieses Buches zu beachten ist. Wir brauchen Zeit, um die Weisheit herauszuholen und in uns eindringen zu lassen. Die Unterweisung liegt nicht einfach zum Mitnehmen bereit. Wir müssen danach suchen oder graben. Dieses Buch ist kein flüchtiger Roman, der sich flott liest. Wenn wir aber ernsthaft nach Weisheit suchen, sind wir an der richtigen Fundgrube. Wenn wir von der Wichtigkeit der Suche nach Weisheit überzeugt sind, wird jede Anstrengung belohnt. Die Bedeutung, die die Weisheit für uns hat, wird an unserer Anstrengung gemessen, diese Weisheit zu bekommen.
7 Die Furcht des HERRN
7 Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis; die Narren verachten Weisheit und Unterweisung.
Glücklicherweise hängt die Suche nach der Weisheit Gottes nicht von unserem Intellekt ab. Die Weisheit, die Gott seinen Kindern geben will, wenn sie danach auf die Suche gehen, ist vor den Weisen und Klugen der Welt verborgen (Mt 11,25). Die Weisheit Gottes finden solche, die Ihn fürchten. Gott zu fürchten, bedeutet, Ihn anzuerkennen als den, der Er ist und Ihm zu vertrauen, Ehrfurcht vor Ihm zu haben, Ihn anzubeten, Ihm zu gehorchen und Ihm zu dienen. „Anfang“ bedeutet das Wesentliche, das Wichtigste, worum es im Grunde geht. Jede „Erkenntnis“ muss aus der Furcht des HERRN erworben werden, sonst ist sie Finsternis.
„Die Furcht des HERRN“ wird bei einem Menschen durch die Vergebung gewirkt, die er nach dem Bekenntnis seiner Sünden empfangen hat: „Wenn du, Jah, auf die Ungerechtigkeiten achtest: Herr, wer wird bestehen? Doch bei dir ist Vergebung, damit du gefürchtet werdest“ (Ps 130,3.4). Dann sind wir klein geworden vor dem großen Gott, vor dessen Zorn wir uns fürchten und dessen Liebe uns anzieht. Wenn wir wirklich wissen, dass unsere Sünden vergeben sind, wird es eine große und tiefe Ehrfurcht vor Ihm geben, und wir werden danach streben, zu seiner Ehre zu leben. Damit haben wir den Schlüssel zum Verständnis dieses Buches in den Händen. Die Weisheit dieses Buches zielt nicht primär darauf ab, unser Verhalten zu verbessern, sondern uns Christus ähnlicher zu machen, damit Er in unserem Leben sichtbar wird.
Die Furcht des HERRN (Spr 9,10; 15,33; Hiob 28,28, Ps 111,10) ist genau das, was in den Weisheitssprüchen der Nationen der Heiden fehlt, denn sie wissen nichts von der Reue über Sünden und Bekehrung zu Gott. Das Buch der Sprüche ist nicht nur ein Buch mit einer Sammlung schöner, weiser und praktischer Ratschläge, sondern alle Lebenslektionen werden unter einen Nenner gebracht, und das ist die Furcht des HERRN. Wenn dieser Nenner fehlt, endest du mit all deiner sogenannten Weisheit dennoch in der Hölle mit ihrem ewigen Schmerz. Es geht um den Wunsch, von dem Wort des HERRN zu leben. Das ist der Kern der wahren Weisheit. Der Herr Jesus lebte von diesem Wort auf der Erde in Bezug auf seinen Gott und Vater.
Dieses Buch ist voll von „praktischen Übungen zur Gottseligkeit“ (vgl. 1Tim 4,7). Diese Übungen werden während des ganzen Lebens fortgesetzt. Ohne die Furcht des HERRN ist es nicht möglich, sich zur Gottseligkeit zu üben. Es ist unmöglich, Weisheit ohne diese Furcht zu erlangen, genauso unmöglich ist es, zu lesen, ohne das Alphabet zu kennen oder Mathematik zu studieren, ohne Zahlen zu kennen.
„Die Narren verachten Weisheit und Unterweisung“, weil sie die Furcht des HERRN verachten. Sie sind Menschen, die anfangs unklug waren, aber zu Narren wurden, weil sie die Lehre der Weisheit, die zu ihnen gekommen ist, verachtet haben. Der Narr denkt, dass er sich retten kann. Er glaubt, dass er ohne Bildung auskommen kann.
In diesem Buch werden drei verschiedene hebräische Wörter verwendet, die alle drei mit „Narr“ übersetzt sind. Die verschiedenen Wörter weisen darauf hin, dass der Narr ein Dickkopf und dass er eigensinnig ist, da er sich durch Faulheit und Kurzsichtigkeit weigert, etwas von jemandem anzunehmen. Ihm fehlt geistliche Erkenntnis, weil er Gott aus seinem Leben ausschließt. Das macht ihn zu einem arroganten, ungehobelten Menschen, der hartnäckig an seinem eigenen Weg festhält.
Das Grundgesetz der Weisheit ist das Gesetz von Saat und Ernte. Das bedeutet, dass wir die Konsequenzen all unserer Handlungen (säen) tragen müssen (ernten). Wenn wir unangenehme Folgen vermeiden wollen, sollten wir keine schlechten Taten tun. Wenn wir ohne Mantel in die Kälte hinausgehen, erkälten wir uns und werden krank. Das ist ein Naturgesetz, in dem wir auch das Handeln Gottes sehen. Gott belohnt gute Taten und bestraft schlechte Taten. Wer Böses redet und tut, wird auf seinem Weg Böses erfahren.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Folgen nicht immer schon auf der Erde zu sehen sind, sondern erst später, nach dem Tod. Dieser Sicht werden wir in diesem Buch immer wieder begegnen. Es ist eine feststehende Tatsache, dass Gott das Böse immer bestraft und auch das Gute belohnt. Manchmal tut Er das schon auf der Erde, aber ganz sicher nach dem Tod: „Von einigen Menschen sind die Sünden vorher offenbar und gehen voraus zum Gericht, einigen aber folgen sie auch nach. Ebenso sind auch die guten Werke vorher offenbar, und die, die anders sind, können nicht verborgen bleiben“ (1Tim 5,24.25). Schließlich endet es schlecht mit dem Gottlosen und der Gerechte wird Erfolg haben.
8 - 9 Hören wird belohnt
8 Höre, mein Sohn, die Unterweisung deines Vaters, und verlass nicht die Belehrung deiner Mutter! 9 Denn sie werden ein anmutiger Kranz für dein Haupt und ein Geschmeide für deinen Hals sein.
Die erste Belehrung, die eine Person erhält, ist die seines Vaters und seiner Mutter. Es ist auch die erste Beziehung, in die eine Person gestellt wird und wo sie erfährt, dass sie einer Autorität unterworfen ist. In diesem Buch drückt sich Gottes Autorität nicht so sehr darin aus, dass Vorschriften gegeben werden, sondern sie zeigt sich in den Beziehungen, die Er zwischen den Menschen bestimmt hat und insbesondere zwischen Eltern und Kindern. Kinder, die sich ihren Eltern unterwerfen, unterwerfen sich der Ordnung, die Gott bestimmt hat.
Der Vater richtet das Wort an seinen Sohn (Vers 8). Hier spricht nicht der Lehrer in der Klasse zu seinen Schülern. Hier hören wir den Rat eines Vaters an seinen Sohn, der auch seine Mutter mit einbezieht (Spr 6,20; 10,1). Das Buch der Sprüche ist das Lehrbuch schlechthin. Eltern finden darin alles Nötige für die Erziehung ihrer Kinder.
Vers 8 zeigt uns, dass die Unterweisung der Weisheit besonders in Familienbeziehungen gegeben wird. Wenn wir Eltern sind, haben wir eine große Aufgabe, unsere Kinder in der Weisheit zu unterrichten. Die Belehrung dieses Buches bildet ihren christlichen Charakter (Spr 4,3.4). „Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst und wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst“ (5Mo 6,7). Wir können Gott dafür danken, wenn wir ein Elternhaus hatten, in dem bei allen Dingen des Lebens mit Ihm gerechnet wurde.
Der Vater wendet sich direkt an seinen Sohn. Das Buch der Sprüche ist ein Lehrbuch, in dem ein Vater seinen Sohn unterweist. Die Sphäre, in der die Bildung stattfindet, ist die Vater-Sohn-Beziehung. Es ist eine Sphäre der Liebe, Vertraulichkeit, Verbundenheit und Sicherheit. In der Anwendung bedeutet das, dass die Sprüche in diesem Buch für die bestimmt sind, die in einer engen Beziehung mit dem Herrn Jesus, der Weisheit in Person, leben. Nur solche können die Sprüche dieses Buches verstehen.
Indem er seinen Sohn „mein Sohn“ nennt, unterstreicht der Vater die enge Beziehung, die er zu ihm hat. Das führt automatisch zur direkten Verantwortung, seinen Sohn zu ermahnen. Er befiehlt seinem Sohn, „die Unterweisung“ zu hören. „Unterweisung“ ist ein weitgefasster Begriff. Er beinhaltet Belehrung und Ausbildung und gegebenenfalls auch Zucht im Sinn von körperlicher Züchtigung. Die Unterweisung des Vaters ist, seinen Sohn dazu anzuleiten, auf die Unterweisung zu hören, das heißt, dass er darauf reagiert, indem er ihm gehorcht. Hören ist aktives Zuhören in dem Bewusstsein, direkt angesprochen zu werden, während die Bereitschaft vorhanden ist, das zu tun, was gesagt wird.
Es sind die Unterweisungen „deines Vaters“. Damit lässt er den Sohn wissen, dass er seinem Vater wichtig ist. Ein Vater „diktiert“ nicht, sondern spricht aus einer Beziehung der Liebe heraus. Ein richtiger Vater weiß, dass er ein Vater ist, und das wird er auch seinen Kindern zeigen. Er achtet auf ihre geistliche Entwicklung und tut alles, um ihnen zu helfen, immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit ihre Entwicklung nicht stagniert oder in die falsche Richtung geht.
Die Beteiligung „deiner Mutter“ an der geistlichen Entwicklung ihres Sohnes liegt in der „Belehrung“, die sie ihm gibt. Sie tut dies mit ihren Worten und ihrem Beispiel, nicht so sehr durch Unterweisung. Unterweisung bezieht sich hauptsächlich auf den Anteil des Vaters an der Erziehung (Eph 6,4). Der Sohn läuft Gefahr, die Belehrung seiner Mutter zu vernachlässigen. Daher dieser Aufruf des Vaters. Die Belehrung der Mutter bedeutet, dass sie ihm die richtige Richtung weist. Sie lehrt ihn, sein Leben in geordneter Weise zu leben.
Aus der Tatsache, dass und wie der Vater seine Frau in die Erziehung einbezieht, gibt es viel zu lernen. Es ist wichtig, dass ein Mann seine Frau anspornt und sie in ihrem Anteil an der Erziehung unterstützt. Mann und Frau müssen in der Erziehung an einem Strang ziehen und einander nicht in den Rücken fallen, schon gar nicht in Gegenwart der Kinder. Kinder spüren es, ohne sich zu täuschen, wenn es darin Unterschiede zwischen Vater und Mutter gibt. Sie wissen, wie man einen Unterschied gegebenenfalls ausnutzt.
Wenn ein Sohn auf Unterweisung und Belehrung hört, wird es sein Leben zieren und es attraktiv machen (Vers 9). Ein Kranz auf dem Haupt und ein Geschmeide um den Hals sprechen von Würde. Hier ist von einem „anmutigen Kranz“ die Rede. Wer die Unterweisung und Belehrung seines Vaters und seiner Mutter annimmt, strahlt Anmut aus. Gehorsame Kinder sind attraktiv und ihr Verhalten verlangt Respekt. Würdenträger trugen eine goldene Kette um ihren Hals (1Mo 41,42; Dan 5,29). So werden die gesehen, die Zucht und Unterweisung annehmen.
Wenn wir „geschmückt“ sind mit der Unterweisung, wird die Wahrheit der Weisheit Gottes in unseren Worten und in unserem Leben sichtbar: „Die Knechte ermahne, sich ihren eigenen Herren unterzuordnen, in allem wohlgefällig zu sein, nicht widersprechend, nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, damit sie die Lehre, die unseres Heiland-Gottes ist, zieren in allem“ (Tit 2,9.10). Wenn wir uns von der Weisheit belehren lassen, werden die scharfen Kanten unseres Verhaltens verschwinden und werden wir für andere im Umgang immer angenehmer. Wir geben dann auch ein klareres Bild vom Leben als Christ, weil wir mehr vom Herrn Jesus zeigen.
Was wir in diesem Vers von dem Vater und der Mutter lesen, können wir auch auf die anwenden, die in der Gemeinde in geistlicher Hinsicht Väter und Mütter sind. Sie achten besonders auf junge Gläubige, um ihnen mit ihrer Weisheit zu helfen, ihren Weg mit dem Herrn zu gehen. Paulus war für die frisch bekehrten Gläubigen in Thessalonich wie ein Vater und eine Mutter (1Thes 2,7–12).
10 - 19 Meide schlechte Gesellschaft
10 Mein Sohn, wenn Sünder dich locken, so willige nicht ein. 11 Wenn sie sagen: Geh mit uns! Wir wollen auf Blut lauern, wollen den Unschuldigen nachstellen ohne Ursache; 12 wir wollen sie lebendig verschlingen wie der Scheol, und unverletzt, gleich denen, die plötzlich in die Grube hinabfahren; 13 wir werden allerlei kostbares Gut erlangen, werden unsere Häuser mit Beute füllen; 14 du sollst dein Los mitten unter uns werfen, wir alle werden einen Beutel haben: 15 Mein Sohn, geh nicht mit ihnen auf dem Weg, halte deinen Fuß zurück von ihrem Pfad; 16 denn ihre Füße laufen dem Bösen zu, und sie eilen, Blut zu vergießen. 17 Denn vergeblich wird das Netz ausgespannt vor den Augen alles Geflügelten; 18 sie aber lauern auf ihr eigenes Blut, stellen ihren eigenen Seelen nach. 19 So sind die Pfade all derer, die der Habsucht frönen: Sie nimmt ihrem eigenen Herrn das Leben.
Der Vater warnt seinen Sohn zuerst einmal vor schlechter Gesellschaft (Vers 10). Er wiederholt diese Warnung in Vers 15. Diese schlechte Gesellschaft besteht aus Sündern, Menschen, die nur sündigen. Sie tun nichts anderes und wollen nichts anderes. Sie leben nicht von ehrlicher Arbeit, sondern von dem, was die Kriminalität einbringt. Dafür suchen sie nicht nur Opfer, sondern auch neue Mitgenossen. Deshalb nähern sie sich jungen Menschen. Sie bieten dem jungen Mann die Wahl zwischen dem einfachen und schnellen Geld einerseits und andererseits dem langen Weg des Gehorsams gegenüber dem, was ihn sein Vater und seine Mutter gelehrt haben.
Der Vater lässt es nicht bei einer allgemeinen und daher vagen Warnung bleiben. Er verbietet seinem Sohn nicht einfach, sich einer Gesellschaft von Sündern anzuschließen, sondern unterweist ihn über ihr Verhalten. Er erklärt ihm ihr Vorgehen, wie sie sich an Menschen heranmachen. So soll er sie erkennen, wenn sie mit ihren verführerischen Reden zu ihm kommen, um ihn für sich zu gewinnen. Der Vater nimmt sich die Zeit, mit seinem Sohn zu sprechen. Eltern müssen sich Zeit nehmen, um mit ihren Kindern zu sprechen.
Mit kleinen Kindern sollten die Eltern nicht auf diese Weise reden. Sie müssen lernen zuzuhören und dem, was die Eltern sagen, gehorsam zu sein, auch ohne eine Erklärung. Es ist oft so, dass man mit den Kindern spricht, um sie von etwas zu überzeugen, wenn sie noch viel zu jung sind. Das funktioniert nicht mit Kleinkindern und verursacht später sogar Schwierigkeiten, wenn direkter Gehorsam gefordert wird. Es funktioniert für die, die „Söhne“ sind, also Kinder, die bereits einen gewissen Grad an Reife haben und in der Lage sind, darüber nachzudenken, was gesagt wird.
Die Tatsache, dass im Buch der Sprüche die ersten Alarmglocken im Hinblick auf schlechte Gesellschaft läuten, ist ein wichtiges Signal für Familien mit Kindern. Außerhalb des Hauses sind die Kinder oft in Gruppen anzutreffen, zum Beispiel:
Sie gehen mit einer Gruppe von Kindern zur Schule.
In der Schule nehmen sie als Gruppe am Unterricht teil.
Sie haben Gruppenaufgaben zu erfüllen.
Sie sind in einem Sportverein oder einer Musikschule.
Sie gehen zu Geburtstagsfeiern.
In den sozialen Medien kommunizieren sie mit anderen Gruppen von Kindern.
In den Schulen, sowohl in der Grundschule als auch in höheren Schulen und Universitäten, herrscht ein großer Gruppenzwang. Darauf müssen unsere Kinder vorbereitet werden. Wie sie sich entwickeln werden, hängt zum Teil von der Gesellschaft ab, in der sie sich befinden. Deshalb müssen wir als Eltern wissen, mit wem sie Umgang haben – auch besonders in den sozialen Medien! – und sie vor schlechter Gesellschaft warnen. Es ist Torheit und Selbsttäuschung, wenn Eltern sagen, dass (junge) Kinder „ein Recht auf Privatsphäre“ haben und sie „deshalb“ nicht wissen wollen, mit wem ihre Kinder Kontakte in den sozialen Medien haben.
Sünder bilden eine Gesellschaft, die keinen Teil an der Gemeinschaft der Kinder Gottes hat, wohl aber eine Beziehung zu ihr sucht. Der Vater ist nicht naiv und weiß nur zu gut, dass diese Gesellschaft seinen Sohn zur Sünde verführen will. Sofort nachdem Satan gefallen war, wurde er ein Verführer und ein Versucher. Sünder sind von ihm ausgebildete Diener. Das Einzige, was der Teufel tun kann, ist uns zu verführen. Er kann uns nicht zur Sünde zwingen. „Einwilligen“ bedeutet, seiner Verführung nachgeben, darauf folgt die Sünde. Eva willigte ein und sündigte (1Mo 3,6). Joseph gab der Verführung nicht nach und sündigte nicht (1Mo 39,8.9).
Wie wichtig ist es, dass Eltern ihre Kinder vor schlechter Gesellschaft warnen und sie davon fernhalten. Viele Eltern bemühen sich und sparen weder Zeit noch Geld noch Anstrengung, damit ihre Kinder in Musik, Sport, sozialen Aktivitäten und so weiter möglichst Außerordentliches leisten. Es ist zu hoffen, dass sie dieselbe Anstrengung aufwenden, dass sich ihre Kinder in der Erkenntnis und im Gehorchen gegenüber dem Wort Gottes auszeichnen.
Kinder können nur dann „Nein“ zum Bösen sagen, wenn sie „Ja“ zu Gott sagen. Die Furcht vor Gott lässt sie Böses meiden. Deshalb müssen wir sie lehren, Gott zu fürchten. Es ist immer einfacher, der Menge zu folgen, als gegen den Strom zu schwimmen (2Mo 23,2). Wir müssen ein Ziel im Leben haben, um zu wissen, in welche Richtung wir gehen sollen. Dieses Ziel ist Christus. Lasst uns unsere Kinder auf dieses Ziel hinweisen.
Der junge Mann muss zwei Dinge über die Sünder wissen, nämlich
die Methoden, die sie gebrauchen, ihn dazu zu verleiten, sich ihnen anzuschließen (Verse 11–14), und
was ihr Ende ist (Verse 15–19).
In den Versen 11 und 12 erzählt der Vater seinem Sohn, wie die Sünder bei ihren Versuchen vorgehen, um ihn zu verführen. Er muss sich bewusst sein, dass sie an ihn herantreten und ihn einladen, sich beispielsweise an einem Raubüberfall zu beteiligen. Sie sind professionelle Kriminelle, die bereits ein klares Ziel vor Augen haben. Der Vater benutzt zwar ein extremes, aber nicht unrealistisches Beispiel. Die meisten Entscheidungen im Leben liegen auf einer niedrigeren und scheinbar weniger wichtigen Ebene. Dieses extreme Beispiel macht deutlich, wohin ein erster Schritt auf dem Weg mit den Sündern letztlich führt.
Die Sünder präsentieren ihre Idee als etwas Aufregendes und gleichzeitig als etwas sehr Einfaches. Der Sohn wird eingeladen, mit ihnen auf Blut zu lauern. Das Wort „lauern“ bedeutet, jemanden mit der Absicht in eine Falle zu locken, ihn zu ermorden (vgl. 5Mo 19,11) oder zu entführen (vgl. Ri 21,20.21). Sie wollen Blut vergießen.
Gewalt ist eines der zwei Hauptmerkmale der Sünde. Das andere Hauptmerkmal ist die Verdorbenheit. Alle Sünden fallen unter eine dieser beiden Kategorien. Die erste vom Menschen begangene Sünde war die der Verdorbenheit. Das geschah, als Eva dem Teufel glaubte, der Gott zum Lügner erklärte (1Mo 3,1–5). Die zweite Sünde ist die Sünde der Gewalt. Das geschah, als Kain seinen Bruder Abel tötete (1Mo 4,8). Seitdem ist die Welt verdorben und voller Gewalttat (vgl. 1Mo 6,11).
Das Opfer ist „ein Unschuldiger“, jemand, der keinen Anlass dazu gibt, dass er angegriffen wird: „Denn ohne Ursache haben sie mir ihr Netz heimlich gelegt, ohne Ursache meiner Seele eine Grube gegraben“ (Ps 35,7). Es ist diesen Leuten egal, wer ihr Opfer ist. Es passiert auch heute, dass jemand das Pech hat, an einer Gruppe krimineller Jugendlicher vorbeizukommen, die nach einer Ablenkung suchen. Das Opfer wird ohne Grund geschlagen und ausgeraubt. Es ist das Verhalten Kains, der seinen Bruder Abel tötete, obwohl dieser ihm nichts getan hatte (1Mo 4,8).
Die Sünder fügen ihrem Vorhaben hinzu, dass sie alle Spuren ihrer bösen Taten unwiederbringlich löschen werden (Vers 12). Mit dieser Präsentation der Dinge versuchen sie, den Sohn zur Teilnahme zu bewegen. Er braucht keine Angst zu haben, dass er erwischt wird. Sie werden ihr Opfer unauffindbar begraben. Die Sprache, die sie hier benutzen, bedeutet, dass sie wie Gott handeln werden, der auch die Rebellen Korah, Dathan und Abiram lebendig in den Scheol, das Totenreich, hinunterfahren ließ, so dass nichts mehr von ihnen gesehen und gefunden werden konnte (4Mo 16,33). Aber Gott sieht es und wird es offenbar machen (1Mo 4,9.10).
In den Versen 13 und 14 wird dem Sohn der Köder vorgehalten, um ihn zur Teilnahme zu überreden. Die Sünder versprechen dem Neuling schnellen Erfolg, nämlich schnell erworbenen Reichtum (Vers 13). Er braucht nur mit ihnen zu gehen, dazu haben sie ihn ja eingeladen (Vers 11). Mehr verlangen sie nicht.
Die Sünder stellen ihre Sache so attraktiv wie möglich vor. „Stell dir nur vor, was wir finden werden, wenn unser Opfer verschlungen und verschwunden ist. Wir werden alle Arten von wertvollen Dingen finden und unsere Häuser mit Beute füllen. Es geht nicht nur um einen kleinen, sondern um einen großen Raubüberfall. Du kannst Jahre davon leben.“ Die Sprache, die die Sünder benutzen, ist die der Weingärtner, über die der Herr Jesus in einem Gleichnis spricht: „Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie untereinander: Dieser ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten und sein Erbe in Besitz nehmen!“ (Mt 21,38).
Von einer einfachen Art, Geld ohne Gott zu bekommen, geht eine große Versuchung aus. Soweit wir in der Schrift sehen können, gibt es drei Möglichkeiten, um auf legale Weise Geld zu erhalten:
indem du es durch Arbeiten verdienst,
durch ein Erbe,
weil jemand es dir gibt.
Durch eine Gewalttat Geld bekommen, gehört nicht zu dieser Liste. Die Wurzel dieses Übels der Gewalt ist die Geldliebe. Paulus ermahnt Timotheus wie ein Vater sein Kind und erinnert ihn daran, die Geldliebe zu fliehen: „Die aber, die reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Begierden, die die Menschen versenken in Verderben und Untergang. Denn die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen, der nachstrebend einige von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben. Du aber, o Mensch Gottes, fliehe diese Dinge“ (1Tim 6,9–11).
Die Sünder versprechen dem jungen Mann, dass er „dazugehören“ wird als vollwertiges Mitglied der Bande. Dieses Vorgehen entspricht dem, wonach sich heutzutage fast alle jungen Menschen sehnen, nämlich, zu einer Gruppe zu gehören. Sie haben alles, was sie geraubt haben, in einen einzigen Beutel gelegt. Davon bekommt der junge Mann seinen Anteil ebenso wie alle anderen. Sie werden gewiss alles „ehrlich“ mit ihm teilen.
Viele junge Leute fallen darauf herein, weil sie dann „jemand“ sind. Sie sind Teil der Bande, haben Anteil an der Beute und werden von den anderen Bandenmitgliedern anerkannt. Das drückende Joch ihrer Eltern, die offensichtlich ihr Verlangen nach Freiheit nicht verstehen, lehnen sie ab. Dann können sie tun und lassen, was sie wollen. Darüber hinaus kommen sie auch in den Besitz des begehrten Luxus. Das ist jedoch eine Scheinfreiheit, denn sie haben ihre Seele an den Teufel verkauft. Wenn sie nicht mehr benötigt werden, werden sie als überflüssig betrachtet, weggeworfen oder erledigt.
In der Anwendung brauchen wir nicht nur an Jugendbanden von Jungen aus zerrütteten Familien zu denken, die auf eine schnelle Weise Geld haben wollen. Es geht auch um Wirtschaftskriminalität und Finanzbetrug. Leute, die bei großen Unternehmen eine hohe Position haben, füllen ihre Taschen mit allerlei Erträgen aus dubiosen Geschäften. Sie beziehen Untergebene mit ein, die sie brauchen, und bestechen sie, indem sie ihnen einen Anteil an den Einnahmen versprechen. Die Versuchung des „einfachen Geldes“ besteht in allen Schichten der Bevölkerung und in allen Altersgruppen.
In Vers 15 warnt der Vater seinen Sohn zum zweiten Mal (Vers 10). Die Warnung geh nicht mit ihnen, ist das Gegenteil der Einladung der Sünder „geh mit uns“ in Vers 11. Der Vater hat seinem Sohn in den vorhergehenden Versen gesagt, was die Sünder suchen und wie sie vorgehen. Dieser Lebensstil muss eine ausreichende Warnung sein, sich ihnen nicht anzuschließen und ihrer Einladung nicht zu folgen. In den Versen 16–18 zeigt er seinem Sohn, warum er nicht mit ihnen unterwegs sein und seinen Fuß von ihrem Weg fernhalten soll.
Der Vater kennt nämlich auch die ernsten Konsequenzen für diejenigen, die sich den Sündern anschließen. Er hält sie seinem Sohn ebenfalls vor Augen. Er warnt ihn, was ihn treffen wird, wenn er mitgeht und mitmacht. Sie spiegeln ihm ein angenehmes Leben vor, doch der Vater zeigt ihm, dass solch ein Leben zur Zerstörung seines eigenen Lebens führt. Deshalb gebietet er ihm, seinen Fuß von ihrem Weg fernzuhalten. Wer sich an Gottes Wort hält, wird den kriminellen Weg nicht betreten: „Von jedem bösen Pfad habe ich meine Füße zurückgehalten, damit ich dein Wort halte“ (Ps 119,101).
Niemand wird immer sogleich zum Kriminellen oder Hooligan. Damit jemand nicht den Weg der Sünder betritt, müssen die Füße daran gehindert werden, auch nur einen Schritt auf ihrem Weg zu tun, denn „böser Verkehr verdirbt gute Sitten“ (1Kor 15,33). Wenn der erste Schritt gemacht ist, folgen bald mehrere Schritte. Fang also nicht mit dem ersten Schritt an. Mit jedem Schritt, den wir auf dem Weg Satans gehen, entfernen wir uns weiter von Gott.
Das Wort „denn“ nennt den Grund, warum der Sohn sich ihnen nicht anschließen darf (Vers 16). Ihr Verhalten ist schlecht, es ist unmoralisch und gewalttätig. Der Vater macht seinem Sohn klar, dass die Bandenmitglieder schnell sind, Böses zu tun und Blut zu vergießen: „Ihre Füße laufen zum Bösen und eilen, unschuldiges Blut zu vergießen; ihre Gedanken sind Gedanken des Unheils, Verwüstung und Zertrümmerung ist auf ihren Bahnen“ (Jes 59,7). Wer ihren Weg geht, begibt sich auf einen abschüssigen Weg. Irgendwann geht es so schnell bergab, dass es nicht mehr möglich ist, zu bremsen und anzuhalten. Die Fahrt nimmt zu, es gibt keine Ruhe mehr. Jeder, der auf dem Weg des Sünders ist, wird gejagt.
Der Vater versichert seinem Sohn, dass es eine Möglichkeit gibt, ihrem Weg zu entkommen, und zwar dadurch dass er auf seine Warnung hört (Vers 17). Er gibt ein Beispiel aus der Natur. Ein Vogel, der das vor ihm ausgelegte Netz sieht, wird nicht hineinfliegen, sondern darüber hinwegfliegen und so der Gefangenschaft entgehen. Die erste natürliche Reaktion aller, die irgendwo Gefahr sehen, besteht darin, diese zu meiden. So ist es jedenfalls bei Vögeln, die das Netz sehen. Das bedeutet, dass die, die sich einer schlechten Gesellschaft anschließen, nicht nur falsch handeln, sondern auch dumm sind. Wenn wir beim Bild des Vogels bleiben, können wir sagen, dass der, der sich über die widerlichen Aktivitäten der Sünder erhebt, sich nicht von ihnen verführen lässt und nicht in ihrem Netz gefangen wird.
Manche Menschen sind dümmer als Vögel. Sie reagieren mit ihrem verfinsterten Verstand und ihrer vermeintlichen Weisheit nicht wie Tiere auf die Gefahr, sondern schnappen den Köder mit offenen Augen. Sie bemerken nicht, dass sie ihr eigenes Grab graben (vgl. Ps 7,16.17; Hiob 18,8; Est 7,9.10). Sie denken, dass es für andere einen Hinterhalt gibt, doch sie legen für ihr eigenes Leben einen Hinterhalt. Sobald ihre Aktivitäten bekannt sind, werden sie selbst Opfer anderer werden. Im kriminellen Milieu finden viele Abrechnungen statt. Ein Mörder wird oft selbst zu einem bestimmten Zeitpunkt ermordet.
In Vers 19 fasst der Vater die Warnung der Verse 10–18 zusammen (vgl. Hiob 8,13). Ungerechten Profit zu erlangen, bedeutet den Verlust des Lebens. Sündige Handlungen scheinen Nutzen und Gewinn zu bringen, von denen angenommen wird, dass man dadurch ein angenehmeres Leben führen kann, aber es ist der Weg des Todes. Wenn Sünder und diejenigen, die mit ihnen in Verbindung stehen, die Unschuldigen ausrauben und töten, rauben und töten sie sich selbst. Sie sündigen gegen ihr eigenes Leben. Jedes Verbrechen, das sie gegen einen anderen begehen, begehen sie in Wirklichkeit gegen sich selbst. Sie nehmen sich ihr eigenes Leben. Der einzige Weg zu entkommen besteht darin, die Gesellschaft der Sünder zu meiden.
Ein wichtiges Element des neuen Lebens ist, dass es sich nach der Ewigkeit ausstreckt (Röm 2,7). Demgegenüber steht die sichtbare Welt mit ihren Normen. Macht und Geld beherrschen die Welt. Davon geht eine große Anziehungskraft aus, die uns mitschleppen will. „Nein“ sagen ist manchmal äußerst schwierig.
Der reiche Jüngling und Judas Iskariot beweisen, dass mit der Habsucht immer auch die Verwerfung Christi und der Verlust des eigenen Lebens verbunden ist: „Sie nimmt ihrem eigenen Herrn das Leben“ (Vers 19). Sie scheinen ihr eigener Herr zu sein, unabhängig, aber die Realität ist, dass ihre Sucht sie tötet. Der eine ging betrübt weg, der andere erhängte sich (Mt 19,22; 27,5). Deshalb schreit die Weisheit in dem nächsten Abschnitt.
20 - 23 Die Weisheit schreit
20 Die Weisheit schreit draußen, sie lässt auf den Straßen ihre Stimme erschallen. 21 Sie ruft an der Ecke lärmender Plätze; an den Eingängen der Tore, in der Stadt redet sie ihre Worte: 22 Bis wann, ihr Einfältigen, wollt ihr Einfältigkeit lieben und werden Spötter ihre Lust an Spott haben und Toren Erkenntnis hassen? 23 Kehrt um zu meiner Zucht! Siehe, ich will euch meinen Geist hervorströmen lassen, will euch kundtun meine Reden.
Nachdem der Vater gesprochen hat, kommt jetzt die Weisheit zu Wort. Der Vater hat seinen Sohn vor der Gesellschaft der Sünder gewarnt. Das geschah in der privaten Atmosphäre des häuslichen Umfeldes. Jetzt spricht die Weisheit zu den Sündern. Das geschieht in der Öffentlichkeit. Ab Vers 20 erschallt ein ausführlicher Ruf der Weisheit an die Sünder, die draußen sind.
In ihrer Stimme hören wir eine Nachdrücklichkeit, die auf diese Weise nicht in der Stimme des Vaters zu hören ist. Sie wendet sich an Sünder, die sich bereits entschieden haben. Wir können hier auch an junge Leute denken, die die Warnungen ihres Vaters in den Wind geschlagen habe. Trotz aller Warnungen haben sie sich der schlechten Gesellschaft der Sünder angeschlossen und gehören nun völlig zu ihnen. Trotzdem überlässt die Weisheit sie nicht ihrem Schicksal, sondern geht ihnen nach und zeigt ihnen, wo ihr Weg endet. Sie ruft sie auf, sich zu besinnen und zu bekehren, um diesem Ende zu entkommen.
Die Weisheit wird hier als eine göttliche Person dargestellt, die laut an öffentlichen Plätzen schreit – „draußen“, „auf den Straßen“. Es gibt viel Lärm um Sie her, daher besteht die große Gefahr, dass ihre Stimme nicht gehört wird (Vers 21). Deshalb erhebt Sie ihre Stimme. Sie macht das, wo auch immer Menschen mit den täglichen Dingen beschäftigt sind, die einen Menschen so in Anspruch nehmen können. Doch das Leben besteht aus mehr als nur Geld verdienen. Sie geht sogar zu den „Eingängen der Tore“, dorthin, wo Menschen in die Stadt kommen, um Handel zu treiben und Gewinn zu machen. Dort gibt es auch die Richter, die oft nur auf eigenen Vorteil schauen. Dort spricht Sie ihre Worte, um die Anwesenden zur Umkehr aufzurufen.
Die Weisheit beginnt mit der Frage: „Bis wann?“ (Vers 22). Diese Frage bedeutet, dass es eine Möglichkeit gibt, vom Weg des Sünders umzukehren, und gleichzeitig, dass es einen Moment gibt, wo das nicht mehr möglich ist. Nach der Frage spricht Sie drei Gruppen von Menschen an. Sie wendet sich an „Einfältige“, „Spötter“ und „Toren“.
Der Einfältige ist die naive oder dumme Person, die nicht über das Leben nachdenkt und lebt, wie es kommt. Sie glaubt alles, außer an Gott, und untersucht nichts. Sie denkt nicht an Gott und die Zukunft. Jeder Aufruf, über das Leben nachzudenken, wird von ihr als Störung ihres Friedens und als eine Verletzung ihrer Privatsphäre betrachtet. Sie sieht die Warnung als störend und unsinnig.
Der Spötter ist der rebellische und zynische Freidenker. Er meint, dass er alles wisse. Er ist ohne Angst oder Scham. Er kennt kein Bedauern. Er ist stumpf und grob in seiner Art und in seinen Worten. Jeder Anstand fehlt ihm. Am liebsten spottet er. Für ihn ist Religion etwas für rückständige Menschen.
Der Tor ist der moralisch verdorbene, gefühllose Gottlose. Er schließt sich von allem aus, was ihn weise und glücklich machen könnte. Er hat Kenntnis von vielen anderen Dingen, zumindest meint er das, aber er will nichts über den Anfang der wirklichen Kenntnis, die Furcht des HERRN, wissen. Die Kenntnis der anderen Dinge macht ihn blind und unempfindlich gegenüber der wahren Kenntnis.
Die Weisheit fordert alle auf, sich ihrer Zucht zuzuwenden und zu reagieren (Vers 23). Wenn das geschieht, wird Sie ihren Geist hervorströmen lassen und als Folge davon ihre Rede kundtun. Sie verspricht, dass die Bibel, die vor dieser Zeit ein verschlossenes Buch war, sich ihnen öffnen wird und dass sie den Inhalt verstehen werden. Wir brauchen diesen Geist der Weisheit, um die Worte Gottes zu verstehen (vgl. Eph 1,17).
24 - 32 Die Folgen, wenn man nicht hört
24 Weil ich gerufen habe und ihr euch geweigert habt, meine Hand ausgestreckt habe und niemand zugehört hat, 25 und ihr all meinen Rat verworfen und meine Zucht nicht gewollt habt, 26 so werde auch ich bei eurem Unglück lachen, werde spotten, wenn der Schrecken über euch kommt; 27 wenn der Schrecken über euch kommt wie ein Unwetter, und euer Unglück hereinbricht wie ein Sturm, wenn Bedrängnis und Angst über euch kommen. 28 Dann werden sie zu mir rufen, und ich werde nicht antworten; sie werden mich eifrig suchen und mich nicht finden, 29 weil sie Erkenntnis gehasst und die Furcht des HERRN nicht erwählt, 30 nicht eingewilligt haben in meinen Rat, verschmäht haben all meine Zucht. 31 Und sie werden essen von der Frucht ihres Weges und von ihren Plänen sich sättigen. 32 Denn die Abtrünnigkeit der Einfältigen wird sie töten, und die Sorglosigkeit der Toren wird sie umbringen;
Alle Werke der Schöpfung bleiben dort, wo die Weisheit sie hingestellt hat und sie dienen ihr (Ps 119,90.91). Nur die hartnäckigen Sünder weigern sich, auf den Ruf der Weisheit zu antworten und den Platz einzunehmen, der ihr gegenüber angemessen ist (Vers 24). Sie hat ihre Hand einladend zu ihnen ausgestreckt (vgl. Jes 65,2). Aber die Sünder haben den wichtigsten Rat, den der Weisheit, verworfen (Vers 25).
Auch ihre „Zucht“, mit der sie sie zu sich ziehen wollte, war ohne Wirkung, weil sie nicht wollten. Es ist eine bewusste, eigenwillige Entscheidung gegen die Weisheit. Die Sünder haben sich „geweigert“ gegen das, was die Weisheit anbot (Vers 24a), sie haben nicht „zugehört“ (Vers 24b), „verworfen“ (Vers 25a) und „nicht gewollt“ (Vers 25b). Sie hat sie so lange ertragen, aber sie haben diese Langmut verachtet (vgl. Röm 2,4; 9,22).
Nach dem Wort „weil“ der Verse 24 und 25 folgt in Vers 26 das „so“. Sie haben die Weisheit ausgelacht und darüber gespottet. So wird die Weisheit über sie lachen, wenn ihr Untergang kommt. Ihr Lachen ist ein schreckliches Lachen (Ps 2,4). Es ist ein spöttisches und geringschätziges Lachen, weil jetzt das über sie kommt, wovor die Weisheit sie gewarnt hat.
Die Weisheit hat die Sünder gerufen, aber sie haben nicht zugehört. Dann geschieht das Gegenteil: „So will auch ich handeln im Grimm, mein Auge soll nicht verschonen, und ich werde mich nicht erbarmen; und rufen sie auch vor meinen Ohren mit lauter Stimme, so werde ich sie doch nicht hören“ (Hes 8,18). Die Weisheit wird spotten, wenn die hartnäckigen Sünder von ihrer Angst überwältigt werden (Hiob 15,24; Dan 5,5.6.30). Sie werden durch ihre Angst erschreckt werden (Vers 27). Sie werden wie von „einem Sturm“ erfasst in „Bedrängnis und Angst“ untergehen.
In Vers 28 wird gesagt, auf welche Art und Weise die Weisheit ihr Lachen und Spotten verwirklicht. Sie distanziert sich von den Sündern – als könnte sie sie nicht länger ertragen – und spricht jetzt nicht mehr mit ihnen, sondern über sie zu anderen. Sie warnt die anderen, nicht dem Beispiel der Sünder zu folgen. Die Weisheit wird nicht auf den Hilferuf der Sünder reagieren, wenn sie in ihrer Not zu ihr schreien, denn sie wollten nicht antworten, als sie sie warnte. Es ist eine schreckliche Sache, von Gott verlassen zu werden (Hos 9,12), wie viel mehr, wenn es auch noch eine Zeit der Not ist (vgl. 1Sam 28,15).
Die Weisheit erklärt, warum sie auf die Sünder nicht hören wird, wenn sie in ihrer Not zu ihr schreien. Es ist, „weil sie Erkenntnis gehasst“ haben (Vers 29). Die Einfältigen wollten dumm bleiben. Die Toren bevorzugen nicht nur Torheit, sondern sie verachten auch die Erkenntnis. Sie wollen nicht unterwiesen werden. Es ist eine bewusste Entscheidung, die Furcht des HERRN nicht zu wählen. Menschen, die so sind, fehlt der Anfang der Kenntnis; sie können nicht weise werden und bleiben deshalb Toren.
Sie wollten nicht auf den Rat der Weisheit hören, den sie ihnen vorstellte (Vers 30). All ihre Zucht, die dazu bestimmt war, dass sie zuhörten, haben sie „verschmäht“. Wer sich so hartnäckig weigert, sich der Weisheit zu öffnen, dem kann nicht geholfen werden. Sie werden das einmal verstehen, wenn sie die bitteren Früchte ihres eigenen Weges essen werden (Vers 31). Sie ernten, was sie gesät haben, und bekommen, was sie verdienen und selbst wollen (Gal 6,7.8). Sie werden sich am Wahnsinn ihrer eigenen Pläne sättigen.
Wie das geschieht, wird in Vers 32 erklärt. Das Wort „denn“ macht das deutlich. Ihr Abfall vom lebendigen Gott bedeutet ihren Tod. Die Liebe der Toren für ihre sorgenfreie Ruhe ist wie ein schaukelndes Boot, das auf dem Fluss schwimmt und in dem sie liegen und schlafen. Ohne dass sie es merken, schwimmt das Boot langsam, aber sicher zum Wasserfall, wo es abstürzt und zerschmettert wird. Die Ruhe, an der sie sich erfreuen, ist die Ruhe des Todes. Die Eigensinnigkeit und Selbstgefälligkeit dieser Menschen wird sie töten und umbringen.
33 Das Teil dessen, der hört
33 wer aber auf mich hört, wird sicher wohnen und wird ruhig sein vor des Unglücks Schrecken.
Der Abschnitt endet nicht in Moll, sondern mit einem großartigen und erfreulichen Versprechen für den, der auf die Weisheit hört. Er bekommt eine dauerhafte und ungetrübte Sicherheit. Es ist auch eine Situation, in der man keine Bedrohung empfindet. Er wohnt sicher von Angst „vor des Unglücks Schrecken“.
Wer auf die Weisheit hört, erfährt Schutz vor dem Bösen. Das ist der große Gegensatz zwischen der falschen Gewissheit der Gottlosen im vorherigen Vers und dem wahren und dauerhaften Frieden des Gerechten, der auf die Weisheit in diesem Vers hört. In dieser Situation der Sicherheit und des Friedens darf jeder Gläubige bereits leben, der auf das Wort Gottes hört und es auf alle Aspekte seines Lebens anwendet.