Einleitung
Dieses Kapitel ist das einzige in diesem Buch, in dem ein König direkt angesprochen wird. Zugleich ist es ein ganzes Kapitel, das von einer Frau stammt, die mit göttlicher Weisheit erfüllt ist. Die Belehrung enthält zwei Warnungen (Verse 2–7) und einen Rat (Verse 8.9). Die Mutter warnt ihren Sohn, den König, vor den beiden Gefahren der Hurerei und des Alkohols. Sie nimmt sich dazu Zeit und nimmt kein Blatt vor den Mund. Auch heute ist es wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern über diese Dinge sprechen. Wenn wir unsere Kinder in ihrer Jugend warnen, werden sie sich an unsere Ratschläge halten, wenn sie älter geworden sind (Spr 22,6).
1 Worte an Lemuel
1 Worte Lemuels, des Königs; Ausspruch, womit seine Mutter ihn unterwies:
Lemuel bedeutet „Gott geweiht“ oder „Gott angehörend“. Sein Name kommt nur hier vor. Seine Mutter hat ihn unterwiesen. Das war der Ausspruch oder die Last, die sie auf ihrem Herzen hatte. Es passt zu der Art und Weise, wie die Unterweisung in den Sprüchen weitergegeben wird. Das Buch begann mit den Worten eines Vaters zu seinem Sohn: „Höre, mein Sohn, die Unterweisung deines Vaters“ (Spr 1,8). Dort sagt der Vater auch zu ihm: „Und verlass nicht die Belehrung deiner Mutter“ (Spr 1,8). Diese Unterweisung oder Belehrung finden wir ausführlich in diesem letzten Kapitel.
Das bestätigt den großen Einfluss, den Mütter auf ihre Kinder haben. In den Büchern der Könige und im zweiten Buch Chronika wird der Name der Mutter des Königs oft erwähnt (vgl. 1Kön 11,26; 14,21; 15,2; 2Chr 12,13; 13,2; 20,31). Es ist ein großer Segen, eine gottesfürchtige Mutter zu haben (2Tim 1,5; 3,15). Gott ehrt die Mutter Lemuels, indem Er ihr für ihre Belehrungen in seinem Wort ein ganzes Kapitel widmet. Das beweist den Wert ihrer Worte für jede Generation durch die Jahrhunderte hin bis heute. Nach der Mutter ist seine eigene Frau die zweite Frau, die einen großen Einfluss auf einen Mann ausübt. Über ihren Wert spricht die Mutter Lemuels ab Vers 10.
Wir können ihre Worte auch auf uns anwenden. Wir sind ja Könige (Off 1,6). Wir üben das Königtum noch nicht aus, aber wir besitzen seine Würde und müssen uns deshalb auch königlich verhalten. Auch wir müssen die Warnungen der Mutter zu Herzen nehmen.
2 Aufruf, auf Rat zu hören
2 Was, mein Sohn, und was, Sohn meines Leibes, und was, Sohn meiner Gelübde?
Durch den dreimaligen Gebrauch des Wortes „was“ erkennen wir den leidenschaftlichen Wunsch der Mutter, dass ihr Sohn seiner hohen Berufung entspricht. Sie spricht wie eine Frau, die über den Rat nachdenkt, den sie ihrem Sohn gibt, so sehr ist sie um ihn besorgt. Die Frage, die zugleich eine Aufforderung ist, kommt als ein tiefer Seufzer aus dem Herzen der Mutter, die um das Wohl ihres Sohnes besorgt ist. Sie will ihm sagen, was zu seinem Vorteil ist, und das mit Worten tun, die ihn treffen und an die er sich weiterhin erinnert: „Die Worte der Weisen sind wie Treibstacheln, und wie eingeschlagene Nägel die gesammelten Sprüche; sie sind gegeben von einem Hirten“ (Pred 12,11).
Die Mutter richtet ihr Wort auf eindringliche Weise an ihren Sohn mit einer Stimme voller Liebe. Sie sucht seine ganze Aufmerksamkeit. Die dreifache Wiederholung des Wortes „Sohn“ zeigt die Eindringlichkeit ihrer Warnung. Sie nennt ihn zuerst „mein Sohn“. Das zeigt ihre direkte Beziehung zu ihm. Dann spricht sie ihn als „Sohn meines Leibes“ an. Damit sagt sie, dass er ihr eigener Sohn ist, nicht adoptiert, sondern von ihr geboren. Schließlich nennt sie ihn „Sohn meiner Gelübde“. Das weist darauf hin, dass sie ihn dem HERRN geweiht hat. Das erinnert an das, was Hanna mit Samuel tat: „Und sie tat ein Gelübde und sprach: HERR der Heerscharen, wenn du das Elend deiner Magd ansehen und meiner gedenken und deine Magd nicht vergessen wirst, und wirst deiner Magd einen männlichen Nachkommen geben, so will ich ihn dem HERRN geben alle Tage seines Lebens; und kein Schermesser soll auf sein Haupt kommen“ (1Sam 1,11). Sie wird so wie Hanna zweifellos viel für dieses Kind gebetet haben, sowohl vor als auch nach seiner Geburt (1Sam 1,26–28).
3 Warnung vor Frauen
3 Gib nicht den Frauen deine Kraft, noch deine Wege den Verderberinnen der Könige.
Die erste Gefahr, auf die sie ihn hinweist, ist die Gefahr, die von Frauen ausgeht. Sie warnt ihn davor, seine Kraft den Frauen zu geben. Ihre Warnung ist, dass er seine Zeit nicht damit verbringen soll, seine sexuellen Begierden zu befriedigen. Es gibt genug Frauen in seiner Umgebung, doch er soll seine Aufmerksamkeit nicht auf sie richten. Wenn er es doch tut, wird seine Kraft dadurch verzehrt werden. Er wird keine Kraft mehr haben, seine eigentliche Aufgabe als König zu erfüllen.
Schon viele Herrscher sind in der Ausübung ihres Königtums kraftlos geworden, weil sie ihren sexuellen Begierden nachgaben, unter ihnen David und vor allem Salomo. Sie haben zu ihrer Schande im eigenen Leben erfahren müssen, was die Mutter Lemuels hier sagt (2Sam 12,9.10; 1Kön 11,1–11; Neh 13,26). Sicher ist es nicht falsch, eine Frau zu haben. Wer eine Frau bekommen hat, hat von Gott ein großes Geschenk erhalten. Mehr als eine zu haben ist jedoch falsch, sündig und Verderben bringend.
4 - 7 Warnung vor dem Wein
4 Nicht für Könige geziemt es sich, Lemuel, nicht für Könige, Wein zu trinken, noch für Fürsten, zu fragen: „Wo ist starkes Getränk?“, 5 damit er nicht trinke und das Vorgeschriebene vergesse und die Rechtssache aller Kinder des Elends verdrehe. 6 Gebt starkes Getränk dem Umkommenden und Wein denen, die betrübter Seele sind: 7 Er trinke und vergesse seine Armut und erinnere sich nicht mehr an seine Mühsal.
Die andere Gefahr, die häufig mit der Gefahr von Frauen einhergeht, ist die Gefahr der Abhängigkeit des Trinkens (Vers 4; Hos 4,11; Off 17,2). Wein an sich ist nicht grundsätzlich falsch (Ri 9,13; Ps 104,15). Falsch ist, zu viel davon zu trinken. Und für einen König ist das noch wichtiger. Er sollte ihn weder trinken noch danach verlangen. Es geht um den übermäßigen Genuss des Alkohols oder das Verlangen danach wegen beständigen Drucks, dem er ausgesetzt ist. Wer gut über ein Volk regieren will, muss sich vor allem zuerst einmal selbst beherrschen. In diesem Punkt versagte Noah, als ihm die Herrschaft über die gereinigte Erde anvertraut wurde (1Mo 9,1–7.20–24).
Die Mutter macht ihn auf die Folge übermäßigen Trinkens aufmerksam: Er wird „das Vorgeschriebene“ vergessen (Vers 5). Er wird das Gesetz für Könige vergessen, in dem Gott sagt, wie er sich verhalten muss, wenn er ein guter König sein will (5Mo 17,17–20). Alkoholische Getränke trüben den Verstand. Wer betrunken ist, sieht die Dinge nicht mehr scharf und kann kein gerechtes Urteil fällen.
Ein betrunkener König ist etwas Widerliches (1Kön 16,8.9; 20,16). Was die Rechtsprechung betrifft, wird er „die Rechtssache aller Kinder des Elends“ verdrehen. Keiner der Elenden bekommt sein Recht, weil der König im Verstand benebelt ist. Dazu kommt, dass die Reichen, die die Elenden ausbeuten, ihn beeinflussen können (vgl. Hos 7,5). Sie werden ihm vorschreiben, was er aussprechen soll.
Die Verse 6 und 7 sind meines Erachtens nicht seriös gemeint. Es kann ja wohl kaum ein guter Rat sein, Menschen starkes Getränk zu geben, die in Todesangst sind, den „Umkommenden“, und solchen, die schwer depressiv sind, die „betrübter Seele“ sind, oder denen, die in „Armut“ und „Mühsal“ leben. Der Rat wäre dann: Gib ihnen so viel starke Getränke und Wein, dass sie dadurch betrunken werden. Dann vergessen sie ihr Elend und denken nicht länger daran. Dieser Rat kann nicht seriös gemeint sein, weil die Probleme nicht verschwinden, sonder haushoch vorhanden sind, wenn der Rausch vorbei ist. Danach muss jemand wieder trinken. Auf diese Weise entsteht eine Sucht. Es ist vielmehr so, dass Menschen in Todesnöten oder bitterer Traurigkeit das Wort Gottes, Mitempfinden und praktische Hilfe brauchen.
Für einen König, der unter hohem Druck steht, zu dem man aufschaut und von dem man gerechte Entscheidungen erwartet, ist der Konsum von Alkohol keine Option. Er darf sich nicht seiner Verantwortung entziehen oder sich dadurch Erleichterung verschaffen, indem er sich „einen trinkt“. Ein König, der weiß, dass er seine Aufgabe von Gott bekommen hat, wird zur Erfüllung seiner Aufgaben alles von Gott erwarten. Dann wird er bekommen, was er braucht.
Der Rat, den der König Lemuel von seiner Mutter empfängt, ist auch für uns wichtig. Wir sind Könige und werden einmal mit dem Herrn Jesus regieren. Wir regieren jetzt noch nicht als Könige, aber wir haben bereits die Würde von Königen. Diese Würde verlieren wir durch einen falschen Gebrauch der Sexualität und des Alkohols. Wenn wir dem Verlangen nach diesen Dingen nachgeben, verlieren wir die Reinheit und Schlichtheit unserer Hingabe an den Herrn (Off 14,4.5) und werden Gegenstände der Verachtung und Manipulation.
8 - 9 Öffne deinen Mund, um Recht zu verschaffen
8 Öffne deinen Mund für den Stummen, für die Rechtssache aller Unglücklichen. 9 Öffne deinen Mund, richte gerecht und verschaffe Recht dem Elenden und dem Armen.
Die Mutter sagt zu ihrem Sohn, dem König, dass er seinen Mund nicht öffnen soll, um Wein hineinzugießen, sondern ihn zu öffnen, um den „Stummen“ eine Stimme zu geben (Vers 8). Es geht hier nicht um jemanden, der nicht sprechen kann, sondern vielleicht um jemand, der zu schüchtern ist, etwas zu sagen. Jemand kann auch wegen der ungerechten Anklagen seines Gegenübers verstummen oder wegen der verbalen Gewalt der Gegenpartei. In jedem Fall geht es um jemanden, der nicht für sich selbst reden kann, um seine eigene Sache zu verteidigen.
Der König muss seinen Mund öffnen, um allen „Unglücklichen“ Recht zu sprechen. Diese haben vielleicht Worte, doch die Kraft fehlt ihnen, sie auszusprechen. In beiden Fällen ist Einsicht erforderlich in die Umstände derer, die elend sind und die sich für einen gerechten Urteilspruch an ihn wenden.
Der König scheint hier sowohl Rechtsanwalt als Richter zu sein. Als Rechtsanwalt hat er sich in Vers 8 mit der Sache eines „Stummen“ und dem Fall „aller Unglücklichen“ einsgemacht. Dadurch kann er auch als Richter auftreten (Vers 9). Da er keinen Wein getrunken hat, sondern im Geist klar geblieben ist, ist er in der Lage, seinen Mund zu öffnen, um in Gerechtigkeit zu urteilen und den Elenden und Armen Recht zu verschaffen (vgl. 2Sam 14,4–11; 1Kön 3,16–28; Ps 45,3–5; Jes 9,6.7).
10 Der Wert der tüchtigen Frau
10 [aleph] Eine tüchtige Frau, wer wird sie finden? Denn ihr Wert steht weit über Korallen.
Die vorangehenden Kapitel enthalten viel über „Frau Torheit“, über die törichte und falsche Frau. Auch in diesem letzten Kapitel hören wir noch die Warnung vor ihr, und zwar aus dem Mund der Mutter Lemuels an ihren Sohn (Vers 3). Deshalb ist es so schön, dass das Buch mit einem Loblied auf Frau Weisheit endet, auf die Frau im vollen Wert, den sie für Gott, ihren Mann und ihre Kinder hat.
Die Weisheit wird durch eine Frau personifiziert, weil sie wegen der verschiedenen Anwendungen ein ausgezeichnetes Beispiel für die Weisheit ist. Wo immer sie auftritt, wird ihre Weisheit sichtbar, und in allem, womit sie beschäftigt ist, sehen wir, wie weise sie ist. Wir sehen sie in ihrem Heim, auf dem Markt, beim Ausüben ihrer Wohltätigkeit und beim Geschäftemachen. Indem der Autor die Weisheit personifiziert, wirken alle Lektionen konkret.
Wir sehen sie im Einsatz im täglichen Leben. Sie wird im ersten Petrusbrief ein schwächeres Gefäß genannt (1Pet 3,7). Dennoch tritt sie tatkräftig auf. Der Grund dafür sind ihre Gottesfurcht und ihre Weisheit. So tut sie fleißig ihre Arbeit und ist gleichzeitig ruhig und beherrscht. Wir sehen diese Qualitäten in ihrer Hingabe gegenüber ihrem Mann und ihren Kindern. Auch in ihrem Umgang mit ihren Angestellten und in ihren geschäftlichen Tätigkeiten werden ihre Qualitäten sichtbar. Sie ist entschieden in ihrem Auftreten, ohne ihren Platz als Ehefrau neben ihrem Mann zu verlassen. Sie ehrt ihren Mann, der in den Toren geehrt wird. Ihr Benehmen ist so, dass ihr Mann ihr in allem, was sie tut, völlig vertraut. Sie wird geehrt von ihrem Mann, ihren Kindern und durch ihre Werke.
Dieses Loblied auf die Frau ist ein Beispiel und Vorbild für alle Frauen, die ein Leben in Weisheit anstreben. Weil es jedoch um das Wesen der Weisheit geht, enthält die Beschreibung wichtige Lektionen nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Dieser Textabschnitt lehrt, dass die Furcht des HERRN Frauen und Männer inspiriert, treue Verwalter der Zeit und Begabungen zu sein, die Gott ihnen gegeben hat. Diese Verwaltung wird am besten in einer häuslichen Umgebung gelehrt und vorgelebt. Die Weisheit, mit der diese Verwaltung ausgeübt wird, wird sichtbar in einem ausgewogenen Leben, in den häuslichen Aufgaben ebenso wie in den geschäftlichen Aktivitäten und ihrer Wohltätigkeit. Das wird gesehen.
Die Hochachtung der Frau gegenüber ist in dem besonderen Stil geschrieben, den wir unter anderem in den Psalmen finden (Psalmen 9; 10; 25; 34; 37; 111; 112; 119; 145). Diese Form wird „Akrostichon“ genannt. Dabei beginnt das erste Wort jedes Verses, Versteils oder jeder Gruppe von Versen mit einem Buchstaben des hebräischen Alphabets, und zwar in der Reihenfolge des Alphabets. Das Akrostichon beginnt in Vers 10 mit dem ersten Buchstaben, dem „Aleph“ und endet in Vers 31 mit dem letzten Buchstaben, dem „Taw“.
Die Tatsache, dass das ganze Alphabet zur Anwendung kommt, um die tüchtige Frau zu besingen, kann symbolisch so gedeutet werden, dass wir eine vollständige Beschreibung von ihr haben, an der nichts fehlt. Es ist ein komplettes Ganzes. Es ist darauf hingewiesen worden, dass die Liebe nicht erwähnt ist. Man kann sich jedoch fragen, ob ein Einsatz, wie ihn diese Frau zeigt, ohne Liebe als Motiv möglich ist. Wir sehen hier eine Frau, die ihre Aufgaben mit Freuden ausführt. Sind wir jedoch an einer Beschreibung der Beziehung zwischen Mann und Frau interessiert, so wenden wir uns besser dem Hohenlied zu. In Sprüche 31 geht es um die Hingabe einer Frau an ihren Mann, die in allem sichtbar wird, was sie tut.
Die Beschreibung dieser Frau ist keine Beschreibung, die sich ohne weiteres auf jede Frau anwenden lässt. Die Frau, die uns hier vorgestellt wird, ist eine reiche und vornehme Person, die ebenso wie ihr Ehemann, eine hohe soziale Stellung innehat. Sie steht einem Haus mit einem Landsitz und Bediensteten vor. Sie treibt Handel mit Grundstücken, Weinbergen und Waren. Die häuslichen Angelegenheiten stehen unter ihrer Leitung und sie übt Wohltätigkeit, für die sie auch die nötigen Mittel hat. Nicht viele Frauen befinden sich in einer solchen Stellung und solchen Umständen.
Es geht offensichtlich mehr um den allgemeinen Gedanken, wozu eine Frau fähig ist, wenn sie sich völlig von der Weisheit leiten lässt. Die ideale Frau wird hier beschrieben als perfekte Ehefrau und hingegebene Hilfe ihres Ehemannes. Sie ist aufrichtig, gottesfürchtig, sparsam und weise. Die Merkmale, die erwähnt werden, sollten bei jeder gottesfürchtigen Ehefrau gefunden werden, entsprechend den Möglichkeiten, die sie hat. Es geht darum, sich für andere aufzuopfern. Deshalb ist dieser Abschnitt auch auf den gottesfürchtigen Mann anwendbar.
Hinter der Beschreibung dieser Frau sehen wir das Bild der Gemeinde als der Frau des Lammes, wie der Herr Jesus sie sieht, in ihrer Vollkommenheit, ohne jeden Fehler. Praktisch wirkt Er durch sein Wort an ihr, um sie sich selbst verherrlicht darzustellen (Eph 5,26.27). Was über diese tüchtige Frau gesagt wird, können wir häufig auf die Gemeinde anwenden.
Die einleitende Frage in Vers 10 setzt voraus, dass die Frau, die die Mutter Lemuels beschreibt, nicht leicht zu finden ist (vgl. Spr 20,6; Pred 7,28). Doch wenn sie gefunden wird, ist sie ein sehr wertvoller Schatz. Die Mutter des Königs Lemuel hat ihn in Vers 3 vor allem davor gewarnt, seine Kraft nicht den Frauen zu geben. Nun belehrt sie ihn über die Frau, die ihm eine echte Hilfe sein wird. Sie beschreibt nun die Eigenschaften und Qualitäten dieser Frau. Darauf soll er bei seiner Suche achten.
Es geht ihr darum, dass ihr Sohn eine „tüchtige Frau“ sucht. Damit nennt sie zu Beginn der Beschreibung ihrer Qualitäten eine Art „Gesamtbeschreibung“. Das Wort „tüchtig“ bedeutet: alle Anforderungen erfüllend, vertrauenswürdig, bewährt, von guter Qualität, auf eine gute, rechte Weise. Das bedeutet, dass diese Frau alle Tugenden aufweist, die in diesem Loblied über sie genannt werden und dass sie diese auch praktisch verwirklicht. Diese Frau ist ebenso wie die Weisheit mehr wert als „Korallen“. Ja, sie steht weit über deren Wert (Spr 3,15; 8,11).
Geistlich gesehen können wir das auf die Gemeinde anwenden. Sie ist die Frau des Lammes, das ist Christus. Sie ist für ihn „eine sehr kostbare Perle“, für die Er bereit war, alles aufzugeben, was Er hatte, um sie zu besitzen (Mt 13,45.46).
11 - 12 Sie kümmert sich um die Interessen ihres Mannes
11 [beth] Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie, und an Ausbeute wird es ihm nicht fehlen. 12 [gimel] Sie erweist ihm Gutes und nichts Böses alle Tage ihres Lebens.
Nach der Feststellung des Wertes der Frau, der sich nicht in Geld ausdrücken lässt, folgt die Beschreibung ihrer Tugenden, das sind ihre guten Eigenschaften, die in ihrem Handeln sichtbar werden. Bevor diese Beschreibung folgt, wird gesagt, wie ihr Mann sie sieht, was sie für ihn bedeutet (Vers 11) und umgekehrt: wie sie ihn sieht, was er für sie bedeutet (Vers 12). Ihr Mann vertraut ihr von ganzem Herzen. Nicht Liebe, sondern Vertrauen ist die wichtigste Grundlage einer guten Ehe. Die Liebe kann manchmal etwas geringer sein, aber das Vertrauen muss immer völlig vorhanden sein. Ein Ehemann, der seiner Frau vertraut, und eine treue Ehefrau bilden eine unzerbrechliche Einheit.
Ihr Ehemann lässt seine Frau am Morgen im vollen Vertrauen zurück, um an die Arbeit zu gehen (Ps 104,23). Wenn er die Haustür sozusagen hinter sich schließt, tut er dies in vollem Vertrauen seines Herzen, dass seine Frau während seiner Abwesenheit seine Interessen vertreten wird. Mit ruhigem Gewissen überlässt er ihr alles, was es ihm ermöglicht, sich ungestört auf seine Aufgabe in der Gesellschaft zu konzentrieren.
Diese Frau steht im krassen Gegensatz zur ehebrecherischen Frau, die die Abwesenheit ihres Mannes nutzt, um Ehebruch zu begehen (Spr 7,18.19). Derselbe Gegensatz besteht zu den Ehefrauen, die der Prophet Amos „Kühe Basans“ nennt; von ihnen sagt er weiter, was sie zu ihren Ehemännern sagen: „Bring her, dass wir trinken!“ (Amos 4,1).
Die tüchtige Frau missbraucht das bedingungslose Vertrauen ihres Mannes zu ihr nicht. Sein Besitz ist bei ihr in sicheren, zuverlässigen Händen (Vers 11). Seine Ehefrau ist nicht verschwenderisch, sondern verwaltet die Besitztümer ihres Mannes mit Weisheit. Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, wird er feststellen, dass sie nichts von seinem Besitz veruntreut hat. In jeder Ehe, und ganz besonders bei einem großen Haushalt, ist ein solches Vertrauen in ihre Treue zu ihm und seinem Besitz von größter Wichtigkeit.
„Sie erweist ihm Gutes und nichts Böses“ (Vers 12), weil sie mit ihm verbunden ist. Sollte sie ihm aber Böses statt Gutes erweisen, so würde sie das auch sich selbst antun. In einer guten Ehe haben Mann und Frau stets das Gute des anderen im Auge. Sie werden niemals absichtlich versuchen, dem anderen zu schaden. Hier liegt die Betonung auf dem Handeln der Frau. Sie ist in einer Stellung, in der ihr Mann ihr alles anvertraut hat, während sie ein großes Maß an Freiheit genießt. Alles, was sie tut, tut sie im Blick auf ihn. So illustriert sie in ihrem Leben, was Paulus schreibt: „Die Verheiratete aber ist für die Dinge der Welt besorgt, wie sie dem Mann gefalle“ (1Kor 7,34).
So handelt sie nicht hin und wieder, wenn es ihr gerade gefällt, sondern „alle Tage ihres Lebens“. Ihr Verhalten weist auf ihre ununterbrochene Treue in der Ehe hin. Sie bleibt ihrem Eheversprechen treu, das sie geleistet hat, als sie ihn heiratete, nämlich ihrem Mann treu zu bleiben, bis der Tod sie von ihm trennt. Auch wenn sie beide einmal alt sein werden, fährt sie fort, ihm Gutes zu tun.
Sie ist selbstständig, tut aber nicht, was sie selbst will. Ihre Aktivitäten dienen nicht dazu, sich selbst zu verwirklichen, sondern ihren Mann zu unterstützen. Sie ist auf ihn ausgerichtet und nicht auf ihre Karriere. Es ist keine Rede davon, dass sie einen eigenen Weg geht, getrennt von ihrem Mann. So geschieht es häufig in unserer modernen Gesellschaft, wozu auch aufgefordert wird.
Diese Beziehung der Treue und des Wohltuns zeigt, wie der Herr Jesus seiner Gemeinde vertraut. Er kennt sie, sorgt für sie und vertraut ihr, dass sie seine Interessen auf der Erde wahrnimmt, solange Er abwesend ist. Die Tatsache, dass Ihm die Gemeinde als Ganzes untreu geworden ist, ist hier nicht das Thema. Es geht hier darum, dass Er in treuen, hingegebenen Gläubigen die Treue und Hingabe sieht, die Er wertschätzt.
13 - 15 Sie sorgt für Kleidung und Nahrung
13 [daleth] Sie sucht Wolle und Flachs und arbeitet dann mit Lust ihrer Hände. 14 [he] Sie gleicht Kaufmannsschiffen, von fern her bringt sie ihr Brot herbei. 15 [vau] Und sie steht auf, wenn es noch Nacht ist, und bestimmt die Speise für ihr Haus und das Tagewerk für ihre Mägde.
In Vers 13 beginnt die Aufzählung der Aktivitäten. Sie erweist sich als eine Frau, die sich – „was Frauen geziemt, die sich zur Gottesfurcht bekennen“ – „durch gute Werke“ schmückt (1Tim 2,10). Ihre erste Sorge ist, dass ihre Familie gut gekleidet ist (Vers 13). Sie kauft weder die Kleider noch gibt sie die Herstellung der Kleider in Auftrag. Sie könnte das sehr wohl tun, da sie über die notwendigen Mittel dazu verfügt. Sie kauft nicht einmal die Stoffe für die Kleider auf dem Markt, sondern die Grundstoffe „Wolle und Flachs“, um daraus selbst den Stoff herzustellen. Sogar die Anschaffung der Grundstoffe geschieht mit Vorsicht. Sie „sucht“, sie bemüht sich also, das jeweils beste Material zu finden.
Wenn sie die Grundstoffe hat, macht sie sich an die Arbeit. Sie arbeitet nicht widerwillig, sondern mit Freuden. Das sieht man an der Aussage, dass sie dann „mit Lust ihrer Hände“ arbeitet. Wolle kommt von den Schafen und Flachs wächst auf dem Feld. Wolle dient der Herstellung von warmen Kleidern, die den Körper schützen, wenn es kalt ist. Flachs wird verwendet, um Leinenstoffe für luftige Bekleidungsstücke herzustellen, wenn es wärmer wird. Sie hat für jede Temperatur die passende Bekleidung.
Folgende geistliche Anwendung kann man daraus ziehen: Was die Wolle betrifft, so spricht sie davon, dass die christliche Gemeinde ein Ort ist, wo jedem Glied ein warmes oder liebevolles Interesse begegnet. Leinen symbolisiert Gerechtigkeit (Off 19,8). Die Gemeinde ist auch ein Ort, wo jeder das empfängt, was ihm zusteht. Jeder wird für seine Qualitäten geschätzt, und es gibt dort Raum für die Entwicklung dieser Qualitäten.
Die Gemeinde sucht danach. Das bedeutet, dass sie dafür betet. Sie bittet den Herrn um das, was sie benötigt, damit sie liebevolles Interesse und Gerechtigkeit ausstrahlen kann.
Neben ihrer Sorge um die Bekleidung, sorgt sie sich auch um die Nahrung (Vers 14). Genauso sorgfältig, wie sie die Materialien für die Kleider auswählt, die sie herstellt, sucht sie auch sorgfältig die Nahrung aus. In ihrer Suche nach Nahrung wird sie nicht mit einem Kaufmannsschiff verglichen, sondern mit „Kaufmannsschiffen“. Ihre Bemühungen um Nahrungsmittel sind vielseitig. Von überall holt sie nur das Beste. Es ist „ihr Brot“, und sie bringt es „von fern her … herbei“. Von dieser Nahrung lebt sie selbst und diese gibt sie auch den Leuten in ihrem Haus. Sie gibt ihren Hausgenossen keine andere Nahrung als die, die sie selbst isst.
Bei der geistlichen Anwendung geht es um die geistliche Nahrung für die Gemeinde und für alle, die dazu gehören. Diese Nahrung kommt „von fern her“, nämlich vom Himmel, wo Christus ist. Er nährt und pflegt seine Gemeinde (Eph 5,29), das bedeutet, dass Er sie mit Nahrung und Wärme versorgt.
Die Nahrung muss nicht nur eingekauft, sondern auch zubereitet und auf den Tisch gestellt werden (Vers 15). Für das Frühstück gilt, dass es schon vorbereitet ist, bevor alle anderen im Haus aufwachen und an den Tisch kommen. Diese Aufgabe überlässt sie nicht den Mägden, sondern führt sie selbst aus. Dazu steht sie früh auf. Sie will sicher sein, dass ihr Mann, ihre Kinder und auch ihre Mägde den Tag mit einer guten Mahlzeit beginnen.
Die Gemeinde besteht aus Gläubigen, denen es ein Anliegen ist, einander mit der Nahrung des Wortes Gottes zu dienen. Sie sind sich bewusst, dass sie einander dabei brauchen. Der eine lernt vom anderen. Die Gläubigen sind nicht nur Glieder im Haus Gottes mit all den Vorrechten, die damit verbunden sind, sondern sie haben auch alle eine Aufgabe. Damit jeder seine Aufgabe gut erfüllt, brauchen sie die Kraft durch die Nahrung, die das Wort Gottes gibt. Jeder bekommt den ihm zustehenden Anteil, so viel, wie er braucht, um seinen Dienst tun zu können.
16 - 18 Ihre gesunde Finanzpolitik
16 [zajin] Sie trachtet nach einem Feld und erwirbt es; von der Frucht ihrer Hände pflanzt sie einen Weinberg. 17 [cheth] Sie gürtet ihre Lenden mit Kraft und stärkt ihre Arme. 18 [tet] Sie erfährt, dass ihr Erwerb gut ist; bei Nacht geht ihr Licht nicht aus.
Nachdem sie für ihre Familie und für alle gesorgt hat, die zum Haushalt gehören, hat sie die Hände frei, das zu tun, was das Familienbudget vergrößert (Vers 16). Sie vergrößert das Einkommen ihres Mannes. In diesem Teil der Beschreibung ihrer vielseitigen Tätigkeiten sehen wir, dass die Frau auch eine gute Geschäftsfrau ist, die weise investiert. Es ist also keine Rede von törichten Anschaffungen oder davon, dass sie Schulden macht. Nachdem sie ein Feld erworben hat, macht sie daraus einen Weinberg.
In der geistliche Anwendung geht es um die Dinge, worauf unsere Sinne gerichtet sind. Ein Feld ist ein Bereich, in dem man arbeitet, um dadurch einen Vorteil zu erlangen. Sie macht aus dem Feld einen Weinberg. Der Weinberg spricht von Freude. Das Feld können wir in diesem Zusammenhang als ein Bild der Familie sehen. Die Gemeinde besteht auch aus Familien. Jede Familie, die für Gott lebt, ist eine Freude für Ihn. Wir können ein Feld auch für uns kaufen (Lk 14,18). Dann denken wir allein an unser eigenes Vergnügen und lassen Gott außen vor. Das ist nicht in Übereinstimmung mit der Berufung der Gemeinde.
Alles, was sie tut, tut sie mit all ihrer Kraft (Vers 17). Dass sie ihre Lenden gürtet, bedeutet, dass sie ihre Kleider hochzieht und um ihre Hüften bindet, damit sie ungehindert gehen kann. Zugleich stärkt der Gurt die Hüften. Auch der „Arm“ ist ein Symbol der Kraft. Sie „stärkt ihre Arme“. Die Kraft besitzt sie nicht in sich selbst. Da sie eine gottesfürchtige Frau ist (Vers 30), bedeutet das, dass ihre Kraft im verborgenen Umgang mit Gott liegt. Die Gemeinde hat ebenfalls keine Kraft in sich selbst. Sie stärkt sich im Herrn und in der „Macht seiner Stärke“ (Eph 6,10).
Während sie sehr beschäftigt ist, erfährt sie, dass „ihr Erwerb gut ist“ (Vers 18). Sie bewertet das, was sie getan hat, und zieht ein positives Ergebnis. Das ermuntert sie, so fortzufahren. Sie ist bis weit in die Nacht beschäftigt. Natürlich braucht sie Ruhe und Schlaf und wird nachts nicht durcharbeiten. Es geht um ihren Einsatz. Dieser ist nicht auf ein paar Stunden beschränkt, wie sie in einem Vertrag festgelegt sind.
Von Anna heißt es, dass sie Gott „Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente“ (Lk 2,37). Das bedeutet auch nicht, dass Anna nie schlief. Es geht um das, was sie kennzeichnete. So ist es auch bei dieser Frau. Dass ihre Lampe nachts nicht ausgeht, kann auch bedeuten, dass ihr Haus vor dem Unheil, das über die Gottlosen kommt, bewahrt bleibt (Hiob 18,6; Jer 25,10).
Wenn die Gemeinde mit dem Herrn lebt und in Ihm ihre Kraft sucht und findet, sieht sie, dass ihre Arbeit gesegnet ist. Das sehen wir vor allem am Anfang der Apostelgeschichte (Apg 2,47). Die Gemeinde lebt in der Nacht der Welt. Daher soll ihr Licht nicht ausgehen, sondern hell brennen. Das weist auf das Zeugnis hin, dass sie von Ihm gibt, der das Licht der Welt ist. Wir alle dürfen jeder dieses Zeugnis persönlich geben. Das Licht soll auch in unseren Häusern gesehen werden (2Mo 10,23).
19 - 21 Sie arbeitet für die Familie und die Armen
19 [jod] sie legt ihre Hände an den Spinnrocken, und ihre Finger erfassen die Spindel. 20 [kaph] Sie breitet ihre Hand aus zu dem Elenden und streckt ihre Hände dem Armen entgegen. 21 [lamed] Sie fürchtet für ihr Haus den Schnee nicht, denn ihr ganzes Haus ist in Karmesin gekleidet.
Sie hat die Grundstoffe für die Kleidung gekauft (Vers 13) und ihre Geschäfte gemacht. Am Abend, beim Licht ihrer Lampe (Vers 18), verarbeitet sie Wolle und Flachs zu Stoffen, aus denen sie Kleidung fertigen kann. Sie weiß, wie sie das Spinnrad gebrauchen muss. Ihr Geschick wird in der Beschreibung sichtbar.
Die Gemeinde muss ebenfalls wissen, wie sie Kleidung herstellt. Das bedeutet, dass sie sich bewusst ist, auf welche Weise sie mit geistlicher Kleidung bekleidet ist. So sind die Gläubigen mit „Kleidern des Heils“ und mit dem „Mantel der Gerechtigkeit“ bekleidet (Jes 61,10). Paulus wusste, wie er die Gläubigen damit bekleiden musste: Er erklärte ihnen ihre Stellung in Christus. Die Gläubigen sind mit Christus bekleidet. Vor allem im Brief an die Epheser erklärt er, was das bedeutet.
Die Frau sorgt für ihre Familie, doch sie vergisst dabei auch nicht die Armen und Notleidenden (Vers 20). Sie setzt sich auch sozial ein. Vielleicht hat sie auch für die Armen Kleider hergestellt oder zumindest an sie ausgeteilt vom dem, was sie hatte (vgl. Apg 9,36–39). Dass sie ihre Hand dem Elenden entgegengestreckt hat, bedeutet, dass sie ihm freiwillig und wohltätig gibt: „Er streut aus, gibt den Armen; seine Gerechtigkeit besteht ewig; sein Horn wird erhöht werden in Ehre“ (Ps 112,9). Sie speist ihn nicht mit einem Trinkgeld ab. Sie hat Mitleid mit den Armen. Es sind die Hände, die fleißig und geschickt gearbeitet haben, und nicht die Hände einer trägen, reichen Frau. Sie setzt sich eifrig in einer freigebigen und barmherzigen Weise ein.
Die Gemeinde darf die geistliche Einsicht, die sie gewonnen hat, mit denen teilen, die weniger haben. Sie ist nicht isoliert und zieht sich nicht mit einem Buch in eine Ecke zurück, um egoistisch alle Wahrheiten zu genießen. Es gibt viele Menschen, die geistlich elend und arm sind. Für diese öffnet sie ihre Hand und breitet ihre Arme aus und teilt die geistliche Segnungen aus, die sie entdeckt hat.
Sie denkt nicht nur an das Hier und Jetzt, sondern auch an die Zukunft (Vers 21). Der Winter wird wieder kommen. Jede Frau, die für eine Familie sorgt, denkt am Ende des Sommers wieder über Winterkleidung nach. Sie will ihre Familie gut auf die kommende Kälte vorbereiten. Wenn die Kälte kommt, trägt ihre Familie warme Kleidung. Die Kleider sind nicht nur warm, sondern kleiden auch gut. Ihr Mann und die Kinder sehen gut versorgt aus. Sie hat Geschmack.
Die Kälte in der Welt stört sie nicht, denn sie sorgt für wohltuende Wärme und Liebe in ihrer Wohnung. So hält auch die Gemeinde die Kälte der Welt draußen, wenn es drinnen Wärme und Liebe gibt. Das ist besonders in der heutigen Zeit nötig, weil wir wissen, dass das Ende aller Dinge nahegekommen ist (1Pet 4,7). Die Kälte der Gerichte Gottes wird langsam spürbar. Deshalb werden wir ermahnt, dass wir vor allem eine inbrünstige Liebe zueinander haben sollen (1Pet 4,8).
22 - 23 Sie und ihr Ehemann
22 [mem] Sie fertigt sich Teppiche an; Byssus und Purpur sind ihr Gewand. 23 [nun] Ihr Mann ist bekannt in den Toren, wenn er bei den Ältesten des Landes sitzt.
Bei aller Sorge für andere, vergisst sie nicht, auch für sich selbst zu sorgen (Vers 22). Die „Teppiche“ oder Decken geben ihr Wärme. Ihre Kleidung aus feinem „Byssus und Purpur“ zeugen von ihrem Reichtum und ihrem hohen Rang. Das erinnert uns an den reichen Mann, von dem der Herr Jesus zu seinen Jüngern sprach; er war auch in Purpur und feine Leinwand gekleidet (Lk 16,19). Das Problem war nicht die Kleidung, die er trug, sondern dass er „alle Tage fröhlich und in Prunk lebte“ und gleichzeitig den Armen, der vor dem Tor seines Hauses lag, völlig ignorierte. Bei ihm fehlte die Wohltätigkeit dieser Frau völlig.
Die Gemeinde hat eine hohe Berufung. Paulus spricht darüber ausführlich in Epheser 1–3. Dort zeigt er der Gemeinde sozusagen ihre Decken und ihre würdige Kleidung. Sie ist „angenehm gemacht in dem Geliebten“ (Eph 1,6), mit Ihm bekleidet. Dann ruft Paulus die Gläubigen auf: „dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid“ (Eph 4,1). Wie sie das tun kann, beschreibt er in den folgenden Kapiteln (Epheser 4–6).
Ihre Würde hat sie nicht aus sich selbst, sondern von ihrem Mann (Vers 23). Das „Tor“ bezeichnet den Versammlungsplatz der Ältesten, wo sich die Führerschaft der Stadt traf, um Gerichtsfälle zu besprechen (Rt 4,1–12). Ihr Mann nimmt sich von Herzen der Interessen der Stadt an. Er sitzt nicht unauffällig zwischen den „Ältesten des Landes“, sondern ist ein angesehener Mann, ein bekannter Führer.
Die Gemeinde ist mit einem Ehemann verbunden, der ununterbrochen mit den Interessen der Stadt beschäftigt ist; damit ist ebenfalls seine Gemeinde gemeint. In Offenbarung 21 geht die Beschreibung der Braut plötzlich auf eine Stadt über, und zwar ohne Erklärung (Off 21,9.10). Die Braut ist auch eine Stadt. Die Frage ist, ob Er überall so bekannt ist und vor allem in den Toren, an den Plätzen der Rechtsprechung. Dabei können wir an die örtlichen Gemeinden denken. Hat Er dort das Sagen, wird dort seine Autorität anerkannt?
Der Ausdruck „wenn er ... bei den Ältesten des Landes“ sitzt, erinnert uns an Offenbarung 5. Dort sehen wir das Lamm inmitten der „Ältesten“ (Off 5,6). Das Lamm sitzt nicht, sondern steht dort wie geschlachtet. Von dem Lamm kann gesagt werden, dass es in den Toren bekannt ist. Wie schon gesagt, sind die Tore der Ort, wo regiert und rechtgesprochen wird. Der Thron Gottes spricht davon. Die sieben Geister, die vom Thron ausgehen, zeigen das. Die Kenntnis, die die 24 Ältesten von dem Lamm haben, zeigt sich daran, dass sie vor dem Lamm niederfallen und anbeten. Das lesen wir am Ende von Offenbarung 5. Als Johannes weint, weil niemand für würdig befunden wird, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu brechen, tröstet ihn einer der Ältesten. Dieser Älteste kennt das Lamm und weist Johannes auf den Löwen aus dem Stamm Juda hin.
24 Sie verkauft und liefert
24 [samech] Sie fertigt Hemden an und verkauft sie, und Gürtel liefert sie dem Kaufmann.
Sie hat für ihre Familie gesorgt, sie hat sich um die Armen gekümmert, auch ist die Stellung ihres Mannes klar beschrieben worden. Nun macht sie sich an die Arbeit für die sie umgebenden Menschen. Sie will auch ihnen mit ihren Fähigkeiten dienen. Doch nun verlangt sie einen Preis für ihre Dienste. Das wird ihr Kapital vermehren, aber auch andere bereichern. Was sie verkauft und liefert, hat gute Qualität.
Die Gemeinde hat vieles zu bieten, doch manchmal muss dafür ein Preis verlangt werden. Die Wahrheit muss gekauft werden (Spr 23,23). Der Sünder kann nichts bezahlen, um errettet zu werden. Ein Mensch wird aus Gnade errettet (Eph 2,8). Aber die Wahrheit des Wortes Gottes fliegt uns nicht zu. Die Wahrheit kennenzulernen, erfordert Zeit und Anstrengung.
25 - 27 Weisheit und Gelingen
25 [ajin] Macht und Hoheit sind ihr Gewand, und so lacht sie des künftigen Tages. 26 [pe] Sie öffnet ihren Mund mit Weisheit, und liebreiche Lehre ist auf ihrer Zunge. 27 [tzade] Sie überwacht die Vorgänge in ihrem Haus und isst nicht das Brot der Faulheit.
Was die tüchtige Frau kennzeichnet, drückt sich in ihrer Kleidung aus. Ihre Kleidung zeigt, wer sie ist (Vers 22). In Vers 25 wird noch einmal über ihre Kleidung gesprochen, aber auf eine andere Weise. Ihre Kleidung ist dort „Macht und Hoheit“. Sie ist eine Frau, die Macht und Vortrefflichkeit ausstrahlt. Alles an ihr ist dynamisch und besonders schön. An jedem neuen Tag begegnet sie dem Leben mit einem Lachen. Das ist kein Übermut, sondern ihr festes Vertrauen auf Gott, der ihr Leben leitet und ihr für alles, was sie tut, die Kraft gibt.
Die Gemeinde verdankt alle Macht und Hoheit, mit der sie bekleidet ist, dem Herrn Jesus. Macht und Hoheit gehören Ihm, und Er hat sie ihr gegeben und sie damit bekleidet: „Und siehe, ich sende die Verheißung meines Vaters auf euch. Ihr aber, bleibt in der Stadt, bis ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe“ (Lk 24,49).
Macht und Hoheit sind göttliche Kennzeichen. Es sind Eigenschaften Gottes, die sie sichtbar macht. Darin sehen wir das Bild der Gemeinde als der Frau des Lammes, die sich ein Kleid aus Leinen bereitet hat. Das Kleid hat sie einerseits selbst gemacht, denn es zeugt von ihren gerechten Taten, die sie getan hat. Andererseits wird ihr dieses Kleid gegeben, denn es ist die Gnade Gottes, die sie befähigt hat, diese gerechten Taten zu tun (Off 19,7.8).
Dieses Bewusstsein bewirkt, dass die Gemeinde „des künftigen Tages“ lacht. Wir können dabei an das Kommen des Herrn für die Seinen denken und auch an sein Wiederkommen mit den Seinigen. Sie freut sich an dem, was kommt, da alles mit Ihm verbunden ist, der kommen wird. Deshalb erfreut sie sich an dem, der kommt. Sie liebt seine Erscheinung (2Tim 4,8).
Die tüchtige Frau ist nicht bekannt als eine Schwätzerin, und schon gar nicht als Klatschbase oder Verleumderin (vgl. 1Tim 5,13; Tit 2,3). Wenn hier steht, dass sie ihren Mund öffnet, bedeutet das, dass sie gewöhnlich nicht redet. Doch wenn sie redet, sind es Worte der Weisheit. Dann zeigt sich, dass sie die „Lehre“ in einer liebreichen Art weitergibt.
Ihre Argumente, um jemanden zu überzeugen, entspringen ihrem gesunden Verstand. Und ihre Belehrungen, die Anweisungen, die sie gibt, sind vertrauenswürdig. Die zweite Verszeile in Vers 26 sagt wörtlich, dass „das Gesetz der Lieblichkeit“ auf ihrer Zunge ist. Was sie sagt, stößt nicht ab, sondern lädt ein, das Gesagte zu akzeptieren. Es ist angenehm, ihr zuzuhören.
Die Belehrung in der Gemeinde ist durch Weisheit und Zuneigung gekennzeichnet. Zuneigung bedeutet nicht charakterlose Süßigkeit. Wenn Gegner zurechtgewiesen werden müssen, muss das auf eine unmissverständliche Weise geschehen. Es ist jedoch wichtig, dass dies aus Zuneigung geschieht, aus dem Motiv heraus, den anderen zu gewinnen (2Tim 2,24–26).
Bevor andere über sie in den Versen 28–31 sprechen, wird als letzte ihrer Tugenden die Wachsamkeit genannt (Vers 27). Sie lässt sich nicht durch ihr Gelingen irreführen, als könnte sie nun wegen ihrer Anstrengungen und der gewünschten Ergebnisse sorglos ihren Weg gehen. Nein, während sie arbeitet, hat sie alles im Auge, was im Haus geschieht. Dort liegt der Schwerpunkt ihrer Aktivitäten. Alles dreht sich um ihre Familie.
Sie weiß von jedem Familienmitglied genau, was es tut. Sie achtet darauf, wer und was in ihre Familie hineinkommt und was die entsprechenden Folgen sind. So kann sie rechtzeitig eingreifen, wenn sie etwas feststellt, was die Hingabe eines Gliedes der Familie im Dienst für Gott schwächt. Es gibt bei ihr keinen Platz für Müßiggang. Sogar wenn sie erfolgreich ist, isst sie „nicht das Brot der Faulheit“. Sie zieht sich nicht selbstzufrieden zurück, um die Ergebnisse ihrer Mühe mit einem Gefühl der Selbstgefälligkeit zu betrachten. Ihre Aufgabe ist nicht vollendet, solange sie für eine Familie zu sorgen hat.
Die Gemeinde darf auch nicht denken, dass alles in Ordnung ist und dass ihr niemand ihre Segnungen rauben kann. Paulus warnt die Thessalonicher vor dieser Art Selbstgefälligkeit. Er sagt ihnen, wobei er sich selbst mit einbezieht: „Also lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein“ (1Thes 5,6). Der Auftrag lautet: „Verharrt im Gebet und wacht darin mit Danksagung“ (Kol 4,2), und dass ihr, „nachdem ihr alles ausgerichtet habt, zu stehen vermögt“ (Eph 6,13).
28 - 31 Sie und ihre Werke werden gepriesen
28 [qoph] Ihre Söhne stehen auf und preisen sie glücklich, ihr Mann steht auf und rühmt sie: 29 [resch] „Viele Töchter haben tüchtig gehandelt, du aber hast sie alle übertroffen!“ 30 [sin] Die Anmut ist Trug, und die Schönheit Eitelkeit; eine Frau, die den HERRN fürchtet, sie wird gepriesen werden. 31 [taw] Gebt ihr von der Frucht ihrer Hände; und in den Toren mögen ihre Werke sie preisen!
Die Kennzeichen der tüchtigen Frau sind in den vorangehenden Versen ausführlich beschrieben worden. Das ruft eine Reaktion hervor, wodurch die Wertschätzung für sie zum Ausdruck kommt. Diese Wertschätzung kommt von vier Seiten: von ihren Kindern, von ihrem Ehemann (Verse 28.29), vom HERRN und von ihren Werken (Verse 30.31). Von allen Menschen kennen ihre Kinder und ihr Mann sie am besten. Sie sind am besten in der Lage, ihren Wert zu beurteilen, wie sie ist und was sie tut und getan hat.
„Ihre Söhne“ sind die Ersten, die sich äußern. Sie „stehen auf“. Das weist darauf hin, dass sie ihre Äußerung über ihre Wertschätzung vorbereiten (vgl. 1Mo 37,35). Dieses Aufstehen mündet gleichsam in einen stehenden Jubel. Diese Haltung passt zu dem, was sie zu sagen haben. Sie bringen neben der Wertschätzung auch Bewunderung und Hochachtung zum Ausdruck. Dann preisen sie sie glücklich und rühmen sie. Dadurch richtet sich aller Ruhm durch sie zu Gott. Von den eigenen Kindern gepriesen zu werden, ist viel mehr wert als all der Gewinn, den sie mit ihrem Handel gemacht hat.
„Ihr Mann steht auf und rühmt sie“. Er spricht seine große Wertschätzung für die Unterstützung aus, dies sie ihm immer gegeben hat und für die Hingabe, mit der sie ihm stets gedient hat. So konnte er sich ganz seiner Berufung widmen. Mit besonderer Auszeichnung hat sie seinem Haushalt vorgestanden. Die Familie gehört natürlich beiden, sowohl dem Mann als der Frau, aber die Frau leistet doch dabei den Löwenanteil. Wie gut und wichtig ist es, dass ein Ehemann seine Wertschätzung für seine Frau öffentlich ausspricht.
Er fügt noch hinzu, dass sie alle anderen Frauen übertrifft, sogar seine Töchter, die selbst wie ihre Mutter „tüchtig gehandelt“ haben (Vers 29). Ihre Töchter haben so gehandelt, weil sie ihr darin gefolgt sind und von ihr gelernt haben.
Ob die Worte in Vers 30 auch ihr Mann gesagt hat, ist nicht ganz klar. Vielleicht hat Lemuels Mutter die Worte gesprochen, um ihren Sohn zu warnen, nicht zu sehr auf das Äußere zu achten. Hinter einem anmutigen Äußeren kann sich ein schlechter Charakter verstecken. Äußere Schönheit ist vergänglich, sie ist nicht bleibend, sondern verschwindet mit der Zeit.
Er soll sich bewusst sein, dass das Tüchtige einer Frau nicht in ihrer äußeren Schönheit besteht, sondern in ihrem inneren Umgang mit dem Herrn (vgl. 1Pet 3,3.4). Darum muss man bei der Wahl einer Frau vor allem darauf achten, ob sie eine Frau ist, die „den HERRN fürchtet“. Diese Frau wird „gepriesen werden“, und zwar von Gott und auch von ihrer Familie.
Dasselbe gilt für die Gemeinde. Dabei geht es nicht um all die äußeren attraktiven Dinge, wie beispielsweise Geistesgaben, die für das Auge anziehend sind. Es geht vielmehr um Ehrfurcht vor dem Herrn und die Hingabe an Ihn. Das ist wichtig, wenn wir eine örtliche Gemeinde beurteilen.
Die „Frucht ihrer Hände“ (Vers 31) spricht von dem, was sie mit ihrer harten Arbeit zustandegebracht hat. Die Ergebnisse ihrer Arbeit können ihr Befriedigung geben. Sie hat sie verdient. Sie wird selbst sagen, dass alles nur Gnade war. Und das stimmt auch. Zugleich war es ihr unermüdlicher Einsatz, den der Herr wertschätzt und auch alle die, die sie beobachtet haben. Der Herr wird alles belohnen, was für Ihn getan worden ist.
Ihre Werke sind von besonderer Qualität. Sie sollen in „den Toren“ gepriesen werden. Dort, wo ihr Mann zusammen mit den Ältesten des Landes sitzt (Vers 23), soll sie geschätzt werden. Eine Frau, die ihrer Familie gut vorsteht, ist ein Vorbild für jede Art von Führung. Stadtverwaltungen und Landesregierungen würden gut daran tun, das Werk solcher Frauen anzuerkennen und ihrem Beispiel zu folgen. Dann gäbe es Hoffnung für eine Gesellschaft, die zurzeit als Folge der vielen zerbrochenen Familien ein Trümmerhaufen ist. Das ist unter anderem eine Folge davon, dass Frauen lediglich ihre eigenen Interessen verfolgen.
Nicht die Schönheit einer Frau, sondern ihre Werke bringen ihr Lob ein. Sie wird wegen der Frucht ihrer Hände gepriesen. Der Baum wird an seiner Frucht erkannt. Wenn die Frucht gut ist, ist auch der Baum gut. Sie erntet Ruhm von allem, was sie gesät hat, was sie in die Erziehung investiert hat. Das gilt auch für alle Fürsorge, die sie ihrem Mann und ihren Kindern angedeihen ließ.
Die treibende Kraft in ihr ist die „Furcht des HERRN“. Am Ende dieses Buches wird noch einmal ausdrücklich auf den wichtigsten Aspekt der Weisheit hingewiesen, mit dem das Buch auch angefangen hat (Spr 1,7).
Das gilt auch für die Gemeinde. Allein durch die Ehrfurcht vor Gott ist sie in der Lage, sich auf eine Weise zu äußern, die das Lob Gottes ernten wird.