1 - 8 Die ersten vier Siegel
1 Ich sah, als das Lamm eins von den sieben Siegeln öffnete: Und ich hörte eins von den vier lebendigen Wesen wie eine Donnerstimme sagen: Komm! 2 Und ich sah: Und siehe, ein weißes Pferd, und der, der darauf saß, hatte einen Bogen; und eine Krone wurde ihm gegeben, und er zog aus, siegend und damit er siegte. 3 Und als es das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite lebendige Wesen sagen: Komm! 4 Und ein anderes, feuerrotes Pferd zog aus; und dem, der darauf saß, ihm wurde gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, und dass sie einander schlachteten; und ein großes Schwert wurde ihm gegeben. 5 Und als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte lebendige Wesen sagen: Komm! Und ich sah: Und siehe, ein schwarzes Pferd, und der, der darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand. 6 Und ich hörte etwas wie eine Stimme inmitten der vier lebendigen Wesen, die sagte: Ein Chönix Weizen für einen Denar und drei Chönix Gerste für einen Denar; und das Öl und den Wein beschädige nicht. 7 Und als es das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten lebendigen Wesens sagen: Komm! 8 Und ich sah: Und siehe, ein fahles Pferd, und der, der darauf saß, sein Name war der Tod; und der Hades folgte ihm. Und ihnen wurde Gewalt gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und mit Tod und durch die wilden Tiere der Erde.
Bevor wir mit Kapitel 6 beginnen, gebe ich dir eine kurze Übersicht über die folgenden Kapitel. Dann hast du einen allgemeinen Eindruck von dem, was geschehen wird. In Kapitel 6 werden die ersten sechs Siegel geöffnet. Diese sechs Siegel beschreiben die ersten sechs Heimsuchungen, die nach der Entrückung der Gemeinde über die Erde kommen werden. Kapitel 7 ist eine Einschaltung zwischen dem sechsten und dem siebten Siegel. Darin zeigt Gott, dass eine große Anzahl von Gläubigen in den Gerichten bis zum Kommen des Herrn Jesus auf die Erde bewahrt werden wird. Sie gehen dann lebend in das Friedensreich hinein. In Kapitel 8 wird das siebte Siegel geöffnet. Das hat im Himmel eine halbe Stunde Schweigen zur Folge. Danach blasen sieben Engel sieben Posaunen, die neue Gerichte einläuten. In den Kapiteln 8 und 9 werden sechs Posaunengerichte beschrieben. Die Kapitel 10,1–11,13 bilden eine neue Einschaltung. Danach wird die siebte Posaune geblasen (Off 11,14–18).
In den Kapiteln 12–14 werden einige Ereignisse aus der Zeit vorher näher beschrieben. In den Kapiteln 15 und 16 liest du von sieben Engeln mit sieben Schalengerichten. Das sind die abschließenden Gerichte, die am heftigsten sind. Die Kapitel 17 und 18 sind besonders dem Gericht über das große Babylon, die falsche Kirche, gewidmet. Danach findet in Kapitel 19 die Hochzeit des Lammes mit der wahren Kirche – der Gemeinde – statt. Danach folgt bis Kapitel 21,8 in chronologischer Reihenfolge das, was noch bis zum Anbruch der Ewigkeit geschieht. Ab Kapitel 21,9 findest du eine Beschreibung des neuen Jerusalem im Friedensreich. Das Buch endet mit Mitteilungen über das Kommen Christi und seiner Zusage, dass Er bald kommt.
V1. Hier siehst du, zusammen mit Johannes, wie der Herr Jesus als das Lamm das erste Siegel öffnet. Wie bereits gesagt, geht es um eins der Siegel des Buches, in dem Gott seine Ratschlüsse und Gerichte im Hinblick auf die Erde aufgeschrieben hat. Die Gerichte, die mit dem Öffnen eines jeden der Siegel über die Erde kommen, kannst du einleitende Gerichte nennen. Es sind noch nicht die eigentlichen, endgültigen Gerichte, die die Reinigung der Erde und ihre Befreiung zur Folge haben. Doch sie bereiten den Weg dorthin. Die Siegelgerichte kündigen den Anfang des Endes an, das heißt, dass Gott damit beginnt, seinen Willen zu erfüllen, indem Er die Erde für die Regierung Christi zubereitet.
Der Befehl „Komm!“ ist nicht an Johannes gerichtet, noch weniger an Christus. Er kommt von einem der lebendigen Wesen, die mit der Ausübung des Gerichtes zu tun haben, und richtet sich an das Pferd als Symbol des Gerichtes. Es geht hier noch um Gerichte in der Vorsehung. Das bedeutet, dass es Gerichte sind, die von ungläubigen Menschen Naturelementen oder politischen Umständen oder anderen Umständen zugeschrieben werden, während sie in Wirklichkeit von Gott bewirkt werden. Die Menschen erkennen in diesen Plagen noch nicht die Hand Gottes.
V2. Pferde symbolisieren hier Mächte, die Gott in seiner Vorsehung zum Gericht gebraucht (Sach 1,10; Off 19,11). Die Farben der Pferde der ersten vier Siegel haben nacheinander folgende Bedeutung: weiß steht für Sieg, feuerrot für Blut, schwarz für Trauer, fahl als Leichenfarbe für Tod (vgl. Sach 1,8; 6,2–8).
Das weiße Pferd mit seinem Reiter, der siegend auszieht, stellt nicht das Kommen Christi dar. Christus kommt erst in Kapitel 19 aus dem Himmel. Manche nehmen an, dass es hier um einen Fürsten geht, der die Vereinigung des Römischen Reiches bewirkt und aufrechterhält. Ich erinnere daran, dass wir hier die ersten Ereignisse auf der Erde finden, die unmittelbar nach der Entrückung der Gemeinde stattfinden werden. Wenn die Gemeinde aufgenommen ist, wird es so aussehen, dass alle Bemühungen des Menschen, einen dauerhaften Frieden zu bewirken, von Erfolg gekrönt sind. Es ist eine kurze Zeit scheinbaren Friedens und Wohlergehens in Verbindung mit einem Gefühl der Sicherheit. Gott wird das zulassen, während der Mensch in seinem Hochmut das als eigenen Erfolg betrachtet (1Thes 5,3). An Frieden mit Gott und an das, was Gott für gerecht erachtet, denkt der Mensch nicht.
Der Bogen, ohne dass ein Pfeil erwähnt wird, deutet möglicherweise darauf hin, dass es zu der Zeit keinen Rüstungswettlauf gibt und die Abrüstung, was die Massenvernichtungswaffen betrifft, die eine große Reichweite haben, zum großen Teil bewerkstelligt ist. Es kann auch sein, dass es eine solch große Menge von Langstreckenraketen gibt, dass die Bedrohung ausreicht, Menschen ohne direktes Blutvergießen für sich zu gewinnen. Dass dieser Prozess sich wahrscheinlich auf friedliche Weise vollzieht, kann aus der weißen Farbe abgeleitet werden. Dem Sieger wird eine Krone gegeben. Das weist darauf hin, dass er unter der Zulassung Gottes siegt, weil es dessen Plänen entspricht. Das bedeutet nicht, dass Gott sein Handeln und seine Motive gutheißt, sondern dass Er das Vorgehen zulässt.
V3.4. Als das Lamm das zweite Siegel öffnet, hört Johannes das zweite lebendige Wesen sagen: „Komm!“ Weil es in Kapitel 6,1 nicht heißt: „… das erste lebendigen Wesen“, sondern: „ …eines der vier lebendigen Wesen“, lässt sich die Reihenfolge, in der die lebendigen Wesen sprechen, anhand von Kapitel 4,7 nicht feststellen. Das Pferd, das erscheint, hat eine feuerrote Farbe. Die friedliche Zeit, von dem Reiter des weißen Pferdes bewirkt, wird nach kurzer Zeit von dem Reiter des feuerroten Pferdes auf schreckliche Weise beendet.
Nach einer Zeit des Friedens während des ersten Siegels wird nun ein Geist des Unfriedens wirksam, der zu Krieg führt, möglicherweise zu einem Bürgerkrieg. Hier gibt es keinen Bogen wie beim ersten Siegel, sondern ein Schwert für den Nahkampf von Mann zu Mann. Es ist auch ein großes Schwert, was darauf hinweist, dass es um ein großes Abschlachten geht. Hier wird deutlich, dass die Abrüstung nicht vollständig war. Menschen sind betrügerisch. Frieden, von Menschen bewirkt, hat keinen Bestand. Nur Gott kann dauerhaften Frieden geben (Ps 147,14). Friede ist eine Folge davon, dass der Mensch sich der Regierung Gottes unterwirft.
V5. Als das Lamm das dritte Siegel öffnet, ertönt der Befehl des dritten lebendigen Wesens: „Komm!“ Johannes sieht ein schwarzes Pferd mit seinem Reiter. Er sieht auch, dass der Reiter eine Waage in der Hand hat. Die Bedeutung der Farbe schwarz brauchen wir nicht zu erraten. Schwarz ruft keine angenehmen Gedanken hervor, sondern hat es mit Trauer und Klagen zu tun (Klgl 5,10; Jer 4,28). Die Waage deutet darauf hin, dass das, was zur Verfügung steht, genau gewogen wird. Das allgemeine Wohlergehen ist vorbei.
V6. Du kannst dir vorstellen, dass durch den Krieg unter dem zweiten Siegel ein wirtschaftliches Chaos entsteht. Die notwendigsten Lebensmittel werden sehr knapp und dadurch teuer. Diese Situation wird ausdrücklich mit einem Gericht, das von Gott kommt, in Verbindung gebracht. Hier steht nicht von ungefähr, dass etwas „wie eine Stimme inmitten der vier lebendigen Wesen“ diese Knappheit ankündigt.
Unter dieser Krise wird vor allem die Durchschnittsbevölkerung zu leiden haben. Für ein Chönix, das ist eine Mahlzeit, muss ein Denar bezahlt werden, das ist der Tagelohn eines Arbeiters (Mt 20,2). Der einfache Mann muss mit einer Mahlzeit pro Tag auskommen. Das Wort Chönix lässt auch den Gedanken nicht zu, dass es eine Mahlzeit mit mehreren Gängen ist. Sein gesamter Verdienst wird dafür aufgewendet. Für etwas anderes ist kein Geld übrig.
Öl und Wein sollen nicht beschädigt werden. Diese Produkte werden allgemein als Wohlstandsgüter angesehen. In den Sprüchen wird davor gewarnt, Wein und Öl zu lieben (Spr 21,17). Wenn die verschont werden sollen, kann das darauf hindeuten, dass es den Reichen noch gut geht. Sie halten immer länger durch. Doch auch für sie kommt Knappheit, vielleicht nicht in materieller, wohl aber in geistlicher Hinsicht (siehe Vers 15). Ich persönlich habe den Eindruck, dass man bei Öl und Wein eher an Heilmittel denken sollte (siehe Lk 10,34). Wenn Öl und Wein verschont werden, würde das dann bedeuten: Trotz der schweren Prüfungen, die über die Erde kommen, ist Gottes Barmherzigkeit doch noch nicht völlig weggenommen.
V7.8. Als das Lamm das vierte Siegel öffnet, hört Johannes den Befehl des vierten lebendigen Wesens: „Komm“! Nun haben alle vier lebendigen Wesen gesprochen. Das Pferd, das du nun siehst, hat eine fahle Farbe. Der Reiter dieses Pferdes hat einen Namen: der Tod; ihm folgt der Hades. Hier gibt es keinerlei Spur von Barmherzigkeit mehr. Alles ist Finsternis. Das kann auch nicht anders sein, denn wo Gott als die Quelle des Lebens geleugnet wird, hält der Tod seinen Einzug. Das Gebiet, wo dieses Gericht stattfindet, ist der „vierte Teil der Erde“. Das ist ein kleineres Gebiet als „der dritte Teil“, der das Römische Reich umfasst (Off 12,4). Das Gericht hat also noch einen verhältnismäßig kleinen Umfang.
Auf die Hungersnot unter dem vorhergehenden Siegel folgt der Tod, der auf verschiedene Weise seine Opfer einfordert. Dem Tod folgt der Hades, da die Opfer des Todes dort ankommen. Der Tod handelt mit den Lebenden und der Hades mit den Toten. Zusammen kassieren sie ihre Opfer durch Kriege (Schwert), Hungersnöte (Hunger), den Tod (die Pest? Vgl. Hes 14,21) und die wilden Tiere der Erde (Jer 14,12; 15,2; Hes 5,12.17; 14,21; 33,27). Möglicherweise sind die wilden Tiere ein Bild gewissenloser Menschen (1Kor 15,32; Tit 1,12; Off 13,1), die ihre Mitmenschen terrorisieren.
Lies noch einmal Offenbarung 6,1–8.
Frage oder Aufgabe: Versuche einmal, die Kennzeichen der ersten vier Siegel jeweils mit einem Wort oder mit wenigen Worten zusammenzufassen.
9 - 17 Das fünfte und das sechste Siegel
9 Und als es das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. 10 Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Bis wann, o Herrscher, der du heilig und wahrhaftig bist, richtest und rächst du nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen? 11 Und es wurde ihnen, einem jeden, ein weißes Gewand gegeben; und es wurde ihnen gesagt, dass sie noch eine kleine Zeit ruhen sollten, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder vollendet sein würden, die ebenso wie sie getötet werden würden. 12 Und ich sah, als es das sechste Siegel öffnete: Und es geschah ein großes Erdbeben; und die Sonne wurde schwarz wie ein härener Sack, und der ganze Mond wurde wie Blut, 13 und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum, geschüttelt von einem starken Wind, seine unreifen Feigen abwirft. 14 Und der Himmel entwich wie eine Buchrolle, die zusammengerollt wird, und jeder Berg und jede Insel wurden von ihren Stellen gerückt. 15 Und die Könige der Erde und die Großen und die Obersten und die Reichen und die Starken und jeder Knecht und Freie verbargen sich in die Höhlen und in die Felsen der Berge; 16 und sie sagen zu den Bergen und zu den Felsen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes; 17 denn gekommen ist der große Tag seines Zorns, und wer vermag zu bestehen?
V9. Als das Lamm das fünfte Siegel öffnet, folgt etwas anderes als bei den vorigen Siegeln. Dort kamen verschiedene Pferde mit Reitern, die bestimmte Dinge taten. Nach dem Zustandekommen eines Scheinfriedens folgten verschiedene Aktionen, die Tod und Elend zur Folge hatten. Bei diesem fünften Siegel siehst du nichts geschehen, sondern du bekommst einen Blick hinter den Vorhang des Todes. Du siehst und hörst dort Personen, die nach Rache rufen.
Dieses Siegel ist kein direktes Gericht, sondern es ist die Vorbereitung auf die später folgenden Gerichte unter den übrigen Siegeln. Dabei geht es nicht um dieselbe Art von Gerichten wie unter den vorhergehenden Siegeln. Dort geschahen Dinge auf der Erde, die eine Plage für die Menschen waren, wobei es so aussieht, als hätten diese Plagen sich aus ihren eigenen verkehrten Handlungen ergeben, obwohl Gott sie sandte. Die Gerichte, die nun noch folgen, sind dagegen Gerichte, bei denen die Menschen notgedrungen mehr direkt die Hand Gottes erkennen müssen.
Diejenigen, die nach Rache rufen, sind „unter dem Altar“. Der Altar ist ein Ort, wo geopfert wird. Das wird auch aus der Beschreibung deutlich, die folgt. Es sind die Seelen derer, die geschlachtet worden waren, und zwar von den Feinden Gottes. Sie sind „unter dem Alter“, weil sie ihr Leben um des Wortes Gottes willen als Opfer dargebracht haben (vgl. das Blut, in dem die Seele ist, das an den Fuß des Altars ausgegossen wurde; 2Mo 29,12; 3Mo 4,7.18.25.30.34). Gott betrachtet ihren Tod als ein Ihm wohlgefälliges Opfer.
Du liest hier von „Seelen“, weil diese Gläubigen noch nicht auferweckt sind. Ihre Leiber sind noch im Grab. Dadurch wird zugleich deutlich, dass sie nicht zur Gemeinde gehören, denn von denen, die zur Gemeinde gehören, werden die Leiber schon beim Kommen des Herrn Jesus auferweckt sein. Die Gläubigen, um die es hier geht, sind während der Zeit des Öffnens der Siegel gestorben, als auch das Evangelium verkündigt wurde, nämlich das Evangelium des Reiches der Himmel (Mt 24,14). Sie bleiben bis zur Wiederkunft Christi in diesem Zustand (Off 20,4).
Sie sind weder eines natürlichen Todes noch durch eine Krankheit gestorben. Nein, sie sind „um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten“, getötet worden. Sie waren der Wahrheit Gottes treu geblieben und hatten auch davon gezeugt. Das mussten sie mit dem Tod bezahlen, und diesen Preis wollten sie auch bezahlen. Deshalb sind sie „geschlachtet“ worden; das ist dasselbe Wort wie das, was für den Herrn Jesus als das „geschlachtete“ Lamm (Off 5,6) gebraucht wird. Was Menschen dem Herrn Jesus antaten, das tun sie auch denen an, die Ihm treu sind. Diese Seelen sind die ersten Märtyrer. Es werden noch viele ihrer Brüder in noch schrecklicheren Zeiten folgen (Off 12,17; 13,7).
V10. Die Worte, die sie ausrufen, sind Worte der Rache. Auch das macht deutlich, dass wir uns nicht auf christlichem Boden befinden. Es ist die Sprache des Alten Testaments (vgl. Ps 79,10–13; 137,7–9). Die Gläubigen der Gemeinde bitten nicht um Rache an ihren Verfolgern, sondern um Gnade (Apg 7,60). Nach der Entrückung der Gemeinde wird dies ein geziemendes Gebet sein. Es geht dann darum, dass Gott sein Anrecht an die Erde geltend macht, und das kann nur durch Gericht geschehen. Wenn die Gläubigen dann verfolgt werden, besteht die Befreiung nicht darin, dass sie aus der Verfolgung weggenommen werden, wie das bei der Gemeinde der Fall sein wird, sondern dadurch, dass die Feinde gerichtet werden. Die Feinde sind die Menschen, „die auf der Erde wohnen“. Sie haben mit Gott nichts zu schaffen und wollen nicht mit Ihm konfrontiert werden.
Die Seelen unter dem Altar rufen Gott als Herrscher an, der heilig und wahrhaftig ist. Sie verlangen nach Gerechtigkeit für das Unrecht, das ihnen angetan wurde. Sie berufen sich dabei auf Gott, der das versteht. Er ist ja heilig und verabscheut Unheiligkeit. Er ist auch wahrhaftig und hasst das Unrecht. Sie zweifeln nicht daran, dass Er gegen das Böse vorgehen und dabei seine absolute Souveränität als Herrscher zeigen wird. Doch sie fragen sich, wie lange sie noch darauf warten müssen (Ps 94,3; Hab 1,2). Zugleich zeigt diese Frage, dass sie wissen, dass die Verfolgung der Treuen ein Ende haben wird.
V11. Als Antwort auf ihr Rufen bekommen die Märtyrer symbolisch ein langes weißes Kleid, denn Seelen können nicht bekleidet werden. In demselben Sinn heißt es von Gott, der Geist ist, dass Er bekleidet ist (z. B. Ps 104,2; Jes 6,1). Damit empfangen sie gleichsam eine hohe Auszeichnung dafür, dass sie Gerechte und Überwinder sind. Das unterstreicht ihre Würde.
Zugleich wird ihnen gesagt, dass sie noch ein wenig ruhen soll. Dabei geht es um „eine kleine Zeit“, das ist die Zeit der großen Drangsal. Die Gruppe, die hier zu Wort kommt, ist die erste Gruppe von Märtyrern nach der Entrückung der Gemeinde. Es werden noch weitere Märtyrer hinzukommen, nämlich die, die in der großen Drangsal getötet werden (Off 20,4b). Das sind ihre Mitknechte, denn sie dienen demselben Herrn und ihren Brüdern, denn sie gehören zu der Familie derer, die den Willen Gottes getan haben (Mt 12,49.50). Wenn sie getötet worden sind, wird die Zahl der Märtyrer vollständig sein und der Herr Jesus wird kommen, um ihrer Bitte um Rache zu entsprechen.
V12. Nach diesem kurzen Gespräch öffnet das Lamm das sechste Siegel. Was dann geschieht, ist sozusagen ein „Vorschuss“ auf die Erhörung des Gebets unter dem vorigen Siegel. Es folgt ein großes Erdbeben, das die Erde ins Chaos stürzt. Dieser Machtbeweis macht aus dem Menschen ein völlig unbedeutendes und nichtiges Wesen. Über der Erde wird es schwarz und rot. Die gesamte Schöpfung ist in eine beängstigende Kulisse verwandelt worden. Es kann sein, dass das, was hier beschrieben wird, buchstäblich geschieht. Es kann auch sein, und das scheint mir die erste Bedeutung zu sein, dass es um eine symbolische Beschreibung der Dinge geht.
Das große Erdbeben beschreibt dann eine große Revolution, wodurch alles, was dem Menschen Festigkeit und Halt gibt, weggenommen wird. Es betrifft soziale, politische und religiöse Ordnungen, Dinge, die im Leben Halt geben. Normalerweise ist im Leben der Grund unter den Füßen das, was am sichersten ist. Sonne, Mond und Sterne sind als Symbole für Herrscher zu verstehen (vgl. 1Mo 1,16). Wenn diese Himmelskörper ihren Glanz verlieren und schwarz und wie Blut werden, bedeutet das, dass diese Herrscher, die Gott ursprünglich gegeben hatte, damit sie die Ordnung aufrechterhielten und Leben beschützten, nun Finsternis und Tod verursachen.
V13. Bei den Sternen hier scheint es ganz sicher um eine symbolische Beschreibung von Herrschern zu gehen. Wenn es tatsächlich geschehen würde, dass Sterne auf die Erde fallen, würde von der Erde nichts übrig bleiben. Dass sie vom Himmel fallen, bedeutet, dass sie ihre ursprüngliche Funktion verlieren. Sie waren zur Orientierung für den Menschen bestimmt, doch die geben sie nicht mehr. Sie zeigen nun ihre wahre Art. Früher wurden sie noch durch bestimmte christliche Werte und Normen in Schach gehalten. Ihre eigene Gerechtigkeit kommt nun unter den Einfluss von Mächten, denen sie sich nicht widersetzen können. Böse Mächte übernehmen die Führung.
V14. Gott zieht gleichsam seine Hände von seiner Schöpfung ab. Die Gedanken des Himmels (d. i. von Gott) werden verdunkelt, ohne dass die Möglichkeit besteht, sie noch kennenzulernen. In einem zusammengerollten Buch kann man ja nicht lesen. Licht von oben gibt es nicht mehr, nur moralische Finsternis. Dadurch ist man blind für jede göttliche Führung. Das hat zur Folge, dass jeder Berg und jede Insel von ihren Stellen gerückt werden. In Verbindung mit den vorhergehenden Versen scheint das darauf hinzuweisen, dass auch das symbolisch gesehen werden muss. Berge stellen dann große, unbewegliche Mächte vor, und Inseln sind ein Bild wirtschaftlicher Mächte. Auch sie verlieren ihre übliche Funktion und werden desorientiert.
V15. Die Beschreibung in diesem Vers kannst du durchaus wörtlich verstehen. In der siebenfachen Beschreibung kannst du die ganze Menschheit sehen, angefangen vom König bis zum Sklaven. Alle sind durch den Wegfall jeder menschlichen Regierung so bestürzt und entsetzt, dass sie sich verbergen wollen. Alle Unterschiede bezüglich Gedeihen, Wohlfahrt, Reichtum und gesellschaftlicher Stellung verschwinden. Nichts an wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Vorteilen gewährt irgendeinen Schutz vor diesen Gerichten. Gemeinsam verkriechen sie sich in den Höhlen und Felsen der Berge (Jes 2,19).
V16. Selbst wenn sie dort sitzen, wähnen sie sich nicht sicher vor dem Zorn des Lammes. Sie sind durch die Katastrophen unter dem vorhergehenden Siegel zu der Erkenntnis gelangt, dass sie es mit Gott und dem Lamm zu tun haben. Sie fangen an, an Gott zu denken und sogar an das Lamm (Spr 10,24a). Das ist der Beweis, dass auch der ungläubige Mensch sich innerlich bewusst ist, dass er mit Gott als dem Richter zu tun hat. Sie haben auch Kenntnis von dem Lamm und seinem Zorn. Das weist darauf hin, dass sich das dort abspielt, wo einmal das Christentum zu Hause war.
Doch so sehr sie sich auch fürchten, sie bekehren sich nicht! Was sie immer geleugnet haben und nun anerkennen müssen, wollen sie nicht annehmen. Sie beugen sich nicht vor dem Lamm. Sie ziehen es vor, dass die Berge und Felsen auf sie fallen. Vielleicht denken sie, sollten sie sterben, durch den Tod Gott und dem Zorn des Lammes zu entkommen. Auch das wird sich als tragischer und fataler Irrtum herausstellen, wenn sie vor den großen weißen Thron gerufen werden (Off 20,12.13).
V17. Menschen, die sich nicht bekehren wollen, irren sich immer. So meinen diese Menschen, dass der große Tag des Zornes Gottes und des Lammes gekommen sei. Doch das ist nicht so. Es ist erst der Anfang der Wehen (Mt 24,8). Erst wenn Christus erscheint, wird dieser große Tag anbrechen.
Lies noch einmal Offenbarung 6,9–17.
Frage oder Aufgabe: Nenne einige Unterschiede zwischen dem, was die Seelen unter dem Altar von Gott erbitten und was du als Christ von Ihm erbittest.