1 - 10 Bekehrung und Rückkehr in das Land
1 Und es wird geschehen, wenn alle diese Worte über dich kommen, der Segen und der Fluch, die ich dir vorgelegt habe, und du es zu Herzen nimmst unter all den Nationen, wohin der HERR, dein Gott, dich vertrieben hat, 2 und umkehrst zu dem HERRN, deinem Gott, und seiner Stimme gehorchst nach allem, was ich dir heute gebiete, du und deine Kinder, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele – 3 so wird der HERR, dein Gott, deine Gefangenschaft wenden und sich deiner erbarmen; und er wird dich wieder sammeln aus all den Völkern, wohin der HERR, dein Gott, dich zerstreut hat. 4 Wenn deine Vertriebenen am Ende des Himmels wären, so wird der HERR, dein Gott, dich von dort sammeln und dich von dort holen; 5 und der HERR, dein Gott, wird dich in das Land bringen, das deine Väter besessen haben, und du wirst es besitzen; und er wird dir Gutes tun und dich mehren über deine Väter hinaus. 6 Und der HERR, dein Gott, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden, damit du den HERRN, deinen Gott, liebst mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele, damit du am Leben bleibst. 7 Und der HERR, dein Gott, wird alle diese Flüche auf deine Feinde und auf deine Hasser legen, die dich verfolgt haben. 8 Und du wirst umkehren und der Stimme des HERRN gehorchen und wirst alle seine Gebote tun, die ich dir heute gebiete. 9 Und der HERR, dein Gott, wird dir Überfluss geben bei allem Werk deiner Hand, an der Frucht deines Leibes und an der Frucht deines Viehs und an der Frucht deines Landes, zum Wohlergehen; denn der HERR wird sich wieder über dich freuen zum Guten, so wie er sich über deine Väter gefreut hat – 10 wenn du der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchst, um seine Gebote und seine Satzungen zu halten, die in diesem Buch des Gesetzes geschrieben sind, wenn du umkehrst zu dem HERRN, deinem Gott, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele.
Dieses Kapitel macht deutlich, dass Gott jederzeit Wiederherstellung geben kann. Das gilt für Israel und es gilt auch heute für uns, für die Gemeinde Gottes. Die Bekehrung Israels wird in ihrer Zerstreuung beginnen. Gott wird in ihren Herzen das Verlangen nach Rückkehr zu Ihm und seinem Land bewirken. Sie werden erkennen, dass sie wegen ihrer Sünden aus dem Land entfernt wurden, und werden dies auch mit Beschämung Gott bekennen (Hes 6,9).
Eine gewisse Vorerfüllung der Rückkehr aus der Zerstreuung sehen wir in den Tagen von Esra und Nehemia, obwohl es dort fast ausschließlich um die Rückkehr aus Babel und nicht aus all den Völkern geht. Wir hören im Gebet des Nehemia, wie er für das verstreute Israel vor Gott aufgrund dieser Verheißung fleht (Neh 1,5–11). Die endgültige Erfüllung wird aufgrund der Verheißung Gottes an seinen Messias geschehen (Jes 49,6a).
Wir leben in einer Zeit großen Verfalls, von dem die Christenheit als Ganzes gekennzeichnet wird. Auf dem Ganzen steht „Babel“ – das bedeutet: „Verwirrung“ – geschrieben. Die Gläubigen sind in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Doch für alle, die sich unter dieser Situation vor Gottes Angesicht beugen, ist eine Rückkehr zu den verlorenen Segnungen möglich.
Gott hat uns durch sein Wort viel von dem Segen des Landes und dem Platz, an dem Er gerne wohnen möchte, sehen lassen. Die Erkenntnis hinsichtlich dieser Dinge können wir verlieren, wenn wir nicht bei dem Herrn bleiben. Doch Er kann jederzeit Wiederherstellung geben, wie hier in Vers 2 aufgezeigt wird. Wiederherstellung kann eine Angelegenheit des Einzelnen sein, doch es kann sich ausbreiten. Gott will sein ganzes Volk um sich versammeln. Es gibt auch eine Wiederherstellung des Landes.
Zum Segen des Landes gehört ein beschnittenes Herz (Vers 6). Die Beschneidung des Herzens ist eine geistliche Beschneidung (Röm 2,29). Diese Beschneidung kann nur in Verbindung mit dem Werk Christi geschehen (Kol 2,11.12). Für Israel bedeutet es die Erkenntnis, dass, was die eigene Verantwortung betrifft, jeder Segen hoffnungslos verloren ist.
Nur bei jemandem, der beschnittenen Herzens ist, gibt es Liebe zu Gott. Dann richten sich Herz und Seele nach Gott aus und ein solcher bekommt ein Auge für die verborgenen Dinge. Das geschieht, wenn Gott in Gnade dort wirkt, wo der Mensch mit seinen Werken alles verdorben hat. Gott bewirkt diese Überzeugung in den Herzen. Die durch Ihn geschehene Beschneidung bewirkt Selbstgericht und das Annehmen der Gnade. Diese Haltung beantwortet Gott mit Segen.
Die erste Folge einer solchen aufrichtigen und tiefgehenden Bekehrung ist Liebe zum HERRN, ihrem Gott, und das mit ihrem ganzen Wesen. Das ist zugleich der Ausgangspunkt und das Motiv für ihr Leben. Eine zweite Folge ist, dass der empfange Segen reichlicher sein wird als das, was sie verloren haben. Ihre Feinde aber werden umkommen durch die Plagen, die durch Untreue zuerst über das Volk selbst gekommen waren.
Infolge der Umkehr wird Gott für sein Volk alles zum Guten wenden, während Er bei den verstockten Feinden des Volkes alles zum Schaden führen wird. Wenn sich ein Volk oder eine Person bekehrt, ruht Gottes Wohlgefallen darauf. Sie sind zu seinem Wohlgefallen, weil sie Gott den Platz geben, der Ihm gebührt, und Ihm gegenüber den richtigen Platz einnehmen. Es ist Harmonie entstanden. Die folgenden Verse lassen uns sehen, wie das geschehen ist.
11 - 14 Das Gebot ist nicht zu wunderbar und nicht fern
11 Denn dieses Gebot, das ich dir heute gebiete, ist nicht zu wunderbar für dich und ist nicht fern. 12 Es ist nicht im Himmel, dass du sagen könntest: Wer wird für uns in den Himmel steigen und es uns holen und es uns hören lassen, damit wir es tun? 13 Und es ist nicht jenseits des Meeres, dass du sagen könntest: Wer wird für uns jenseits des Meeres hinüberfahren und es uns holen und es uns hören lassen, dass wir es tun? 14 Sondern sehr nahe ist dir das Wort, in deinem Mund und in deinem Herzen, damit du es tust.
Die Bedeutung dieser Verse ist, uns erkennen zu lassen, dass die Dinge, die Gott von einem Menschen oder von seinem Volk verlangt, nicht zu schwierig sind. Es wird keine einzige Anstrengung verlangt („nicht zu wunderbar … nicht fern“). Auch werden Gottes Gebote in einer verständlichen („in deinem Mund“) und einleuchtenden („in deinem Herzen“) Sprache mitgeteilt. Gott hat von seiner Seite alles so eingerichtet, dass der Mensch ohne Anstrengung seinen Geboten gerecht werden und den Segen genießen kann. Warum? Weil jede Anstrengung des Menschen zum Scheitern verurteilt ist. Wodurch? Weil der Mensch von Natur verdorben ist.
Davon spricht der Brief an die Römer in Kapitel 10, wo diese Verse aus dem fünften Buch Mose angeführt und ausgelegt werden (Röm 10,5–8). Paulus spricht dort über Menschen, die einem Gesetz der Gerechtigkeit nachgejagt sind, ohne es zu erlangen. Erst wenn ein Mensch die Nutzlosigkeit seiner eigenen Anstrengungen einsieht, erkennt er Christus als das Ende des Gesetzes. Dann ist er fertig mit eigenen Anstrengungen und glaubt zur Gerechtigkeit (Röm 10,3.4). Das Ende des Gesetzes wird nicht erreicht, indem man es hält, sondern indem man erkennt, dass man es nicht halten kann. Dadurch wird das Herz auf Christus gerichtet.
Im Folgenden wird das Ziel des Gesetzes zitiert: „Tue dies und du wirst leben“ (Röm 10,5; 3Mo 18,5). Gott deutet damit an, dass jemand seine eigene Gerechtigkeit verdienen kann, indem er das Gesetz hält. Doch da ist niemand, der das Gesetz gehalten hat. Es gibt jedoch einen anderen Weg, um Gerechtigkeit zu erlangen, und zwar auf der Grundlage des Glaubens. Dann aber ist keine Rede mehr von eigener Gerechtigkeit.
Wenn es um Glauben geht, sind alle eigenen Anstrengungen zur Erlösung ausgeschlossen. Das meint Paulus, wenn er aus diesem Teil von 5. Mose zitiert und sagt: Sage nicht in deinem Herzen: „Wer wird in den Himmel hinaufsteigen?“ (Röm 10,6). In dem Wort „hinaufsteigen“ liegt der Gedanke: aus eigener Kraft den Himmel erreichen. Solange dieser Gedanke vorhanden ist, wird der Vollkommenheit des Werkes Christi nicht Rechnung getragen und Er wird gewissermaßen wieder auf die Erde zurückgeholt.
Paulus fügt hinzu, auch nicht im Herzen zu sagen: „Wer wird in den Abgrund hinabsteigen?“ (Röm 10,7). Damit deutet er an, dass man nicht selber in den Abgrund hinabsteigen kann, um mit einer Art Bußübung die eigene Schuld auszuwischen. Das würde unmöglich sein. Wer könnte jemals hinabsteigen in die Tiefen des Elends, in die Christus für uns hinabgestiegen ist? Eigene Bemühungen zur Sühnung sind ein Beweis, dass man es für überflüssig hält, dass Er starb, denn wer das tut, lebt in dem Glauben, seine Schuld selbst sühnen zu können.
Mose spricht noch über das Hinüberfahren jenseits des Meeres, als ob irgendwo auf der Erde, an einem entfernten Platz, das Gebot erhältlich ist. Wenn irgendein Mensch es von dort holen könnte, würden wir es vollbringen können. Doch es ist nicht nötig, Stadt und Land zu durchreisen oder Wallfahrten zu unternehmen in der Meinung, damit Gottes Geboten genügen zu können.
Mose spricht zu dem Überrest, der in der Fremde zur Bekehrung gekommen ist und gelernt hat, dass er vollkommen abhängig ist von der Gnade Gottes. Das Gesetz konnten sie nicht halten, doch was müssen sie stattdessen tun? Wie können sie wiederhergestellt werden? Müssen sie die Gnade aus dem Himmel holen oder von jenseits des Meeres? Diese Fragen sind ohne den Schlüssel in Römer 10 nicht zu verstehen, geschweige denn zu erklären.
Wenn das Volk in Zukunft ihren Messias, Christus, angenommen haben wird, kann Gott seine Gesetze in ihren Sinn geben und auf ihre Herzen schreiben (Heb 8,10). Dann werden alle Verheißungen Gottes erfüllt werden an einem Volk, das Ihn kennt. Ihre Schuld wird er vergeben und ihrer Sünden wird er nicht mehr gedenken (Jer 31,31–34).
Wie kann Gott einem Volk Gnade erweisen, das alles vollkommen verdorben hat? Das geht nur durch Christus. Für solche, die durch den Glauben mit Christus verbunden sind, sind die Gebote Gottes nicht unerreichbar und nicht unausführbar. Für solche wirkt Gott ganz nahe durch den Mund und im Herzen. Das Herz glaubt und der Mund bekennt. Es geht um Christus. Wer Ihn hat, hat das Leben und die Wiederherstellung.
Für uns beginnt der Weg zur Wiederherstellung, wenn wir den Herrn Jesus wieder als Herrn bekennen. Das bedeutet, dass jedes Glied des Volkes die Rechte des Herrn Jesus in seinem persönlichen Leben anerkennt. Für solche Gläubigen sind seine Gebote nicht schwer (1Joh 5,3). Diese Gebote sind nicht die Gebote des Gesetzes Moses, denn diese Gebote sind an den sündigen Menschen gerichtet und durch diesen nicht zu halten. Die Gebote, von denen Johannes schreibt, sind Gebote, die vollständig zum neuen Leben, dem ewigen Leben, passen.
Wer an das gerechte Handeln Gottes glaubt, weiß, dass Gott uns in Christus sehr nahe gekommen ist. Er ist so nahe gekommen, dass Er sein Wort „in deinem Mund und in deinem Herzen“ gelegt hat. Wir wurden gerettet, weil uns das Wort des Glaubens gepredigt wurde. Der Inhalt der Predigt ist: Jesus als Herrn mit dem Mund bekennen und mit dem Herzen glauben, dass Gott Ihn aus den Toten auferweckt hat (Röm 10,8b.9).
Die Reihenfolge ist bemerkenswert: Zuerst der Mund und dann das Herz. Der Mund wird zuerst genannt, weil unser Glaube durch andere allein wahrzunehmen ist, durch das, was man von uns hört und sieht. Man kann von jemandem nicht sagen, dass er errettet ist, wenn davon nichts in seiner Sprache und in seinem Verhalten wahrzunehmen ist.
15 - 20 Vor die Wahl gestellt
15 Siehe, ich habe dir heute das Leben und das Glück, und den Tod und das Unglück vorgelegt, 16 da ich dir heute gebiete, den HERRN, deinen Gott, zu lieben, auf seinen Wegen zu wandeln und seine Gebote und seine Satzungen und seine Rechte zu halten, damit du lebest und dich mehrest und der HERR, dein Gott, dich segne in dem Land, wohin du kommst, um es in Besitz zu nehmen. 17 Wenn aber dein Herz sich abwendet und du nicht gehorchst und du dich verleiten lässt und dich vor anderen Göttern niederbeugst und ihnen dienst, 18 so künde ich euch heute an, dass ihr gewiss umkommen werdet; ihr werdet eure Tage nicht verlängern in dem Land, wohin zu kommen du über den Jordan gehst, um es in Besitz zu nehmen. 19 Ich nehme heute den Himmel und die Erde als Zeugen gegen euch: Das Leben und den Tod habe ich euch vorgelegt, den Segen und den Fluch! So wähle das Leben, damit du lebest, du und deine Nachkommenschaft, 20 indem du den HERRN, deinen Gott, liebst und seiner Stimme gehorchst und ihm anhängst; denn das ist dein Leben und die Länge deiner Tage, dass du in dem Land wohnst, das der HERR deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen hat, ihnen zu geben.
Mose fasst den ganzen Inhalt seiner Ansprache über das Gesetz zusammen in die Aussagen „Das Leben und das Glück … den Tod und das Unglück“ (vgl. 5Mo 11,26). Die Liebe ist die Voraussetzung, um die Gebote erfüllen zu können (5Mo 6,5). Die Wahl, die Mose ihnen vorstellt, hat auch Folgen für ihre Nachkommen. Eltern, die sich dazu entschließen, dem Herrn von Herzen zu folgen, können im Allgemeinen damit rechnen, dass ihre Kinder ihnen in ihrer Entscheidung folgen werden. Dasselbe gilt bei einer Wahl für das Böse.
Bei der hier durch Mose vorgestellten Wahl, stehen wir am Beginn der Geschichte des Volkes im Land. Am Ende der Geschichte des Volkes im Land wird Jeremia dem Volk noch einmal die Wahl vorstellen, kurz bevor sie in die Gefangenschaft gehen (Jer 21,8). Bei der Wahl dort geht es darum, freiwillig den Platz des Gerichts einzunehmen und aus der Stadt hinauszugehen, um sich dem durch Gott gesandten Feind zu ergeben.
Liebe ist das Motiv, Gehorsam ist die äußere Haltung und das Festhalten an Ihm gibt die Kraft zum Ausharren (Vers 20). Wenn dies vorhanden ist, kann das Leben so gelebt werden, wie Gott es beabsichtigt hat.