Einleitung
Der Sinn aller Vorschriften, die hier und auch im vorherigen Kapitel gegeben wurden, ist sehr lehrreich. Gott lässt sich herab, von allen Dingen Kenntnis zu nehmen. Zugleich lehrt er seinem Volk Feingefühl, Anstand, Achtung vor anderen und feines Benehmen. Es sind Gefühle, die Grausamkeit abwehren und die Härte aus den Herzen vertreiben.
1 Widernatürliche Gemeinschaft
1 Ein Mann soll nicht die Frau seines Vaters nehmen und soll die Decke seines Vaters nicht aufdecken.
Dieser Fall von Gemeinschaft widerspricht den natürlichen Gefühlen. Hier ist nicht allein die Sprache von außerehelichem Geschlechtsverkehr, sondern auch von einer Geschlechtsgemeinschaft wider die Natur. Es fehlt nicht nur an Respekt vor Gottes Einsetzungen in Bezug auf die Ehe, sondern es fehlt auch an Ehrfurcht gegenüber den Eltern (1Mo 35,22; 49,4).
Dieser Fall trat auch in der Gemeinde von Korinth auf (1Kor 5,1). Es muss uns nicht erstaunen, dass allerlei Formen von Hurerei auch heutzutage in zahlreichen Kirchen und Gemeinden vorkommen. Was uns wohl erstaunen muss, ist, dass derartige sexuelle Sünden nicht mehr als Sünde bezeichnet werden. Die Gemeinde ist eine Freistätte für die Sünde geworden, anstatt dass sie ein Platz ist, an dem Zucht über die Sünde ausgeübt wird. In Korinth hat man in jedem Fall den Anweisungen, die Paulus diesbezüglich gegeben hat, Gehör geschenkt (2Kor 7,10–12).
2 - 3 Der Entmannte und der Bastard
2 Keiner, dem die Hoden zerstoßen sind oder die Harnröhre abgeschnitten ist, soll in die Versammlung des HERRN kommen. 3 Kein Bastard soll in die Versammlung des HERRN kommen; auch das zehnte Geschlecht von ihm soll nicht in die Versammlung des HERRN kommen.
Wir finden in den Versen 2–15 zwei Namen für das Volk Gottes:
1. die Versammlung des HERRN (Verse 2–9, sechsmal) und
2. das Lager (Verse 10–15, sechsmal).
Die Bezeichnung „Versammlung des HERRN“ weist auf das Zusammenkommen des Volkes Gottes hin; „Lager“ hat Bezug zum Kampf und der Fähigkeit dazu. Beide Bezeichnungen stehen in Verbindung mit der Anwesenheit Gottes inmitten seines Volkes. Es geht nicht um uns, sondern um die Gemeinde Gottes. Wenn wir das gut verstehen, wird es uns davor bewahren, uns selbst zu suchen, und wir werden dann auch wachsam sein hinsichtlich der Heiligkeit dieses Platzes.
„Nicht in die Versammlung des HERRN kommen“ scheint sich zu beziehen auf die Zusammenkünfte des Volkes Gottes, um Ihn zu ehren. Vier Kategorien verhindern die Teilnahme an den gottesdienstlichen Zusammenkünften des Volkes Israel. Dieser Ausschluss sollte jedes Mitglied des Volkes daran hindern, eine Verbindung mit einer der genannten Personen einzugehen.
Bei einer entmannten Person wurde von außen in die Schöpfungsordnung Gottes hinsichtlich der Fortpflanzung des Lebens eingegriffen. Der Herr Jesus spricht über solche Menschen als „von den Menschen verschnitten“ (Mt 19,12). Eine derartige Handlung widerspricht dem Charakter des Volkes Gottes. Deshalb darf ein solcher nicht als Mitglied im Volk Gottes aufgenommen werden.
(P.S.: Dieses Verbot gibt auch zu denken, wenn es um moderne Mittel und Techniken geht, um Zeugung von Kindern zuvorzukommen, ohne dass eine medizinische Notwendigkeit vorliegt.)
Der Kämmerer in Apostelgeschichte 8 (Apg 8,27) ist ein Vorbild der Gnade, die über das Gesetz hinausgeht. Das Wort „Kämmerer“ bedeutet wörtlich Eunuch, das ist ein Kastrierter oder Entmannter. Doch wird er in den Segen Gottes eingeführt. Die Gnade zeigt diesen Weg, weil sie in dem Werk von Christus den vorigen Zustand zunichtemacht (vgl. Jes 56,3–5).
Die Heiligkeit Gottes schaltet nie die Gnade Gottes aus, so dass Hindernisse beseitigt werden können. Ohne das Gesetz zu entkräften, können Menschen in die Gemeinde Gottes gebracht werden. Gnade steht nie über der Heiligkeit Gottes, sondern berücksichtigt sie in vollkommener Weise. Gnade eröffnet einen Weg, der mit Gottes Heiligkeit übereinstimmt. Dieser Weg ist durch den Herrn Jesus am Kreuz erschlossen worden.
Der Entmannte kann auch gesehen werden als jemand, der mit den Lippen bekennt, ein Christ zu sein, während das in seinem Leben nicht gesehen wird. Es kann keine Frucht sein bei jemandem, der „entmannt“ ist. Er hat keine Verbindung zum Weinstock (Joh 15,4). Es ist oft schwierig festzustellen, ob jemand ein „Entmannter“ ist.
Ein Bastard ist jemand, der in Blutschande oder in Ehebruch gezeugt wurde. (Das Wort kommt im Alten Testament nur noch in Sacharja 9 vor, „ein Bastard wird in Asdod wohnen“, Sach 9,6.) Die Zeitperiode „das zehnte Geschlecht“ bedeutet nicht, dass die elfte Generation dann wieder ein Teil der Gemeinde des HERRN sein kann. Dieser Ausdruck muss als eine immerwährende Sache verstanden werden. So sagt der Herr Jesus auch, dass Vergebung bis zu „siebzig mal sieben“ stattfinden soll (Mt 18,22). Das ist auch gemeint im Sinn von allezeit.
Im geistlichen Sinn sind Bastarde Menschen, die kein Teil haben an der Zucht Gottes, weil Gott sie nicht als Söhne anerkennt (Heb 12,8). Es scheint so, als ob sie zum Volk Gottes gehören, aber es ist nur äußerlich. Innerlich haben sie kein Leben aus Gott.
4 - 9 Wer nicht in die Gemeinde kommen darf
4 Kein Ammoniter oder Moabiter soll in die Versammlung des HERRN kommen; auch das zehnte Geschlecht von ihnen soll nicht in die Versammlung des HERRN kommen in Ewigkeit: 5 Deshalb, weil sie euch nicht mit Brot und mit Wasser entgegengekommen sind auf dem Weg, als ihr aus Ägypten zogt; und weil sie Bileam, den Sohn Beors, aus Pethor in Mesopotamien, gegen dich gedungen haben, dich zu verfluchen. 6 Aber der HERR, dein Gott, wollte nicht auf Bileam hören, und der HERR, dein Gott, verwandelte dir den Fluch in Segen; denn der HERR, dein Gott, hatte dich lieb. 7 Du sollst ihren Frieden und ihr Wohl nicht suchen alle deine Tage auf ewig. 8 Den Edomiter sollst du nicht verabscheuen, denn er ist dein Bruder. Den Ägypter sollst du nicht verabscheuen, denn du bist ein Fremder in seinem Land gewesen. 9 Kinder, die ihnen im dritten Geschlecht geboren werden, mögen von ihnen in die Versammlung des HERRN kommen.
Außer bestimmten Personen dürfen auch bestimmte Völker nicht zu Gottes Volk hinzutreten. Die Moabiter, die Ammoniter und die Edomiter haben eine gewisse Verbindung mit Gottes Volk, aber sie haben im Lauf ihrer Geschichte ihre Abkehr von Gottes Volk unter Beweis gestellt. Einerseits verweigerten sie dem Volk Gottes die erbetene Speise und andererseits suchten sie Gottes Volk zu verfluchen.
Gott erinnert sein Volk nicht allein an die böse Behandlung seitens dieser Völker. Er erinnert sie auch daran, dass Er den Fluch in Segen verwandelte. Der Grund dafür ist seine Liebe zu ihnen. Sie haben also nichts vermisst von dem, was ihnen durch die nachtragende Vorgehensweise dieser Völker verweigert wurde. Im Gegenteil, Gott konnte ihnen durch diese Umstände seine Liebe erneut versichern.
So müssen auch wir genau hinschauen auf die Handlungsweisen, die etliche sogenannte Brudervölker in Bezug auf Gläubige manchmal vertreten. Wer wirklich zu dem Herrn gehört, wird es zu tun haben mit Verwerfung und Hass seitens der Namenschristen. Moab und Ammon waren verwandte Völker der Israeliten und es bestand daher eine Verbindung zum Volk Gottes. Wir können dabei an Menschen denken, die in einer gläubigen Familie aufgewachsen sind, aber sich danach abgesetzt haben und selbst sogar versucht haben, einen Fluch über das Volk Gottes zu bringen.
Doch auch in diesen Völkern befinden sich Personen, die trotz dieses Verbots in Gottes Volk eingefügt wurden. Ruth ist davon ein treffendes Vorbild. Sie ist ein Gegenstand der Gnade, die ihren Zustand verändert, ohne dass die Heiligkeit zu kurz kommt.
So wie in Vers 3 wird auch hier gesprochen von einem Verbot, Menschen dieser Völker zum Volk Gottes hinzuzufügen bis in die zehnte Generation. Dass dies ein Verbot für alle Zeiten war, sehen wir aus der Anwendung dieses Gesetzes durch Nehemia (Neh 13,1). Zur Zeit Nehemias waren mehr als zehn Generationen nach der Gesetzgebung vergangen.
Edom und Ägypten hatten kein Teil an dem Segen des Volkes Gottes gehabt. Bei Edom geht es um enge natürliche Verwandte. Bei Ammon und Moab ist die Verwandtschaft weiter entfernt. Sie sind Nachkommen von Lot, dem Neffen Abrahams und dadurch Teil der Familie Jakobs, dem Stammvater des Volkes Gottes. Edom ist ein Bruder dem Fleisch nach, denn „Esau, das ist Edom“ (1Mo 36,1) ist der Zwillingsbruder Jakobs.
Edom ist stets der unversöhnliche Feind Israels. Das ist deutlich im Buch Obadja zu sehen, das vollständig Edom und seiner Haltung gegenüber Israel gewidmet ist. Der Prophet lässt keinen Zweifel daran, dass Edom vollständig gerichtet werden wird. Aber das wird erst dann geschehen, nachdem Edom in seiner ganzen Geschichte mit Beharrlichkeit den Hass gegen seinen Bruder unter Beweis gestellt haben wird. Gott besiegelt das Los eines Menschen oder eines Volkes erst dann, wenn alle Mittel, um eine Person oder ein Volk zur Umkehr zu bringen, ausgeschöpft sind. Wenn aber keine einzige Hoffnung zur Einsicht mehr vorhanden ist, vollzieht Er sein gerechtes Urteil. Hier ist es noch nicht so weit und die Tür der Gnade steht für Edom noch offen.
Ägypten stellt die Menschen dieser Welt vor, in deren Mitte wir uns befinden. Ägypter können hereinkommen, nicht wegen einer Verbindung oder freundlichen Behandlung, sondern auf Grund des Opfers von Christus, seines Todes und seiner Auferstehung. Die harte Behandlung, die das Volk in Ägypten ertragen musste, wird hier nicht erwähnt. Es wird allein an die guten Dinge gedacht, die ihnen dort zuteilwurden. Wir können dabei an die Anfangszeit unter Joseph denken (1. Mose 42–50).
Die Enkel dürfen wohl herzutreten zum Volk Gottes. Mit der dritten Generation ist nicht die dritte Generation nach dem Erlassen dieses Gesetzes gemeint. Es wird gerechnet ab der Zeit, ab welcher jemand aus diesen Völkern dem wahren Gottesdienst anhängt und dem wahren Gott dient. Dessen Söhne sind die zweite Generation und die Enkel die dritte Generation. Die Enkel erhalten Teil an den gottesdienstlichen und sozialen Vorrechten des Volkes Gottes. Sie können dann Funktionsstellen bekleiden und Ehen eingehen.
10 - 15 Die Reinheit des Lagers
10 Wenn du gegen deine Feinde ins Lager ausziehst, so sollst du dich vor allem Bösen hüten: 11 Wenn ein Mann unter dir ist, der nicht rein ist durch ein nächtliches Begegnis, so soll er aus dem Lager hinausgehen; er soll nicht ins Lager hineinkommen; 12 und es soll geschehen, wenn sich der Abend neigt, soll er sich im Wasser baden; und beim Untergang der Sonne darf er ins Lager kommen. 13 Und du sollst einen Platz außerhalb des Lagers haben, dass du dahin hinausgehst. 14 Und du sollst eine Schaufel bei deinem Gerät haben; und es soll geschehen, wenn du dich draußen hinsetzt, so sollst du damit [ein Loch] graben und sollst dich umwenden und deinen Kot zudecken. 15 Denn der HERR, dein Gott, wandelt inmitten deines Lagers, um dich zu erretten und deine Feinde vor dir hinzugeben; und dein Lager soll heilig sein, dass er nichts Anstößiges unter dir sehe und sich von dir abwende.
Hier geht es um Kampf, nicht um den Kampf an sich, sondern um die Vorbereitung. Jede Zulassung von Bösem, selbst das geringste, vermindert die Kraft, um streiten zu können. Die Kraft zum Kampf liegt in der Anwesenheit des HERRN in ihrer Mitte. Wenn das Lager auszieht, zieht Er mit aus. Das ist ein mächtiger Trost, aber auch eine Sache von großem Ernst. Wir sehen hier, dass Gott sich um alltägliche Dinge kümmert, Dinge, die einen negativen Einfluss auf unsere geistliche Kraft haben, denn es sind „die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben“ (Hld 2,15).
Mose nennt zwei Formen, wodurch ein Kämpfer unrein werden kann: durch einen nächtlichen spontanen Samenerguss und die Verrichtung der Notdurft. Für beide „Ausscheidungen“ kann der Kämpfer nichts und so ruht auch keine Schuld auf ihm. Er ist nicht dafür verantwortlich, weil sie zum natürlichen Bestehen des Menschen gehören.
Es sind Dinge, die unrein machen, aber es sind keine Formen der Unreinheit aus dem Willen des Menschen. Wir können sie als alltäglich ansehen. Es geht um sogenannte Kleinigkeiten, worüber man sich nicht aufregt. Und doch sind es Formen der Unreinheit. Mose gibt hierfür seine Anweisungen, damit es uns bewusst bleibt, dass Gott keinerlei Unreinheit in seiner Gegenwart dulden kann.
16 - 17 Barmherzigkeit gegenüber einem geflüchteten Knecht
16 Einen Knecht, der sich vor seinem Herrn zu dir rettet, sollst du seinem Herrn nicht ausliefern. 17 Er soll bei dir wohnen, in deiner Mitte, an dem Ort, den er in einem deiner Tore erwählen wird, wo er es für gut hält: Du sollst ihn nicht bedrücken.
Es betrifft hier einen Knecht oder Sklaven aus einem fremden Land, nicht einen Volksgenossen. Das Land des Volkes Gottes ist für solche Personen ein Zufluchtsort. David handelte so mit dem ägyptischen Jungen, der ihm in die Hände gefallen war. Dieser junge Mann war der Sklave eines amalekitischen Mannes und David erbarmte sich seiner (1Sam 30,11–15).
Die Gemeinde sollte ein Platz von herzlichem Empfang, Sicherheit und Bewegungsfreiheit sein für Menschen, die vor ihrem harten Meister geflüchtet sind. Die Israeliten wussten aus Erfahrung, was der Dienst unter einem harten Meister bedeutet und was es bedeutet, daraus befreit zu sein.
Es durfte keine Flucht sein, um einer gerechten Strafe zu entkommen. Paulus sandte Onesimus zurück (Phlm 1,10–12) und der Engel des HERRN gebot Hagar, zurück zu Sarah zu gehen (1Mo 16,9). Die Gründe sind verschieden. In beiden Fällen werden sie aber nicht zu unbarmherzigen Herrschern zurückgesandt.
18 - 19 Gegen geweihte Unzucht
18 Es soll keine Geweihte unter den Töchtern Israels sein, und es soll kein Geweihter unter den Söhnen Israels sein. 19 Du sollst weder den Lohn einer Hure noch den Preis eines Hundes in das Haus des HERRN, deines Gottes, bringen zu irgendeinem Gelübde; denn auch diese beiden sind ein Gräuel für den HERRN, deinen Gott.
Das Verbot hinsichtlich einer geweihten Unzucht oder Tempelprostitution sollte eigentlich nicht nötig gewesen sein. Dass Mose es dennoch nennt, zeigt, dass er das Volk kennt und es zu solchen Gräueln imstande ist. Dieses Gebot hat sich leider als notwendig herausgestellt, denn es ist später schändlich übertreten worden (Hos 4,14; 2Kön 23,7; Mich 1,7). Es betrifft hier die Prostitution sowohl von Frauen als auch von Männern. Das Wort für männliche Prostitution ist „Hund“ und wird hier in dem Ausdruck „Preis eines Hundes“ bildlich gebraucht (Off 22,15).
Von solchen Menschen will Gott absolut kein Opfer. Es ist Ihm „ein Gräuel“ (Spr 15,8). Solche Personen wagen es sogar, bestimmte Gelübde mit Geld zu bezahlen, das sie auf schändliche Weise erhalten haben. In ihren eigenen Augen betrachten sie es noch als eine Art Zustimmung, um ihr sündiges Treiben fortzusetzen (Spr 7,14.15). Doch Gott kann nichts annehmen, was Buße und Reue beiseite stellt.
Wir können Gott nur mit Opfern ehren, die auf ehrliche und ehrbare Weise erworben wurden. Es geht also nicht allein darum, was wir geben, sondern für Gott ist auch wichtig, wie wir an diese Opfer gekommen sind.
20 - 21 Kein Zins von einem Volksgenossen
20 Du sollst deinem Bruder keinen Zins auferlegen, Zins an Geld, Zins an Speise, Zins an irgendeiner Sache, die verzinst wird. 21 Dem Ausländer magst du Zins auferlegen, aber deinem Bruder sollst du keinen Zins auferlegen; damit der HERR, dein Gott, dich segne in allem Erwerb deiner Hand in dem Land, wohin du kommst, um es in Besitz zu nehmen.
Mose verbietet es, Zins von einem Volksgenossen zu nehmen. Der Bruder, der Geld leihen muss, ist arm geworden und hat große Not. Er leiht sich kein Geld, um sich mehr Luxus erlauben zu können, sondern um zu überleben. Von so jemandem Zins zu fordern, würde seine Situation noch schlimmer machen. Wer es doch tut, offenbart Geldliebe. Von einem Fremden durfte aber Zins verlangt werden. Ein solcher leiht im Regelfall für geschäftliche Zwecke, nicht für den Lebensunterhalt.
22 - 24 Ein Gelübde muss gehalten werden
22 Wenn du dem HERRN, deinem Gott, ein Gelübde tust, so sollst du nicht zögern, es zu bezahlen; denn der HERR, dein Gott, wird es gewiss von dir fordern, und es wird Sünde an dir sein. 23 Wenn du aber unterlässt zu geloben, so wird keine Sünde an dir sein. 24 Was über deine Lippen gegangen ist, sollst du halten und tun, so wie du dem HERRN, deinem Gott, freiwillig gelobt hast, was du mit deinem Mund geredet hast.
Das Aussprechen von Gelübden wird sehr ernst genommen. Es soll uns davor bewahren, unbesonnene Aussagen zu machen (Spr 20,25; Pred 5,4.5). Wir sollten auch gut nachdenken, wenn wir Lieder der Hingabe singen, worin wir geloben, allein für den Herrn zu leben. So etwas dürfen wir nicht gedankenlos singen, sondern bewusst. Zugleich wird dann ein Gebet in unseren Herzen sein, um die Hilfe des Herrn für die Verwirklichung zu erbitten. Das Gelübde muss gehalten werden.
25 - 26 Die Frucht des Nächsten nehmen
25 Wenn du in den Weinberg deines Nächsten kommst, so darfst du Trauben essen nach deinem Belieben, bis du satt bist; aber in dein Gefäß sollst du nichts tun. 26 Wenn du in das Getreidefeld deines Nächsten kommst, so darfst du Ähren mit deiner Hand abpflücken; aber die Sichel sollst du nicht über das Getreide deines Nächsten schwingen.
Dieses Gesetz zeigt, dass ein Überfluss von Korn und Wein in Kanaan sein wird. Das wenige, das von jemandem genommen und genossen wird, wird von dem Eigentümer bei diesem Überfluss kaum vermisst. Dieses Gesetz sieht Hilfe und Unterstützung beispielsweise für arme Reisende vor, die hierdurch gestärkt und erquickt werden können. Die Jünger des Herrn Jesus machten auch von dieser Vorgabe Gebrauch (Mt 12,1). Sie werden von den Pharisäern nicht wegen dieser Tat getadelt, sondern weil sie es am Sabbat taten. Durch ihre selbst gemachten Gesetze war das verboten, aber nicht durch das Gesetz Gottes.
Gott will sein Volk als ein gebendes Volk sehen. Er will sie unterweisen, nicht auf dem Eigentumsrecht zu bestehen, sondern anderen von dem eigenen Überfluss etwas zu gönnen. Das ist ein Beweis von Gastfreundschaft und lehrt uns, freigebig zu sein. Was wir verschenken, ist nicht verloren, sondern die Dankbarkeit wird zunehmen. Zugleich wird darüber gewacht, dass diese Freigebigkeit nicht missbraucht wird. Wenn der Finger gereicht wird, muss nicht die ganze Hand genommen werden.
Der Weinberg spricht von der Freude im himmlischen Land. Das Korn spricht von dem Herrn Jesus als Speise des Landes. Jeder genießt seine eigene Freude in der Gemeinschaft mit Gott und empfängt persönliche Kraft durch die Beschäftigung mit dem Herrn Jesus.
Wir dürfen auch voneinander Nutzen haben und einander aufbauen durch das, was der Herr dem anderen gegeben hat. Aber dabei muss sehr wohl mit der richtigen Vorsicht vorgegangen werden. Wir dürfen genießen und aufgebaut werden durch das, was andere geschrieben haben, aber es sollte nicht so einfach von uns wiederholt und an andere weitergegeben werden. Vielmehr muss es erst in uns selbst verarbeitet und praktiziert werden. Wenn wir nur wiederholen, was andere in Gottes Wort entdeckt haben, sind wir mit dem Gefäß und der Sichel auf dem Feld eines anderen beschäftigt gewesen.
Wir dürfen wohl Gebrauch machen von dem, was andere geschrieben haben, aber wir müssen es eben in der richtigen Weise tun. Wir dürfen beispielsweise als Vorbereitung auf einen Dienst nicht schnell mal eben eine Betrachtung lesen und dann weitergeben, was wir mal eben kurz gelesen haben. Es muss erst Frucht werden im eigenen Weinberg, indem wir das Gelesene im eigenen Herzen gemeinsam mit dem Herrn verarbeiten. Dann ist es unser Eigentum geworden und dann können wir weitergeben, was wir selbst genossen haben und was uns auferbaut hat.