1 Nehemia in seinem Dienst
1 Und es geschah im Monat Nisan, im zwanzigsten Jahr des Königs Artasasta, als Wein vor ihm war, da nahm ich den Wein und gab ihn dem König; ich war aber nie traurig vor ihm gewesen.
Im Monat Kislew, dem dritten Monat des Kalenderjahres, hat Nehemia den Bericht bezüglich Jerusalems gehört (Neh 1,1). Hier sind wir im Monat Nisan. Das ist der siebte Monat des Kalenderjahres, bei uns März / April. Vier Monate sind seit seinem Gebet vergangen und er hat noch immer keine Antwort bekommen.
Er weiß nicht im Voraus, wie lange er auf die Antwort warten muss. Trotzdem wartet er geduldig. Er lässt die Zeit in Gottes Hand. Er ist zufrieden damit, dass Gott den richtigen Zeitpunkt bestimmt. Er stürzt sich nicht übereilt in die Aufgabe, die er vor sich sieht. Währenddessen tut er weiter treu seine Arbeit an dem Platz, wohin der HERR ihn gestellt hat.
Es kann vorkommen, dass man von einer Not hört. Überwältigt von Mitgefühl, fangen manche direkt an, etwas zu tun, ohne auf Gottes Stimme und seine Zeit zu warten. Das ist nicht die Weise, in der Gott sein Werk geschehen lässt. Not zu sehen ist keine Berufung. Erst muss die Not tief in das Herz gedrungen sein. Dann wird uns bewusst, dass nicht wir, sondern nur Gott für die Not sorgen kann. Erst muss die Not zu einer Last werden, die so schwer drückt, dass der einzige Ausweg, den wir sehen, der Herr Jesus ist, der gesagt hat: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben“ (Mt 11,28). Dieser Vers ist sicher wichtig für das Evangelium, aber es ist auch für jemanden von großer Bedeutung, der ein Diener sein möchte.
Vielleicht hat Nehemia gebetet, ob Gott die Last von seinem Herzen wegnehmen möchte. Vielleicht hat er gebetet, ob Gott die Last noch schwerer machen will, so dass ihm nichts anderes bleibt, als zu handeln. So dürfen wir das tun, wenn uns etwas von einer Not berichtet wird. Die Not blieb in seinem Herzen. Wir können uns vorstellen, dass er sich gefragt hat, ob er mit dem König über seine Not sprechen soll und wenn ja, wann, oder ob er noch auf Gott warten muss.
Er wird Ruhe bei dem Gedanken bekommen haben, dass Gott ihn auch durch ein Wunder in die Gunst des Königs bringen kann, wenn Er ihn ruft, um eine Arbeit in Jerusalem zu tun. Gott neigt die Herzen der Könige wie Wasserbäche (Spr 21,1). Diese Gedanken des Glaubens werden wir bekommen, wenn wir immer mehr merken, dass der Herr uns für eine bestimmte Arbeit gebrauchen möchte.
Nehemia ist in der Gegenwart des Königs nie traurig gewesen. Das zeigt, dass er dies jetzt ist, und auch, dass es sichtbar ist. Traurigkeit zu zeigen, passt nicht in die Gegenwart von mächtigen Fürsten, die sich selbst für Austeiler von Segen halten. Diese Menschen wollen nur fröhliche Gesichter in ihrer direkten Umgebung sehen. Als Exilant wird Nehemia immer Kummer in seinem Herzen gehabt haben (Spr 14,13), aber er konnte es immer verbergen. Die Spuren des Fastens und Betens waren jedoch nicht zu leugnen.
Dennoch wird Nehemia seine Arbeit auch gefallen haben. Der Herr hat ihn dorthin gebracht und ihm diese Arbeit aufgetragen. So wird er das gesehen haben. Es ist wichtig, dass wir das auch von unserer Arbeit in der Gesellschaft sagen können. Wir können auch unsere tägliche Arbeit mit Freude tun, wobei wir Gott dem Vater durch den Herrn Jesus danken (Kol 3,17).
Das nimmt nichts davon weg, dass wir zugleich verwirklichen, dass die Erde nicht unser Endziel ist. Wir sind hier nicht zu Hause, der Himmel ist unser Zuhause. So wie ein Schuhmacher, der pfeifend seine Arbeit tat, einmal sagte: „Ich bin auf der Reise in den Himmel und unterwegs mache ich Schuhe.“ Der Herr Jesus war als „der Zimmermann“ bekannt (Mk 6,3). Bevor Er mit seinen Reisen durch Israel begann, hat Er als Zimmermann gearbeitet. Wir können sicher sein, dass Er seine Arbeit gerne getan hat und gute Arbeit geleistet hat.
Bis zu dem Moment, an dem der Herr uns ruft, um ein Werk für Ihn zu tun, müssen wir treu in unserem irdischen Beruf beschäftigt sein und unsere volle Zufriedenheit darin finden. Unzufriedenheit über unsere Arbeit in der Gesellschaft, den Lohn dafür oder über ein schwieriges Verhältnis zu Kollegen am Arbeitsplatz darf kein Grund sein, die Arbeit aufzugeben, um dann sogenannten höheren Dingen zu dienen. Das ist eine große Selbsttäuschung, die sicher zu großer Unehre für den Herrn Jesus führen wird.
Einige Lektionen
1. Wenn wir eine Sache im Gebet vor den Herrn gebracht haben, müssen wir lernen, geduldig auf weitere Anweisungen von Ihm zu warten. Das heißt nicht, dass wir uns mit verschränkten Armen hinsetzen, um zu warten. Jeder von uns muss bleiben „in dem Stand [Wörtlich: in der Berufung], in dem er berufen worden ist“ (1Kor 7,20) und tun, was zu dieser Berufung gehört. Während wir so beschäftigt sind, dürfen wir nach seiner Antwort auf unser Gebet Ausschau halten (Hab 2,1).
2. Die Zeit des Ausschauhaltens ist eine Zeit der innerlichen Übung, wobei sich uns viele Fragen aufdrängen. Es ist gut, sich solchen Übungen, womit oft Kampf verbunden ist, zu unterziehen. Wenn es wirklich Übungen des Glaubens sind, werden sie uns auf den Herrn werfen. Wir werden dadurch geläutert.
2 Die Frage des Königs
2 Und der König sprach zu mir: Warum ist dein Angesicht traurig? Du bist doch nicht krank! Es ist nichts anderes als Traurigkeit des Herzens. Da fürchtete ich mich sehr.
Es entgeht dem König nicht, dass sein Mundschenk nicht so fröhlich aussieht wie sonst. Er bemerkt, dass es an etwas liegt, das sein Herz schmerzt. Er fragt Nehemia danach. Die Frage, die der König stellt, ist der Beginn einer radikalen Veränderung im Leben Nehemias, wonach er sich so sehr sehnt. Der König wird Nehemia wohl öfter etwas gefragt haben oder etwas zu ihm gesagt haben. Kein einziges Mal ließ dies jedoch sein Herz schneller schlagen, da es allgemeine Fragen oder Bemerkungen waren, die sein Herz nicht berührten. Wonach der König jetzt fragt, lässt sein Herz jedoch schneller schlagen.
Der Anlass zu der Frage und Bemerkung des Königs ist das, was er im Gesicht Nehemias sieht. Der König sieht die Auswirkungen von Gebet und Fasten. In seinem Gesicht ist der Zustand seines Herzens zu erkennen (vgl. 1Mo 31,2). Der König bemerkt das. Er hat ein Auge für sein Personal.
Haben wir auch ein Auge für das, was die Menschen um uns her beschäftigt? Wir fragen leicht „Wie geht es?“ Wir antworten genauso leicht „Gut.“ Damit verhalten wir uns eher höflich, als dass wir ein echtes Interesse bekunden oder andere an dem, was uns beschäftigt, teilhaben lassen. „Gesichter lesen“ ist wichtig. Augen können viel erzählen. Das Auge ist der Spiegel der Seele. Echte Aufmerksamkeit für Menschen sieht tiefer als bis zur Oberfläche.
Die Bemerkung des Königs bedeutet eine große Gefahr für Nehemia. Wie schon gesagt, dulden Könige keine traurigen Gesichter in ihrer Gegenwart. Es kann ihn seine Arbeit und sogar sein Leben kosten. Daher seine Furcht. Es gibt auch noch einen Grund für seine Furcht. Diese Furcht steht in Bezug zu Gott. Ist dies der Moment, den Gott gibt, um vorzubringen, was ihn schon vier Monate beschäftigt hat?
Nehemia muss nicht lange über die Antwort nachdenken. Dafür hat er auch keine Zeit. Er kann sich nicht einen Moment zurückziehen, um darüber nachzudenken. Er ist sich unmittelbar bewusst, dass die Frage des Königs mit seinen Gebeten zu tun hat. Einerseits wird er von der Frage überfallen, andererseits sieht er, dass Gott möglicherweise eine Tür öffnet. Wenn Gott nämlich sieht, dass wir bereit sind, einen Dienst für Ihn auf uns zu nehmen, öffnet Er die Türen.
Einige Lektionen
1. Können wir Gesichter „lesen“? Schauen wir tiefer als bis zur Oberfläche? Hören wir zwischen den Zeilen, was jemand wirklich sagen will? Hören wir hinter einer Geschichte die wirkliche Not von jemandem?
2. Wenn wir, wie Nehemia, Tag und Nacht mit einem bestimmten Werk in unseren Gedanken beschäftigt sind, werden wir es direkt bemerken, wenn der Herr an die Arbeit geht, um unser Gebet zu erhören.
3 Nehemias Antwort
3 Und ich sprach zum König: Der König lebe ewig! Warum sollte mein Angesicht nicht traurig sein, da die Stadt, die Begräbnisstätte meiner Väter, wüst liegt und ihre Tore vom Feuer verzehrt sind?
Mit Worten, die zeigen, dass er seinen eigenen Platz kennt und die Position des Königs respektiert, richtet sich Nehemia an ihn. Mit fast leidenschaftlichen Worten lässt er den König an dem teilhaben, was sein Herz so beschäftigt und was auf seinem Gesicht zu lesen ist. Aus der Fülle seines Herzens berichtet er über die Stadt, zu der das Herz jedes Israeliten hingezogen wird.
Es ist so, als ob Nehemia endlich ein Geheimnis loswerden kann, das er schon so lange in sich trägt. Seine Gefühle für „die Stadt“ sind, statt schwächer zu werden, nur stärker geworden. Seine Liebe für „die Stadt“ ist nicht abhängig von dem Ruhm und Reichtum, den sie einst besaß, den großen Königen, die dort regiert haben oder der eindrucksvollen Vergangenheit, die diese Stadt hat. Seine Liebe gilt der Stadt selbst, weil es die Stadt Gottes ist, weil er die Zukunft dieser Stadt kennt und daran glaubt.
Deshalb spricht er von der Stadt als „die Begräbnisstätte meiner Väter“. Seine frommen Vorväter wollten alle im Land der Verheißung begraben werden, weil sie an die Auferstehung glaubten. Sie glaubten – und daran glaubt Nehemia auch –, dass Gott alle seine Verheißungen wahrmachen wird. Sie alle sind im Glauben gestorben, dass Er das tun wird (Heb 11,13).
Die aktuelle Situation, in der sich die Stadt befindet, geht Nehemia nahe, weil er an die Zukunft dieser Stadt glaubt. Er sieht Gottes Plan mit dieser Stadt vor sich. Er sieht auch den krassen Kontrast zwischen der herrlichen Zukunft und dem aktuellen Zustand. Sein Verlangen ist es, daran zu arbeiten, dass Gegenwart und Zukunft mehr miteinander in Übereinstimmung sind.
Wenn wir eine Arbeit für den Herrn tun möchten, geht das nur, wenn wir einen Blick für die Zukunft haben. Es geht darum, die Gemeinde so zu sehen, wie sie in der Zukunft tadellos vor Gott sein wird. Der Unterschied zur aktuellen Situation der Untreue, Lauheit und Weltlichkeit der Gemeinde auf der Erde soll uns treffen. Es soll das Verlangen in uns erwacht werden, durch Gott gebraucht zu werden, um die Gläubigen wieder zur Hingabe an Ihn zu bringen.
Eine Lektion
Ein Blick auf die Zukunft der Gemeinde stellt den heutigen Zustand der Gemeinde ins rechte Licht. Der Herr Jesus hat sich für die Gemeinde hingegeben, um sie zu heiligen und zu reinigen. Er will sie vor sich stellen ohne Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen (Eph 5,25–27). Seine Liebe zu der Gemeinde muss uns erfüllen, um gebraucht werden zu können.
4 Frage und Gebet
4 Und der König sprach zu mir: Um was bittest du denn? Da betete ich zu dem Gott des Himmels
Nach dem bewegenden Zeugnis der Liebe Nehemias zu Jerusalem stellt der König noch eine Frage. Er fragt nicht weiter nach den Umständen, sondern stellt die Frage, die für Nehemia die Antwort Gottes auf seine Gebete ist. Der König wird in der Antwort Nehemias ein tiefes Verlangen bemerkt haben, etwas für Jerusalem zu tun. Gott leitet sein Herz und legt ihm die Frage in den Mund. Damit bekommt Nehemia seine Gebetserhörung sozusagen auf dem Silbertablett serviert.
Nehemia bekommt die Erhörung seines Gebets in den alltäglichen Umständen seines Lebens. So ist das auch oft bei uns der Fall, wenn der Herr uns beispielsweise bestimmte Menschen begegnen lässt. Manchmal lässt Er uns auch bestimmte Bemerkungen hören, die nicht einmal an uns persönlich gerichtet sind, aber wir hören darin Gottes Stimme zu uns.
Schon Monate trägt Nehemia die Last von dem, was er von seinem Bruder gehört hat, auf seinem Herzen. Er weiß, dass er nur gehen kann, wenn der König es erlaubt und das wird nur so sein, wenn der Herr es möchte. Die Antwort auf sein Gebet kommt auf eine Weise und zu einem Zeitpunkt, an dem er es vielleicht am wenigsten erwartet. Das kann auch bei uns so sein.
Obwohl Nehemia wohl weiß, was er möchte, beantwortet er die Frage des Königs nicht unmittelbar. Zuerst spricht Nehemia zu Gott, dann erst zum König. Gott ist hier, genauso wie im Buch Esra, „der Gott des Himmels“. Wegen der Untreue des Volkes wohnt Er nicht mehr im Tempel auf der Erde.
Einige Lektionen
1. Ein aufrichtiges, bewegendes Zeugnis dessen, was in uns für den Herrn Jesus und seine Gemeinde ist, bleibt nie ohne Wirkung. Es öffnet Türen, bringt Veränderung in Umstände und Herzen von Menschen. So ergeht es auch Johannes dem Täufer, der, als er den Herrn Jesus sieht, voll Hingabe sagt: „Siehe, das Lamm Gottes“ (Joh 1,36). Die Folge ist, dass zwei seiner Jünger ihn verlassen und dem Herrn Jesus nachfolgen (Joh 1,37).
2. Es bleibt notwendig, auch wenn sich die Tür immer weiter öffnet, vom Herrn abhängig zu bleiben und Ihn zu fragen, was wir als nächstes tun oder sagen sollen.
5 Nehemia lässt den König seinen Wunsch wissen
5 und ich sprach zum König: Wenn es der König für gut hält und wenn dein Knecht wohlgefällig vor dir ist, [so bitte ich,] dass du mich nach Juda sendest zur Stadt der Begräbnisse meiner Väter, damit ich sie [wieder] aufbaue.
Voller Vertrauen, aber mit angemessenem Respekt, wendet er sich an den König. An dem, was er sagt, sieht man seine Anerkennung der Position des Königs und seiner eigenen Position. Er bittet um die Gunst des Königs. Ohne seine wohlwollende Zustimmung kann er sein Vorhaben wohl vergessen. Dass Gott die Tür zu öffnen scheint, macht Nehemia nicht so übermütig, dass er die Tür mit einer wilden Bewegung ganz aufstoßen will. Er bleibt der Diener, der vom König abhängig ist.
Dennoch ist er auch so freimütig, den König auf sein Verhalten als Diener hinzuweisen. Er fragt mit so vielen Worten, ob der König mit ihm zufrieden ist. Das kann er tun, weil er als pflichtbewusster Mann seinem Herrn immer zu seiner vollen Zufriedenheit gedient hat. Ohne Überheblichkeit weist Nehemia den König darauf hin als möglichen Grund, ihm seine Bitte zu erlauben.
Nehemia ist über sein Ziel offen. Er hat die Trümmer grob beschrieben. Aber er ist nicht jemand, der von der Seite ständig schreit, wie schlecht alles ist, während er nicht bereit ist, selbst die Ärmel hochzukrempeln. Nein, er zeichnet ein reales Bild, ist aber dabei fest entschlossen, seine ganze Kraft für die Stadt einzusetzen, die in Trümmern liegt, was auch immer es ihn kosten mag. Er möchte die Stadt, mit der er die „Begräbnisse meiner Väter“ verbindet, wiederaufbauen. Sein Herz ist davon voll.
Einige Lektionen
1. Wenn Menschen, die über uns stehen, uns ermutigen, um etwas zu bitten, dürfen wir freimütig darauf eingehen. Wir dürfen das als ein Werk Gottes in ihren Herzen sehen.
2. Wir müssen die Dinge nicht schöner beschreiben, als sie sind.
3. Wir müssen uns selbst nicht schlechter beschreiben, als wir sind, solange wir bloß in Aufrichtigkeit auf die Qualität unserer Arbeit hinweisen können. Wer in seiner Arbeit immer ehrlich gewesen ist, kann das ruhig sagen, wenn die Situation es erfordert (vgl. 1Sam 12,3.4).
6 Nehemia bekommt die Erlaubnis zu gehen
6 Da sprach der König zu mir – und die Königin saß neben ihm –: Wie lange wird deine Reise dauern, und wann wirst du zurückkehren? Und es gefiel dem König, mich zu senden; und ich gab ihm eine Frist an.
Gott benutzt auch äußere Umstände zur Erfüllung seiner Pläne. Die Bemerkung, dass der König seine Frau neben sich sitzen hat, scheint so ein Umstand zu sein. Männer unter sich können hart und gefühllos sein. Oft merkt man, dass dieselben Männer sich im Beisein ihrer Frauen viel höflicher verhalten. Was Artasasta betrifft, so scheint es, dass er durch die Anwesenheit seiner Frau mild gestimmt ist und dadurch noch geneigter ist, die Bitte Nehemias zu erfüllen.
Der Einfluss von Frauen auf Entscheidungen von herausragenden Persönlichkeiten kann zum Guten, aber auch zum Schlechten sein. Einen Einfluss zum Guten sehen wir im Fall von Esther (Est 7,1–10). Einen Einfluss zum Schlechten sehen wir bei Herodias (Mt 14,1–12). Einen Fall, bei dem jemand den Einfluss zum Guten anwenden wollte, aber auf die ihr Mann nicht gehört hat, sehen wir bei der Frau von Pilatus (Mt 27,19).
Welchen Einfluss hat unsere Frau auf uns? Es kann nützlich sein zu untersuchen, wie wir uns im Beisein unserer Frau verhalten und wie wir uns verhalten, wenn sie nicht dabei ist. Wenn wir bei einer ehrlichen Selbstprüfung einen Unterschied feststellen müssen, lasst es uns dann unserer Frau und dem Herrn bekennen und es ändern.
Die Fragen des Königs machen Nehemia deutlich, dass Gott die Tür immer weiter öffnet. Seine Fragen betreffen die Dauer der Reise und wann er wieder zurück sein wird, also wie lange er denkt, abwesend zu sein. Die Abwesenheit Nehemias ist für den König natürlich von großer Bedeutung, da für diese Zeit ein neuer Mundschenk kommen muss.
Die „bestimmte Zeit“, die Nehemia angegeben hat, sind zwölf Jahre (vgl. Vers 1; Neh 13,6). Der Bau der Mauer ist in 52 Tagen fertig (Neh 6,15), aber das mit viel Hilfe. Ist Nehemia davon ausgegangen, dass er für seine Arbeit nicht mit viel Hilfe rechnen kann? Gott hat es ihm in sein Herz gegeben, aber wie sieht das mit dem Überrest aus? Sind sie so voll Eifer wie er? Das weiß er nicht.
Auch wir können in unseren Berechnungen die Abhängigkeit von anderen nicht berücksichtigen. Gott kann Helfer geben, aber dazu ist Er nicht verpflichtet.
Einige Lektionen
1. Der Einfluss, den eine Frau auf die Entscheidungen ihres Mannes hat, ist groß. Der Mann muss dafür auch offen sein. Er muss aber wohl beurteilen, ob dieser Einfluss eine gute oder eine falsche Auswirkung hat.
2. In einer Arbeit, für die der Herr uns beauftragt, dürfen wir nur von Ihm und nicht von anderen abhängig sein. Er ruft Personen, keine Gruppen, obwohl Er diese Personen auch zu einer Gruppe formen kann.
7 - 9 Worum Nehemia sonst noch bittet
7 Und ich sprach zum König: Wenn es der König für gut hält, so gebe man mir Briefe an die Statthalter jenseits des Stromes, dass sie mich durchziehen lassen, bis ich nach Juda komme; 8 und einen Brief an Asaph, den Hüter des königlichen Forstes, dass er mir Holz gebe, um die Tore der Burg, die zum Haus gehört, mit Balken zu versehen und für die Mauer der Stadt, und für das Haus, in das ich ziehen werde. Und der König gab es mir, weil die gute Hand meines Gottes über mir war. 9 Und ich kam zu den Statthaltern jenseits des Stromes und gab ihnen die Briefe des Königs. Der König hatte aber Heeroberste und Reiter mit mir gesandt.
Nehemia hat die Zustimmung zu gehen in der Tasche. Diese Erlaubnis macht ihn nicht übermütig, wohl aber freimütig. Alle seine Gedanken sind bei der Arbeit, die in Jerusalem auf ihn wartet. Dass er gehen kann, versetzt ihn aber nicht in einen Rausch, wodurch er in Betriebsamkeit verfällt, um so schnell wie möglich loszuziehen. Er bleibt nüchtern. Er zieht nicht aufs Geratewohl los. Er denkt nicht nur an Jerusalem, er denkt auch an die Reise dorthin und die Probleme, die bei der Reise auftreten können. Er bittet um Dinge, die er brauchen wird, sowohl für die Reise als auch für seinen Aufenthalt in Juda. Er bekommt, worum er bittet und sogar mehr als das.
So denkt er daran, dass man ihn beim Überschreiten der Grenzen fragen wird, was er vorhat. Briefe vom König sollen ihm einen freien Durchzug garantieren (Vers 7). Er fragt also nach einem gültigen Reisepass. Weiterhin bittet er noch um einen Brief, der ihm die nötigen Materialien für den Wiederaufbau sichern soll (Vers 8). Dabei denkt er auch an seine eigene Unterkunft. Er kommt immerhin in ein Land, in dem er keinerlei Besitz hat. Nehemia bittet mit großer Freimütigkeit um alles, was er denkt, zu benötigen. Er bittet im Glauben. Er verlangt nicht zu viel. Er erkennt die Möglichkeiten, die der König hat. So dürfen wir Gott bitten, ob er eine Lösung für praktische Probleme geben will.
Es ist gut, sich bewusst zu machen, dass Nehemia nicht weiß, was der König auf seine Fragen antworten wird. Für uns ist die Spannung weg, da wir den Ausgang kennen. Aber um von dem Verhalten Nehemias zu lernen, müssen wir uns klarmachen, wie spannend es für ihn gewesen sein muss, um das alles zu bitten.
Nehemia bekommt alles, worum er gebeten hat. Er sieht darin die gute Hand „meines Gottes“. Er vergisst nicht, dass Gott hinter den Kulissen arbeitet. Er kennt Gott als seinen persönlichen Gott. Diese persönliche Verbindung zu Gott ist notwendig, um seine Hand zu bemerken. Nach der tiefen Seelenübung und einer sich stets weiter öffnenden Tür, bekommt er die Sicht auf den Weg, wovon Gott möchte, dass er ihn geht. Gott benutzt den König, um Nehemia mit dem zu versorgen, was für die Reise nötig ist. Wenn wir vom Herrn abhängig sind, werden wir sehen, was wir benötigen und dürfen uns darauf verlassen, dass Er dafür sorgen wird.
Nehemia macht sich auf den Weg, gerade auf sein Ziel zu. Die Briefe tun ihre Arbeit. Zu allem, worum Nehemia gebeten hat, bekommt er auch noch etwas, wonach er nicht gefragt hat. Er hat nicht um Begleitung gebeten, aber als der König diese mitschicken möchte, akzeptiert er diese Eskorte (Vers 9). Möglicherweise sollten die Heerobersten und Reiter eher den König beruhigen, dass Nehemia sicher wieder zurückkommen wird, als dass es um Nehemia persönlich geht oder um die Aufgabe, die er auszuführen hat. Gott kann alles zur Ausführung seiner Pläne benutzen, auch die möglicherweise egoistischen Motive eines Königs, und damit seinen Diener beschützen.
Einige Lektionen
1. Nicht nur das Ziel ist wichtig, sondern auch der Weg zu diesem Ziel. Um das, was wir auf diesem Weg brauchen, dürfen wir freimütig den Herrn bitten. Er hat alles bereitliegen und möchte es gerne als Antwort auf unser Gebet geben. Wenn Er es dann gibt, ist das wieder ein Beweis von „seiner guten Hand“ über uns.
2. Für das Ausführen des Werkes, das wir tun wollen, möchte der Herr uns auch geben, was wir nötig haben. Wenn wir über diese Arbeit nachdenken, werden wir eine Sicht dafür bekommen, was uns fehlt. Der Herr möchte dafür sorgen.
10 Gegner von Gottes Werk
10 Und als Sanballat, der Horoniter, und Tobija, der ammonitische Knecht, es hörten, verdross es sie sehr, dass ein Mensch gekommen war, um das Wohl der Kinder Israel zu suchen.
Zwischen den Reisevorbereitungen und der Ankunft in Jerusalem hören wir etwas über Menschen, die nicht besonders froh sind über das Handeln Nehemias. Sanballat ist der wichtigste politische Gegner Nehemias. Der Zusatz „der Horoniter“ deutet an, dass er aus Horonaim stammt. Horonaim ist eine Stadt in Moab (Jer 48,34). In seinem Gefolge finden wir Tobija, der aus Ammon stammt. Der Herkunftsort dieser zwei Gegner liegen in der Dunkelheit einer Höhle. Ihr Entstehen ist genauso dunkel wie die Höhle: gezeugt durch den von seinen zwei verdorbenen Töchtern betrunken gemachten Lot, die sich auf diese Weise das Erwecken von Nachkommen in ihrem verdorbenen Geist ausgedacht haben (1Mo 19,30–38).
Nehemia hat die ersten Schritte auf dem Weg zu dem Werk gemacht, das Gott ihm in sein Herz gegeben hat. Wir können sicher sein, dass da, wo jemand Gottes Werk tun möchte, auch der Feind aktiv wird. Widerstand in der Arbeit für den Herrn ist oft der Beweis dafür, dass wir tatsächlich für den Herrn arbeiten. Andernfalls bemüht sich der Teufel nicht so, um der Arbeit im Weg zu stehen und Anstrengungen zu unternehmen, sie zu verhindern.
Der Feind weiß genau, was Nehemia vorhat. Nehemia sucht nicht seinen eigenen Vorteil, sondern das Wohl der Israeliten. Damit zieht er sich die Wut des Feindes zu. Die Feinde wollen Jerusalem im Elend halten. Die Bewohner Jerusalems werden nicht vom Feind belästigt. Sie bilden keine Bedrohung für den Feind. Sie sind die ganze Zeit, die sie dort leben, zufrieden mit der Situation, wie sie ist, ohne ein Gefühl für die Schmach, die dem HERRN damit angetan wird, zu haben. Das ist nach dem Geschmack des Feindes. Aber als Nehemia kommt, erscheint in ihm, in seiner Haltung und seinem Vorhaben eine lebendige Kriegserklärung gegen die herrschenden Zustände.
Über die Gemeinde im Allgemeinen macht Satan sich keine Sorgen. Aber wenn es welche gibt, die sich vollkommen Christus hingeben wollen und sein Werk zum Wohl der Gemeinde tun wollen, dann kommt er in Bewegung. So führt auch das Nachfolgen des Herrn Jesus zu Widerstand (Mt 8,19–27).
Der Widerstand des Feindes ist schon da, bevor Nehemia etwas von seinen Plänen bekannt gemacht hat und während vonseiten des Volkes noch keine Reaktion bemerkbar ist. Der Feind hat ein feineres Gespür für das Werk Gottes als Gottes Volk. Muss der Teufel auch wegen unserer Bemühungen Überstunden machen? Wenn unsere Ziele dieselben sind wie die von Gott, wird sein Widerstand spürbar sein. Wenn unsere Ziele anders sind als die Ziele Gottes, lässt der Widersacher uns in Ruhe.
Einige Lektionen
1. Wenn wir ein Werk für den Herrn tun möchten, kann Widerstand einer der Beweise dafür sein, dass wir wirklich mit einem Werk für den Herrn beschäftigt sind.
2. Eine geöffnete Tür und Widersacher gehören zusammen (1Kor 16,9).
3. Manchmal haben Ungläubige die Bedeutung von Gottes Werk mehr im Blick als Gläubige und sind aktiver im Zerstören von Gottes Werk als die Gläubigen es im Fördern davon sind.
11 Ankunft in Jerusalem
11 Und ich kam nach Jerusalem und war drei Tage dort.
Als ungefähr 600.000 Israeliten mit ihren Familien aus Ägypten auszogen (2Mo 12,37), um durch die Wüste nach Kanaan zu ziehen, begleitete Gott sie mit sichtbaren Zeichen. Das ist ganz anders in den Tagen Serubbabels, Esras und Nehemias. Auch sie waren aus dem Land der Gefangenschaft auf dem Weg in das verheißene Land. Aber kein einziges äußerliches Zeichen begleitete sie als Beweis von Gottes Gegenwart. Sie müssen es mit den für diese Zeit und Umstände gebräuchlichen Reisemöglichkeiten tun.
Nicht nur die begleitenden Merkmale sind weniger spektakulär. Auch die Anzahlen nehmen ab. Serubbabel kehrt mit etwas mehr als 42.000 Personen zurück; mit Esra ziehen ungefähr 1800 Personen mit, Nehemia geht allein. Im Verlauf der Kirchengeschichte ist immer weniger von den ursprünglichen Bekundungen der Gegenwart Gottes zu sehen. Gott möchte aber auch heute noch mit dem Einzelnen sein, der für Ihn arbeiten möchte.
Nehemia wird Jerusalem aus der Ferne mit gemischten Gefühlen gesehen haben. Dort sieht er die Stadt Gottes, mit der sich sein Herz so beschäftigt hat. Je mehr er sich ihr nähert, desto schneller beginnt sein Herz zu schlagen. Zugleich ist er sich bewusst, dass diese Stadt nicht Gottes Gedanken über sie entspricht. Darum ist er gerade dorthin gegangen, voller Verlangen, die Stadt wieder Gott zu weihen.
Als Nehemia in Jerusalem angekommen ist, macht er sich nicht direkt an die Arbeit. Er wartet drei Tage. Es ist gut, erst von der Reise zur Ruhe zu kommen, die in sich selbst schon ein Unternehmen war. Es ist wichtig, Ruhe im Geist zu haben, bevor mit der eigentlichen Aufgabe begonnen wird.
Nehemia ist ein geborener Führer, aber er hat eine zurückgezogene Art, jemand der nicht vorschnell handelt. Er möchte die Kosten gut berechnen. Als er dann an die Arbeit geht, gibt es kein Zurück. Dann zieht er seine Hand erst zurück, wenn die Arbeit getan ist.
12 Nehemias nächtlicher Rundgang
12 Und ich machte mich in der Nacht auf, ich und wenige Männer mit mir; ich hatte aber keinem Menschen mitgeteilt, was mein Gott mir ins Herz gegeben hatte, für Jerusalem zu tun; und kein Tier war bei mir, außer dem Tier, auf dem ich ritt.
Um kein Aufsehen zu erregen, geht er nachts auf Inspektion. Er macht aus seiner Untersuchung keinen Publicity-Stunt. Er nimmt nur wenige Männer mit, ohne ihnen zu erzählen, warum er diese nächtliche Reise macht. Er möchte nicht von allerlei Meinungen von Menschen beeinflusst werden. Der Auftrag vom Herrn ist ein persönlicher Auftrag und darin lässt er nicht zu, dass sich ein anderer einmischt. Es ist ein Auftrag, den „mein“ Gott in „mein“ Herz gegeben hat.
Wen soll er überdies mitnehmen? Alle, die in Jerusalem wohnen, können offenbar ruhig schlafen. Wenn es um eine Untersuchung geht, dann müssen sie nicht mitgehen. Sie haben die Ruinen schon so oft gesehen. Statt dass es sie, wie Nehemia, zu Beten und Fasten gebracht hätte, haben sie sich mit dem Anblick davon abgefunden.
Auf dieser Untersuchungsreise kann er auch nichts und niemanden von der Eskorte des Königs gebrauchen. Er verfügt über ein eigenes Reittier. Mehr braucht er nicht. Es geht nicht um eine beeindruckende Präsentation oder etwas, was unter Menschen üblich ist. Das passt nicht zu dem Werk, das er tut. Seine Arbeitsweise ist kein Resultat von intensiver Beratung. Es ist keine Sache der richtigen Anzahl Menschen zum Inventarisieren. Ohne ins Auge zu fallen, ohne auffallende Aktionen, zieht Nehemia los, um den Stand der Dinge aufzunehmen. Es ist eine Sache zwischen seinem eigenen Herzen und Gott. Da Gott es in sein Herz gegeben hat, wird er auch in der Lage sein, dieses Werk auszuführen.
Es ist gut, geistliche Freunde zu haben, aber es ist gefährlich, das Herz auf der Zunge zu tragen. Manchmal ist es gut, sich erst zu beraten, aber wenn eine Sache deutlich vom Herrn ist, werden Rücksprachen das Werk des Herrn nur noch schwieriger machen. Es kommen gut gemeinte Ratschläge, die aber genauso viele Schwierigkeiten aufhäufen: Ist es die richtige Zeit, ist es der richtige Weg, haben wir die richtigen Mittel, wie groß ist die Chance auf Erfolg? Diese Überlegungen laufen auf Zweifel hinaus, was wiederum zum Aufgeben der Unternehmung führt, wozu Gott den Auftrag gegeben hat.
Einige Lektionen
1. Jemand, der vom Herrn eine Arbeit aufgetragen bekommt, muss dafür keine Werbung machen. Mehrere Male weicht der Herr Jesus der Menge aus, wenn die Ihm wegen eines Wunders folgen will (Mk 1,38.44; Joh 6,15.26). Der Herr hat nicht die Unterstützung oder die Bewunderung der Massen gesucht; ein Arbeiter für den Herrn muss das auch nicht tun.
2. Bevor mit der eigentlichen Arbeit begonnen wird, ist es gut, sich „drei Tage“ Ruhe zu nehmen. Diese „drei Tage“ erinnern an den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus. Nur aus dieser Perspektive, wobei alles Vertrauen auf das eigene Können verschwindet und alles abhängig von Ihm gemacht wird, werden wir in unserem Auftrag Erfolg haben.
3. Wenn der persönliche Glaube gefragt ist, muss danach gehandelt werden. Andere haben diesen Glauben nicht und werden nur Hindernisse darstellen, wenn sie um Mitarbeit gefragt werden. Wenn die Zeit kommt um zu arbeiten, können Helfer gefragt werden. Bis zu diesem Augenblick wird der Glaube sein Geheimnis zwischen sich und Gott bewahren.
13 - 15 Untersuchung der Mauern und Tore
13 Und ich zog in der Nacht durchs Taltor hinaus auf die Drachen-Quelle zu und zum Misttor; und ich besichtigte die Mauern Jerusalems, die niedergerissen, und seine Tore, die vom Feuer verzehrt waren. 14 Und ich zog hinüber zum Quellentor und zum Königsteich, und es war kein Platz zum Durchkommen für das Tier, das unter mir war. 15 Und ich zog in der Nacht das Tal hinauf und besichtigte die Mauer, und ich kam wieder durchs Taltor herein und kehrte zurück.
Nehemia möchte sich mit dem Maß der Zerstörung der Mauern vertraut machen und sie in sich aufnehmen. Das natürliche Herz wird beim Anblick von so vielen Ruinen den Mut aufgeben. Für Nehemia macht es die Notwendigkeit des Wiederaufbaus nur deutlicher, wobei er auch weiß, dass nur Gott ihn dazu in die Lage versetzen kann. Er zog in der Nacht herum. Als die anderen schlafen, ist er hellwach. Er zieht nicht verträumt die Ruinen entlang. Im vollen Bewusstsein dessen, was er sieht, zieht er die Mauern entlang. Im Verlauf seiner Reise, wird der Umfang der Arbeit immer stärker auf ihn eindringen. Es wird in der Nacht alles noch düsterer ausgesehen haben.
Immer wenn eine Arbeit für Gott getan werden muss – eine solide und keine oberflächliche Arbeit –, muss der Diener, so wie Nehemia, zuvor so eine Inspektionsreise unternehmen. Er muss die Nacht trauernd zwischen den Ruinen verbringen. Es ist töricht, die Trümmer zu leugnen und die Hoffnungslosigkeit der Situation nicht so zu sehen, wie sie ist. Der volle Umfang des Auftrags muss uns bewusst werden. Haben wir schon einmal eine Stunde Schlaf geopfert für den geistlichen Zustand in der Gemeinde oder unserer Umgebung? Sind wir jemals bewusst wach geblieben, während andere fest und ruhig schliefen? Werden wir unruhig darüber, dass zahllose Menschen für ewig verloren gehen?
Bevor Gott eine Erweckung gibt, will Er unser Herz zerbrechen. Das geschieht auf dem Weg, den Nehemia zurücklegt. Das „Taltor“ spricht von Tiefe, Erniedrigung. Hier beginnt die Untersuchung: sich selbst zu erniedrigen „unter die mächtige Hand Gottes“ (1Pet 5,6). Die „Drachen-Quelle“ erinnert an Satan, „den großen Drachen“ (Off 12,9). Er ist der Anstifter, die Quelle allen Elends unter Gottes Volk. Das „Misttor“ lässt uns an das denken, was keinerlei Wert hat. Durch dieses Tor werden alle nutzlosen und schmutzigen Dinge aus der Stadt gebracht. So müssen wir auch aus unserem Leben das ausräumen, was keinen Wert hat und was unser Leben beschmutzt. Das sind die ersten Stationen, die wir auf dem Weg zur Untersuchung der Mauern und Tore passieren müssen.
Wenn alle nutzlosen und schädlichen Dinge aus unserem Leben weggetan sind, können wir zum „Quellentor“ weitergehen. Dabei dürfen wir an die Kraft des Heiligen Geistes denken. Er ist die Quelle lebendigen Wassers, das jeder empfängt, der an den Herrn Jesus glaubt (Joh 4,14; 7,38.39). Durch den Heiligen Geist wird Gottes Wort ein „Königsteich“, die folgende Station.
Wir werden in Gottes Wort, wovon das Wasser des Teichs ein Bild ist (Eph 5,26), durch das Wirken des Heiligen Geistes die Herrlichkeit des Königs Gottes, des Herrn Jesus, entdecken. Wenn Er in unserer Aufmerksamkeit steht, verschwindet alles, worauf wir noch irgendwie vertrauen. Da bleibt kein Platz mehr übrig für etwas anderes. Wir sind dann so weit, dass wir unsere Aufmerksamkeit vollständig der Aufgabe widmen können, die der Herr uns in das Herz gegeben hat.
Nach dieser Inspektionsreise kehrt Nehemia wieder zum „Taltor“ zurück. Sich selbst zu demütigen, steht am Beginn und am Ende seiner Untersuchung. Um von Gott gebraucht werden zu können, ist es nötig, dass Demut uns dauerhaft kennzeichnet. Das heißt nicht, dass nicht manchmal auch entschlossen aufgetreten werden muss. Wir werden das bei Nehemia sehen.
Einige Lektionen
1. Bevor wir eine besondere Arbeit für den Herrn anfangen können, müssen wir bewiesen haben, dass wir nicht unsere Ruhe lieben. Sind wir immer offen für Menschen, die wirklich in Not sind? Sind wir bereit, dafür eine Nachtruhe oder eine Mahlzeit zu opfern?
2. Die Nachfolge des Herrn Jesus beginnt mit unserer Selbstverleugnung (Mt 16,24). Dann sind wir in der Lage, uns selbst zu erniedrigen.
3. Wir müssen aus unserem Leben das wegtun, was die Arbeit für den Herrn verhindert. Das betrifft Sünden, aber auch Dinge, die nicht sündig sind, die uns aber so in Beschlag nehmen, dass sie ein Hindernis bilden (Heb 12,1-2).
4. Es ist nötig, uns selbst zu demütigen, die Macht des Feindes zu sehen und alles aus unserem Leben wegzutun, was nicht gut ist. Dabei darf es aber nicht bleiben. Dann wären wir nur auf uns selbst und auf den Feind fokussiert. Also muss dem Heiligen Geist Raum gegeben werden, um uns die Herrlichkeit des Herrn Jesus vorzustellen.
5. Je größer Er wird, desto mehr fällt alles weg, was uns noch einige fleischliche Unterstützung geben könnte.
6. Demut können wir vom Herrn Jesus lernen, der sagt: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Er ist es immer.
16 - 18 Nehemia teilt seine Befunde mit
16 Die Vorsteher wussten aber nicht, wohin ich gegangen war und was ich tat; denn ich hatte den Juden und den Priestern und den Edlen und den Vorstehern und den Übrigen, die das Werk taten, bis dahin nichts mitgeteilt. 17 Und ich sprach zu ihnen: Ihr seht das Unglück, in dem wir sind, dass Jerusalem wüst liegt und seine Tore mit Feuer verbrannt sind. Kommt und lasst uns die Mauer Jerusalems [wieder] aufbauen, damit wir nicht länger zum Hohn sind! 18 Und ich teilte ihnen mit, dass die Hand meines Gottes gütig über mir gewesen war, und auch die Worte des Königs, die er zu mir geredet hatte. Da sprachen sie: Wir wollen uns aufmachen und bauen! Und sie stärkten ihre Hände zum Guten.
Nehemia hat schon erzählt, dass er niemanden über sein Vorhaben informiert hat (Vers 12). Er hat keinerlei Unterstützung vom Volk oder ihren Führern gesucht, von welchem Rang oder Position auch immer (vgl. Gal 1,16b.17a; 2,6). Ihren Einfluss möchte er nicht mit der Arbeit verbinden, die er tun möchte. So bleibt er frei, ohne sich ihnen auf irgendeine Weise zu verpflichten.
Sobald er die Zeit gekommen sieht, sie zu informieren, sucht er ihre Mitarbeit. Er ist nicht so eigensinnig, zu denken, dass er sie nicht nötig hätte. Seine Bitte um Mitarbeit ist ein Beweis dafür, dass er seine Brüder in ihrer Position anerkennt und sie mit ihren Fähigkeiten schätzt. Eine persönliche Berufung ist der Ausgangspunkt, aber das darf nie in Individualismus ausarten. Gott möchte jeden in Zusammenhang mit anderen gebrauchen. Wir alle sind Mitarbeiter voneinander (1Kor 3,8.9a).
Nehemia hat drei Motive für seine eindringliche Bitte um ihre Mitarbeit. Erstens weist er auf den Zustand der Stadt und der Mauern hin. Sie wissen darum, aber sie haben bis jetzt noch nichts daran getan. Er sagt das nicht von oben herab. In seiner Stimme klingt kein Vorwurf durch. Zweimal benutzt er das Wort „wir“. Er macht sich eins mit ihnen. Das Elend Jerusalems ist das Elend derer, die sie liebhaben. Zweitens kann er die gute Hand Gottes über sich bezeugen. Drittens verweist er auf die Unterstützung des Königs.
Seine bewegende Ansprache schlägt an. Das Volk ist überzeugt. Sie erklären, dass sie sich zum Wiederaufbau bereit machen werden und setzen es in die Tat um: „Und sie stärkten ihre Hände zum Guten.“ Gottesfürchtige Gedanken und Verständnis sind nicht genug. Sie müssen an die Arbeit gehen. Das gilt auch für uns. Der Ansporn durch treue Menschen, die eine Last von Gott auf ihrem Herz tragen, ist für andere ein großer Anreiz, um an die Arbeit zu gehen.
Nehemia hat ihnen Mut zugesprochen (vgl. Heb 12,12.13). Seine Überzeugung wirkte. Sie haben einen Mann gehört, der an seinen Auftrag glaubt. Der Auftrag ist nichts weniger als das Bauen einer Mauer um Jerusalem. Das Mitgefühl und das Engagement Nehemias wirken ansteckend auf seine Zuhörer. Sie werden durch Gottes Werk in ihren Herzen aufgrund der Ansprache Nehemias für das Werk des HERRN gewonnen und werden so Mitarbeiter in diesem Werk. Wenn wir mit einer Arbeit für den Herrn beschäftigt sind, wird Er uns auch die nötigen Helfer geben.
Der Tempel, das Haus Gottes, ist bereits wieder aufgebaut, steht aber an einem verwüsteten Ort, wovon die Mauern zum größten Teil niedergerissen und die Tore verbrannt sind. Der Tag, der in Sacharja 2 erwähnt wird, ist noch nicht angebrochen (Sach 2,5). Darum ist eine Mauer nötig. Wenn sie wiederaufgebaut ist, wird die Stadt wieder als ein Ort gesehen werden können, wo Gott seinen Namen befestigt hat. Durch die Mauer wird sein Haus, im Vorbild, getrennt sein von den Verunreinigungen der umgebenden Welt (Hes 42,20).
Einige Lektionen
1. Eine Berufung ist persönlich. Eine Arbeit macht man mit mehreren. Jeder hat darin ein eigenes Stück, für das er verantwortlich ist.
2. Jemand, der von seiner Aufgabe überzeugt ist und sich dafür voll einsetzt, ist in der Lage, ein herzliches Plädoyer für die Notwendigkeit seiner Aufgabe zu halten. Das spricht andere an. Sie werden zur Mitarbeit motiviert.
19 Die Feinde lassen von sich hören
19 Als aber Sanballat, der Horoniter, und Tobija, der ammonitische Knecht, und Geschem, der Araber, es hörten, spotteten sie über uns und verachteten uns und sprachen: Was ist das für eine Sache, die ihr tun wollt? Wollt ihr euch gegen den König empören?
Von den hier genannten Widersachern sind wir Sanballat und Tobija schon begegnet (Vers 10). Der Araber Geschem hat sich zu ihnen gesellt. In den Feinden finden wir neben den Vertretern von Moab und Ammon jetzt auch einen Vertreter von Edom. Diese drei Völker, die alle Brudervölker Israels sind, sind die Völker, die Israel am feindlichsten gesinnt sind (Dan 11,41; Jes 11,14).
Sie sind zutiefst verärgert über das Kommen Nehemias (Vers 10), aber haben bis jetzt noch nicht von sich hören lassen und sind auch noch nicht aktiv geworden. Das bedeutet nicht, dass ihre Feindschaft und ihr Widerstand nachgelassen haben. Ihre Verärgerung ist nicht von vorübergehender Natur. Jetzt, da Nehemia mit dem Bau beginnt, lassen sie von sich hören.
Ihre ersten Sticheleien, womit sie Nehemia und seine Mitarbeiter bearbeiten, bestehen aus spottenden Bemerkungen. So sehr, wie Nehemia dem Volk mit seiner Rede Mut zugesprochen hat, so sehr hat das Verspotten durch die Feinde das Ziel, ihnen die Kraft zu nehmen. Es ist viel Glaubenskraft nötig, um ein Werk für den Herrn unter fortwährendem Spott weiter zu tun.
Eine Lektion
Bei dem Ausführen einer Arbeit für den Herrn müssen wir mit „Widerspruch von den Sündern“ rechnen (Heb 12,3).
20 Nehemias Reaktion auf den Spott
20 Und ich gab ihnen Antwort und sprach zu ihnen: Der Gott des Himmels, er wird es uns gelingen lassen; und wir, seine Knechte, wollen uns aufmachen und bauen. Ihr aber habt weder Teil noch Recht noch Gedächtnis in Jerusalem.
Der erste Zusammenstoß zwischen Nehemia und seinen Feinden bestimmt den Ton der weiteren Auseinandersetzungen. Nehemia beruft sich gegenüber seinen Feinden nicht auf die Zustimmung des Königs. Er beruft sich auf eine höhere Instanz, er bezieht den „Gott des Himmels“ in das Werk ein. Verspottung hat nur einen Effekt, wenn wir uns in Verbindung mit den Spöttern sehen. Es hat keine Wirkung, wenn wir uns in Verbindung mit Gott sehen. Nehemia sieht sich selbst und die, die ihm helfen, in Verbindung mit Gott (Röm 8,31).
Nehemia tritt sehr entschieden auf und lässt keinen Raum für Kompromisse. Er gibt nicht klein bei, sondern spricht mit Autorität. Er stellt die Spötter außerhalb des Werkes Gottes und zieht eine scharfe Trennlinie zwischen sich und seinen Gegnern. Er erklärt öffentlich, wo seine Gegner stehen: Sie haben „weder Teil noch Recht noch Gedächtnis in Jerusalem“.
1. Sie haben kein „Teil“ in Jerusalem, weil das Teil der Feinde in diesem Leben ist (Ps 17,14a) und nicht in den Dingen Gottes.
2. Sie haben auch kein „Recht“ auf einen Platz in Jerusalem oder Mitsprache bei dem, was geschehen soll – ihre Meinung und Gedanken sind wertlos.
3. Schließlich gibt es auch kein „Gedächtnis“ an sie in Gottes Stadt. Sie haben nichts beigetragen, was irgendeine bleibende Bedeutung hat und von Gott in Erinnerung gehalten würde. Sie werden für immer draußen sein.
Einige Lektionen
1. Es ist wichtig, von Beginn des Widerstands an, nicht nachzugeben. Die Kraft, Widerstand zu geben, liegt in der Überzeugung, durch Gott berufen zu sein.
2. Miss die Stärke der Gegner an Gottes Stärke und nicht an der eigenen Stärke.
3. Sieh die Gegner in ihrer Beziehung zu Gott. Sie haben keine Beziehung zu Gott und daher kein Interesse oder Anteil an Gottes Werk. Wenn sie sich nicht bekehren, werden sie ewig ohne Gott sein.