Einleitung
Gott, der alle Dinge im Voraus weiß, gibt nach der Gesetzanordnung in den nächsten Kapiteln (2. Mose 21–23) gleichsam die Rechtsprechung, die Anwendungen des Gesetzes, für eine Anzahl vorkommender Fälle. Hieraus geht hervor, dass auch bestimmte Umstände berücksichtigt werden, Dinge, die sich im täglichen Leben ereignen können. Die erwähnten Fälle gelten als Muster für alle Dinge, die im Volk Gottes geschehen können.
Gottes Anweisungen für das tägliche Leben finden wir in seinem Wort. Dazu ist uns der Heilige Geist gegeben worden, durch den wir imstande sind, Gottes Wort zu verstehen und ein Leben zur Ehre Gottes und im Gehorsam gegenüber seinem Wort zu führen.
1 - 6 Der hebräische Knecht
1 Und dies sind die Rechte, die du ihnen vorlegen sollst: 2 Wenn du einen hebräischen Knecht kaufst, soll er sechs Jahre dienen, und im siebten soll er frei ausgehen, umsonst. 3 Wenn er allein gekommen ist, soll er allein ausgehen; wenn er der Ehemann einer Frau war, soll seine Frau mit ihm ausgehen. 4 Wenn sein Herr ihm eine Frau gegeben und sie ihm Söhne oder Töchter geboren hat, so sollen die Frau und ihre Kinder ihrem Herrn gehören, und er soll allein ausgehen. 5 Wenn aber der Knecht etwa sagt: Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen, 6 so soll sein Herr ihn vor die Richter bringen und ihn an die Tür oder an den Pfosten stellen, und sein Herr soll ihm das Ohr mit einem Pfriem durchbohren; und er soll ihm dienen auf ewig.
Ein Knecht bzw. Sklave innerhalb eines erlösten Volkes zu sein, ist etwas Außergewöhnliches. Das muss eine Folge außergewöhnlicher Umstände sein. Es kann die Folge von Armut sein, wenn einer Schulden hat. Wenn jemand in Armut lebte, war das genau genommen schon ein Gericht Gottes, denn bei Gehorsam gegenüber dem Gesetz sollte es keinen Armen geben. Aber in der Not konnte der Hebräer sich selbst einem Volksgenossen als Sklave anbieten, um auf dieser Art und Weise seine Schuld abzuarbeiten.
Gott setzt die Dienstzeit auf sechs Jahre fest. Im siebten Jahr ist er wieder ein freier Mann. Wenn er seine Frau mit in das Verhältnis gebracht hat, darf sie wieder frei mit ihm ausgehen. Anders liegt es in dem Fall, wenn sein Herr ihm eine Frau gegeben hat. Dann bleiben die Frau und eventuelle Kinder Eigentum des Herrn. Der Knecht ist allein gekommen, er muss auch allein ausgehen.
Aber dann hören wir aus dem Mund des Knechtes die Sprache der Liebe. Die Liebe betrifft nicht nur seine Frau und seine Kinder, sondern auch seinen Herrn, und diesen an erster Stelle. Der Knecht hat während seines Dienstes seinen Herrn liebgewonnen. In seiner Liebe möchte er seine Freiheit gegen das Leben in Knechtschaft tauschen. Von irgendeinem Zwang, von Überredung oder Manipulation ist nichts zu finden. Das ist der Sprache der Liebe völlig fremd. Als Zeichen, dass der Knecht ewig an das Haus seines Herrn gebunden ist, wird sein Ohr (das Symbol des Hörens, des Tuns, was gesagt wird, des Gehorsams) an einem Pfosten mit einem Pfriem durchbohrt.
Es ist nicht schwer, in dem Bild des hebräischen Knechtes den Herrn Jesus zu erkennen. Er bot sich selbst als Knecht an, um die Schuld, die auf der Schöpfung lag, wegzunehmen (Phil 2,6.7; Sach 13,5). Er hat einen vollkommenen Dienst als Knecht verrichtet. Der Herr Jesus zeigt sich als der gehorsame Mensch, der als Einziger das Gesetz vollkommen erfüllte. Er hätte nach seinem vollkommenen Leben in den Himmel zurückkehren können, ohne zu sterben.
Aber in seiner vollkommenen Liebe wollte Er für ewig Knecht sein (Lk 12,37). Liebe ist die wahre Quelle des Dienstes. Seine Liebe zeigte sich in erster Linie gegenüber seinem „Herrn“ (seinem Vater), danach gegenüber seiner „Frau“ (der Gemeinde, der Braut) und seinen „Kindern“ (den individuellen Gläubigen; wir sind keine Kinder des Herrn Jesus, nie nennt uns die Schrift so, wir sind Kinder Gottes). Unser Herr ließ sich das Ohr durchbohren. Er bezahlte mit seinem Blut und erwarb seine Frau, die Gemeinde, und Gottes Kinder als sein Eigentum.
In Psalm 40 (Ps 40,7) und Jesaja 50 (Jes 50,5) lesen wir etwas über geöffnete Ohren. Psalm 40,7 spricht von seinem Kommen in die Welt (Heb 10,5) und Jesaja 50,5 spricht von seinem Weg durch die Welt (jeden Morgen öffnete Gott sein Ohr). 2. Mose 21 passt dazu perfekt, denn es spricht von seinem Weggehen aus der Welt. Er übergab sich für die Seinen am Ende seines Lebens um ihr ewiger Knecht zu sein (2Mo 21,6).
7 - 11 Die hebräische Magd
7 Und wenn jemand seine Tochter zur Magd verkauft, soll sie nicht ausgehen, wie die Knechte ausgehen. 8 Wenn sie ihrem Herrn missfällt, der sie für sich bestimmt hatte, so lasse er sie loskaufen; er soll nicht Macht haben, sie an ein fremdes Volk zu verkaufen, weil er treulos an ihr gehandelt hat. 9 Und wenn er sie für seinen Sohn bestimmt, soll er ihr tun nach dem Recht der Töchter. 10 Wenn er sich eine andere nimmt, soll er ihre Nahrung, ihre Kleidung und ihr eheliches Recht nicht vermindern. 11 Und wenn er ihr diese drei Dinge nicht tut, so soll sie umsonst ausgehen, ohne Geld.
Der hebräische Knecht soll nach sechs Jahren Dienst im siebten Jahr freigelassen werden. Diese Regelung gilt nicht für eine hebräische Magd. Sie ist gekauft, um ihrem Herrn zu gefallen. Wenn sie ihn enttäuscht, muss er sie loskaufen lassen. Die Bedingung ist, dass er sie nicht an ein fremdes Volk verkaufen soll. Diese Regelung dient dazu, sie vor Willkür zu schützen.
Der Herr kann die Magd auch für seinen Sohn bestimmen. Dann muss er sie wie eine Tochter behandeln. Wenn er sich eine andere Frau nimmt und seine Magd nicht verkauft, sondern sie behält, darf er sich der ehelichen Pflicht nicht entziehen. Tut er das doch, steht es ihr frei, wegzugehen, ohne dass ein Kaufbetrag damit verbunden ist.
Wir können in der Magd ein Bild von Israel sehen. Israel durfte nicht frei ausgehen (im Gegensatz zu unserem Herrn Jesus). Das Volk war durch Gott erkauft, damit es Ihm gefallen sollte. Leider missfiel es Gott immer wieder.
Anders als der Herr in diesem Abschnitt hat Gott sein Volk in die Hände fremder Völker verkauft (Ri 2,14; Ps 44,13; Jes 50,1). Das war kein treuloses Handeln des HERRN. Im Gegenteil, es lag allein in der Untreue des Volkes begründet. Gottes Ziel war es, dem Volk den Unterschied zwischen dem Dienst für Ihn und dem Dienst für die Nationen zu zeigen (2Chr 12,8). Auch anders als in diesem Abschnitt war bei „dem Verkauf“ kein Geld im Spiel.
Die Magd, Israel, wird letztendlich frei werden. Sie soll die Frau des Sohnes werden (Hos 2,21). Dann wird Gott gemäß dieser Stellung mit ihnen handeln. In der Erwartung dieser Zeit hat der Sohn „sich eine andere“ Braut genommen, die Gemeinde. Die Beziehung zu Israel besteht nicht während der Zeit, in der die Gemeinde gebildet wird (Hos 3,3–5). Israel ist dann „Lo-Ammi“ und „Lo-Ruchama“ (Hos 1,6.9). Gott erkennt Israel in dieser Zeit nicht mehr als sein Volk an. Es ist fortgegangen, von Ihm weg.
12 - 14 Vorschriften bei Totschlag
12 Wer einen Menschen schlägt, dass er stirbt, soll gewiss getötet werden; 13 hat er ihm aber nicht nachgestellt, und Gott hat es seiner Hand begegnen lassen, so werde ich dir einen Ort bestimmen, wohin er fliehen soll. 14 Und wenn jemand gegen seinen Nächsten vermessen handelt, dass er ihn umbringt mit Hinterlist – von meinem Altar sollst du ihn wegnehmen, dass er sterbe.
In den Versen 12–36 werden genauere Bestimmungen für den Fall des Übertretens eines bestimmten Gebotes gegeben. Wir sehen, wie der HERR verschiedenen Umständen Rechnung trägt und inwiefern ein eigener Vorsatz des Menschen im Spiel ist.
In Matthäus 5 geht der Herr Jesus auf das Übertreten von Geboten ein (Mt 5,21.22.27.28.33.34.38.39). Er macht deutlich, dass es nicht nur um die Taten geht, sondern vor allem um das Herz, um die Gesinnung, die hinter dem Tun verborgen ist. So hat Er auch sein eigenes Herz offenbart, um zu zeigen, wie weit sein Leben über das hinausgeht, was das Gesetz fordert. Der Herr Jesus hat nicht nur das Gesetz erfüllt, sondern auch das, was darüber hinausgeht. Nirgends fordert das Gesetz, das Leben für andere zu geben. Das hat der Herr aber getan. Der Beweggrund dazu kann nur Liebe sein.
In den Versen 12–14 geht es um nähere Bestimmungen zum sechsten Gebot (2Mo 20,13). Die radikalste Form der Gesetzesübertretung gegen den Nächsten ist, ihn zu töten, ihm das Leben zu nehmen. Die allgemeine Regel im Volk Israel ist, dass im Fall von Totschlag nach den Grundsätzen gehandelt werden muss, die Gott bereits Noah deutlich gemacht hatte (1Mo 9,6). Wer einen anderen tötet, beansprucht Rechte, die nur Gott hat. Gott allein hat das Verfügungsrecht über Leben und Tod. Dieses Verfügungsrecht hat Gott der Obrigkeit übertragen (Röm 13,1–7).
Wenn jemand aus Versehen einen Menschen getötet hat, kann er zu einer Zufluchtsstadt fliehen, wofür später Regelungen getroffen werden (4Mo 35,6–15; 5Mo 19,1–13; Jos 20,1–9). Auch zum Altar kann er seine Zuflucht nehmen. Gott hat es seiner Hand „begegnen lassen“. Das bedeutet nicht, dass Gott es bewirkt hat, aber Er hat es zugelassen. Dass nichts außerhalb seines Willens geschieht, bedeutet nicht, dass Er dafür verantwortlich ist. Aber Er hat wohl eine Absicht mit dem, was passiert. Er möchte dieses Geschehen benutzen, um den Schuldigen zu seinem Altar, einem Bild vom Kreuz, zu bringen. Wer aber darin nicht aufrichtig ist, soll sterben (1Kön 2,29).
15 Wer Vater oder Mutter schlägt
15 Und wer seinen Vater oder seine Mutter schlägt, soll gewiss getötet werden.
Wer seinen Vater oder seine Mutter schlägt, übertritt das fünfte Gebot, das erste Gebot der Gebote, bei denen es um das Verhältnis zum Nächsten geht (2Mo 20,12). Auch hier ist, wie beim sechsten Gebot, wieder die Rede vom Aufstand gegen die von Gott eingesetzte Gewalt. Gottes Herrschaft und Autorität werden auf der Erde in erster Linie durch die Eltern repräsentiert. Kinder, die keine Achtung vor ihren Eltern haben, haben im Allgemeinen auch keine Achtung vor irgendeiner anderen Gewalt, geschweige denn vor Gott.
16 Wer einen Menschen raubt
16 Und wer einen Menschen raubt und ihn verkauft, oder er wird in seiner Hand gefunden, [der] soll gewiss getötet werden.
Nun geht es um die Übertretung des achten Gebotes (2Mo 20,15). Von jeder Form des Diebstahls ist diese als die schlimmste anzusehen. Paulus spricht von den „Menschenräubern“ in einer Liste, worin er mehrere Menschen nennt, für die das Gesetz bestimmt ist (1Tim 1,9.10). Es bedeutet, jemandem die Freiheit zu nehmen und ihn in einen Gegenstand umzuwandeln, der ihm Verdienst bringen soll.
In geistlicher Sicht bedeutet das, jemand anderes von sich selbst abhängig zu machen, um über ihn bestimmen zu können, wodurch dieser nicht mehr so sein kann, wie Gott ihn bestimmt hat. Der Mensch ist nach dem Bild Gottes geschaffen (1Mo 9,6; Jak 3,9). Darum muss jeder Mensch mit Respekt behandelt werden (1Pet 2,17a).
17 Wer Vater oder Mutter flucht
17 Und wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll gewiss getötet werden.
Es wird nun die Übertretung des fünften Gebotes (2Mo 20,12) thematisiert, die sich hier nicht wie in Vers 15 als körperliche Gewalt zeigt, sondern als schändliches Reden über die Eltern. Auch dieses Verbrechen soll mit der Todesstrafe geahndet werden.
Kinder, die durch Tat oder Wort ihre Eltern misshandeln, sind sehr tief gesunken in ihren Gefühlen und missachten die meist elementare Beziehung, die Gott in der Schöpfung den Menschen gegeben hat.
18 - 27 Strafen für körperliche Verletzungen
18 Und wenn Männer streiten, und einer schlägt den anderen mit einem Stein oder mit der Faust, und er stirbt nicht, sondern wird bettlägerig – 19 wenn er aufsteht und draußen an seinem Stab umhergeht, so soll der Schläger schuldlos sein; nur soll er sein Versäumnis erstatten und ihn völlig heilen lassen. 20 Und wenn jemand seinen Knecht oder seine Magd mit dem Stock schlägt, dass er unter seiner Hand stirbt, so soll er gewiss gerächt werden; 21 nur wenn er einen Tag oder zwei Tage [am Leben] bleibt, soll er nicht gerächt werden, denn er ist sein Geld. 22 Und wenn Männer sich zanken und stoßen eine schwangere Frau [so], dass sie gebiert, und es geschieht kein Schaden, so soll er gewiss mit Geld gestraft werden, je nachdem der Ehemann der Frau ihm auferlegen wird, und er soll es geben durch die Schiedsrichter. 23 Wenn aber Schaden geschieht, so sollst du geben Leben um Leben, 24 Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, 25 Brandmal um Brandmal, Wunde um Wunde, Strieme um Strieme. 26 Und wenn jemand in das Auge seines Knechtes oder in das Auge seiner Magd schlägt und es zerstört, so soll er ihn frei entlassen für sein Auge. 27 Und wenn er den Zahn seines Knechtes oder den Zahn seiner Magd ausschlägt, so soll er ihn frei entlassen für seinen Zahn.
Das Zufügen von Körperverletzungen steht in Verbindung mit dem sechsten Gebot (Verse 18.19; 2Mo 20,13). Ein Streit eskaliert. Es gibt keinen Toten, wohl aber Verwundete. Der Verwundete kann eine Weile nicht arbeiten. Die erzwungene Ruhezeit soll vergütet werden. Eine weitere Strafe wird nicht auferlegt, wenn der Verwundete sich soweit erholt hat, dass er wieder gehen kann, wenn nötig mithilfe eines Stocks.
Wenn ein Knecht oder eine Magd von dem Besitzer so schwer geschlagen wird, dass der Betreffende stirbt, soll der Besitzer dafür büßen (Verse 20.21). Er hat jemandem das Leben genommen, was niemand zusteht. Wenn der Knecht nicht unmittelbar zu Tode kommt, muss der Besitzer nicht bestraft werden. Seine Strafe ist dann der Verlust des Knechtes. Ein christlicher Herr soll seinen Knecht nicht schlagen. Er wird angehalten, dass er noch nicht einmal drohen soll (Eph 6,9; vgl. Hiob 31,13–15).
Möglicherweise ist die Lage in Vers 22 so, dass die (schwangere) Frau eines der streitenden Ehemänner eingreifen will. Sie bekommt einen Stoß, woraufhin eine Fehlgeburt erfolgt. Dem Mann, der das verursacht hat, soll eine Strafe auferlegt werden, die durch den Ehemann der Frau festgelegt und von den Richtern bestätigt werden muss.
Wenn aber Schaden (Vers 23) an der Frau oder an dem Kind geschieht, dann soll die Todesstrafe ausgeführt werden. Wir sehen hier, dass das Töten eines ungeborenen Lebens (heutzutage: Abtreibung) von Gott als das Zufügen eines Schaden gesehen wird, worauf die Todesstrafe steht.
In geistlicher Anwendung kann ein Streit zur Folge haben, dass geistliches Leben, das im Entstehen ist, erstickt wird. Wie viel geistlicher Schaden ist schon durch Streit zwischen Gläubigen entstanden!
In den Versen 24 und 25 wird die Regel „Leben um Leben“ (Vers 23) weiter ausgearbeitet. Wir finden hier den Kerngedanken des Gesetzes: Die Vergeltung steht im Vordergrund, das Heimzahlen mit gleicher Münze; ein absolut gerechter Grundsatz. Wenn Gott nach dem Grundsatz „Leben um Leben“ im Hinblick auf den Tod seines Sohnes gehandelt hätte, so wären alle Menschen vernichtet worden. Aber gerade an der Stelle der größten Missetat bat der Herr Jesus: „Vater, vergib ihnen“ (Lk 23,34).
Der Herr Jesus spricht auch von dem Gesetz der Vergeltung, vertieft es aber (Mt 5,38.39). Was das Gesetz fordert, ist immer gerecht. Darum ist „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ richtig, wobei man nicht vergessen darf, dass es von einem Gericht ausgeführt werden soll und nicht in einer Sphäre persönlicher Vergeltung. Das hatten die Jünger als treue Juden gehört. Aber die Gnade geht viel weiter. Darauf verweist der Herr mit seinem: „Ich aber sage euch.“ In dem, was Er sagt, zeigt Er den Geist, in dem seine Jünger handeln sollen, so wie Er selbst das vollkommen getan hat. Das heißt, dass wir uns nicht gegen einen bösen Nächsten wehren sollen, und dass wir uns nicht nur ein bisschen, sondern tief erniedrigen lassen.
Das eben Gesagte ist wichtig in Situationen, in denen man uns ungerecht behandelt. Dann sollten wir in der Nachfolge Christi, diese Gesinnung zeigen. Wenn wir aber selber Unrecht getan haben, müssen wir damit rechnen, dass wir auf irgendeine Weise das Unrecht, dass wir getan haben, zurückbekommen werden (Kol 3,25; Gal 6,8).
Gott sorgt auch für das Recht der Knechte (Verse 26.27). Wenn der Besitzer das Auge oder den Zahn seines Knechtes so beschädigt, dass es bzw. er nicht mehr genutzt werden kann, soll der Besitzer seinen Knecht freilassen. Der Besitzer verliert dadurch die Arbeitskraft seines Knechtes und soll diesen ersetzen, was wiederum Geld kostet. Der Knecht hat etwas gewonnen. Er hat seine Freiheit wiedererlangt. Er ist aber auch deutlich geschädigt. Sein Sehvermögen ist beeinträchtigt oder das Essen seiner Nahrung ist nicht mehr so einfach wie früher.
28 - 32 Körperliche Verletzungen durch ein Tier
28 Und wenn ein Ochse einen Mann oder eine Frau stößt, dass sie sterben, so soll der Ochse gewiss gesteinigt und sein Fleisch nicht gegessen werden; aber der Besitzer des Ochsen soll schuldlos sein. 29 Wenn aber der Ochse vorher stößig war, und sein Besitzer ist gewarnt worden, und er hat ihn nicht verwahrt, und er tötet einen Mann oder eine Frau, so soll der Ochse gesteinigt und auch sein Besitzer soll getötet werden. 30 Wenn ihm eine Sühne auferlegt wird, so soll er das Lösegeld seines Lebens geben nach allem, was ihm auferlegt wird. 31 Mag er einen Sohn stoßen oder eine Tochter stoßen, so soll ihm nach diesem Recht getan werden. 32 Wenn der Ochse einen Knecht stößt oder eine Magd, so soll sein Besitzer ihrem Herrn dreißig Sekel Silber geben, und der Ochse soll gesteinigt werden.
Wenn ein Ochse jemand tötet, soll dieser getötet werden. Das wegen der Tat getötete Tier darf nicht als Nahrung dienen, weil es durch seine abscheuliche Tat als unrein betrachtet werden soll. Der Besitzer ist nicht verantwortlich. Er konnte nicht ahnen, dass sein Tier so etwas tun würde.
Allerdings ist der Besitzer in dem Fall verantwortlich, wenn ihm bekannt ist, dass er ein gefährliches Tier besitzt. Wenn er das Tier nicht bewacht und es einen Menschen tötet, sollen sowohl das Tier als auch der Besitzer getötet werden. Es wurde jedoch die Möglichkeit eingeräumt, ein Sühnegeld als Lösegeld für das Leben zu bezahlen.
Dinge, die in unserem Besitz sind, können anderen Schaden zufügen. Das kann durch etwas geschehen, das nach unserem Dafürhalten eigentlich keinen Schaden verursachen kann. Es kann aber auch durch Dinge geschehen, bei denen uns bewusst ist, dass sie Schaden bei anderen verursachen können. Im letzten Fall muss unbedingt darauf geachtet werden, wie wir diese Dinge gebrauchen. Es können sowohl praktische als auch geistliche Anwendungen gemacht werden (Röm 14,13; 1Kor 8,8.9).
Der in Vers 32 genannte Preis ist der, für den der Sohn Gottes in Gestalt eines Knechtes geschätzt wurde (Mt 26,14.15).
33 - 36 Verletzung bei einem Tier
33 Und wenn jemand eine Grube öffnet oder wenn jemand eine Grube gräbt und sie nicht zudeckt, und es fällt ein Ochse oder ein Esel hinein, 34 so soll es der Besitzer der Grube erstatten: Geld soll er dessen Besitzer zahlen, und das tote [Tier] soll ihm gehören. 35 Und wenn jemandes Ochse den Ochsen seines Nächsten stößt, dass er stirbt, so sollen sie den lebenden Ochsen verkaufen und den Erlös teilen, und auch den toten sollen sie teilen. 36 Ist es aber bekannt gewesen, dass der Ochse vorher stößig war, und sein Besitzer hat ihn nicht verwahrt, so soll er gewiss Ochsen für Ochsen erstatten, und der tote soll ihm gehören.
Schaden, am Eigentum eines anderen verursacht, muss vergütet werden. Im Fall, dass es nicht vorhersehbar ist, wird eine Regelung getroffen. Alle diese genannten Vorfälle ereignen sich im Volk Gottes und dienen uns zur Belehrung, „als Vorbilder für uns“ (1Kor 10,6.11). Es ist also durchaus biblisch, in allen Fällen eine geistliche Anwendung zu machen. In einem Fall liegt eine solche auf der Hand, im anderen Fall ist sie weniger deutlich. Wichtig ist, dass eine Anwendung nicht auf Fantasie beruht, sondern auf einer Wahrheit, die im Neuen Testament vorgestellt wird.
Wenn es um Besitz geht, können wir an alles das denken, was uns in materieller und geistlicher Form anvertraut ist. Wie gehen wir mit unserem Geld um, unserem Besitztum oder unseren Fähigkeiten, die der Herr uns anvertraut hat? Benutzen wir diese zum Segen oder zum Schaden anderer? Wenn wir anderen einen materiellen oder geistlichen Schaden zugefügt haben, wie vergüten wir diesen? Auch materieller Schaden ist nicht immer nur mit einem Geldbetrag auszugleichen.
Im Allgemeinen können wir aus diesem Kapitel lernen, dass wir sehr wachsam sein müssen, dass das Böse sich nicht in uns offenbaren kann. Wenn wir doch irgendetwas Böses getan haben sollten, dann sollen wir bereit sein, einen Schadenersatz zu geben. Es ist wichtig, eine Gesinnung zu haben, dass wir nicht wollen, dass jemand durch uns einen Verlust, materiell oder geistlich, erleidet.
37 Diebstahl eines Tieres
37 Wenn jemand einen Ochsen stiehlt oder ein Stück Kleinvieh und es schlachtet oder es verkauft, so soll er fünf Ochsen erstatten für den Ochsen, und vier Stück Kleinvieh für das Stück.
Bei Diebstahl – es handelt sich in diesem Vers um die Anwendung des achten Gebots (2Mo 20,15) – wird jeder Fall einzeln beschrieben. Die Verordnungen sind sehr unterschiedlich. Bei Diebstahl, Schlachtung oder Weiterverkauf muss das Rind bzw. Schaf fünf- bzw. vierfach (2Sam 12,6; Lk 19,8) erstattet werden. Wenn das Tier noch lebend im Besitz des Diebes war, soll dieser es doppelt erstatten.
Wir sehen hier, dass Diebstahl einen nicht reicher, sondern ärmer macht. Unrechtmäßiger Gewinn heißt Verlust des eigenen Besitzes. Dies kann man auch geistlich sehen. Jeder Mensch, der lebt, um von den Menschen verehrt zu werden, stiehlt die Ehre Gottes, dem alle Ehre gebührt. Wer aber lebt, um von Menschen verehrt zu werden, wird seine Menschenwürde verlieren.