1 - 2 In der Wüste Sinai
1 Im dritten Monat nach dem Auszug der Kinder Israel aus dem Land Ägypten, an ebendiesem Tag kamen sie in die Wüste Sinai: 2 Sie brachen auf von Rephidim und kamen in die Wüste Sinai und lagerten in der Wüste; und Israel lagerte dort dem Berg gegenüber.
Hier beginnt ein neuer Teil des zweiten Buches Mose. Nach der Wüste Sur (2Mo 15,22) und der Wüste Sin (2Mo 16,1) kommt das Volk nun in die Wüste Sinai. Dort lagert es sich gegenüber dem Berg, um eine Begegnung mit dem HERRN zu haben. Diese Begegnung wird bis in die fernste Zukunft Folgen haben. Jede Begegnung mit dem Herrn hat Auswirkungen auf die Zukunft, in Segen oder in Gericht, je nach unserer Einstellung und Beziehung zu Ihm.
An der Stelle, an die sie jetzt gekommen sind, finden alle Dinge statt, die von 2. Mose 19,1 bis 4. Mose 10,10 beschrieben werden. Das Volk bekommt hier das Gesetz mit seinen zahlreichen Hinweisen für den Dienst an dem HERRN. Sie bleiben da fast ein Jahr lang. Sie kommen „im dritten Monat“ des ersten Jahres ihres Auszugs an. Sie ziehen weiter „im zweiten Jahr, im zweiten Monat, am Zwanzigsten des Monats“ (4Mo 10,11.12).
3 - 6 Der HERR will Israel als ein Eigentumsvolk
3 Und Mose stieg hinauf zu Gott; und der HERR rief ihm vom Berg zu und sprach: So sollst du zum Haus Jakob sprechen und den Kindern Israel kundtun: 4 Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch auf Adlers Flügeln getragen und euch zu mir gebracht habe. 5 Und nun, wenn ihr fleißig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt ihr mein Eigentum sein aus allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein; 6 und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein. Das sind die Worte, die du zu den Kindern Israel reden sollst.
Gott nennt sein Volk sowohl „Haus Jakob“ als auch „Kinder Israel“. Er sieht sie in ihrer Schwachheit (Jakob), aber auch in dem, was Er aus ihnen gemacht hat (Israel). Gott hat eine Botschaft für das Volk. Mose muss dem Volk mitteilen, was sie bereits wussten und selber erfahren hatten. Trotzdem müssen sie erneut daran erinnert werden, wie ihr HERR mit den Ägyptern gehandelt und sie befreit hatte.
Dies soll ihnen wieder ihre eigene Ohnmacht gegenüber der Macht des Feindes deutlich machen. Außerdem soll ihnen die Macht Gottes klar werden, denn Gott allein hat den Feind geschlagen. Aber dabei war es nicht geblieben. Er hat sie nach ihrer Befreiung nicht ihrem Los überlassen. Hätte Er das getan, wären sie hoffnungslos in der Wüste umgekommen. Aber Gott hat für sie gesorgt (Apg 13,18). Er hat sie getragen, wie ein Adler seine Jungen auf seinen Flügeln trägt (5Mo 32,11.12). So werden sie beschützt und umsorgt, sodass sie nicht umkommen. Und wohin hat Gott sein Volk gebracht? Zu sich selbst, in seine Gegenwart, hier an den Berg. Welche Sorgfalt ist hierin zu sehen!
In dieser engen Verbindung, diesem Bund mit Ihm, würden sie bleiben können, wenn sie auf Ihn hören würden. Allen Segen, den der HERR mit seinem Bund verbindet, macht Er abhängig vom Gehorsam (Jer 7,23; 11,4.7). Gott kann sich nicht an den Eigenwillen der Menschen, den Eigenwillen seines Volkes, binden. Nur wenn sein Volk tut, wie Er es befohlen hat, werden sie seinen Bund genießen können.
Die ganze Erde ist sein (Ps 24,1), aber sie sollten, wenn sie gehorsam sind, auf eine ganz besondere Weise sein Eigentum sein. Sie sollten Ihm allein als einziges Volk auf der ganzen Erde an seiner Wohnstätte als Priester nahen und Ihn als Königreich auf der Erde repräsentieren dürfen. Dieses große Vorrecht ist das wirkliche Teil eines jeden Gliedes der Gemeinde Gottes (1Pet 2,5.9; Off 1,6).
7 - 8 Die Antwort des Volkes
7 Und Mose kam und rief die Ältesten des Volkes und legte ihnen alle diese Worte vor, die der HERR ihm geboten hatte. 8 Da antwortete das ganze Volk insgesamt und sprach: Alles, was der HERR geredet hat, wollen wir tun! Und Mose brachte die Worte des Volkes zu dem HERRN zurück.
Als Mose zurückkehrt, sagt er dem Volk Gottes Worte. Er stellt diese Worte damit vor deren Gewissen. Das Volk stimmt den Verordnungen ohne Zögern zu. Sie versprechen, auf das zu hören, was der HERR gesagt hat. Dieses Versprechen werden sie noch zweimal wiederholen (2Mo 24,3.7). Vielleicht sind wir dazu geneigt, dieser Antwort zuzustimmen. Aber die Antwort zeigt die Überschätzung ihres eigenen Könnens. Ihre Antwort zeigt klar, dass sie in den verflossenen Monaten ihr eigenes, aufrührerisches Herz noch nicht kennengelernt haben. Der HERR weiß das wohl.
Darum verändert sich ab jetzt der Ton in diesem Buch. Was ein Fest der Begegnung mit Gott hätte werden sollen (2Mo 5,1), wird zu einem Ereignis, womit Donner und Blitze, Angst und Schrecken verbunden sind. Es entsteht ein Abstand zwischen Gott und dem Volk. Die Begegnung mit Gott wirkt bedrohlich. Hat das Volk gesagt, dass sie alles tun wollen, was der HERR geboten hat? Dann wird Er ihnen auch seine Gebote kundtun.
9 - 20 Der HERR steigt herab auf den Berg
9 Und der HERR sprach zu Mose: Siehe, ich werde zu dir kommen im Dunkel des Gewölks, damit das Volk höre, wenn ich mit dir rede, und dir auch glaube auf ewig. Und Mose tat dem HERRN die Worte des Volkes kund. 10 Und der HERR sprach zu Mose: Geh zum Volk und heilige sie heute und morgen, und sie sollen ihre Kleider waschen; 11 und sie seien bereit auf den dritten Tag; denn am dritten Tag wird der HERR vor den Augen des ganzen Volkes auf den Berg Sinai herabsteigen. 12 Und mache eine Grenze um das Volk ringsum und sprich: Hütet euch, auf den Berg zu steigen und sein Äußerstes zu berühren; alles, was den Berg berührt, soll gewiss getötet werden – 13 keine Hand soll ihn berühren –, denn es soll gewiss gesteinigt oder erschossen werden; ob Vieh oder Mensch, es darf nicht leben. Wenn das Lärmhorn anhaltend ertönt, sollen sie zum Berg hinaufsteigen. 14 Und Mose stieg vom Berg zum Volk hinab; und er heiligte das Volk, und sie wuschen ihre Kleider. 15 Und er sprach zum Volk: Seid bereit auf den dritten Tag; naht euch nicht der Frau. 16 Und es geschah am dritten Tag, als es Morgen wurde, da waren Donner und Blitze und eine schwere Wolke auf dem Berg und ein sehr starker Posaunenschall; und das ganze Volk, das im Lager war, zitterte. 17 Und Mose führte das Volk aus dem Lager hinaus, Gott entgegen; und sie stellten sich auf am Fuß des Berges. 18 Und der ganze Berg Sinai rauchte, weil der HERR auf ihn herabstieg im Feuer; und sein Rauch stieg auf wie der Rauch eines Schmelzofens, und der ganze Berg bebte sehr. 19 Und der Posaunenschall wurde immer stärker; Mose redete, und Gott antwortete ihm mit einer Stimme. 20 Und der HERR stieg auf den Berg Sinai herab, auf den Gipfel des Berges; und der HERR rief Mose auf den Gipfel des Berges, und Mose stieg hinauf.
Der HERR kündigt Mose an, dass Er auf eine Art und Weise erscheinen möchte, die das Volk miterleben kann. Wichtig ist dabei, dass das Volk strikte Anweisungen beachtet. Sie sollen heilig sein; es darf nichts da sein, was nicht zu der Heiligkeit Gottes passt. Am dritten Tag werden sie dann den HERRN auf den Berg hinabsteigen sehen.
Rund um den Berg soll ein ehrerbietiger Abstand gewahrt werden. Jeder, Mensch oder Tier, der den Berg berührt, während Gott darauf erscheint, soll getötet werden. Die absolute Heiligkeit Gottes lässt es nicht zu, dass ein lebendiges Wesen, ein Sünder oder jemand, der mit der Sünde verbunden ist, auch nur ein Stück weit in seine Nähe kommt. Erst wenn ein von Ihm gegebenes, bestimmtes Signal ertönt, wird der Berg freigegeben.
Das Volk handelt in Übereinstimmung mit Gottes Vorschriften. Mose heiligt das Volk, das daraufhin die Kleider wäscht und sich damit für Gottes Erscheinen passend macht. Drei Tage sollen sie so in der Erwartung seiner Erscheinung leben. Als eine weitere Vorschrift soll der sexuelle Umgang zwischen Mann und Frau in dieser Zeit unterbleiben. Alles soll auf die Erscheinung des HERRN hin konzentriert sein.
Hierin sehen wir auch eine Lektion für uns. Heiligen wir unser Leben im Blick auf die Begegnung mit dem Herrn, wenn Er kommt (1Joh 3,2.3)? Aber nicht nur in diesem Punkt sollen wir heilig sein. Generell gilt der Auftrag, heilig zu sein, wie Er heilig ist, wenn wir Gott als Vater anrufen (1Pet 1,15–17). Ist es unser Verlangen, heilig zu leben, gerade wegen unseres täglichen Umgangs mit Ihm? Können wir auch die uns sonst erlaubten Dinge für eine Zeit unterlassen, um uns einmal für eine Zeit ganz auf Ihn zu konzentrieren, um seinen Willen zu suchen (1Kor 7,5)?
Die Motivation, sich heilig zu erhalten, ist allerdings heute bei einem Glied des Volkes Gottes eine andere als damals zur Zeit des Volkes Israel. Israel handelte aus Angst vor Vergeltung. Wir dürfen aus Liebe zum Vater heraus handeln.
Als der HERR erscheint, geschieht das in Verbindung mit Erscheinungen, die Angst einflößen und Zittern herbeiführen. Zu dieser Offenbarung Gottes wird das Volk durch Mose geführt. In Hebräer 12 stellt uns dessen Schreiber das Nahen zu Gott voll Furcht und Beben vor, das Nahen auf der Grundlage des Gesetzes; dem gegenüber stellt er das Nahen zu Gott durch das Werk des Herrn Jesus, was das Vorrecht der Gläubigen heute ist, das Nahen auf der Grundlage der Gnade (Heb 12,18–24). Der Gegensatz ist enorm!
21 - 25 Vorschriften, um dem HERRN zu nahen
21 Und der HERR sprach zu Mose: Steige hinab, warne das Volk, dass sie nicht zu dem HERRN durchbrechen, um zu schauen, und viele von ihnen fallen. 22 Und auch die Priester, die zu dem HERRN nahen, sollen sich heiligen, dass der HERR nicht in sie einbreche. 23 Und Mose sprach zu dem HERRN: Das Volk wird den Berg Sinai nicht ersteigen können; denn du hast uns ja gewarnt und gesagt: Mache eine Grenze um den Berg und heilige ihn. 24 Und der HERR sprach zu ihm: Geh, steige hinab, und du sollst heraufkommen, du und Aaron mit dir; aber die Priester und das Volk sollen nicht durchbrechen, um zu dem HERRN hinaufzusteigen, dass er nicht in sie einbreche. 25 Da stieg Mose zum Volk hinab und sagte es ihnen.
Mose ist der Einzige, der zu Gott kommen darf. Aber kaum unterwegs, um dem HERRN zu begegnen, schickt Gott ihn auch schon wieder zurück, weil das Volk in seinem Übermut versucht, den HERRN zu sehen. Er muss mit einer Warnung an das Volk wieder hinabsteigen. Die Warnung beinhaltet, dass niemand versuchen soll, etwas von Gott sehen zu wollen. Ihn zu sehen hat den Tod zur Folge. Die Priester bekommen eine eigene Warnung. Sie, die als einzige Gruppe Gott nahen dürfen, sollen das in geziemender Weise tun. Mose denkt, dass nun genug Vorsichtsmaßnehmen getroffen sind, aber der HERR kennt die Herzen seines Volkes, und Mose muss gehen.
Für uns, die wir Kinder Gottes sind, geht keine Drohung mehr von Gott aus. Die Herrlichkeit Gottes jagt keine Angst mehr ein, denn wir sehen sie im Angesicht Jesu Christi (2Kor 4,6; Joh 1,18; 2Kor 3,18).
Mose und Aaron dürfen, nachdem Mose die Warnung Gottes an das Volk weitergegeben hat, zu Gott hinaufsteigen. Gemeinsam sind sie ein Bild von dem Herrn Jesus, Mose als der, der im Namen Gottes zu dem Volk spricht, und Aaron als derjenige, der das Volk vor Gott vertritt. Der Herr Jesus wird „der Apostel (Mose) und Hohepriester (Aaron) unseres Bekenntnisses“ (Heb 3,1) genannt.