1 - 2 Das Laubhüttenfest war nahe
1 Und danach wandelte Jesus in Galiläa; denn er wollte nicht in Judäa wandeln, weil die Juden ihn zu töten suchten. 2 Es war aber das Fest der Juden nahe, das Laubhüttenfest.
In Kapitel 5 haben wir den Herrn Jesus als den Sohn Gottes gesehen, der in uneingeschränkter Macht lebendig macht, wen Er will. Er richtet alle, weil Er des Menschen Sohn ist. Die Betonung liegt auf dem, was Er ist, nicht auf der Stellung, die Er einnimmt. In Kapitel 6 geht es um denselben Sohn, dort wird Er aber als aus dem Himmel herabgekommen vorgestellt. Er ist in seiner Erniedrigung der, an den Menschen glauben. Dann ist Er der Sohn des Menschen, der stirbt und danach wieder dorthin auffährt, wo Er zuvor war. In Kapitel 7 wird Christus als der vorgestellt, der der Welt noch nicht offenbart ist. Wenn Er einmal in Herrlichkeit seinen Platz im Himmel einnimmt, kommt der Heilige Geist an seiner statt, um auf der Erde zu wohnen, und zwar in den Gläubigen.
Nach der Heilung des Gelähmten in Judäa (Kapitel 5) ist der Herr nach Galiläa gegangen und hat das Wunder der Speisung gewirkt (Kapitel 6). Er geht dort in Liebe umher und sucht Menschen auf, um ihnen diese Liebe zu erweisen. In Judäa will Er nicht umhergehen, weil das nicht der Wille seines Vaters ist. Niemals ließ Er sich davon leiten, wie die Menschen Ihm begegneten. Sein Wille und der des Vaters sind gleich. Wir lesen deshalb, dass Er nicht in Judäa umhergehen wollte. Allerdings wird als Begründung nicht der Wille des Vaters genannt, sondern dass die Juden Ihn zu töten suchten.
Hier sehen wir, dass der Vater die boshafte Haltung der Juden in seinen Plan aufgenommen hat. Der Wille des Vaters macht die Bosheit des Menschen nicht wirkungslos, sondern der Wille des Vaters steht darüber – Er gebraucht die Bosheit zur Ausführung seiner Pläne. Juden sind hier die Bewohner Judäas und vor allem die geistlichen Führer dort. Wenn die Bosheit des Menschen den Sohn daran hindert, irgendwo seine Gnade zu erweisen, dann findet die Gnade neue Gebiete, wo sie diese Gnade offenbart. Er ist für eine bestimmte Zeit in diesem Gebiet, denn wenn die Zeit gekommen ist, die der Vater bestimmt hat, geht Er danach wieder nach Judäa.
Die Zeit, in der die Ereignisse stattfinden, wie sie in Kapitel 7 beschrieben sind, ist die Zeit des Laubhüttenfestes. Kapitel 6 hat das Passah als Ausgangspunkt (Joh 6,4) und seinen Tod zum Hauptthema. Hier steht das Laubhüttenfest im Mittelpunkt, ein Bild vom Fest der Freude im Friedensreich aus Anlass aller Segnungen Gottes mit Früchten des Landes. Damit wird das Kommen des Heiligen Geistes verbunden (Joh 7,37–39).
Die Zeit der Erfüllung des Festes ist für das Volk wegen seiner Sünden noch nicht angebrochen. Das Fest wird daher hier auch – so wie zuvor das Passah – ein „Fest der Juden“ genannt.
3 - 9 Der Unglaube der Brüder des Herrn Jesus
3 Da sprachen seine Brüder zu ihm: Zieh von hier weg und geh nach Judäa, damit auch deine Jünger deine Werke sehen, die du tust; 4 denn niemand tut etwas im Verborgenen und sucht dabei selbst öffentlich bekannt zu sein. Wenn du diese Dinge tust, so zeige dich der Welt; 5 denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn. 6 Da spricht Jesus zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht da, eure Zeit aber ist stets bereit. 7 Die Welt kann euch nicht hassen; mich aber hasst sie, weil ich von ihr zeuge, dass ihre Werke böse sind. 8 Geht ihr hinauf zu dem Fest; ich gehe nicht hinauf zu diesem Fest; denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt. 9 Nachdem er aber dies zu ihnen gesagt hatte, blieb er in Galiläa.
Die Brüder des Herrn wollen, dass Er wieder nach Judäa geht. Sie wissen, dass Er dort Jünger hat, und die können seine Werke dann sehen. Das würde seine Popularität steigern. Dadurch könnten sie als seine Brüder auch zu Ansehen kommen. Sie argumentieren nur im eigenen Interesse, ohne die geringste Ahnung zu haben, wer Er wirklich ist, der sich herabgelassen hatte, in ihre Familie hineingeboren zu werden. Sie suchen die Ehre der Welt, denn sie wollen sich durch das, was Er tut, selbst einen Namen machen.
Ihr Vorschlag zeigt, was sie selbst getan hätten, wenn sie an seiner Stelle gewesen wären. Sie suchen eben ihre eigene Ehre, wie das in der Welt normal ist. Sie haben keine Ahnung, was den Herrn wirklich bewegt. Sie finden es befremdend, dass Er im Verborgenen bleibt, während Er doch, wie sie meinen, öffentlich bekannt sein will.
Ihre Haltung und ihr Vorschlag sind darin begründet, dass sie nicht an Ihn glauben. Für sie ist Er ein Bruder mit besonderen Gaben, mehr nicht. Sie wollen wohl von seinem Ansehen profitieren, das Er wegen seiner Zeichen genießt, gehen jedoch auf Abstand, sobald seine Verwerfung in Sicht kommt.
Später werden seine Brüder doch an Ihn glauben. Sie sind ja dabei, als die Jünger nach seiner Himmelfahrt im Obersaal zusammen sind, um im Gebet zu verharren und einen Apostel anstelle von Judas zu wählen (Apg 1,14).
Der Herr lässt sich nicht von der Sichtweise seiner Brüder leiten. Wie immer bleibt Er in völliger Abhängigkeit von seinem Vater. Er lässt sich von Ihm leiten, nicht von Menschen, weder von seinen Feinden noch von seiner Familie. Die Zeit ist noch nicht gekommen, dass Er sich der Welt zeigt. Er muss zuvor leiden. Für seine Brüder hat Er allerdings eine Botschaft. Er spricht zu ihnen davon, dass sie in und für die Welt leben, und deshalb ist ihre Zeit, sich sehen zu lassen, jederzeit da.
Vielleicht spielt der Herr auch auf die flüchtige Dauer ihres Lebens an und dass sie sich darauf vorbereiten sollen, Gott zu begegnen (Amos 4,12). Menschen der Welt kümmern sich nicht um Gottes Zeit, sondern nehmen die Zeit in ihre eigenen Hände. Weil sie in der Welt und für die Welt leben, sieht die Welt sie als Teil ihrer selbst an und kann sie deshalb auch nicht hassen. Sie lieben die Welt und die Welt liebt sie, weil sie mithelfen, die Welt zu unterstützen und großzumachen.
Bei dem Herrn Jesus ist das anders. Die Welt hasst Ihn, weil Er die Welt in ihrem wahren Charakter offenbar macht. Er kommt aus einer anderen Welt, der Welt des Vaters und des Lebens. Er ist in diese Welt gekommen, um hier das Leben zu geben, das zu der Welt gehört, aus der Er gekommen ist und zu der Er immer noch gehört. Weil dieses Leben das Licht der Menschen ist (Joh 1,4), stellt Er das Böse der Welt ins Licht. Der Herr und seine Brüder gehören zu unterschiedlichen Welten.
Er sagt Ihnen, dass sie nur zu dem Fest hinaufgehen sollen, denn dort gehören sie hin. Es ist ein Fest der Juden, der gefährlichsten Gegner des Herrn. Es ist ein Fest der Welt, wo der Stolz des Menschen gefeiert wird. Das ist es, was die Brüder suchen, und deshalb gehören sie auf das Fest.
Noch einmal sagt der Herr, dass seine Zeit noch nicht erfüllt ist, weil der Vater seinen Weg bestimmt. Er kann nicht zusammen mit ihnen zu einem Fest gehen, wo kein Platz für Ihn ist oder Er den Platz einnehmen soll, den Menschen Ihm zuweisen. Daher bleibt Er in Galiläa.
10 - 13 Der Herr geht hinauf zu dem Fest
10 Als aber seine Brüder hinaufgegangen waren zu dem Fest, da ging auch er hinauf, nicht öffentlich, sondern wie im Verborgenen. 11 Die Juden nun suchten ihn auf dem Fest und sprachen: Wo ist er? 12 Und viel Gemurmel war über ihn unter den Volksmengen; die einen sagten: Er ist gut; andere sagten: Nein, sondern er verführt die Volksmenge. 13 Niemand jedoch sprach öffentlich von ihm aus Furcht vor den Juden.
Als die Zeit des Vaters, oder „meine Zeit“, angebrochen ist, geht der Herr zu dem Fest hinauf, klar abgesondert von seinen Brüdern und mit völlig anderen Motiven. Er geht entsprechend dem, was Er seinen Brüdern gesagt hat, dass die Zeit seiner Offenbarung noch nicht da ist (Vers 6). Deshalb geht Er wie im Verborgenen. Er geht nicht, um menschliche Neugierde oder ihre Wünsche zu befriedigen. Die Weise, wie Er zu dem Fest geht, entspricht dem Platz, den Er jetzt einnimmt und auch dem Platz, den wir jetzt einnehmen. Er ist jetzt verborgen in Gott, so ist auch unser Leben mit Ihm verborgen in Gott (Kol 3,3).
Die Juden gehen davon aus, dass Er sich ebenfalls irgendwo auf dem Fest befinden muss. Diese erklärten Gegner des Herrn, die ständig darauf aus sind, Ihn aus dem Weg zu räumen, suchen Ihn daher auch nicht, um Ihn zu ehren, sondern um zu sehen, ob es eine Gelegenheit gibt, wo sie Ihn greifen können. Ihre Frage „Wo ist Er?“ lässt erkennen, wie sehr sie in Gedanken mit Ihm beschäftigt sind. Er ist für sie die große Gefahr, denn sie fühlen sich in ihrer Stellung bedroht.
Doch nicht nur die Juden sind in ihren Überlegungen mit Ihm beschäftigt, auch die Volksmengen sprechen über Ihn. Das geschieht jedoch mit Gemurmel, nicht laut hörbar. Auch geschieht das nicht aus einem tiefen inneren Bedürfnis nach einer Begegnung mit Ihm. Sie sprechen über Ihn wie über eine Erscheinung, über die man diskutieren kann, doch ihr Gewissen wird nicht angesprochen. Während die Führer Ihn umbringen wollen, ist die Menge gleichgültig.
Dass über den Herrn gemurmelt und nicht frei heraus über Ihn gesprochen wird, liegt daran, dass die Menge Angst hat vor den Juden, den geistlichen Führern. Wer auch nur die kleinste Bemerkung über Ihn machte, die den Juden missfiel, fiel bei ihnen in Ungnade. Ihre Spione liefen überall herum. So konnte man verraten werden. Hier sehen wir, wie groß der Einfluss war, den die Juden auf das Volk hatten.
14 - 18 Belehrung im Tempel
14 Als es aber schon um die Mitte des Festes war, ging Jesus hinauf in den Tempel und lehrte. 15 Da verwunderten sich die Juden und sagten: Wie besitzt dieser Gelehrsamkeit, da er doch nicht gelernt hat? 16 Da antwortete ihnen Jesus und sprach: Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der mich gesandt hat. 17 Wenn jemand seinen Willen tun will, so wird er von der Lehre wissen, ob sie aus Gott ist oder ob ich von mir selbst aus rede. 18 Wer von sich selbst aus redet, sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, dieser ist wahrhaftig, und Ungerechtigkeit ist nicht in ihm.
Dann kommt die Zeit, wo der Herr Jesus zum Tempel geht, nicht um sich zu offenbaren, sondern um zu lehren. Das Fest ist mittlerweile zur Hälfte vorbei. Was für ein inhaltsloses Fest ist es bis dahin gewesen, wo Er, der der Mittelpunkt des Festes hätte sein müssen, nicht im Tempel war! Er kommt jetzt zum Tempel, obwohl das Volk nicht erkennt, dass Er JAHWE, der HERR selbst ist, dem sie alle Segnungen zu verdanken haben. Ihr Dank richtet sich nicht an Ihn. Deshalb heißt es zu Recht, dass es ein Fest der Juden ist (Vers 2). Der HERR und die Dankbarkeit Ihm gegenüber stehen nicht im Mittelpunkt, sondern es ist ihr Fest. Das, was sie geleistet haben, steht im Mittelpunkt.
Als der Herr zu sprechen beginnt, empfinden sie sofort die Kraft seiner Worte. Für sie ist es unbegreiflich, dass jemand so gelehrt sein kann, ohne dass er eine anerkannte Ausbildung bei den religiösen Führern oder bei einem besonderen Rabbi bekommen hat. Auch heute halten es viele Christen nur für möglich, etwas über Gott und die Bibel zu sagen, wenn man anerkannter Theologe ist, der Theologie an einer von Menschen anerkannten und geachteten Universität oder Hochschule studiert hat.
Der Herr antwortet den erstaunten Juden, dass Er nicht seine eigene Lehre predigt, sondern dass das, was Er lehrt, von dem kommt, der Ihn gesandt hat. Er betont, dass seine Lehre mit seinem Vater zu tun hat, womit Er zugleich deutlich macht, dass seine Lehre gar nichts mit menschlicher Lehre zu tun hat. Nur dann, wenn jemand bereit ist, den Willen Gottes zu tun, hat er die passende Gesinnung, um die Richtigkeit der Lehre zu erkennen, die Er bringt.
Das Unvermögen der Juden und jedes Menschen, zu verstehen, was der Herr sagt, hat seine Ursache im Herzen des Fragestellers. Jemand kann nur dann wissen, ob seine Lehre aus Gott ist, wenn er bereit ist, dem Inhalt der Lehre zu gehorchen.
Das gilt für das gesamte Wort Gottes. Das ist ein Grundsatz von außerordentlicher Bedeutung. Das geistliche Wachstum des Gläubigen hängt von diesem Grundsatz ab. Geistliches Wachstum ist keine intellektuelle Sache, sondern eine Sache des Herzens und des Gewissens. Wenn die Worte, die gesprochen werden, aus dem Menschen selbst hervorkommen, wenn ihre Quelle also der Mensch ist, kann das, was mit den Worten erreicht werden soll, nur die eigene Herrlichkeit sein. Der Mensch ist nur auf sich selbst ausgerichtet. Wo man nicht die Herrlichkeit Gottes sucht, kann es keine solide Garantie für die Wahrheit geben.
Wenn ein Mensch jedoch auf Gott ausgerichtet ist und seine Herrlichkeit sucht, ist er wahrhaftig und spricht die Wahrheit. In so jemandem ist keine Ungerechtigkeit, da ist nichts, das Gott oder einem Menschen Unrecht tut, sondern er räumt allem und jedem den rechten Platz ein. Das gilt in Vollkommenheit für den Herrn Jesus. Das gilt auch für uns in dem Maß, wie wir wirklich nur die Ehre dessen suchen, der uns in die Welt gesandt hat, so wie der Vater Ihn in die Welt gesandt hat (Joh 20,21).
19 - 24 Der Herr wendet seine Lehre an
19 Hat nicht Mose euch das Gesetz gegeben? Und keiner von euch tut das Gesetz. Warum sucht ihr mich zu töten? 20 Die Volksmenge antwortete: Du hast einen Dämon; wer sucht dich zu töten? 21 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Ein Werk habe ich getan, und ihr alle verwundert euch. 22 Deswegen gab Mose euch die Beschneidung (nicht dass sie von Mose ist, sondern von den Vätern), und am Sabbat beschneidet ihr einen Menschen. 23 Wenn ein Mensch die Beschneidung am Sabbat empfängt, damit das Gesetz Moses nicht gebrochen wird, zürnt ihr mir, weil ich einen Menschen ganz gesund gemacht habe am Sabbat? 24 Richtet nicht nach dem Schein, sondern richtet ein gerechtes Gericht!
Um deutlich zu machen, dass Belehrung nur verstanden wird, wenn sie in die Praxis umgesetzt wird, weist der Herr auf das Gesetz hin. Mose hat ihnen das Gesetz mit den Geboten Gottes gegeben. Aber niemand von ihnen tut das Gesetz. Das beweist, dass sie das Gesetz nicht verstehen. Stattdessen missbrauchen sie das Gesetz zu ihrer eigenen Herrlichkeit. So bilden sich die Juden etwas darauf ein, dass sie das Gesetz bekommen haben, und fühlen sich dadurch über andere Menschen erhaben. Die Pharisäer unter ihnen verfluchen sogar die Volksmenge, die das Gesetz nicht kennt (Vers 49).
Dass der Mensch seine eigene Herrlichkeit sucht, erkennt man am deutlichsten daran, dass er das Gesetz zu diesem Zweck missbraucht. Der Herr stellt diesen Missbrauch bloß. Sich rühmen sich des Gesetzes, aber niemand hält sich daran. Sie führen das Gesetz im Mund, aber wie ist ihr Wandel? Das Rühmen führt dazu, dass sie den Sohn Gottes töten wollen! Er kennt ihre Mordgier. Sie können es nicht ertragen, dass Gott ihnen so nahe kommt und ihren sündigen Zustand aufdeckt.
Die Menge hört, die hört, dass der Herr die Juden beschuldigt, Ihn töten zu wollen, ist sich nicht darüber im Klaren, was Er in den Herzen ihrer Führer sieht. Die Menge hegt keine Mordpläne gegen Ihn. Deshalb sind sie höchst erstaunt über dass, was der Herr sagt. Doch auch sie verstehen nicht im Geringsten, wer Er ist. Das wird daran deutlich, dass sie Ihm als Ursache für seine Aussagen einen Dämon zuschreiben. Deshalb werden sie später für die Einflüsterungen ihrer Anführer empfänglich sein und auch seinen Tod fordern.
Der Herr weiß, dass sie sich über das Werk verwundert haben, das Er mit der Heilung des Gelähmten getan hatte (Joh 5,15.16). Das war ein eindrucksvolles Werk. Der Eindruck ist hängengeblieben. Sie denken immer noch daran, obwohl seitdem schon mehr als ein Jahr vergangen ist. Die Heilung hatte viel Aufregung gebracht, weil Er das Wunder an einem Sabbat tat. Darauf weist Er erneut hin, um weiterhin deutlich zu machen, wie sie mit dem Gesetz umgehen und wie das seinem Handeln in Gnade völlig entgegengesetzt ist.
Er weist wieder auf Mose hin, dessen sie sich so sehr rühmen. Mose hatte ihnen die Beschneidung gegeben (3Mo 12,3). Der Herr sagt dazu, dass Mose die Beschneidung zwar in das Gesetz aufgenommen hat, aber dass die Beschneidung als Anordnung schon bestand, bevor es das Gesetz gab. Gott hatte schon Abraham das Gebot der Beschneidung gegeben (1Mo 17,10–13). Jedenfalls ist es so, dass die Juden, an die der Herr sich hier wendet, sich so genau an das halten, was Mose gesagt hat, dass sie das Gebot der Beschneidung auch dann erfüllen, wenn es an einem Sabbat geschehen muss.
Er wirft ihnen vor, dass sie Ihm zürnen, weil Er einen Menschen an einem Sabbat ganz geheilt hat, wohingegen sie eine Beschneidung am Sabbat durchführen, um nur nicht das Gesetz Moses zu brechen. Das Gebot der Beschneidung ist für sie wichtiger als das Sabbatgebot. Sie machen also selbst eine Ausnahme. Er will, dass sie begreifen, wie groß der Unterschied ist zwischen der Erfüllung eines Gebotes des Gesetzes im Blick auf ein kleines Glied eines Menschen und dem gnädigen Handeln an einem ganzen Menschen.
Sie urteilen nach dem, was sie äußerlich wahrnehmen, was sie kontrollieren können; damit kommen sie zu einem ungerechten Urteil. Die Beurteilung entsprechend dem, was man sieht, ist auch für Gläubige eine große Gefahr. Sogar ein großer Gottesmann wie Samuel machte sich in dieser Weise schuldig, so dass der HERR ihn deshalb ermahnen musste (1Sam 16,7).
Der Herr ruft sie auf, ein gerechtes Urteil zu fällen. Um das tun zu können, brauchen sie seine Belehrungen, doch die wollen sie nicht. Er durchbricht mit seinen Hinweisen auf das Gesetz ihre törichten gesetzlichen Argumente.
25 - 30 Meinungen von Menschen
25 Einige von den Bewohnern Jerusalems sagten nun: Ist das nicht der, den sie zu töten suchen? 26 Und siehe, er redet öffentlich, und sie sagen ihm nichts. Haben denn etwa die Obersten in Wahrheit erkannt, dass dieser der Christus ist? 27 Diesen aber kennen wir, woher er ist; wenn aber der Christus kommt, so weiß niemand, woher er ist. 28 Jesus nun rief im Tempel, lehrte und sprach: Ihr kennt mich und wisst auch, woher ich bin; und ich bin nicht von mir selbst aus gekommen, sondern der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, den ihr nicht kennt. 29 Ich kenne ihn, weil ich von ihm bin und er mich gesandt hat. 30 Da suchten sie ihn zu greifen; und niemand legte die Hand an ihn, weil seine Stunde noch nicht gekommen war.
Die Bewohner Jerusalems bilden eine dritte Gruppe neben den Juden und der Volksmenge, die sich über den Herrn Jesus unterhalten. Die Juden kommen mehr aus der unmittelbaren Umgebung Jerusalems und die Volksmenge aus ganz Israel ist anlässlich des Passahs gekommen.
Die Bewohner Jerusalems kennen Christus gut. Sie wissen auch um die Mordpläne der jüdischen Führer. Erstaunt fragen sie sich, ob Er es nicht ist, den die Obersten zu töten suchen. Und doch redet Er öffentlich, ohne dass man Ihm etwas in den Weg legt. Das könnte ihrer Meinung nach bedeuten, dass die Obersten Ihn doch als den Christus erkannt haben. Sollten denn die Obersten ihre Meinung geändert haben? Diese Erwägung bringt sie zur Verzweiflung.
Sie schätzen ihre Obersten sehr, aber sie haben auch so ihre eigenen Gedanken über den Herrn Jesus. Sie wissen, dass Er aus Nazareth kommt. Sie werden aus den Schriften auch wissen, dass der Christus nach der Weissagung in Micha 5 in Bethlehem geboren werden sollte (Mich 5,1). Doch ihnen ist unbekannt, wann Er kommen würde, und sie meinen, niemand wüsste, woher Er kommen würde, wenn Er einmal käme. Es bleibt bei Überlegungen, ohne den echten Wunsch, die Wahrheit über den Herrn Jesus zu erfahren.
Die menschliche Seite Christi ist ihnen klar. Sie wissen, dass Er aus Nazareth kommt. Daran knüpft der Herr an, wenn Er sagt, dass sie Ihn kennen. Aber im Blick auf seine Gottheit sind sie völlig blind. Das liegt daran, dass sie den nicht kennen, der Ihn gesandt hat. Er ist nicht aus eigener Initiative gekommen, sondern von dem gesandt, der wahrhaftig ist. Deshalb ist alles, was der Herr Jesus tut und sagt, in Wahrheit, und dadurch wird alle Feindschaft und Unwissenheit derer aufgedeckt, die Ihn hören und sehen.
Der Herr sagt, dass Er den Vater kennt, so wie Er Ihn von Ewigkeit her kannte. Er ist von Ihm ausgegangen, das bedeutet, dass Er immer bei Ihm war. Aber auch der Vater war beim Kommen des Sohnes aktiv, denn Er hat Ihn gesandt. Der Sohn kennt den Vater, weil der Vater immer bei Ihm ist, und Er kennt seinen Willen, weil Er Ihn gesandt hat.
Die Worte, die Er über den Vater spricht, machen sie wütend. Sie wollen Ihn greifen und tun es dennoch nicht. Erst wenn seine Stunde gekommen ist, werden sie Ihn greifen können. Erst dann wird der Vater es zulassen, weil Er damit seine Pläne erfüllt. Es kann nur zu seiner Stunde geschehen.
31 - 36 Wo ich bin, könnt ihr nicht hinkommen
31 Viele aber von der Volksmenge glaubten an ihn und sprachen: Wenn der Christus kommt, wird er wohl mehr Zeichen tun als die, welche dieser getan hat? 32 Die Pharisäer hörten die Volksmenge dies über ihn murmeln; und die Hohenpriester und die Pharisäer sandten Diener, damit sie ihn griffen. 33 Da sprach Jesus: Noch eine kleine Zeit bin ich bei euch, und ich gehe hin zu dem, der mich gesandt hat. 34 Ihr werdet mich suchen und nicht finden, und wo ich bin, dahin könnt ihr nicht kommen. 35 Die Juden sprachen nun zueinander: Wohin will dieser gehen, dass wir ihn nicht finden können? Will er etwa in die Zerstreuung der Griechen gehen und die Griechen lehren? 36 Was ist das für ein Wort, das er sprach: Ihr werdet mich suchen und nicht finden, und: Wo ich bin, dahin könnt ihr nicht kommen?
Die Worte des Herrn beeindrucken viele aus der Volksmenge. Was sie von Ihm gesehen haben und was sie jetzt von Ihm hören, bringt sie dazu, an Ihn zu glauben. Es ist allerdings ein Glaube, der sich auf verstandesmäßige Überlegungen gründet. Dieser Glaube kommt nicht aus einem überzeugten Gewissen heraus. Die vielen aus der Volksmenge, die glauben, glauben allein aufgrund der Zeichen, die Er getan hat. Sie glauben aufgrund dessen, was sie gesehen haben. Das erkennen wir an ihren Aussagen über Ihn, die zeigen, dass sie abwägen. Sie können sich nicht vorstellen, was der Christus, wenn Er käme, noch mehr an Zeichen tun sollte, als der Herr Jesus bereits getan hat. Er ist ihrer Meinung nach im Moment die beste Wahl.
Obwohl die Volksmenge nicht offen spricht, kommt das Gemurmel der Menge zugunsten des Herrn Jesus den Hohenpriestern und Pharisäern zu Ohren. Sie finden, dass es höchste Zeit ist, zu handeln und Ihn zu greifen. Sie senden ihre Diener, um Ihn festzunehmen. Der Herr, der das alles vollkommen weiß, lässt sich durch ihr feindseliges Handeln nicht beeinflussen, sondern fährt mit seiner Belehrung fort. So wie immer und überall in diesem Evangelium bestimmen nicht seine Feinde den Verlauf der Ereignisse, sondern Er selbst.
Er spricht in Ruhe über die kurze Zeit, die Er noch bei Ihnen sein wird und dass Er danach zum Vater gehen wird. Er erwähnt mit keinem Wort, dass sie Ihn verwerfen werden, obwohl auch das wahr ist. Er weiß, was die Menschen mit Ihm tun werden, aber Er schaut auf seinen Vater. Alles ist in dessen Hand. Er wird noch eine kurze Zeit bei ihnen sein, denn Er wird das Reich noch nicht aufrichten, sondern verworfen werden.
Wenn Er zum Vater gegangen ist, wird der Unglaube Ihn suchen, aber nicht finden. Was weiß die Welt vom Himmel und vom Vater? Der Herr sagt noch ausdrücklich, dass sie nicht dorthin kommen können. Er weiß, dass sie das nicht einmal wollen. Nichts ist so abscheulich für einen widerspenstigen und verhärteten Sünder, wie in das Licht zu kommen, in die Gegenwart Gottes.
Wenn der Herr hier sagt, „Wo ich bin, dahin könnt ihr nicht kommen“, ist das wieder ein kräftiger Beweis gegen die Irrlehre der Allversöhnung. Es ist unmöglich, dass der Unglaube dorthin kommen kann, wo der Herr Jesus ist. Der Herr spricht auch nicht davon, dass sie nur für eine kurze Zeit nicht dorthin kommen können, wo Er ist, als wäre das später doch möglich. Kein Ungläubiger kann jemals zu irgendeinem Zeitpunkt in der Ewigkeit dorthin kommen, wo der Sohn ist. Man kann nur zu Ihm kommen, wenn man eine neue Geburt erlebt hat, und diese neue Geburt kann man nur während des Lebens auf der Erde durch die Bekehrung erlangen. Es ist auch nur auf der Erde möglich, Vergebung der Sünden zu gekommen, nicht zu irgendeinem späteren Zeitpunkt im Totenreich (Mt 9,6).
Mit diesem Wort können die Juden nichts anfangen. Er hat darüber gesprochen, dass Er von Gott gekommen ist und dass Er dorthin zurückkehrt. Wie immer, so schaut auch hier der Unglaube nicht weiter als bis zum Horizont. Sie können seine Worte nur so verstehen, dass Er aus dem Land fortgehen wird, um zu den Juden außerhalb Israels in der Zerstreuung zu gehen. Sie können die Zerstreuten nicht finden, und so wird Er dann auch unauffindbar sein, wie sie meinen. Ihre eigene Vermutung befriedigt sie nicht. Sie haben keine Antwort auf die Frage, was seine Worte wohl bedeuten. Der Herr geht nicht weiter darauf ein, weil sie für seine Belehrung über den Vater nicht offen sind.
37 - 39 Die Verheißung des Heiligen Geistes
37 An dem letzten, dem großen Tag des Festes aber stand Jesus da und rief und sprach: Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke! 38 Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. 39 Dies aber sagte er von dem Geist, den die an ihn Glaubenden empfangen sollten; denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.
Der letzte, der große Tag des Festes ist der achte Tag (3Mo 23,36). Das Laubhüttenfest ist das einzige Fest mit solch einem Tag. An diesem großen Tag spricht der Herr Jesus mit lauter Stimme über den Heiligen Geist.
Es ist bemerkenswert, dass Er in Verbindung mit dem Laubhüttenfest über den Heiligen Geist spricht. Wir hätten das eher in Verbindung mit dem Pfingstfest (oder: Fest der Wochen) erwartet, das auch zu den Festen gehört, die der HERR eingesetzt hat (3Mo 23,15; 5Mo 16,9.10; Apg 2,1). Doch weder das Passah noch das Wochen- oder Pfingstfest kennen einen achten Tag. Die Bedeutung dieses Tages ist kennzeichnend für das Johannesevangelium.
Der achte Tag spricht nämlich von einem neuen Anfang nach einer abgeschlossenen Zeitspanne von sieben Tagen, und zwar von einem Anfang ohne Ende. Im Festzyklus weist das Laubhüttenfest auf die Zeit des Friedensreichs hin, in der Gott alle seine Verheißungen an sein Volk Israel erfüllen wird und der Segen Gottes durch Israel für die ganze Schöpfung da sein wird. Der Segen wird durch die Ausgießung des Heiligen Geistes über alles Fleisch eingeläutet werden (Joel 3,1). Alle, die ins Friedensreich eingehen, sind wiedergeboren aus Wasser und Geist (Joh 3,5), und der Heilige Geist wird als Quelle der Erfrischung auf sie kommen.
Dadurch, dass vom letzten Tag des Laubhüttenfestes die Rede ist, wird das Kommen des Heiligen Geistes mit dem Friedensreich verbunden, denn darauf weist das Laubhüttenfest hin. Der hier erwähnte große Tag richtet den Blick auf die Zeit nach dem Friedensreich, auf die Ewigkeit, die auch der „Tag Gottes“ genannt wird (2Pet 3,12). Das ist der achte Tag, der auf die Zeit nach dem Friedensreich hinweist, das ist die Ewigkeit.
Nach dem Friedensreich kommt ein neuer Anfang. Dann wird es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben, die nichts mehr mit der alten Welt zu tun haben. Das ist daher völlig im Einklang mit diesem Evangelium, das besonders über den Herrn Jesus als den ewigen Sohn spricht. Was Er als der ewige Sohn bringt, kommt aus der Ewigkeit und führt in die Ewigkeit. Darum ist es sehr passend, dass Er am letzten Tag des Laubhüttenfestes, dem achten Tag, über den Heiligen Geist spricht.
Mit dem Herniederkommen des Heiligen Geistes auf die Erde ist eine völlig neue Zeit angebrochen, die niemals zu Ende gehen wird. Jeder, der jetzt den Heiligen Geist empfängt, ist in eine neue Stellung gebracht worden, die nie zu Ende gehen wird (achter Tag). Wer den Heiligen Geist empfangen hat, hat den Erstling empfangen. Dieser wird in Ewigkeit überall anwesend sein und genossen werden.
Es gibt nun auf der Erde eine neue Familie, die durch den Geist mit dem Herrn Jesus im Himmel verbunden ist. Diese Familie ist dort zu Hause, wo Er jetzt schon ist. Die Gläubigen sind zwar noch in der Welt, aber nicht mehr von ihr. Sie gehören nicht mehr zu der ersten Schöpfung, sondern zu der neuen Welt, die der Herr Jesus geschaffen hat. Während sie auf das Kommen des Sohnes des Menschen warten, haben sie den Geist, der ihnen auf der Erde hilft und ihnen die Herrlichkeit zeigt, die der Herr Jesus nun hat.
Diese gewaltigen Segnungen bietet der Herr Jesus jedem hier an, der bedürftig ist, der Durst hat. Das entspricht allerdings nur der eigenen Not. Menschen werden nicht eingeladen, für andere zu trinken, sondern für sich selbst. Das ist der Ausgangspunkt, um danach auch andere zu lehren (Vers 38). Die Voraussetzung, daran teilzuhaben, ist der Glaube an Ihn. Der Glaube ist der Glaube an eine Person, an Christus, und dieser Glaube an Ihn ist aufs engste mit der Schrift und dem lebendigen Wasser verbunden, worüber die Schrift spricht.
In der Schrift kann man zum Beispiel in Hesekiel 47 von lebendigem Wasser lesen (Hes 47,1–9). Es wird dort im Blick auf das 1000-jährige Friedensreich genannt. Hier sagt der Herr, dass dieses lebendige Wasser aus dem Leib dessen fließen wird, der glaubt. Was im Friedensreich zur Erfrischung der Schöpfung sein wird, ist in der gegenwärtigen Zeit eine Erquickung, die von dem Gläubigen für andere ausgeht. So wird es auch bald für die Bewohner auf der neuen Erde sein.
Der Heilige Geist will den Gläubigen zum Segen für seine Umgebung gebrauchen. Dieser Segen besteht darin, zu zeigen, wer der Herr Jesus ist. Das ist es, was der Heilige Geist tut (Joh 16,14). Mit dem lebendigen Wasser ist der Heilige Geist gemeint. Das haben sich nicht Menschen ausgedacht, sondern das ist es, was das Wort Gottes hier deutlich sagt. Solche, die an den Herrn glauben, würden den Heiligen Geist empfangen (Eph 1,13).
Der Geist wirkte zwar seit der Schöpfung auf der Erde (1Mo 1,2), aber Er wohnte noch nicht dort. Er konnte erst auf der Erde wohnen, nachdem der Herr Jesus das Werk, das der Vater Ihm aufgetragen hatte, vollbracht hatte und danach zum Himmel zurückgekehrt war. Der Heilige Geist wohnt jetzt im Leib des einzelnen Gläubigen und auch in der Gemeinde in ihrer Gesamtheit (1Kor 6,19; 3,16; Eph 2,22).
Der Heilige Geist ist mit dem Ziel auf die Erde gekommen, von dem verherrlichten Herrn im Himmel zu zeugen. Der Herr Jesus musste also zuvor verherrlicht werden.
Die Aussage, dass der Geist noch nicht da war, bedeutet nicht, dass es den Geist noch nicht gab. Der Geist ist Gott und hat daher keinen Anfang, Er ist niemals entstanden. Er ist der ewige Geist (Heb 9,14). Es geht darum, dass Er noch nicht auf der Erde wohnte. Erst seit dem Pfingsttag wohnt Er auf der Erde.
40 - 44 Spaltung seinetwegen
40 Einige nun von der Volksmenge sagten, als sie diese Worte hörten: Dieser ist wahrhaftig der Prophet. 41 Andere sagten: Dieser ist der Christus. Andere sagten: Der Christus kommt doch nicht aus Galiläa? 42 Hat nicht die Schrift gesagt: Aus dem Geschlecht Davids und aus Bethlehem, dem Dorf, wo David war, kommt der Christus? 43 Es entstand nun seinetwegen eine Spaltung in der Volksmenge. 44 Einige aber von ihnen wollten ihn greifen, aber keiner legte die Hände an ihn.
Die Worte des Herrn beeindrucken einige aus der Volksmenge. Sie empfinden, dass das nicht Worte eines gewöhnlichen Menschen sind. Er muss wohl der Prophet sein, der von Gott verheißen und von Mose angekündigt war (5Mo 18,15; Apg 3,22). Anderen geht das nicht weit genug. Sie urteilen, dass Er wohl der Christus sein muss. Doch so trennen die Menschen, was Gott zusammengefügt hat. Der Herr Jesus ist ja sowohl der Prophet als auch der Christus. Zu dieser Überzeugung war bereits die samaritische Frau gekommen (Joh 4,19–30).
Es bleiben alles Vermutungen, die von anderen wieder verworfen werden, denn sie argumentieren, dass der Christus doch nicht aus Galiläa komme. Doch der Herr Jesus kommt sehr wohl von dort. Sie wissen aber sehr gut, was von dem Christus geschrieben steht, von wem Er abstammt (2Sam 7,12–16; Ps 89,4.5) und woher Er kommen würde (Mich 5,1). Sie wissen jedoch nicht, dass Er genau dem entspricht. Das Ergebnis all dieser Meinungen ist, dass eine Spaltung entsteht. Niemand wird von der Wahrheit überzeugt, es herrscht Unsicherheit.
All die unterschiedlichen Meinungen enthalten hier und da ein wenig Wahrheit, jedoch nicht die Wahrheit. Dann sind da Menschen die Ihn greifen wollen. Doch die unsichtbare Macht Gottes hält sie zurück. Die Zeit Gottes ist noch nicht gekommen, deshalb können sie Ihn nicht greifen.
45 - 49 Das Zeugnis der Diener
45 Die Diener kamen nun zu den Hohenpriestern und Pharisäern, und diese sprachen zu ihnen: Warum habt ihr ihn nicht gebracht? 46 Die Diener antworteten: Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch. 47 Da antworteten ihnen die Pharisäer: Seid ihr denn auch verführt? 48 Hat wohl jemand von den Obersten an ihn geglaubt, oder von den Pharisäern? 49 Diese Volksmenge aber, die das Gesetz nicht kennt, sie ist verflucht!
Die Diener, die ausgesandt waren, Ihn zu greifen, kehren unverrichteter Dinge zu ihren Auftraggebern zurück. Die sind erstaunt, dass sie mit leeren Händen zurückkommen, und fragen nach dem Grund. Die Diener mögen zwar unwissend sein, doch ihre Empfindungen sind noch nicht völlig abgestumpft. Sie haben durch die Worte Christi eine Kraft erlebt, die über die Kraft von Menschen weit hinausgeht. So kann kein sterblicher Mensch reden.
So bringen sie den Herrn Jesus nicht mit zu den Obersten, nur ein Zeugnis seiner Worte, übrigens, ohne Ihn anzunehmen. In ihrem blinden Hass beschuldigen die Pharisäer ihre Diener, dass sie sich haben verführen lassen. Sie könnten doch sicher nachvollziehen, dass sie es mit einem Verführer zu tun haben, denn keiner von den Obersten glaubt an Ihn! Wie können sie denn dann so töricht sein, an Ihn zu glauben!
Es steckt den Menschen im Blut, sich hinter dem zu verbergen, was religiöse Führer sagen. Dieses Argument benutzen die religiösen Führer selbst auch, um die Massen dumm und von sich abhängig zu halten. Für sie besteht die Volksmenge aus dummen, unwissenden Menschen. In dieser Weise reden sie über die Laien, das gewöhnliche Volk, das das Gesetz nicht studiert hat. Sie, die Hirten der Menge, verfluchen das Volk dafür. Das zeigt, was für Hirten das sind. Es sind falsche Hirten, die nur auf ihren eigenen Vorteil aus sind. Solche Hirten verfluchen die Schafe und lassen sie im Stich. Der Herr Jesus nennt sie später Mietlinge (Joh 10,12).
50 - 53 Das Zeugnis von Nikodemus
50 Da spricht Nikodemus zu ihnen, der einer von ihnen war: 51 Richtet denn unser Gesetz den Menschen, ehe es zuvor von ihm selbst gehört und erkannt hat, was er tut? 52 Sie antworteten und sprachen zu ihm: Bist du etwa auch aus Galiläa? Forsche und sieh, dass aus Galiläa kein Prophet aufsteht. 53 Und sie gingen ein jeder in sein Haus.
Dann meldet sich Nikodemus zu Wort. Das ist der Nikodemus, dem wir bereits in Kapitel 3 begegnet sind. Dort kam er nachts zum Herrn Jesus. Er bildet die Ausnahme unter den schmachvollen Äußerungen der Pharisäer. Nikodemus steht noch nicht ganz auf der Seite des Herrn, doch er ist auf dem Weg zum Licht. Er setzt sich für Ihn ein, indem er sich auf das Gesetz beruft.
Er findet, dass sie Ihn, bevor sie Ihn beschuldigen, doch erst einmal anhören und wissen müssen was Er tut. Muss Er sich nicht verantworten können und einen ehrlichen Prozess bekommen? Nikodemus bekommt jedoch Gegenwind. Seine Kollegen bemerken höhnisch, er komme wohl auch aus Galiläa! Sie raten ihm, erst mal zu untersuchen, ob irgendwo geschrieben steht, dass aus Galiläa ein Prophet aufsteht.
Trotz seines Ansehens als „der Lehrer Israels“ (Joh 3,10) wird Nikodemus jetzt nicht ernst genommen und erfährt den Widerstand seiner Kollegen. Sonst hatten sie ihn wegen seiner Kenntnis der Schriften gerühmt, jetzt aber verachten sie ihn, da er für den Herrn Jesus eintritt.
Mit ihrer Bemerkung, dass aus Galiläa kein Prophet aufsteht, verraten sie übrigens ihre eigene Unwissenheit. Es gibt sehr wohl Propheten aus Galiläa, wie Elia und Jona.
Nach diesem Gespräch wird die Sitzung des Synedriums beendet; jeder geht nach Hause. Die häusliche Umgebung, in der manche so anders ganz sind, ändert nichts an ihren mordgierigen Gefühlen.