1 - 4 Bethesda
1 Danach war ein Fest der Juden, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. 2 Es ist aber in Jerusalem bei dem Schaftor ein Teich, der auf Hebräisch Bethesda genannt wird und fünf Säulenhallen hat. 3 In diesen lag eine Menge Kranker, Blinder, Lahmer, Dürrer, die auf die Bewegung des Wassers warteten. 4 Denn zu gewissen Zeiten stieg ein Engel in den Teich herab und bewegte das Wasser. Wer nun nach der Bewegung des Wassers zuerst hineinstieg, wurde gesund, mit welcher Krankheit irgend er behaftet war.
Die folgenden drei Kapitel 5–7 gehören zusammen. Sie beginnen alle drei mit einer Begebenheit. Jede Begebenheit illustriert eine Wahrheit, über die der Herr Jesus in dem jeweiligen Kapitel nähere Belehrungen gibt. In Kapitel 5 geht es um einen Gelähmten, der die Kraftlosigkeit Israels unter dem Gesetz illustriert. Das Wunder seiner Heilung teilt uns nur Johannes mit. In der Belehrung, die der Herr damit verbindet, sehen wir, dass Er der Sohn Gottes ist, der nicht nur Kraft, sondern auch Leben gibt. In Kapitel 6 spricht Er über sich selbst als das Brot, das aus dem Himmel herniedergekommen ist, nachdem Er eine Volksmenge mit Brot gesättigt hat. Das Brot ist das Fleisch des Sohnes des Menschen, das man essen muss, um ewiges Leben zu erhalten. In Kapitel 7 sehen wir Ihn auf dem Laubhüttenfest, womit Er sie Belehrung über den Heiligen Geist verbindet. In allem sehen wir die Herrlichkeit seiner Person.
Der Herr geht wieder hinauf nach Jerusalem. Im Johannesevangelium sehen wir Ihn oft in Jerusalem, während die anderen Evangelisten Ihm vor allem bei seinem Dienst in Galiläa folgen. Er geht anlässlich eines „Festes der Juden“ nach Jerusalem, das aller Wahrscheinlichkeit nach das Passah war. Wenn das so ist, ist in diesem Evangelium von vier Passahfesten die Rede (Joh 2,23; 5,1; 6,4; 11,55). Das erste Passah (Joh 2,23) fand noch vor dem öffentlichen Dienst des Herrn statt. Die drei folgenden Passahfeste machen deutlich, dass der Herr seinen öffentlichen Dienst in Israel drei Jahre lang tat.
Johannes weist auf einen besonderen Ort in Jerusalem hin, und zwar auf einen Teich bei einem der Tore in der Mauer um Jerusalem, dem Schaftor. Er erwähnt auch den hebräischen Namen des Teiches: Bethesda. Als Nehemia die Instandsetzungsarbeiten an der Mauer rund um Jerusalem begann, fing er beim Schaftor an (Neh 3,1). Die Ausbesserung geschah durch die Priester. Durch dieses Tor wurden die Schafe in die Stadt gebracht, um dann im Tempel geopfert zu werden.
Dadurch werden wir gleich schon an das Wichtigste der Stadt und des Tempels erinnert: an den Gottesdienst. Die Wiederherstellung der Mauer ist zuerst einmal im Blick auf die Fortführung des priesterlichen Dienstes erforderlich. Nur von diesem Tor heißt es in Nehemia 3, dass sie es heiligten, also besonders für Gott absonderten und Ihm weihten.
Johannes richtet die Aufmerksamkeit jedoch nicht auf die Schafe, die durch das Tor hineingehen, sondern auf einen Teich mit dem Beinamen Bethesda. Bethesda bedeutet „Haus der Barmherzigkeit“ oder „Haus der Gnade“. Johannes erwähnt auch, dass dort fünf Säulenhallen sind. Die Zahl fünf weist auf Verantwortung hin. Israel hat in seiner Verantwortung, dem Gesetz zu gehorchen, versagt. Die Folge davon ist, dass in den fünf Säulenhallen eine Menge Kranker liegt, die an allerlei Krankheiten leiden. Die Schafe für den Opferdienst, die von der feiernden Menge nach Jerusalem hineingebracht wurden, haben der Not und dem Elend Platz gemacht. Das ist die Folge der Untreue des Volkes.
Doch es gibt für die Menge der Kranken ein Fünkchen Hoffnung. So sehr das Volk auch von Gott abgewichen ist und damit die verschiedensten Krankheiten über sich gebracht hat, wie Gott es vorhergesagt hatte, hat Gott doch zu gewissen Zeiten wieder seine Barmherzigkeit gezeigt. Gott sendet ab und zu einen Engel, der das Wasser bewegt. Wer dann zuerst hineinsteigt, wird gesund, was auch immer ihm fehlen mag. Doch dabei handelt es sich jeweils nur um Barmherzigkeit für einen Einzelnen, keine allgemeine Heilung für jeden.
5 - 9 Der Herr heilt einen Kranken
5 Es war aber ein gewisser Mensch dort, der achtunddreißig Jahre mit seiner Krankheit behaftet war. 6 Als Jesus diesen daliegen sah und wusste, dass es schon lange Zeit so mit ihm war, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? 7 Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, dass er mich, wenn das Wasser bewegt worden ist, in den Teich wirft; während ich aber komme, steigt ein anderer vor mir hinab. 8 Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher! 9 Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett auf und ging umher. Es war aber an jenem Tag Sabbat.
Unter den vielen Kranken befindet sich ein Mann, der schon seit achtunddreißig Jahren krank ist. Dieser Mann ist ein Bild der Juden unter dem Gesetz. Israel hat ja zwei Jahre nach seinem Auszug aus Ägypten das Gesetz bekommen und ist danach achtunddreißig Jahre lang als ein Volk unter Gesetz durch die Wüste gezogen. Es hat sich gezeigt, dass sie das Gesetz nicht hielten, denn viele wurden in der Wüste niedergestreckt, obwohl Gott auch seine Gnade erwies. Wegen ihres Ungehorsams gegenüber dem Gesetz hat das Volk jedes Recht auf Segen verspielt. Aus eigener Kraft kann der Mensch niemals in den Besitz der verlorenen Segnungen kommen. Was für Israel als Volk gilt, gilt für jeden Menschen als Sünder (Röm 5,6–10).
Dann erscheint der Herr Jesus. Obwohl der Mann Ihn nicht darum gebeten hat, kommt Er zu ihm. Er kennt die Vergangenheit des Mannes und weiß, dass er schon lange Zeit krank ist. Der Herr fragt ihn, ob er gesund werden will. Er weiß das natürlich, aber Er will es aus dem Mund des Mannes hören. Wir sehen hier nach seinen Begegnungen mit Nikodemus in Kapitel 3 und der samaritischen Frau in Kapitel 4 ein weiteres Beispiel, wie der Herr dem Einzelnen begegnet und wie nahe Er den Menschen dabei kommt.
Der Mann berichtet, wie völlig hoffnungslos seine Lage ist. Es gibt keinen Menschen, der sich um ihn kümmert. Jeder hat genug mit sich und seinem Elend zu tun. Auch hat er selbst keine Kraft, um als Erster das Wasser zu erreichen, nachdem es bewegt worden ist. Der Mann ist ein Inbegriff des Elends und der Verzweiflung, ohne das geringste Fünkchen Hoffnung. Die Art seiner Erkrankung macht es absolut unmöglich, von dem hin und wieder angebotenen Heilmittel Gebrauch zu machen, weil dazu Kraft erforderlich ist. Das ist kennzeichnend für die Sünde einerseits und für das Gesetz andererseits.
Der Mann will zwar, kann aber nicht, weil er nicht die Kraft dazu hat. Er illustriert die Wahrheit, die im Römerbrief ausführlich behandelt wird: das Elend, das das Gesetz bei Menschen verursacht, die zwar zur Ehre Gottes leben wollen, aber feststellen, dass sie dazu selbst keine Kraft haben (Röm 7,24). Die Lösung für dieses Elend besteht darin, von sich selbst weg- und auf den Herrn Jesus hinzuschauen (Röm 7,25) und auf das, was Gott in Ihm getan hat (Röm 8,3). „Das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh 1,17). Das wird der Mann erfahren, wenn er vom Herrn geheilt wird.
Dann spricht der Herr das Wort der Befreiung und gibt ihm damit die Kraft, diesem Wort zu gehorchen und dadurch den Segen zu erlangen. Genauso wie bei dem Sohn des königlichen Beamten im vorigen Kapitel ist das Wort des Herrn Geist und Leben. Es ist voller Leben und Kraft. Wenn Er ein Wort spricht, geschieht immer etwas. Durch ein einziges Wort, das Er spricht, werden achtunddreißig Jahre Krankheit für immer beseitigt und deren Folgen ungeschehen gemacht. Der Mensch wird gesund.
Der Herr heilt nicht nur, sondern gibt dem Mann auch die Kraft, das zu tragen, worauf er gelegen hat. Das tut er nun. Das Bett, das ihn die ganze Zeit getragen hat, nimmt er jetzt unter den Arm und geht umher. Das Wort des Herrn führt unmittelbar zu einem Ergebnis. Das ist, wie gesagt, eine eindrucksvolle Illustration der Macht des Sohnes Gottes. Er tut das, was dem Gesetz unmöglich ist, weil es durch das Fleisch kraftlos ist (Röm 8,3).
In diesem dritten Zeichen sehen wir, dass Heilung nicht aufgrund des Gesetzes zu finden ist, sondern nur in dem, der voller Gnade und Wahrheit ist. Die Belehrung, die der Herr im Lauf dieses Kapitels mit diesem Ereignis verknüpft, geht noch viel weiter. Er stellt sich selbst als der Sohn Gottes vor, der die Toten lebendig macht. Der Anlass dazu ist der Kommentar, mit dem die Juden auf diese Heilung reagieren.
10 - 13 Die Juden und der Geheilte
10 Die Juden nun sagten zu dem Geheilten: Es ist Sabbat, und es ist dir nicht erlaubt, dein Bett zu tragen. 11 Er aber antwortete ihnen: Der mich gesund machte, der sagte zu mir: Nimm dein Bett auf und geh umher. 12 Sie fragten ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir sagte: Nimm dein Bett auf und geh umher? 13 Der Geheilte aber wusste nicht, wer es war; denn Jesus hatte sich zurückgezogen, weil eine Volksmenge an dem Ort war.
Der Tag, an dem der Herr den Mann heilt, ist ein Sabbat. Das erste Mal, wo im Wort Gottes vom Sabbat die Rede ist – ohne dass übrigens diese Bezeichnung gebraucht wird –, ist in Verbindung mit der Schöpfung (1Mo 2,2). Da sehen wir die Grundbedeutung. Es ist die Ruhe Gottes, nachdem Er die erste Schöpfung vollendet hat. Diese Ruhe hat wegen der Sünde des Menschen aufgehört (siehe Joh 5,17). Doch das erkennen die Juden nicht. Sie können nur in der Linie des Gesetzes und der Tradition denken. Sie wollen in den Verordnungen ruhen, die Gott ihnen gegeben hat, die sie zwar nicht halten, an denen sie aber doch festhalten.
Sie sehen nicht, wie hoffnungslos die Verordnungen Gottes sie verurteilen, sondern sind gerade stolz darauf. Von der Gnade verstehen sie nichts, geradeso wie solchen Menschen, die das Gesetz als Norm für ihr eigenes Leben und das anderer ansehen, das Bewusstsein der Gnade immer fehlt. Es ist die Herzenshärte der Menschen, die keine Ahnung von ihrer eigenen Unfähigkeit haben, das Gesetz zu halten. Sonst hätten sie sich darüber gefreut, dass ein Mensch gesund geworden ist. Sie hätten den Sabbat gerade als einen Tag der Gnade Gottes betrachtet. Doch sie haben den Sabbat zu einem Joch gemacht. Das kann nur zu einem Konflikt mit dem Herrn Jesus führen.
Jedes Mal, wenn der Sabbat in Verbindung mit Christus genannt wird, nimmt Er dem Sabbat die Bedeutung, die die Juden ihm gegeben haben (Mt 12,1–13; Mk 1,21–31; 2,23–28; 3,2–6; Lk 4,31–37; 6,1–11; 13,10–16; 14,1–6; Joh 5,10; 7,22.23; 9,14–16). Es sieht so aus, dass Er absichtlich gerade am Sabbat so viele Heilungen durchführte, um deutlich zu machen, dass die Voraussetzung zum Halten des Sabbats fehlte. Sein Auftreten am Sabbat macht deutlich, dass Er das ganze System, dessen Hauptmerkmal der Sabbat ist, das System des Gesetzes, beiseitegestellt hat.
Der Mann lässt sich durch diese Juden nicht zu einem Wandel unter dem Gesetz zwingen. Er hält sich an das Wort des Herrn und beruft sich darauf. Weil Er es gesagt hat, ist es gut. Das ist auch für uns die einzig richtige Reaktion auf eigenes gesetzliches Denken und das anderer. Mit seiner Antwort verwirft der Mann zugleich die selbstzufriedene Beachtung des Sabbats seitens der Juden, die zeigt, dass sie sich gegen ihren Messias wenden.
Die Reaktion der Juden auf die Antwort des Mannes macht deutlich, dass sie den Herrn verachten. Sie nennen Ihn verächtlich „der Mensch“ obwohl sie wahrscheinlich sehr wohl wussten, wer dieser „Mensch“ war, denn der Herr hatte in Jerusalem bereits die entsprechenden Zeichen gewirkt. Der geheilte Mann hatte wegen seiner Kraftlosigkeit dem Herrn noch nicht früher begegnen können; er war ja an den Ort am Teich gebunden. Der Herr hatte sich ihm auch noch nicht bekanntgemacht, wie Er das bei der samaritischen Frau getan hatte (Joh 4,26). Mit jedem Menschen geht Er auf eine andere Weise um, weil Er mit jedem Menschen, den Er mit sich in Verbindung bringt, einen anderen Weg geht.
Der Herr hat sich zurückgezogen, weil Er nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen will. Er hat den Mann nicht zu einem seiner Jünger gemacht, die Ihm auf seinem Weg folgen.
14 - 18 Keine Ruhe für den Vater und den Sohn
14 Danach findet Jesus ihn im Tempel, und er sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nichts Schlimmeres widerfahre! 15 Der Mensch ging hin und verkündete den Juden, dass es Jesus sei, der ihn gesund gemacht habe. 16 Und darum verfolgten die Juden Jesus und suchten ihn zu töten, weil er dies am Sabbat tat. 17 Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke. 18 Darum nun suchten die Juden noch mehr, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sabbat brach, sondern auch Gott seinen eigenen Vater nannte, sich selbst Gott gleichmachend.
Das Werk des Herrn ist mit der Heilung noch nicht abgeschlossen. Er will den Mann noch auf etwas hinweisen, was für sein weiteres Leben wichtig ist. Das tut Er nicht sofort, sondern einige Zeit später. Dazu sucht Er den Mann wieder auf. Wieder geht die Initiative vom Herrn aus.
Er findet ihn im Tempel. Dort wollte der Mann zweifellos Gott für seine Heilung danken. Das ist auch der passende Platz für weitere Belehrungen. Wie groß es auch ist, vom Herrn Jesus geheilt worden zu sein, das zugrundeliegende Problem war noch da. Das Problem war eine bestimmte Sünde, die der Mann begangen hatte, wodurch er diese Krankheit bekommen hatte. Er muss diese Sünde verurteilen und darf sie in seinem Leben nie mehr zulassen. Auch dazu wird der Herr ihm die Kraft geben, wenn er in der Abhängigkeit von Ihm bleibt.
Durch das, was der Herr dem Mann sagt, wird ihm deutlich, wer ihn gesund gemacht hat. Das berichtet er nun den Juden, denn die wollten gern wissen, wer ihn gesund gemacht hat. Der Mann scheint hier arglos zu handeln, aus Liebe zum Herrn Jesus, damit auch andere Ihn kennenlernen könnten. Er hat keine Ahnung von ihrer Feindschaft. Diese Arglosigkeit ist schön und nachahmenswert.
Durch das Zeugnis des Mannes erhalten die Juden die Bestätigung für das, was sie wohl schon vermutet hatten. Den Beweis können sie nun als Waffe gebrauchen, um den Herrn zu verfolgen. Wir lesen nicht, dass die Juden etwas zu Ihm gesagt haben, wohl aber, dass sie Ihn verfolgen für das, was Er am Sabbat getan hat. Doch der Herr antwortet ihnen, weil Er ja vollkommen weiß, was im Menschen ist. Er kennt ihre Mordgier wegen seiner am Sabbat erwiesenen Barmherzigkeit.
Seine Antwort ist überwältigend und tiefgründig. Für den Glauben liegt darin große Herrlichkeit, aber dem Unglauben liefert sie ein weiteres Argument, Ihn zu hassen. Er spricht über seine Gemeinschaft mit dem Vater in dem Werk, das Er und der Vater bis jetzt tun. Was verstehen die Juden von Gemeinschaft mit dem Vater? Was verstehen sie vom Wunsch des Vaters? Er kennt den Vater und weiß, dass der Vater nicht ruhen kann, wo Sünde ist, und Er ebenso wenig. Es ist ein Wunder der Gnade, dass Er nicht gekommen ist, um zu richten, sondern um zu wirken.
Die Werke, die Er tut, sind kein Handeln im Gericht. Seine Gerichte werden ganz sicher noch über die kommen, die sich hartnäckig weigern, ihre Sünden anzuerkennen und die das Maß ihrer Sünde vollmachen, indem sie Ihn verwerfen. Doch so weit ist es noch nicht. Er ist jetzt noch damit beschäftigt, seinen Vater in Liebe und Gnade zu offenbaren. Als der Sohn hat Er vollkommene, ununterbrochene Gemeinschaft mit dem Vater und wirkt gemeinsam mit dem Vater.
Die Juden ziehen aus seinen Worten den richtigen Schluss, nämlich dass Er Gott gleich ist. Allerdings macht der Herr Jesus sich nicht Gott gleich, Er ist Gott gleich, denn Er ist Gott (Joh 1,1). Sie erkennen jedoch nicht die Wahrheit, stattdessen wird ihre Mordgier nur noch größer.
Obwohl Christus einen untergeordneten Platz eingenommen hat, indem Er als abhängiger und gehorsamer Mensch auf die Erde kam, ist es wichtig, daran festzuhalten, dass Er niemals aufhört, der ewige Sohn Gottes zu sein. Als der ewige Sohn hat Er im Blick auf den Vater niemals einen untergeordneten Platz, sondern Er ist eins mit dem Vater (Joh 10,30).
Was der Herr hier sagt, halten die Juden für noch schlimmer als das, was Er getan hat. Ebenso wie das Brechen des Sabbats bringt auch diese Aussage die Juden zu einem Ausbruch ihres verdorbenen Gemüts.
19 - 21 Die Werke des Vaters und des Sohnes
19 Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich selbst aus tun, außer was er den Vater tun sieht; denn was irgend er tut, das tut auch in gleicher Weise der Sohn. 20 Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er selbst tut; und er wird ihm größere Werke als diese zeigen, damit ihr euch verwundert. 21 Denn wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.
Gerade seine vollkommene Einheit mit dem Vater, gerade sein Gleichsein mit Gott bedeutet, dass der Herr Jesus als der Sohn nichts tun kann, es sei denn, dass Er es den Vater tun sieht. Er tut nichts unabhängig von dem Vater, weil Er vollkommen eins mit dem Vater ist. Er handelt aus der vollkommenen Einheit mit dem Vater heraus. Es ist die Feststellung seiner uneingeschränkten Gottheit und nicht einer niedrigeren Stellung, geschweige denn geringerer Macht.
Er kann nichts tun, außer was Er den Vater tun sieht; das bedeutet, dass man nicht sagen kann, dass sein Wille losgelöst wäre vom Willen des Vaters. Die vollkommene Einheit im Wirken wird nicht allein dadurch sichtbar, dass der Sohn tut, was der Vater tut, Er tut es auch in der gleichen Weise. Was für eine vollkommene Gemeinschaft mit dem Vater und was für eine persönliche Herrlichkeit des Sohnes strahlen aus diesen Worten hervor!
Der Beweggrund, dass der Sohn in vollkommener Einheit mit dem Vater handelt, ist die Liebe des Vaters zum Sohn. Von dieser Liebe des Vaters zum Sohn hat der Evangelist Johannes schon früher Zeugnis abgelegt (Joh 3,35). Jetzt hören wir den Sohn das selbst sagen. In dieser Liebe ist nichts verborgen, sondern alles ist vollkommen transparent. Der Sohn handelt so vollkommen in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters, weil der Vater dem Sohn alles zeigt, was Er selbst tut.
Wenn wir einen Unterschied zwischen den drei göttlichen Personen sehen wollen, können wir sagen, dass der Vater die Pläne macht, dass der Sohn sie ausführt, und zwar in der Kraft des Heiligen Geistes. Obwohl es nichts gibt, was der Vater tut, ohne dass der Sohn es weiß, sehen wir hier, dass der Vater dem Sohn zeigt, was Er tut. Es geht um eine Beschreibung der Dinge, die uns die Beziehungen in der Gottheit ein wenig begreifen lassen, obwohl ihr inneres Wesen für uns als Geschöpfe immer unergründlich bleiben wird. Das ist für den Glauben kein Hindernis, diese Dinge anzunehmen, sondern gerade ein Anlass, den Vater und den Sohn anzubeten.
Die Liebe des Vaters zum Sohn wird den Vater dazu bringen, dem Sohn größere Werke zu zeigen als die Heilung des Gelähmten. Der Sohn hat die Heilung des Gelähmten vollbracht, weil der Vater sie Ihm gezeigt hat. Das größere Werk ist die Auferweckung und das Lebendigmachen von Toten. Eins dieser größeren Werke sehen wir in der Auferweckung des Lazarus in Kapitel 11. Was die Juden da sehen werden, wird sie zur Verwunderung bringen, aber nicht zum Glauben.
Nur der Vater kann Tote aufwecken und lebendigmachen und der Sohn kann das, weil Er Gott ist. Er ist Gott der Sohn. Lasst uns beachten, dass das nicht bedeutet, dass der Vater die Toten durch den Sohn lebendig macht, gleichsam als Instrument. Nein, der Sohn selbst tut das. Der Sohn ist der Geber des Lebens und macht nach seinem souveränen Willen lebendig, wobei sein Wille in völliger Harmonie mit dem Willen des Vaters ist. Dass er einen souveränen, unumschränkten Willen hat, ist ein weiterer Beweis dafür, dass Er Gott ist.
Auferwecken und Lebendigmachen sind zwei Aspekte des gleichen Ereignisses. Beim Auferwecken geht es um eine Änderung unserer Stellung. Wir wechseln den Bereich. Als Christus aus den Toten auferweckt wurde, trat Er ebenfalls in einen anderen Bereich ein. Er hatte nichts mehr mit dem Bereich vor seinem Tod und seiner Auferstehung zu tun, sondern mit der Welt der Auferstehung, mit der Welt des Vaters. Beim Lebendigmachen geht es um eine Änderung unseres Zustands. Wir waren tot und haben neues Leben empfangen. Letzteres ist insbesondere das Werk, das der Sohn an uns ausgeführt hat, als wir zum Glauben an Ihn kamen.
22 - 27 Gericht und Leben sind dem Sohn gegeben
22 Denn der Vater richtet auch niemand, sondern das ganze Gericht hat er dem Sohn gegeben, 23 damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt den Vater nicht, der ihn gesandt hat. – 24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod in das Leben übergegangen. 25 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es kommt die Stunde und ist jetzt, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben. 26 Denn wie der Vater Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, Leben zu haben in sich selbst; 27 und er hat ihm Gewalt gegeben, Gericht zu halten, weil er des Menschen Sohn ist.
Es gibt etwas, was nicht der Vater tut, sondern der Sohn, und zwar tut Er das allein, nicht zusammen mit dem Vater. Das betrifft die Ausübung des Gerichts. Doch Er tut es nicht unabhängig vom Vater, denn der Vater hat es Ihm gegeben. Wir können sagen, dass der Sohn dabei für den Vater oder im Interesse des Vaters handelt. Der Sohn macht zusammen mit dem Vater lebendig, und Er richtet allein. Der Sohn ist der Schöpfer, und Er hat das Recht, das Gericht an allem auszuüben, was Er geschaffen hat und was sich gegen Ihn aufgelehnt hat.
Der Vater hat dem Sohn das Gericht mit einem ausdrücklichen Ziel gegeben: Er will, dass alle Menschen den Sohn ehren. Deshalb hat der Sohn die Macht, lebendigzumachen und auch zu richten. Es ist unmöglich, den Vater zu ehren, ohne den Sohn zu ehren. Viele Menschen sprechen über Gott den Vater, doch vor dem Sohn wollen sie sich nicht beugen. Von solchen Menschen nimmt der Vater keine Ehre an.
Die Voraussetzung dafür, den Sohn wirklich zu ehren und dadurch auch den Vater, besteht darin, das Wort des Herrn Jesus, des Sohnes, zu hören und zu glauben, dass der Vater Ihn gesandt hat. Das Hören und Annehmen des Wortes des Sohnes und der Glaube an den Vater als den, der Ihn gesandt hat, sind untrennbar miteinander verbunden. Wir glauben durch das Wort des Sohnes an den Vater (vgl. 1Pet 1,21).
Damit ist für den Gläubigen ein dreifaches Ergebnis verbunden:
1. Zuerst einmal bekommt er ewiges Leben und damit vollkommene Ruhe für sein Gewissen.
2. Zweitens bedeutet das, dass er vor dem Gericht vollständig bewahrt wird. Es geht nicht nur an ihm vorüber, er kommt gar nicht erst hinein.
3. Drittens ist er aus dem Tod in den Bereich des Lebens übergegangen, der vom Licht der Erkenntnis des Vaters erfüllt ist. Er hat also nicht nur innerlich neues Leben empfangen, sondern ist in einen Bereich hineingekommen, der von Leben gekennzeichnet ist, wo alles von Leben spricht, im Gegensatz zu der Welt, in der er vor dieser Zeit lebte und wo alles vom Tod spricht.
Dieses dreifache Ergebnis ist das Teil all der Toten, die die Stimme des Sohnes Gottes gehört und dadurch Leben bekommen haben. Mit diesen Toten meint der Herr die geistlich Toten (Eph 2,1). Jeder Mensch ist tot bis zu dem Augenblick, wo er aus Gott geboren wird. Diese neue Geburt, bei der jemand teil am Leben des Sohnes bekommt, findet statt, wenn jemand auf die Stimme des Sohnes Gottes hört.
Die „Stunde“ des Redens des Herrn Jesus, wodurch jeder, der Ihn hört, neues Leben erhält, begann, als Er auf der Erde war, und diese Stunde dauert noch immer an. Im Lauf der Jahrhunderte ist die Stimme des Sohnes in unzähligen Herzen erklungen und hat Leben hervorgebracht, weil sie diese Stimme gehört haben und ihr gefolgt sind. Wer hört, wird leben. Das gilt noch immer.
Der Vater hat den Sohn gegeben: Er ist Mensch geworden und ist dadurch die Quelle des ewigen Lebens für die Menschen. Als der ewige Sohn macht Er lebendig, wen Er will, und als Mensch in Niedrigkeit hat der Vater Ihm gegeben, Leben in sich selbst zu haben. Was Er als göttliche Person besitzt, hat Er als Mensch vom Vater bekommen.
Das Leben ist von Ewigkeit her in Ihm (Joh 1,4) und ist mit seiner ewigen Existenz als Gott verbunden. Wenn Er nicht als Mensch gekommen wäre, hätten wir das Leben niemals empfangen können. Doch nun hören wir den Sohn sagen, dass der Vater dem Sohn als Menschen das Leben gegeben hat. Dadurch kann Er Menschen dieses Leben geben. Das ist zugleich wieder ein Beweis dafür, dass der Herr Jesus bei seinem Kommen im Fleisch nicht aufgehört hat, Gott zu sein. Er wurde Mensch, um mit Menschen das teilen zu können, was Er als Gott besaß, während Er Gott blieb. Alle, die glauben, besitzen das Leben, das Er mitteilt, und Er kann es anderen mitteilen, weil Er auch als Mensch das Leben besitzt.
28 - 30 Das zukünftige Gericht
28 Wundert euch darüber nicht, denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören 29 und hervorkommen werden: die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts. – 30 Ich kann nichts von mir selbst aus tun; so, wie ich höre, richte ich, und mein Gericht ist gerecht, denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.
Der Herr sieht in ihren Gedanken, dass sie sich über das, was Er sagt, wundern. Aber so verwunderlich braucht das nicht zu sein. Aus dem Alten Testament konnten sie wissen, dass Gott die Herrschaft über die Schöpfung einem Menschensohn gegeben hat (Ps 8,5–7; Dan 7,13.14). Doch die Macht des Herrn geht weiter. Seine allgemeine Macht über alle Dinge übt Er auch über die Toten in den Gräbern aus.
Der Herr hat in Vers 25 auch von einer „Stunde“ gesprochen, womit Er die gegenwärtige Zeit meint, indem Er sagt, dass sie „jetzt“ ist. Die Stunde, von der Er hier in Vers 28 spricht, ist eine zukünftige Stunde. Es ist nicht die Stunde des Lebendigmachens, sondern die Stunde, wo die leiblich Toten aus den Gräbern auferstehen. Beim ersten „Jetzt“ ertönt seine Stimme inmitten der geistlich Toten, und nur die, die glauben, hören seine Stimme. Wenn seine Stimme erneut gehört wird, hören alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme und sie alle werden ohne Ausnahme aus den Gräbern auferstehen.
Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen denen, die auferstehen. Die, die seine Stimme in der Stunde von Vers 25 gehört haben, auferstehen zum Leben. Sie hatten die Kraft, die Fähigkeit, das Gute zu tun, weil sie das Leben des Sohnes Gottes besaßen. Das Leben zeigte sich darin, dass sie das Gute getan haben. Die zweite Gruppe besteht aus denen, die das Böse getan haben, weil sie das Leben des Sohnes Gottes abgelehnt haben. Ohne dieses Leben kann man nur Böses tun.
Es ist wichtig zu bedenken, dass es nicht so etwas wie eine allgemeine Auferstehung von Gläubigen und Ungläubigen zur gleichen Zeit gibt. Es gibt zwei Auferstehungen: eine Auferstehung der Lebenden und eine Auferstehung der Toten. Zwischen der Auferstehung der Lebenden und der Auferstehung der Toten liegt eine Zeitspanne von 1000 Jahren. Das geht deutlich aus Offenbarung 20 hervor (Off 20,4–6). Da ist von „der ersten Auferstehung“ die Rede. Das ist die Auferstehung aller Gläubigen.
Die erste Auferstehung geschieht in verschiedenen Phasen. Christus, der in allen Dingen den ersten Platz einnehmen muss, ist der Erstling der Entschlafenen (1Kor 15,20.23). Wenn Er wiederkommt, findet die Auferstehung der Gläubigen statt. Seine Wiederkunft vollzieht sich ebenfalls in Phasen. Zuerst kommt Er in die Luft und nimmt alle Gläubigen von Adam an bis zu diesem Augenblick zu sich (1Thes 4,14–18). Er nimmt sie alle mit zum Himmel. Kurze Zeit später kommt Er auf die Erde und wird alle Gläubigen auferwecken, die in der Zeit zwischen der Entrückung der Versammlung und seinem Kommen auf die Erde gestorben sind (Off 20,4.5).
Der Herr spricht hier im Johannesevangelium jedoch nicht von der Zeit, die zwischen den verschiedenen Auferstehungen liegt. Es geht Ihm darum, deutlich zu machen, wie völlig unterschiedlich die Beziehung der beiden Gruppen in Bezug auf Ihn selbst ist, sowohl als Sohn Gottes als auch als Sohn des Menschen.
Nachdem der Herr so die Betonung auf seine Macht zum Gericht gelegt hat, die Er vom Vater bekommen hat, weist Er direkt wieder darauf hin, dass Er es doch nicht ohne den Vater ausübt. Wenn Er sagt, dass Er nichts von sich selbst aus tun kann, bedeutet das wieder, dass Er in völliger Übereinstimmung mit dem Vater handelt. Deshalb ist es ein vollkommenes Gericht. Sein persönlicher Wille ist immer vollkommen auf den Willen des Vaters abgestimmt.
Als Mensch auf der Erde hat Er jeden Morgen als Schüler seinen Platz vor dem Vater eingenommen. Dort öffnete der Vater Ihm das Ohr (Jes 50,4). Deshalb ist sein Gericht gerecht. Er ließ sich durch gar nichts irreführen, weil Er nicht seinen eigenen Willen suchte, sondern den Willen des Vaters. Er beschreibt seinen Vater als den, „der mich gesandt hat“. Das weist auf seine Sendung durch den Vater hin und zugleich darauf, dass Er den Willen des Vaters tut.
31 - 32 Von dem Herrn Jesus zeugen
31 Wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis nicht wahr. 32 Ein anderer ist es, der von mir zeugt, und ich weiß, dass das Zeugnis wahr ist, das er von mir zeugt.
Gerade weil Er den Willen dessen tut, der Ihn gesandt hat, sagt der Herr Jesus, dass Er nicht von sich selbst zeugen will. Er nimmt als Mensch eine vom Vater abhängige Stellung auf der Erde ein. Wenn Er sagt, dass sein Zeugnis nicht wahr ist, sagt Er das, um den Juden entgegenzukommen, die das Gesetz kannten, in dem geschrieben steht, dass das Zeugnis einer Person nichts gilt (5Mo 19,15). Es geht nicht um die Zuverlässigkeit oder die Wahrheit des Zeugnisses, denn alles, was der Herr über sich selbst sagt, ist vollkommen verlässlich und die Wahrheit. Es geht darum, ob es angenommen werden kann.
Er will alles tun, um die Juden davon zu überzeugen, dass Er das ist, was sie leugnen: der Sohn Gottes. Er weist auf einen anderen hin, „der von mir zeugt“, das ist der Heilige Geist (Joh 16,13). Das Zeugnis des Heiligen Geistes ist ein vierfaches Zeugnis, das der Herr Jesus den Juden in den folgenden Versen vorhält: das Zeugnis des Johannes (Verse 33–35), der Werke des Herrn selbst (Vers 36), des Vaters (Verse 37.38) und der Schriften (Vers 39).
33 - 35 Erstes Zeugnis: Johannes
33 Ihr habt zu Johannes gesandt, und er hat der Wahrheit Zeugnis gegeben. 34 Ich aber nehme kein Zeugnis von einem Menschen an, sondern dies sage ich, damit ihr errettet werdet. 35 Er war die brennende und scheinende Lampe; ihr aber wolltet für eine Zeit in seinem Licht fröhlich sein.
Johannes ist der erste der vier Zeugen, die der Herr anführt, die Zeugnis von Ihm geben. Sie selbst hatten Priester und Leviten zu Johannes gesandt, um von ihm zu hören, ob er der Christus sei (Joh 1,19–28). Von ihnen hatten sie das Zeugnis des Johannes in Bezug auf Ihn gehört, aber sie hatten nicht geglaubt. Als Gott der Sohn hatte Er das Zeugnis des Menschen Johannes nicht nötig. Gott ist niemals vom Zeugnis eines Menschen abhängig, um sich selbst zu beweisen. Doch mit dem Hinweis auf das Zeugnis des Johannes kommt ihnen der Herr so weit wie möglich entgegen.
Unter Menschen hat es keinen klareren Zeugen gegeben als Johannes. Als „brennende“ Lampe war er ein feuriger Zeuge. Das weist auf seine innere Leidenschaft hin. Als „scheinende“ Lampe verbreitete Johannes die Wahrheit. Das weist auf das hin, was die Menschen von ihm sahen und hörten. Sein Auftreten erregte Aufsehen, und die Juden hatten sich kurze Zeit über sein Auftreten gefreut, weil sie spürten, dass es auf etwas Besonderes hinwies. Aber sie unterwarfen sich nicht der Botschaft von der Bekehrung, die Johannes predigte. Deshalb war es nur eine vorübergehende Regung, und sie erweisen sich jetzt als Widersacher dessen, auf den Johannes hingewiesen hatte.
Johannes war eine Lampe. Als ein schwacher Vorläufer dessen, der wie die Sonne scheint, er brachte Licht und Wärme. Wenn die Sonne jedoch einmal scheint, braucht sie keine Lampe, die sie anstrahlt. Der Herr Jesus scheint für sie als die Sonne in ihrer Kraft (vgl. Mal 3,20).
36 Zweites Zeugnis: die Werke
36 Ich aber habe das Zeugnis, das größer ist als das des Johannes; denn die Werke, die der Vater mir gegeben hat, damit ich sie vollbringe, die Werke selbst, die ich tue, zeugen von mir, dass der Vater mich gesandt hat.
Danach spricht der Herr über ein zweites Zeugnis. Das sind die Werke, die Er tut und die Er vom Vater empfangen hat, um sie zu tun. Die Werke sind gleichsam die Sonnenstrahlen, die die Sonne als Beweis ihres Scheinens aussendet. Seine Werke sind ein kräftigeres Zeugnis als die Predigt des Johannes, weil sie unleugbar göttlich sind. Sie beweisen, dass Er vom Vater gekommen ist. Es sind Werke, die zeigen, dass in Ihm göttliche Gnade und Wahrheit erschienen sind.
37 - 38 Drittes Zeugnis: der Vater
37 Und der Vater, der mich gesandt hat, er hat Zeugnis von mir gegeben. Ihr habt weder jemals seine Stimme gehört noch seine Gestalt gesehen, 38 und sein Wort habt ihr nicht bleibend in euch; denn dem, den er gesandt hat, diesem glaubt ihr nicht.
Das dritte Zeugnis, auf das der Herr Jesus hinweist, ist das Zeugnis, das der Vater über Ihn abgelegt hat. Das ist bei seiner Taufe geschehen (Mt 3,17; Mk 1,11; Lk 3,22). Auch dieses Zeugnis ist den Juden entgangen, weil sie etwas suchten, was ihre natürlichen Sinne ansprach. Dadurch waren sie taub für die Stimme des Vaters und blind für die Gestalt des Sohnes, in der der Vater sich zeigte. Sie hatten die Stimme des Vaters gehört, aber ihre Bedeutung nicht begriffen.
Sie sehen den Sohn, sind aber blind für seine Herrlichkeit wegen der niedrigen Gestalt, die Er angenommen hatte (Jes 53,2). Für den Glauben besitzt Er die Herrlichkeit eines Eingeborenen vom Vater, aber sie glauben nicht an den, den der Vater gesandt hat. Der Vater sandte Ihn, doch sie wiesen Ihn ab. Darum hatten sie das Wort des Vaters, das Er über den Sohn gesprochen hatte, nicht bleibend in sich. Es prallte an ihrem verhärteten Gewissen ab, das sich dem Glauben verschlossen hatte. Sie wollen nicht glauben.
39 - 40 Viertes Zeugnis: die Schriften
39 Ihr erforscht die Schriften, denn ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben, und sie sind es, die von mir zeugen; 40 und ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt.
Als viertes und letztes Zeugnis weist der Herr Jesus auf die Schriften hin. Die Schriften geben ein fortwährendes Zeugnis von Christus. Wenn Menschen durch das Studium der Schriften zu Christus geführt werden, haben sie ewiges Leben. Die Schriften geben kein ewiges Leben ohne Ihn. Dafür sind die Juden ein Beweis, die die Schriften erforschten.
Sie untersuchten die Schriften nicht, um Christus darin zu finden, sondern um zu erkennen, wie sie sich das ewige Leben verdienen könnten. Sie lasen die Schriften ausschließlich mit dem Verstand, während ihr Gewissen nicht vom Licht Gottes beschienen wurde, wie das auch heute bei vielen ungläubigen Theologen der Fall ist. Sie lasen die Schriften, aber sie wollten nicht zum Sohn kommen. Es ist eine Sache ihres verdorbenen Willens, denn es war nicht zu leugnen, wer Er ist.
41 - 44 Die Ehre von Menschen
41 Ich nehme keine Ehre von Menschen an; 42 sondern ich kenne euch, dass ihr die Liebe Gottes nicht in euch habt. 43 Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmt mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen. 44 Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von Gott allein ist, nicht sucht?
Der Herr Jesus weiß sehr gut, unter welchen Voraussetzungen sie Ihn wohl annehmen würden. Wenn Er nur ihrer Ehre schmeicheln und nur ihre menschlichen, fleischlichen Erwartungen erfüllen würde, dann würden sie Ihn wohl ehren. Doch Er sucht keine Ehre von Menschen. Wer weiß, dass Er vom Vater gesandt ist, will keine Ehre von Menschen. In der Welt geht es um die Ehre von Menschen. Er sucht sie nicht nur nicht, sondern Er will sie überhaupt nicht, auch nicht, wenn sie Ihm angeboten würde.
Der Unterschied zwischen dem, was Er sucht und was die Juden suchen, ist die Liebe Gottes. Bei ihnen fehlt es an der Liebe Gottes, und Er ist voll davon. Sie haben die Liebe Gottes nicht in sich, weil sie voller Eigenliebe sind. Deshalb haben sie keinen Raum für die Liebe Gottes. Wer diese Liebe in sich hat, sucht nur die Ehre Gottes. Er lässt sich durch diese Liebe leiten, eine Liebe, die zu ihrer Quelle zurückströmt. Sein Kommen im Namen des Vaters bedeutet, dass er Ihn, seinen Vater, zu verherrlichen sucht. Doch das ist ihnen völlig fremd, das geht ihnen völlig ab, und deshalb lehnen sie Ihn ab.
Der Herr Jesus sagt dann, dass diese ihre Gesinnung und Haltung Ihm gegenüber den Weg für das Kommen eines anderen öffnet, der in seinem eigenen Namen kommen wird. Damit meint er den Antichrist. Den würden sie einmal annehmen. Im Antichrist findet die Selbstverherrlichung des Menschen ihren Höhepunkt. Dieser gottloseste und gesetzloseste aller Menschen, die je gelebt haben, stellt sich selbst als Gott dar (2Thes 2,4).
Der Antichrist bildet einen völligen Gegensatz zu Christus, der nie seine eigene Ehre suchte und sucht, sondern dem es stets um den Namen seines Vaters ging und geht. In Ihm kommt Gott ihnen zu nahe, und deshalb lehnen sie Ihn ab. Das Suchen nach der Ehre von Menschen steht dem Suchen nach der Ehre des einzigen Gottes gegenüber, der in Christus gekommen ist. Die Suche der Verherrlichung des Menschen verhindert den Glauben. Solange jemand noch etwas von einem Menschen erwartet, solange er sich den Menschen rühmt, ist es unmöglich, dass er zum Glauben kommt. Das Ehren von Menschen blockiert den Glauben an Christus als den Einzigen, in dem Gott zum Menschen gekommen ist.
Wenn die Ehre Christi als des von Gott gekommenen Sohnes gesucht wird, geht es nicht mehr um die Ehre von Menschen, sondern lebt jemand aus Glauben. Sich der Menschen zu rühmen ist auch für Gläubige eine Gefahr, vor der Paulus warnt (1Kor 3,21).
45 - 47 Die Schriften Moses
45 Meint nicht, dass ich euch bei dem Vater verklagen werde; da ist einer, der euch verklagt, Mose, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt. 46 Denn wenn ihr Mose glaubtet, so würdet ihr mir glauben, denn er hat von mir geschrieben. 47 Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?
Sie brauchen nicht zu denken, dass der Herr Jesus sie beim Vater verklagen wird. Das überlässt Er getrost Mose. In ihrer Verblendung meinen sie, in Mose alles zu finden, was sie in ihrer Verwerfung des Sohnes bestärkt. Aber gerade sein Zeugnis wird ihnen zum Verhängnis sein. Bereits in den ersten Büchern der Bibel, die Mose geschrieben hat, zeigt sich, dass Christus das Hauptthema ist. Wer die ersten Bücher der Bibel abweist, weist damit das Reden des Sohnes Gottes ab. Wer an Mose glaubt, muss auch dem Sohn glauben, sonst erliegt er Selbstbetrug und Heuchelei.
Andererseits ist es so, dass der, der den Schriften Moses nicht glaubt, nicht an Christus glauben kann. Wenn die Liebe Gottes in uns ist und menschliche Herrlichkeit uns nichts bedeutet, werden wir die Schriften annehmen und glauben und durch den Glauben werden sie uns zu Christus führen.
Es scheint so, als würde der Herr Jesus das geschriebene Wort höher einstufen als seine gesprochenen Worte, doch es gibt keinen Unterschied, was das Niveau betrifft. Was die Autorität betrifft, so stehen sie natürlich auf gleicher Ebene. Der Unterschied ist, dass die geschriebenen Worte ein feststehendes Zeugnis in Bezug auf Ihn sind und dadurch die notwenige Voraussetzung dafür sind, seinen gesprochenen Worten zu glauben.