Einleitung
Der Prophet fährt mit seiner Anklage fort. Dieses Kapitel betrifft auch das Königshaus. Die Führer haben das Volk auf den falschen Weg gebracht, aber das macht das Volk nicht weniger schuldig. Es heißt, dass sie den HERRN nicht kennen (Vers 4).
Als der HERR versucht, sie zur Umkehr zu zwingen, suchen sie Hilfe bei den umliegenden Völkern (Vers 13). So tief ist das Volk gesunken und so tief können auch wir sinken. Sind wir nicht auch geneigt, unsere Hilfe eher bei anderen zu suchen als beim Herrn?
1 Aufruf und Betrug
1 Hört dies, ihr Priester, und hört zu, Haus Israel! Und ihr, Haus des Königs, nehmt es zu Ohren! Denn euch gilt das Gericht; denn ihr seid eine Schlinge in Mizpa geworden und ein ausgebreitetes Netz auf dem Tabor;
Der Prophet setzt fort, was er im vorherigen Kapitel begonnen hat. Er begann dort mit einer Ansprache an die Priester und das Volk. Er fügt nun das Haus des Königs hinzu. Er ruft sie auf: „Hört dies …“, „hört zu …“, „nehmt es zu Ohren …“. Man kann ihn flehen hören: „Bitte hört mir doch zu!“ Er wendet sich besonders an diejenigen, die ein Vorbild des Guten sein sollten, wie die Priester und der König. In der Praxis sind sie zu einer Schlinge für das Volk geworden.
Diejenigen, die durch ihre Position in einer direkten Beziehung zu Gott stehen, sind am meisten schuldig. Es werden Priester, die religiösen Führer, und Herrscher, die politischen Führer, angesprochen. Aber auch das gemeine Volk bleibt von der ernsthaften Predigt Hoseas nicht verschont. Alle Klassen des Volkes sind vom Übel des Götzendienstes und allen möglichen anderen Formen des Bösen, die sich daraus ergeben, durchdrungen. Das Urteil wird direkt über sie alle gesprochen.
Hosea erinnert die Führer an die ihnen anvertraute Aufgabe, das Recht aufrechtzuerhalten und Recht zu sprechen. Die Praxis ist, dass jeder, der mit einer Klage zu ihnen kommt, in eine Falle tappt. Die Anführer verdrehen das Gesetz und höhlen das Volk aus. „Mizpa“ erinnert an die Tage von Samuel. Es ist einer der Orte, an denen Samuel Israel richtet (1Sam 7,16), wo das Volk mit seinen Klagen zu ihm kommt. Auf dem Berg „Tabor“ ist das Heer Israels versammelt, in der Zeit, in der Debora Israel richtet (Ri 4,4–6.14).
Beide Orte haben daher eine besondere, nationale und religiöse Bedeutung. Dort, wo das Volk mit gerechter Rechtsprechung rechnen können sollte, üben sich die Führer in Gesetzlosigkeit, nur um ihre Macht und ihren Reichtum zu vergrößern. Die Menschen werden dorthin gelockt. Aber anstatt Gerechtigkeit zu bekommen, für die sie gekommen sind, werden die Menschen zu allen möglichen götzendienerischen und schändlichen Praktiken verleitet.
Das Arbeiten mit bekannten Namen und vertrauten Begriffen ist eine Taktik, die der Feind gerne anwendet, um ahnungslose Seelen zu erreichen. Es reicht nicht aus, an den Ort zu gehen, an dem unsere Vorfahren dem Herrn gedient und Ihn gesehen haben. Wir müssen auch davon überzeugt sein, dass dem Herrn an diesem vertrauten Ort immer noch gedient wird.
Wir haben dort nichts zu suchen, wenn diese Orte zu Orten des Dienstes am sündigen Fleisch und dem Verfolgen der Interessen der Menschen verkommen sind. Jeder von uns kann sich die Frage stellen: „Bin ich an dem Ort, an dem ich dem Herrn dienen will, vielleicht eine „Schlinge“ oder ein „ausgebreitetes Netz“ für jemand anderen, weil mein Verhalten oder meine Worte nicht meinem Bekenntnis entsprechen?
2 Die Abtrünnigen
2 und das Verderben haben die Abtrünnigen weit getrieben. Ich aber werde sie alle züchtigen.
Der Vers kann auch übersetzt werden (Fußnote ELB): „Und ins Verderben sind die Abtrünnigen tief gesunken.“ Die Abtrünnigen sind der König, die Priester und das Volk, die von Gott abgefallen sind und sich den Götzen zugewandt haben. Sie sind tief gesunken, dorthin wo die Götzen sind, um ihre Opfer zu schlachten. Die Orte des Götzendienstes sind oft hoch gelegene Orte, aber Gott nennt es einen Abstieg zu diesen Orten. Der Weg von Gott weg ist geistlich gesehen immer ein Weg nach unten.
Angesichts dieses abtrünnigen Verhaltens wird Gott sie alle züchtigen. Alles, was von Gott sichtbar wird, worin Er sich offenbart, ist eine Züchtigung für das abgefallene Volk. Aus allen seinen Eigenschaften, wie seiner Barmherzigkeit, Liebe und Gerechtigkeit, spricht die Züchtigung. Die Gegenüberstellung zwischen dem ersten und zweiten Teil des Verses ist auffallend.
3 Von Gott gekannt
3 Ich kenne Ephraim wohl, und Israel ist nicht vor mir verborgen; denn nun hast du Hurerei getrieben, Ephraim, Israel hat sich verunreinigt.
Was Gott hier über Ephraim sagt, erinnert an das, was David sagt, dass der HERR ihn durch und durch kennt (Ps 139,1–4). Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Ephraim und David. In Psalm 139 bezeugt David die Allwissenheit Gottes. Er ist sich dessen bewusst, dass Gott ihn vollständig kennt. Es macht ihn klein und doch voller Zuversicht. Bei Ephraim oder Israel ist das anders. Sie sind sich nicht dessen bewusst, dass Gott sie kennt und alle ihre Taten sieht (vgl. Hos 7,2). Gott kennt sie, aber sie kennen Ihn nicht (Vers 4).
Gott sagt, dass Er die Unzucht Ephraims und die Verunreinigung Israels kennt. Er erwähnt ihre Taten. Dass Gott sein Volk genau kennt, beweist Er, indem Er ihnen ihre Sünden zeigt. Nichts ist vor Ihm verborgen. Es gibt keinen Zweifel an ihren Sünden. Sie sind verunreinigt und deshalb kann Gott sie nicht in seiner Gegenwart dulden.
Es ist Gnade, dass Gott sein Volk auf seine Sünden hinweist. Er möchte sie dazu bringen, ihre Sünden so zu sehen, wie Er sie sieht, damit sie sie bekennen und Er ihnen vergeben kann. Ein ganzes Volk oder eine einzelne Person kommt nur dazu, wenn sie, wie David, aufrichtig beten: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Weg“ (Ps 139,23.24).
4 Noch einmal der Geist der Hurerei
4 Ihre Handlungen gestatten ihnen nicht, zu ihrem Gott umzukehren; denn der Geist der Hurerei ist in ihrem Innern, und den HERRN kennen sie nicht.
Leider ist eine Gesinnung wie die von David dem Volk völlig fremd. Sie verhalten sich in solch einer Weise, bei der es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass sie umkehren wollen. Sie sind einfach in die Sünde verstrickt; sie stecken völlig darin fest. Sie sehen den Ausweg nicht und wollen ihn auch nicht sehen. Sie stehen völlig unter der Macht eines Geistes der Unzucht, der „in ihrem Innern“ ist.
Dies geht weiter als die frühere Erwähnung dieses Geistes (Hos 4,12), der wirkt und sie in die Irre führt. Hier lesen wir, dass dieser Geist in ihrem Innern ist. Das geht noch einen Schritt weiter. Wenn dieser Geist einen Platz in ihrem Innern bekommen hat, ist die Tür zur Erkenntnis des HERRN verschlossen.
Ein ergreifendes und erschreckendes Beispiel ist Judas, der Jünger, der den Herrn Jesus verraten hat. Zuerst lesen wir von ihm: „Und während des Abendessens, als der Teufel schon dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu überliefern“ (Joh 13,2). Dies ist vergleichbar mit dem Geist der Hurerei, der in die Irre führt. Aber dann lesen wir: „Und nach dem Bissen fuhr dann der Satan in ihn“ (Joh 13,27a). Satan drang in ihn ein und übernahm die Kontrolle über sein Leben. Zum Glück kann ein Kind Gottes wissen: „Ihr seid aus Gott, Kinder, und habt sie überwunden, weil der, der in euch ist [das ist der Geist Gottes], größer ist als der, der in der Welt ist [das ist der Satan]“ (1Joh 4,4).
5 Der Fall von Israel und Juda
5 Und der Stolz Israels zeugt ihm ins Angesicht, und Israel und Ephraim werden fallen durch ihre Ungerechtigkeit; auch Juda fällt mit ihnen.
Der Stolz Israels ist nicht etwas, das nur im Herzen anwesend ist. Ihre ganze Haltung strahlt Hochmut aus. Das Volk geht sozusagen mit erhobenem Haupt und schaut mit Verachtung auf andere herab. Es herrscht ein völliger Mangel an Demut und Niedergeschlagenheit über die Sünden, die offen begangen werden. Es hat sogar den Anschein, als würden sie sich damit brüsten, was sie tun. Schließlich sind sie das von Gott auserwählte Volk, oder?
Aber wenn man vergisst, was es bedeutet, auserwählt zu sein, dann ist das Ergebnis Hochmut. Alles, was Gott seinem Volk gegeben hat, wird von ihnen als etwas angesehen, auf das sie ein Anrecht haben. Die Abhängigkeit von Gott und die Dankbarkeit Ihm gegenüber sind verschwunden.
Es gibt dann auch keine Kraft mehr, sich dem Feind entgegenzustellen. Das Ergebnis ist, dass man fällt. Wer seine Hand aus Gottes Hand reißt, kommt nicht weit. Er kann vielleicht eine Zeit lang Eindruck schinden, aber dann ist es vorbei. Ein Volk ohne Gott ist verloren. So war es mit Israel und so wird es auch mit der Christenheit sein.
Auch die Christenheit rühmt sich ihrer Privilegien, als ob sie sie verdient hätte (Röm 11,19.20). Das gilt auch für den persönlichen Bereich. Gehe ich hochmütig mit etwas um, das Gott mir gegeben hat, zum Beispiel mit der Position, die ich innehabe? Dann ist der Fall nahe. Zuvor hatte der HERR Juda gewarnt, Israel nicht nachzuahmen (Hos 4,15), aber vergeblich. Juda fällt mit Israel.
6 Der HERR entzieht sich ihnen
6 Mit ihrem Kleinvieh und mit ihren Rindern werden sie hingehen, um den HERRN zu suchen, und werden ihn nicht finden: Er hat sich ihnen entzogen.
Hoseas Predigt scheint Wirkung zu zeigen. Israel macht sich auf die Suche nach dem HERRN. Sie haben sogar Opfertiere dabei. Aber leider wollen sie ohne Reue für ihre Sünden opfern und suchen den HERRN vergeblich. Sie klopfen an und rufen: „Herr, Herr tu uns auf!“, aber Er wird sagen: „Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht“ (Mt 25,11.12).
Es ist wichtig, wie wir Ihn suchen. Sie kommen „mit ihrem Kleinvieh und mit ihren Rindern“. Sie wollen Gott befriedigen, das Gericht abkaufen und seine Gunst erkaufen. Aber Gott wird nicht da sein. Sie kommen als Menschen, die meinen, ein Recht auf etwas zu haben und nicht in Demut. Die äußeren Formen sind da, aber Gott ist nicht da. Er entzieht sich ihnen.
Die Tatsache, dass das Volk den HERRN sucht, Ihn aber nicht findet, scheint der Verheißung des Herrn Jesus zu widersprechen, dass „der Suchende findet“ (Mt 7,8). Doch der Vergleich hinkt. In Matthäus 7 spricht der Herr von aufrichtigen, ehrlichen Suchenden. Wenn solche Menschen suchen, werden sie immer finden. Diese Verheißung gilt nicht für unaufrichtige Menschen, die Gott dazu benutzen wollen, ihre eigenen Pläne zu verwirklichen.
Genauso wenig können wir das, was Gott in der Bibel gesagt hat, nach unseren eigenen Vorstellungen auslegen, und die Texte so verwenden, wie es uns am besten passt. Gottes Wort ist nur für Menschen bestimmt, die Ihn wirklich beim Wort nehmen. Sie können sich darauf verlassen, dass Gott sein Wort hält.
Was für Israel gilt, gilt auch für Namenschristen. Wenn sie sich in der Zeit des Gerichts auf die Vorrechte berufen, die ihnen verliehen wurden, werden auch sie erleben, dass Gott sich ihnen entzieht oder sich von ihnen löst, wie man es auch übersetzen kann. Anstatt sich unter die Zucht Gottes zu beugen, die Er manchmal wegen Untreue verhängen muss, können örtliche Gemeinden dazu kommen, sich auf ihre (eingebildeten) großen Einsichten und Fortschritte zu berufen.
Auch in der Gemeinde in Laodizea begegnet uns dieser Geist des Stolzes (Off 3,14–22). Während der Herr Jesus zu ihnen spricht, steht Er vor der Tür: Er muss anklopfen, um eingelassen zu werden (Off 3,20). Gott entzieht sich untreuen Christen. Er entzieht sich nicht Ungläubigen. Durch sie will Er gefunden werden. Deshalb offenbart Er sich ihnen im Evangelium.
7 Folgen treulosen Handelns
7 Sie haben treulos gegen den HERRN gehandelt, denn sie haben fremde Kinder gezeugt; nun wird sie der Neumond verzehren mit ihren Erbteilen.
Die Treulosigkeit ihres Handelns gegenüber dem HERRN zeigte sich in ihrem Götzendienst. Anstatt Ihn anzubeten, liefen sie fremden Göttern nach und verehrten sie. Das Ergebnis ist an ihren Kindern zu sehen. Wenn die Eltern Gott nicht suchen, sondern sich den Göttern der Nationen um sie herum beugen, werden die Kinder es auch tun.
Es ist immer einfacher, einem Götzen zu dienen als dem lebendigen Gott. Du suchst dir selbst einen Götzen aus, und wenn er dir nicht gefällt, wählst du einfach einen anderen. Wenn nötig, macht man sich selbst einen. Aber wenn man es mit dem lebendigen Gott zu tun hat, hat man keine Wahl. Dann ist nur die Frage wichtig: Willst du Ihm gehorchen?
Das Volk hat Gott den Rücken zugekehrt. In ihrer Entfremdung von Gott haben sie auch ihren Kindern nichts von dem Gott Israels erzählt. Die Kinder kennen also den lebendigen Gott nicht. Sie sind zu einem Geschlecht von „fremden Kindern“ geworden, einem Volk, das sich von Gott entfremdet hat.
Die Anwendung ist offensichtlich. Was wir als Eltern anstreben und besitzen wollen, werden unsere Kinder übernehmen. Deshalb müssen wir uns immer fragen: Was bringen wir unseren Kindern bei, wohin bringen wir sie, was geben wir ihnen, was sehen sie von uns?
Im letzten Teil dieses Verses wird eine Strafe angekündigt. Wenn Kinder aufhören, nach Gott zu fragen, weil die Eltern Gott nicht mehr anerkennen, ist alle Hoffnung verloren. Wenn Eltern ihren Kindern ein falsches Beispiel geben, ist die Hoffnung auf Besserung in der nächsten Generation vergebens. Der „Neumond“ steht für einen neuen Anfang, für Hoffnung. Bei Neumond ist der Mond nirgends zu sehen, aber gleichzeitig bedeutet die Position des Mondes, dass das Licht wiederkommt, und das ist ein Grund zur Freude (Ps 81,4).
In den Tagen Hoseas gab es jedoch keine neue Hoffnung, keinen Neuanfang. Im Gegenteil: Das, was Erneuerung ankündigt, bringt nur Zerstörung. Diese Zerstörung wird nicht nur diejenigen treffen, die sich von Gott abgewandt haben. Alles, was der untreue Mensch unter seiner Kontrolle hat, wird ebenfalls dem Gericht ausgesetzt sein. Der Mensch und seine Besitztümer, „mit ihren Erbteilen“, werden vergehen und verzehrt werden.
8 Lasst die Posaune erschallen
8 Stoßt in die Posaune in Gibea, in die Trompete in Rama; ruft laut in Beth-Awen: [Der Feind ist] hinter dir her, Benjamin!
Auf das angekündigte Gericht am Ende des vorangegangenen Verses folgt in diesem Vers ein kriegerischer Lärm. Die Posaune ruft nicht zu einem Festmahl auf, sondern bläst ein Alarmsignal. Der Feind ist im Anzug! Die Zerstörung steht unmittelbar bevor!
Die beiden genannten Städte stehen symbolisch für die Situation, in der sich das Volk befindet. „Gibea“ spricht von tiefem Verfall. Was dort in der Vergangenheit geschehen ist (Ri 19,22.30), wird jedem, der daran denkt, Schamesröte in die Wangen treiben. Deshalb muss die Posaune genau an diesem Ort geblasen werden. Das Gewissen muss wachgerüttelt werden; es muss ein Aufruf zum Besinnen erfolgen. Das Ergebnis muss das Bekenntnis sein, Gott verlassen und Götzendienst betrieben zu haben, und die Erkenntnis, dass sein Gericht gerecht ist.
In „Rama“ muss die Trompete geblasen werden. Es ist der Ort, an dem Samuel lebte und Israel richtete (1Sam 7,17). Es ist auch der Ort, an dem das Volk zu ihm kam und einen König verlangte, wie die anderen Völker um sie herum (1Sam 8,5). Auch „Beth-Awen“, das zuerst Bethel (= Haus Gottes) genannt wurde, und „Benjamin“, das zu den zwei Stämmen gehört, werden gewarnt. Die Gefahr eines Krieges droht von allen Seiten. Hosea sieht den Feind im Geist herankommen. Er nähert sich von vorne und von hinten. Eine Stadt nach der anderen fällt. Der Feind nimmt nach und nach alle Städte in Besitz.
Das ist ein Bild dafür, wie es im Leben eines Menschen zugehen kann, der zum Volk Gottes gehört. Zuerst fängt er an, weltlich zu denken, dann merkt man es an der Art, wie jemand spricht, und schließlich spiegelt es sich in seinen Handlungen wider. Er hat sich von Gott abgewandt. Deshalb ist es auch in unserer Zeit notwendig, dass das Wort Gottes wie eine mächtige Trompete ertönt, um sein Volk vor den Listen des Feindes zu warnen (2Tim 4,2).
9 Gott verkündet seine Pläne
9 Ephraim wird zur Wüste werden am Tag der Strafe; über die Stämme Israels habe ich Gewisses verkündigt.
Was Hosea vor seinem geistigen Auge als drohende Gefahr sieht, wird eines Tages gewiss eintreten. Es ist fest beschlossen. Das Gericht über die Sünder ist gewiss. Deshalb ist es wichtig, vor dem kommenden Zorn zu fliehen, denn der Tag des Gerichts wird kommen. Es ist eine besondere Gnade Gottes, dass Er verkündet, was gewiss ist, dass Er die Menschen wissen lässt, was Er plant, auch wenn es um das Gericht geht.
Gott warnt oft, denn Er will nicht, dass der Sünder umkommt, sondern dass er umkehrt und lebt. Aber über das beharrliche Verfolgen eines sündigen Weges und das Verharren in einem Leben der Sünde muss Er sein Urteil sprechen. Er belässt es nie bei Drohungen, sondern vollstreckt sie dann auch, wenn es keine Reue gibt.
10 Grenzen verrücken
10 Die Fürsten von Juda sind wie diejenigen geworden, die die Grenze verrücken; über sie werde ich meinen Grimm wie Wasser ausgießen.
Juda will das Unglück, das über das Nordreich hereingebrochen ist, ausnutzen, um sein Gebiet zu vergrößern. Wer aber auf solch bösartige Weise versucht, Territorium zu gewinnen, zieht Gottes Gericht auf sich. Mehrmals wird ausdrücklich vor dieser Form des Landraubs gewarnt. Wer dies tut, wird sogar verflucht (5Mo 19,14; 27,17; Hiob 24,2; Spr 22,28).
Gott gab jedem Stamm sein eigenes Erbteil. Niemand sonst durfte sich ein Stück davon aneignen. Wer das, was er von Gott erhalten hat, wirklich zu schätzen weiß, wird sich hüten, anderen etwas davon wegnehmen. Mit Naboth haben wir ein Beispiel für jemanden, der sich des Wertes seines Erbes bewusst ist. Als König Ahab es ihm abkaufen oder gegen ein anderes Stück Land eintauschen will, weigert sich Naboth (1Kön 21,1–3). Für seine Weigerung muss er mit dem Tod bezahlen (1Kön 21,4–13). Ahab hat keinen Respekt vor den Grenzen, die Gott gezogen hat.
Dieser Mangel an Respekt für die von Gott gesetzten Grenzen ist auch charakteristisch für das 21. Jahrhundert, in dem wir leben. Nicht, dass aufrichtige Christen absichtlich versuchen würden, diese Grenzen zu beseitigen. Der aufmerksame Christ wird jedoch feststellen, dass die ursprünglichen Grenzen zunehmend verschwinden und neue entstehen. Das von den Grenzen umschlossene Gebiet wird ausgedehnt. Denken wir zum Beispiel an die Ehe und das unverheiratete Zusammenleben.
Für den aufmerksamen, gläubigen Bibelleser ist dies kein Problem. Nur die Ehe ist die von Gott gewollte Form, in der Mann und Frau ihre Sexualität genießen können. Heute bringen immer mehr Christen Argumente vor, um unverheiratetes Zusammenleben als Ehe zu betrachten. So wird die Grenze der Ehe ausgedehnt und auch das Zusammenleben innerhalb dieser Grenze aufgenommen. Und was ist mit dem Zusammenleben von zwei Männern oder zwei Frauen? Die Grenzen werden immer weiter ausgedehnt und verschoben.
Sieh auch mal auf den Unterschied zwischen Männern und Frauen, wenn es zum Beispiel um die Zusammenkünfte der Gemeinde geht. In der Vergangenheit war das Schweigen der Frauen in der Gemeinde kein Thema (1Kor 14,34). Jetzt ist es nicht mehr so klar. Es werden große Diskussionen darüber geführt, wie genau dies zu sehen ist. Oder eigentlich geht es vielmehr darum, wie man es auf jeden Fall nicht sehen soll. Statt einer eindeutigen Erklärung dieses Verses werden unzählige Erklärungen gesucht und gefunden, die verdeutlichen sollen, wie unklar dieser Vers wirklich ist. Die Schlussfolgerung ist also, dass man nicht sagen kann, was es bedeutet. Und wenn man sagen will, was es bedeutet, muss man sagen: „Ich denke, dass es dies bedeutet.“
Die Relativierung des Wortes Gottes hat Einzug gehalten und viele erliegen dem Einfluss. Es gibt ein wiederkehrendes Muster bei der Überschreitung der Grenzen. Zunächst werden Fragen zur Diskussion gestellt. Das Thema kommt immer wieder auf die Tagesordnung zurück. Dieser Prozess führt zu einem Sinneswandel. Wenn die Geister reif sind, werden diese Dinge in die Praxis umgesetzt.
Es sind nicht die Unwissenden oder die untersten Schichten der Bevölkerung, die für die Veränderung der Grenzen verantwortlich sind. Es sind die Fürsten von Juda, die Führer eines Stammes, der von Gott außerordentlich begünstigt worden ist. In Juda liegt Jerusalem mit seinem Tempel und seinem Gottesdienst. Aber je größer das Privileg ist, desto größer ist auch die Abweichung, wenn das Herz nicht in der Gemeinschaft mit Gott bleibt. Die Obersten haben das Volk auf einen Weg der Untreue geführt, einen Weg, auf dem sie Gottes Worte mit Füßen treten. Jeder ist auf seine eigenen Interessen bedacht.
Sicherlich wird diese Haltung in fromme Umschreibungen verpackt, sodass es auf den ersten Blick wirklich um die Ehre Gottes zu gehen scheint. Aber die Realität wird früher oder später offenbar werden, und ihr Ende ist der Tod. Über diese Dinge wird das Gericht Gottes unwiderruflich kommen wie die Wasser der Sintflut. Diejenigen, die Gottes Grenzen überschreiten, werden von Ihm zur Rechenschaft gezogen werden.
11 Gott übt Gericht
11 Ephraim ist bedrückt, zerschlagen vom Gericht; denn willig wandelte es nach Menschengeboten.
Bei der Unterdrückung Ephraims kann man an die Invasionen Tiglat-Pilesers denken (2Kön 15,29). Wenn Gott Recht übt, wird derjenige, der sich nicht an dieses Recht hält, zerschlagen. Gott bedrückt Ephraim, weil sie sich entschieden haben, Jerobeam in seinem Götzendienst in Bethel und Dan zu folgen (1Kön 12,28–33). Sie haben „nach Menschengeboten“ Jerobeams gehandelt und sind nicht nach Jerusalem zurückgekehrt.
12 Motte und Wurmfraß
12 Und ich werde für Ephraim wie die Motte sein und für das Haus Juda wie der Wurmfraß.
Der HERR vergleicht sich hier mit einer Motte und dem Wurmfraß. Beide verweisen auf eine zerstörerische, verderbliche Macht. Eine Motte frisst die Kleidung, sodass man irgendwann nackt dasteht. Der Wurmfraß kommt von innen und nagt an den Knochen. Motte und Wurmfraß stehen für schädliche Einflüsse, die sich langsam, aber sicher ihren Weg bahnen. Eine Motte frisst sich allmählich durch und ein Wurmfraß nagt am inneren Leben der Menschen (vgl. Apg 12,23).
Das Erschütterndste ist, dass in der zerstörerischen Macht der HERR selbst am Werk ist! Äußerlich und innerlich werden die Menschen von Gott gerichtet. Ausländische Feindschaft und inländische Unruhen kommen letztlich von Ihm als Strafe für das sündige Volk.
Wie viele Gemeinden haben aufgrund von gegenseitigem Neid ihre ganze Kraft verloren und die Erfahrung gemacht, dass „Ereiferung … Fäulnis der Gebeine“ ist (Spr 14,30b)? Manchmal sind sie sogar zugrunde gegangen. Eine Gemeinschaft leidet sehr darunter, wenn ein Leiter eifersüchtig auf den Einfluss eines anderen Leiters wird. Das Gleiche gilt, wenn Führungspersonen gegeneinander ausgespielt werden. Paulus warnt die Gemeinde in Korinth davor (1Kor 3,3.4).
Leider haben wir als Christen nicht auf dieses Wort gehört. Uneinigkeit, auch als Folge von Eifersucht, schadet dem Zeugnis Gottes in dieser Welt. Es gibt keine Kraft mehr, um Ihn gemeinsam groß zu machen.
Eifersucht hat auch in der Ehe eine verheerende Wirkung. Sie zehrt an der Kraft, die Ehe weiterzuentwickeln und zu festigen. Anstatt aufzubauen, wird sie durch Eifersucht zerstört. Wenn die Eifersucht nicht in der Kraft von Gottes Wort und Gottes Geist überwunden wird, ist ein Scheitern vorprogrammiert.
13 Falsche Auswirkung der Zucht
13 Und Ephraim sah seine Krankheit und Juda sein Geschwür; und Ephraim ging nach Assyrien und sandte zum König Jareb; der aber vermag euch nicht zu heilen und wird euer Geschwür nicht vertreiben.
Der Grund für die Zucht der Motten und des Wurmfraßes ist, dass die Menschen ihre Schwäche erkennen und die Quelle der Stärke im HERRN suchen. Aber was haben sie getan? Sie gingen zu den Assyrern.
Sicherlich hat Ephraim durch die Zucht, die über ihn gekommen ist, erkannt, dass er krank ist. Aber anstatt sich an seinen Gott zu wenden, um Heilung zu erlangen, hat er sich an Menschen gewandt (2Kön 15,19). Er erkennt nicht, dass seine Krankheit nicht von Menschen geheilt werden kann, weil sie vom HERRN kommt. Ephraim fragt sich nicht, warum es krank ist, und sucht die Lösung für das Problem nicht bei dem HERRN.
Viele tun heute genau dasselbe. Wenn ein abgewichener Gläubiger Unterstützung in der Welt sucht, wird er die gleiche Erfahrung machen wie Ephraim. Die Welt hilft zwar, aber auf Kosten seiner geistlichen Segnungen.
„König Jareb“ bedeutet „König Streitsüchtiger“ und ist eine prophetische Bezeichnung für den König von Assyrien. Sie suchen ihren Beistand dort, wo sie nur den Tod erwarten können (vgl. 2Chr 28,16). So ist es immer mit einem Volk, das sich von Gott entfremdet hat. Fleischlich gesinnte Herzen sehen ihre Krankheiten oder Wunden, aber sie sehen nicht die Ursache dafür. Die Suche nach Unterstützung bei Menschen statt bei Gott führt immer zu Enttäuschungen.
14 Gott als Löwe
14 Denn ich werde für Ephraim wie ein Löwe sein und für das Haus Juda wie ein junger Löwe. Ich, ich werde zerreißen und davongehen; ich werde wegtragen, und niemand wird erretten.
Hier stellt sich der HERR selbst als Löwe dar. Der Löwe steht für ein schnelles, plötzliches und schreckliches Gericht. Auch hier geht es darum, das Volk zur Umkehr zu bewegen. Wenn Motte und Wurmfraß nicht das gewünschte Ziel erreichen, kommt Gott mit mächtigeren Mitteln, dargestellt durch den Löwen.
So ist es auch im Leben des Menschen. Manchmal flüstert Gott uns durch sein Wort etwas ins Ohr. Er versucht, damit unser Gewissen zu erreichen. Aber wenn wir unseren Weg fortsetzen, ohne auf seine leise Stimme zu hören, muss Gott mit lauter Stimme sprechen, manchmal muss Er sogar brüllen. Gott benutzt dann das Leid als Megafon. Dann kann es in unserem Leben plötzlich sehr turbulent und stürmisch werden. Dann spricht Gott deutlich. Lasst uns zuhören, wenn Er spricht, leise oder laut.
Bei Israel sieht Er keinen anderen Weg, als sie aus dem Land wegzuführen, das sie so entweiht haben. Das kann niemand verhindern. Aber Er wird selbst auch weggehen, wenn sein Volk weggeführt wird. Er wendet sich ab und zieht sich zurück, um die Auswirkungen seiner Bemühungen abzuwarten.
15 Gott zieht sich zurück, bis …
15 Ich werde davongehen, an meinen Ort zurückkehren, bis sie sich schuldig bekennen und mein Angesicht suchen. In ihrer Bedrängnis werden sie mich eifrig suchen.
Gott hat sich aus Israel zurückgezogen. Seine Herrlichkeit hat Israel verlassen und ist zu seiner Wohnstätte, dem Himmel, zurückgekehrt (Hes 10,4.18.19; 11,22.23). Er wird erst dann zu Israel zurückkehren, wenn sie ihre Schuld Ihm gegenüber erkennen. Dass Er sich nicht dauerhaft von dem Volk zurückgezogen hat, kommt in dem Wort „bis“ sehr schön zum Ausdruck. Dieses Wort gibt Hoffnung. Es zeigt einen Wendepunkt an. Dieser Wendepunkt hängt von der Anerkennung der Schuld ab (Lk 15,20).
Als der Herr Jesus den widerspenstigen Charakter Jerusalems beschreibt und Er sie deshalb verlassen muss, verwendet Er dasselbe bedingte „bis“ wie Hosea (Mt 23,37–39). Solange sie sich nicht wegen ihres Götzendienstes schuldig fühlen und auch nicht wegen der Ablehnung ihres Messias, solange kann Gott sich nicht über sein Volk erbarmen. Dies wurde auch in Hosea 1 und 2 erörtert. Dort haben wir auch gesehen, dass es eine Zukunft für das Volk gibt, denn es wird wieder als Gottes Volk angenommen werden (Röm 11,25–32).
Wenn Gott sein Angesicht und seinen Schutz zurückzieht, bedeutet das für Israel die Zerstreuung aus dem Land. Wenn sie mit Gott gehen, kann ihnen nichts etwas anhaben. Aber die Sünde trennt sie von Gott. Wenn Gott sich zurückzieht, haben wir alles verloren. Die Unterscheidung zwischen Gut und Böse ist verschwunden. Vor allem ist die Liebe verschwunden. Wenn Gott geht, nimmt Er alles mit, was wertvoll und kostbar ist, alles, was gut ist.
Gott verlässt den Menschen erst dann, wenn dieser Ihn zuvor verlassen hat und Er alles versucht hat, um den Menschen wieder in die richtige Beziehung zu Ihm zu bringen. Er tut dies, indem Er für sie wie eine Züchtigung ist (Vers 2), wie eine Motte und ein Wurmfraß (Vers 12) und schließlich wie ein Löwe (Vers 14) sein wird.
Die „Bedrängnis“ wird während der großen Drangsal stattfinden. Diese Zeit wird „eine Zeit der Drangsal für Jakob“ genannt (Jer 30,7). Der Herr Jesus spricht in seiner großen prophetischen Rede in Matthäus 24 und 25 von dieser Zeit und sagt: „Denn dann wird große Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nicht wieder sein wird“ (Mt 24,21).
Am Ende dieses Zeitraums, der dreieinhalb Jahre dauern wird, wird sich das Volk, d. h. der treue Überrest, schuldig fühlen. Sie werden zur Buße kommen und erwartungsvoll nach Gott Ausschau halten, der sie aus ihrer Not erretten wird. Gott wird dies tun, indem Er den Herrn Jesus ein zweites Mal auf die Erde schickt. Er wird nicht kommen, um für Sünden zu leiden und zu sterben, sondern um das Böse zu richten und dann zu herrschen (vgl. Sach 12,10; 14,3–5; Heb 9,28).
Wenn Gott an seinen Platz in Israel zurückkehrt, dann ist es, um sein Volk zu segnen. Er wartet in Gnade auf ihre Bekehrung. Wenn diese Zeit endlich gekommen ist, wird Er sich von seinem Platz erheben und seinem Volk in seiner Not helfen. Er wird dies tun, indem Er seine Feinde richtet: „Denn siehe, der Herr tritt hervor aus seiner Stätte, um die Ungerechtigkeit der Bewohner der Erde an ihnen heimzusuchen“ (Jes 26,21a).