Einleitung
Auch in diesem Kapitel werden die beiden Dinge besprochen, die in der Prophezeiung von Hosea gewissermaßen um die Priorität kämpfen. Auf der einen Seite ist da Gottes Abscheu über die Sünde seines Volkes und sein gerechter Zorn darüber. Auf der anderen Seite sehen wir seine Liebe und Sehnsucht, dieses Volk nach seinem Ratschluss zu segnen, was Er auch tun wird, wenn sie sich in Zukunft zu Ihm bekehrt haben. Diese beiden Seiten werden in den für Hosea typischen schnellen Szenenwechsel dargestellt. Die Menschen werden nicht gerne auf ihre Sünden und die daraus entstehenden Gefahren aufmerksam gemacht. Aber Gott wird nicht müde zu warnen.
Der Prophet kündigt das Gericht über Ephraim wie ein letztes Gewitter an. König oder Fürst können ihnen keinen Nutzen bringen. Assyrien, das mit einem sengenden Ostwind verglichen wird, wird das Land völlig zerstören. Aber zwischen den Zeilen über das Gericht lassen sich einige Strahlen des zukünftigen Segens entdecken. Gott wird sie nicht völlig dem Totenreich überlassen. Er hat eine Lösung vorgesehen. Christus hat durch sein Werk auf Golgatha den Tod im Sieg verschlungen. Die herrlichen Ergebnisse davon werden in Hosea 14 beschrieben.
1 Vom Privileg ins Verderben
1 Wenn Ephraim redete, war Schrecken; es erhob sich in Israel. Aber es machte sich schuldig durch Baal und starb.
Der Prophet fährt fort, den Zustand von Ephraim zu erklären, aber jetzt mehr aus einer historischen Perspektive. Am Anfang war Ephraim – hier als Stamm und nicht als Nation der zehn Stämme gesehen – immer der Erste und sprach mit Autorität. Ihm war ein privilegierter Platz in Israel gegeben worden. Deshalb nennt Gott ihn sein „Kind der Wonne“ (Jer 31,20). Führungspersönlichkeiten wie Josua und Debora kamen aus Ephraim. Dies sind alles Dinge, derer sich das Fleisch rühmen kann.
Das ist genau das, was dann passiert ist. Die Ephraimiter missbrauchten ihre privilegierte Stellung. Sie meinten, dass sie aufgrund ihrer Stellung mehr Rechte haben. Sie sind eifersüchtig, wenn andere Stämme ihre Stellung nicht anerkennen (Ri 8,1–3). Diese Eifersucht geht so weit, dass später, wie im Buch der Richter beschrieben, ein Bürgerkrieg beginnt, der nicht weniger als 42000 Menschen das Leben kostete (Ri 12,1–6). Ephraim wird arrogant und aufgeblasen, er überhebt sich. Der erste König der zehn Stämme, Jerobeam, stammt aus Ephraim. Das Zehnstämmereich wird danach oft mit dem Namen Ephraim bezeichnet.
Die Geschichte von Ephraim ist die geistliche Geschichte vieler, die gut anfingen, aber schlecht endeten. Das liegt daran, dass sie nicht auf die Ermahnung hörten, „mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren“ (Apg 11,23).
Ephraim hat eine ruhmreiche Vergangenheit, aber eine traurige Gegenwart. Diese Gegenwart beginnt mit der Einführung des Götzendienstes durch König Jerobeam. Er stellt Kälber in Bethel und Dan auf (1Kön 12,28–30). Auf diese Weise setzt das Sterben des Volkes ein. Auf dem eingeschlagenen Weg kann Baal Fuß fassen. Baal wird seit Ahab gedient. Ephraim entfernt sich immer weiter von Gott. Dieses Sterben ist ein Sinnbild für ein Leben ohne Gott. Der lebendige Gott gibt Leben; Götzen sind Tod und bringen den Tod.
Das funktioniert in der Gemeinde nicht anders. Diotrephes ist ein geistlicher Nachkomme von Ephraim. Er will der Erste sein (3Joh 1,9). Es hat in der Geschichte der Christenheit viele „Diotrephesse“ gegeben, allesamt Menschen, die einen Platz der Autorität für sich beansprucht haben. Diese Haltung führt über das große Babylon, das sich „verherrlicht“ und in seinem Herzen sagt: „Ich sitze als Königin“ (Off 18,7), schließlich zum Gericht einer christuslosen Christenheit in der Endzeit.
Die Geschichte zeigt häufig, dass nach dem Segen die Selbsterhöhung kommt, gefolgt von Götzendienst und geistlichem Tod und schließlich mit dem Gericht Gottes. Das Verlassen Gottes beginnt immer mit der Selbsterhöhung, die am Ende zum Tod führt.
Im Gegensatz zu der Christenheit gibt es für Ephraim, die zehn Stämme, eine Wiederherstellung in der Zukunft. Ephraim wird in seinem Land wiederhergestellt werden (Jes 11,13).
2 Götzen nach eigenem Verstand
2 Und nun fahren sie fort zu sündigen und machen sich von ihrem Silber gegossene Bilder, Götzenbilder nach ihrem Verstand, allesamt ein Werk der Künstler; von ebendiesen sagt man: Die Menschen, die opfern, küssen die Kälber!
Handeln nach eigener Einsicht mit Blick auf den eigenen Vorteil wurde schon von Hosea angeprangert (Hos 8,4), aber ohne Ergebnis. Ephraim sündigt weiter. Es steigert sich vom Schlechten ins Schlimme.
In gleicher Weise spricht Paulus zu Timotheus über die Entwicklungen in der Christenheit: „Böse Menschen aber und Betrüger werden zu Schlimmerem fortschreiten, indem sie verführen und verführt werden“ (2Tim 3,13). In den folgenden Versen weist er Timotheus darauf hin, wie er verhindern kann, mitgerissen zu werden, nämlich durch das Festhalten an den heiligen Schriften (2Tim 3,14–17).
Ephraim, das den Götzen anhängt (Hos 4,17), macht diese Bilder nach eigenem Verstand. Ein gegossenes Bild kann leicht vervielfältigt werden. Zuerst gibt es eine Schablone. Daraus werden Gussformen hergestellt. So verhält es sich mit jedem Bild. Es ist eine Religion, die in eine bestimmte Form gegossen wird und überall eingeführt werden kann. Es ist eine Religion der toten Orthodoxie, die nur aus Formen besteht, die von jedem erfüllt werden können, der sich mit diesen Formen wohl fühlt.
Die Form kann beschrieben werden und jeder kann sie einhalten. Es bedarf keiner Gewissenserforschung. Wer die festgelegten Gebote einhält, wird sicher nicht von seinem Gewissen beunruhigt. Man kann sogar denken, dass Gott damit zufrieden ist. Gleichzeitig kann man sich selbst und auch andere damit kontrollieren und so den Grad der Religiosität einer Person bestimmen.
Die Ephraimiter geben ihr Silber dafür aus. Es kostet zwar etwas, aber dann wird es auch ihr eigener Besitz. Und obwohl es das Werk von Menschenhänden ist, sind sie mit ihrer ganzen Seele dabei.
Jedes menschliche Wesen hat ein natürliches Bedürfnis nach Gott. Götzendienst ist die falsche Antwort auf das religiöse Bewusstsein der menschlichen Natur. Jeder Mensch hat seinen Gott und gibt ihm die meiste Macht in seinem Leben. Für manche ist es zum Beispiel die Musik, für andere kann es der Sport, die Kunst, das Geschäft, die Familie, das Zuhause sein. Wenn der Mensch die richtige Sicht auf Gott verloren hat, macht er sich einen Gott nach seinem Verstand.
Jerobeam hat das getan. Er leugnet nicht die Existenz des HERRN, aber er ersinnt in seinem eigenen Herzen (1Kön 12,33), wie dem HERRN gedient werden soll und an welchem Ort. Er tut dies aus politischen Motiven und richtet ein neues Zentrum der Anbetung ein. Er leugnet den HERRN nicht, aber er macht sich nach seiner eigenen Einsicht ein Bild von Gott. Damit ist eine falsche Darstellung Gottes geboren. Das Böse wuchert und findet mit Ahab seinen Höhepunkt oder – besser gesagt – seinen Tiefpunkt. Dann werden nicht mehr Dinge als Objekte angebetet, die Gott repräsentieren, sondern der HERR wird vollständig durch das Götzenbild ersetzt.
Der Fluch des Götzendienstes wird immer sichtbar. Der Mensch wird seinem Götzen gleich, er identifiziert sich mit ihm. Ein paar aktuelle Beispiele. Die Spannung rund um die Zweikämpfe bei Fußballveranstaltungen führt oft zu einer großen Anzahl von Herzinfarkten. Einmal stand ein Bericht in der Zeitung, dass es möglich sei, Fußballfans in einem orangefarbenen Sarg zu beerdigen (orange ist die niederländische Nationalfarbe). Bei Popkonzerten kommt es vor, dass Fans niedergetrampelt werden. Ihr Idol wird ihnen zum Verhängnis.
Es ist ein bösartiges Karussell: Der Mensch macht sich einen Götzen, der ihm selbst gleich ist, und er selbst wird dem von ihm gemachten Götzen immer ähnlicher (Ps 115,4–8). Sie zeigen ihre Liebe, ihre Verehrung für ihren Götzen, indem sie ihn küssen (1Kön 19,18). Gott aber sagt: „Küsst den Sohn, damit er nicht zürnt und ihr umkommt auf dem Weg, wenn nur ein wenig entbrennt sein Zorn. Glückselig alle, die zu ihm Zuflucht nehmen!“ (Ps 2,12).
3 Wer Götzendienst begeht, verdunstet wie Rauch
3 Darum werden sie sein wie die Morgenwolke und wie der Tau, der früh verschwindet, wie Spreu, die von der Tenne dahinfliegt, und wie Rauch aus dem Gitter.
Das Verharren in der Sünde von Vers 2 wird nur ein Ergebnis haben. Das Wort „darum“, mit dem Vers 3 beginnt, weist auf den vorherigen Vers zurück und gibt den Grund für das, was folgt. Hosea umreißt das Ergebnis in vier Begriffen: „Morgenwolke“, „Tau“, „Spreu“ und „Rauch“. So ist Ephraim geworden. Seit Jahrhunderten, bis heute, sind sie unauffindbar. Sie sind verschwunden, wie eine Morgenwolke verschwindet, wie der Tau verschwindet, wenn die Sonne aufgeht, wie die Spreu vom Wind verweht wird und wie der Rauch aus dem Gitter wegfliegt (vgl. Ps 68,3). Der Wohlstand Ephraims ist genauso verschwunden wie die genannten Dinge, die keinen Halt geben und spurlos verschwinden.
4 Es gibt niemanden außerhalb von Gott
4 Ich aber bin der HERR, dein Gott, vom Land Ägypten her; und du kennst keinen Gott außer mir, und da ist kein Retter als [nur] ich.
Nach dieser Darstellung der unbedeutenden Götzen, die keine Sicherheit und keinen Halt bieten, erscheint hier Gott in seiner ganzen Macht und Majestät. Er erklärt sein Wesen und sein Handeln. Der Kontrast ist enorm! Das müssen wir gut verstehen. Lese noch einmal in den Versen 2 und 3 was gesagt wird über die Götzen und die Menschen, die sie herstellen. Dann lese noch einmal, was Gott hier über sich selbst sagt. Wer ist danach immer noch so töricht, seine Liebe weiterhin an irgendeine Form des Götzendienstes zu geben?
Gott ist der HERR. Das will zum Ausdruck bringen, dass Er in Verbindung mit seinem Volk steht. Er allein ist ihr Gott. Seit Er sie aus Ägypten erlöst hat, haben sie keinen anderen Gott außer dem HERRN gekannt, das heißt, sie haben keinen anderen Gott als Helfer und Retter erfahren (Jes 45,21). Wie in Hosea 12 sehen wir wieder die Erinnerung an den Beginn des Weges mit Gott (Hos 12,10).
In gleicher Weise ist Gott auch der Vater eines jeden, der durch den Herrn Jesus von der Welt erlöst ist, wofür Ägypten ein Bild ist (Gal 1,4). Wenn Gott sich auf diese Weise zu erkennen gegeben hat, wie sollten dann diejenigen, die in eine Beziehung zu Ihm gebracht wurden, anderen Göttern folgen? Oder haben viele von denen, die sich zu Ihm bekennen, vergessen, dass es keine Rettung in jemand anderem gibt (Apg 4,12)? Viele, die bekennen, dass nur der Herr Jesus sie retten konnte, leben so, als ob ihre Rettung noch von etwas anderem abhängt. Die einzigartige Errettung durch den Herrn Jesus im Alltag zu erfahren, ist für viele zu schwierig. Immerhin bietet das Leben ihrer Meinung nach so viel Angenehmes.
Es werden so viele Sicherheiten angeboten, dass es kaum noch nötig ist, sich in den täglichen Dingen auf den Herrn Jesus zu verlassen. Das Vertrauen auf Ihn wird unbemerkt aufgegeben und wir setzen immer mehr Vertrauen in die Dinge dieses Lebens. So wird Götzendienst geboren. Deshalb: zurück zum Ursprung, zurück zu Ihm, der uns erlöst hat.
5 Er kennt uns
5 Ich habe dich ja gekannt in der Wüste, im Land der Gluten.
Ephraim wird nicht nur an den Anfang erinnert. Das Volk wird auch an die schwere Zeit in der Wüste, nach der Erlösung aus Ägypten, erinnert. Gott hat sich nicht nur als irgendein Freund zu erkennen gegeben, sondern als ein Freund in ihrer Not. Das Wort „gekannt“ bedeutet, dass Er sich ihr Schicksal zu Herzen genommen hat, dass Er in Barmherzigkeit auf sie als sein Volk herabgesehen hat.
Das Wort „gekannt“ enthält auch etwas von Erwählung. In der Wüste hatten sie nur „Gott und den Sand“, und sie mussten sich von Schritt zu Schritt auf Ihn verlassen. Gottes Fürsorge ist nicht nur in der Errettung spürbar, sondern auch in all der Fürsorge, die danach auf dem Weg ins gelobte Land nötig ist.
Dieses Prinzip gilt auch für uns. Gott wusste, wie sich während unserer Bekehrung die Welt für uns verändern würde. Zuerst waren wir Freunde der Welt, wir fühlten uns dort zu Hause. Jetzt, da wir durch das Erlösungswerk des Herrn Jesus von ihr befreit wurden, hat sich dieselbe Welt, in der wir unsere Freunde hatten und die uns als ihre Freunde kannte, in eine Umgebung verwandelt, in der wir Feindschaft erfahren (Joh 16,33). Während die Welt uns nicht mehr kennt, ist es eine große Ermutigung zu wissen, dass der Herr Jesus uns kennt.
6 Den HERRN vergessen
6 Ihrer Weide entsprechend wurden sie satt, sie wurden satt, und ihr Herz erhob sich; darum haben sie mich vergessen.
Gott sorgte für sein Volk in der Wüste. Dies wurde jeden Morgen durch das Manna ausgedrückt, das Er ihnen gab. „Ihrer Weide entsprechend“ bezieht sich auf die Ruhe, in der sie wohnten und in der Er sie mit Manna sättigte. Alles, was sie tun mussten, war, es zu sammeln und zu essen. Was man in einer Wüste nicht erwartet, ist einfach da, wenn der HERR sich um sein Volk kümmert. Die Wüste wird dann zu einer segensreichen Weide.
Sie haben seine Fürsorge von Schritt zu Schritt erfahren. Aber ihre Reaktion war, dass ihr Herz stolz wurde und sie Ihn deshalb vergaßen. Man kann die Enttäuschung in der Stimme Gottes hören. Dieses „Vergessen“ ist ein schuldhaftes „Vergessen“. Gott durfte erwarten, dass das Volk durch all die Güte, die Er ihnen bewiesen hatte, Ihm für immer dankbar bleiben würde. Aber das geschah nicht. So zeigt sich die Untreue und Undankbarkeit des menschlichen Herzens.
Mose warnt das Volk, nicht zu vergessen, wer sich so sehr um sie gekümmert hat und wem sie ihre Segnungen verdanken (5Mo 8,11–20). In seinem prophetischen Blick auf die Situation, die folgen wird, wenn das Volk sich seine Worte nicht zu Herzen nimmt, warnt Mose sie, dass sie den HERRN vergessen werden, weil sie die Segnungen als etwas von und für sich allein genießen werden (5Mo 32,15.18).
Wie das Volk können auch wir die Freiheit nicht ertragen, weil wir uns in ihr verlieren. Wir können damit nicht umgehen, weil Freiheit so leicht zur Ausschweifung führt. Wir haben auch Schwierigkeiten mit dem Überfluss, weil wir bald denken, dass wir den Herrn nicht mehr brauchen.
7 - 8 Gottes Reaktion auf ihre Undankbarkeit
7 Und so wurde ich ihnen wie ein Löwe; wie ein Leopard lauere ich am Weg. 8 Ich werde sie anfallen wie eine Bärin, die der Jungen beraubt ist, und werde den Verschluss ihres Herzens zerreißen; und ich werde sie dort verzehren wie ein Löwe; die Tiere des Feldes werden sie zerfleischen.
Die Art und Weise, wie das Volk auf die Fürsorge Gottes reagiert, veranlasst den Propheten, erneut das Gericht anzukündigen. Von einem guten Hirten, der sein Volk weidet und sättigt, wird der HERR nun zum reißenden Tier für sein Volk. Wegen ihrer groben Undankbarkeit und ihres Vergessens hat Gott sie so behandeln müssen. Der Löwe, der Leopard, die Bärin, und die wilden Tiere des Feldes, sie alle sind in Israel zu finden. Sie sind bekannt für die grausame Art, wie sie ihre Beute töten.
Noch ein Wort über den Löwen als Gegner des Volkes Gottes. Wenn der Teufel umhergeht „wie ein brüllender Löwe“ (1Pet 5,8), gibt es einen Ausweg beim Herrn. Wenn aber der Herr selbst zum brüllenden Löwen wird, gibt es keine Rettung mehr. Gott verhält sich seinem Volk gegenüber öfters auf diese Weise (Hos 5,14).
9 Gott als Helfer
9 Es hat dich zugrunde gerichtet, Israel, dass du gegen mich, gegen deine Hilfe, bist.
Wenn jemand Hilfe nötig hat, aber die Hilfe bewusst abweist, ist das die Ursache für sein Verderben. Die einzige Hoffnung und Hilfe für sündige Menschen liegen in der souveränen Gnade Gottes. Doch sie gehen nicht nur daran vorbei, sondern sie wenden sich sogar gegen Ihn. Diese Haltung ist gleichbedeutend mit Selbstmord, sowohl national als auch in geistlicher Hinsicht. Sie haben ihr Verderben sich selbst zuzuschreiben, gerade weil sie ihren einzigen Helfer bewusst ablehnen. Der Gedanke ist, dass sie untergehen werden, weil sie in Auflehnung gegen Gott leben, während sie alle Hilfe brauchen, die sie von Ihm bekommen können.
10 Eigene Wahl gibt keine Unterstützung
10 Wo ist nun dein König, dass er dich rette in allen deinen Städten, und wo deine Richter, von denen du sagtest: Gib mir einen König und Fürsten?
Das Volk braucht Gott nicht mehr als ihre Hilfe. Sie lehnen Ihn bewusst ab. Als Reaktion auf ihre Haltung fragt der HERR nun spöttisch nach ihrem König. Schließlich müssen sie doch gerade jetzt von ihrem Feind befreit werden, oder? Aber kein Mensch kann Ihn ersetzen. Deshalb kann ihr König nichts für sie tun, genauso wenig wie die Fürsten, die alle für die Regierung des Landes verantwortlich sind. Und um solche Leute haben sie selbst gebeten (1Sam 8,4–8; 1Kön 12,8–16)!
11 Gott gab einen König und nahm ihn weg
11 Ich gab dir einen König in meinem Zorn und nahm ihn weg in meinem Grimm.
Dieser Vers bezieht sich auf Saul. Das Volk will einen König und Gott gibt ihnen Saul als ihren König (1. Samuel 8–10). Gott tut dies nicht aus vollem Herzen, sondern in seinem Zorn. Die Bitte des Volkes beruht nicht auf Glauben, sondern auf Unglauben. Gott gibt seinem Volk einen König nach seinem eigenen „Geschmack“. Saul entpuppt sich aber als ein König, der letztlich nicht auf Gott und seinen Willen Rücksicht nimmt. Er dient somit als Modell für das ganze Volk.
Einen solchen König kann Gott nicht aufrechterhalten. Er nimmt Saul in einem Grimm über seinen Ungehorsam weg (1Chr 10,13.14). Das Gleiche gilt für die Könige, die über das Reich der zehn Stämme regieren. Jeder König ist mit der Erlaubnis Gottes auf den Thron gekommen. Aber weil sie untreu sind, erlaubt Gott auch, dass sie wieder verschwinden, auf welche Weise auch immer. Viele sterben einen gewaltsamen Tod.
Die Lektion für uns ist, dass Gott manchmal erhört, was wir zwanghaft bitten. Aber Er tut das, damit wir durch die Erhörung erfahren, wie groß die Torheit unseres Bittens gewesen ist. Entscheidend ist nicht, was wir bitten, sondern wie wir bitten und zu welchem Zweck.
12 Was verborgen ist, kommt ans Licht
12 Die Ungerechtigkeit Ephraims ist zusammengebunden, aufbewahrt seine Sünde.
Anstatt seine Sünde zu bekennen, verharrt Ephraim in seiner Sünde und bewahrt sie auf. So geht Ephraim mit seiner Sünde um. Aber auch Gott bewahrt Ephraims Sünde auf. Die von Hosea gewählten Worte erinnern an den orientalischen Brauch, Geld und andere Wertsachen zu einem Bündel zusammenzubinden und es irgendwo zu deponieren. Dies geschieht aus Sicherheitsgründen.
Der Gedanke ist, dass Gott die Sünden, die Ephraim begangen hat und nicht loslässt, als ein Bündel von Ungerechtigkeiten bewahrt und aufbewahrt bis zum Tag der Vergeltung (vgl. 5Mo 32,34.35). Sünden, die nicht bekannt sind, werden eines Tages gerecht gerichtet werden. Andererseits wissen wir, dass das, was bekannt ist, von Gott wirklich weggenommen ist: „Und du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen“ (Mich 7,19b).
13 Geburtswehen, aber kein neues Leben
13 Wehen einer Gebärenden werden ihn ankommen. Er ist ein unweiser Sohn; denn wenn es Zeit ist, tritt er nicht ein in den Durchbruch der Kinder.
Geburtswehen deuten einerseits auf eine Zeit der Not hin, andererseits sind sie „Boten“ des neuen Lebens. Als Hiskia in einer ähnlichen Situation ist wie die zehn Stämme hier, schickt er eine Botschaft an Jesaja, in der er seine Situation ebenfalls als die einer Frau beschreibt, die kurz vor dem Gebären steht (Jes 37,3). Das Folgende zeigt, dass Gott das Gebet Hiskias erhört und Rettung schenkt. Hiskia und sein Volk bekommen sozusagen neues Leben, weil Gott die angekündigte Todesdrohung von Hiskia hinweg genommen hat.
Doch das Volk, an das Hosea sich wendet, reagiert nicht so. Der Feind, Assyrien, bedroht auch sie. Die Bedrängnis, die Bedrohung durch den Tod, ist groß. Doch statt dass neues Leben kommt, gehen hier Mutter und Kind zugrunde. Sie nehmen keine Zuflucht zum HERRN.
Die von Hosea verwendete Illustration ist in gewissem Sinn ungewöhnlich. Er vergleicht Israel sowohl mit einer Frau in Geburtswehen als auch mit einem Kind, das geboren ist. Von diesem Kind sagt Hosea, dass es ein unweiser Sohn ist, „denn wenn es Zeit ist, tritt er nicht ein in den Durchbruch der Kinder“. Das bedeutet, dass Gott Strafe über das Volk bringt, damit es wiedergeboren wird, damit es Ihm wieder so folgt, wie Er es gerne will. Aber sie sind so töricht, diese Gelegenheit nicht zu ergreifen. Gott hat sein Volk, immer mit diesem Ziel vor Augen, schon auf verschiedene Weise gezüchtigt, aber immer ohne Ergebnis.
14 Der Tod hat nicht das letzte Wort
14 Von der Gewalt des Scheols werde ich sie erlösen, vom Tod sie befreien! Wo sind, o Tod, deine Seuchen? Wo ist, o Scheol, dein Verderben? Reue ist vor meinen Augen verborgen.
Der erste Teil des Verses spricht von dem Volk, das von der Macht des Scheols erlöst und vom Tod befreit ist. Er ist als Ermutigung für die Gottesfürchtigen im Volk gedacht, um ihnen den Gedanken zu nehmen, dass sie auch zu dem Kind gehören könnten, das der „unweise Sohn“ des vorigen Verses ist. Ihre gefürchteten Feinde werden niemals Macht über ein von Gott erlöstes Volk gewinnen. Das sind Gedanken, die sich auf die herrliche Zukunft beziehen, die vor dem Volk liegt.
Hier, inmitten der Gerichte, die vor der Tür stehen, gibt es eine weitere Verheißung für die Zukunft. Erneut und unaufgefordert will Gott sein Volk ermutigen. Die totale Ausweglosigkeit des Menschen ist für Gott die Gelegenheit, für sein Volk zu wirken.
In 1. Korinther 15 zitiert Paulus diesen Vers aus Hosea. Zuerst sagt er, dass der Tod verschlungen ist in Sieg (1Kor 15,54). Dies wird bei der Wiederkunft Christi zu sehen sein. Dann wird das Ergebnis des Werkes „unseres Heilandes Jesus Christus, der den Tod zunichtegemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat“ (2Tim 1,10), voll sichtbar. Alle Lebenden, die an Ihn glauben, werden bei seinem Kommen verwandelt und alle Toten, die im Glauben an Ihn gestorben sind, werden auferweckt werden. Dann wird der Beweis erbracht sein, dass durch den Tod und die Auferstehung Christi der Tod in den Sieg verschlungen wurde.
Dann kann Paulus auch sagen, als eine Art Siegesruf, in Anlehnung an unseren Vers hier in Hosea: „Wo ist, o Tod, dein Sieg? Wo ist, o Tod, dein Stachel?“ (1Kor 15,55). Was Paulus aus Hosea zitiert und im Zusammenhang mit der Auferstehung aus den Toten aller, die zur Gemeinde gehören, verwendet, gilt in einem wörtlichen Sinn auch für das Israel der Zukunft. Wenn alles verloren scheint, wenn der Tod von allen Seiten Gottes Volk bedroht, wird das Volk durch Christus erlöst werden (Jes 25,8.9). Auch die endgültige Befreiung Israels beruht auf der Auferstehung des Herrn Jesus (Hos 6,2). Wenn der HERR die Sache in die Hand nimmt, wird Er nicht nur die Feinde, sondern auch den Tod und den Scheol unterwerfen.
Die letzte Zeile des Verses, „Reue ist vor meinen Augen verborgen“ bedeutet, dass, wenn das Volk zurückkehrt und befreit ist, Gott es wiederherstellen wird, ohne dass das jemals zu bereuen.
15 Dürre und Plünderung
15 Denn er wird Frucht tragen unter den Brüdern. Ein Ostwind wird kommen, ein Wind des HERRN, von der Wüste heraufsteigend, und sein Brunnen wird vertrocknen und sein Quell versiegen; er wird die Schatzkammer aller kostbaren Geräte plündern.
Dieser Vers bringt uns zurück in die Realität des Augenblicks. Das Aufblühen kann sich auf die Zeit des Wohlstandes unter Jerobeam II. beziehen. Auch wenn eine solche Zeit noch einmal kommen sollte, würde sie ebenfalls zu einem Ende kommen. Mit dem Ostwind sind die Assyrer gemeint, die im Jahr 722 v. Chr. das Volk wie ein Schirokko, der schon erwähnte sengende Wüstenwind, hinwegtragen würden. Dieser Gerichtswind wird „ein Wind des HERRN“ genannt, weil dieses Gericht von Ihm ausgeht. Gott nennt Assyrien „die Rute meines Zorns“ (Jes 10,5), die Er gegen sein Volk schicken wird (Jes 10,6).
Durch das Handeln Assyriens werden „Brunnen“ und „Quell“ versiegen. Das ganze Land wird verdorren, weil das Wasser fehlt. Auch das Volk wird seine ganze Kraft und seinen Wohlstand verlieren. Der Weg, der von Gott wegführt, ist ein Weg voller Verlust und Verderben.