Einleitung
Die Rechtfertigung von Gottes Gericht über Juda wird in Hesekiel 15–17 fortgesetzt, aber die Art der Verteidigung ändert sich. Hesekiel benutzt in diesen Kapiteln Gleichnisse, um die Undankbarkeit, Sünde und Rebellion des Volkes Gottes darzustellen. Er beschreibt
1. den nutzlosen Weinstock (Hes 15,1–8),
2. die treulose Frau (Hes 16,1–43),
3. die tiefgesunkene Schwester (Hes 16,44–63),
4. den niederen Weinstock (Hes 17,1–21) und
5. die stattliche Zeder (Hes 17,22–24).
Hesekiel 15 spricht die im Volk vorherrschende Meinung an, dass es unmöglich ist, dass der HERR es, sein auserwähltes Volk, verlässt. Sie glauben, dass ihre Erwählung auf einer Vorliebe beruht, die der HERR für sie hat, weil sie besser sind als andere Völker. Aus diesem Grund glauben sie Hesekiels Botschaft nicht. Deshalb muss Hesekiel vom HERRN das Gleichnis vom nutzlosen Weinstock erzählen. Sie sollten bedenken, dass sie Gott nicht gefallen können, wenn sie keine Frucht bringen.
Das Bild des Weinstocks ist sehr geeignet, um diese Botschaft zu illustrieren. Diese Menschen denken, dass sie aufgrund ihrer Geburt Reben des wahren Weinstocks sind, der niemals zerstört werden kann. Hesekiel benutzt den wilden Weinstock, um zu zeigen, wie völlig unbegründet dieser Gedanke ist.
Später wird der große Menschensohn auch das Gleichnis vom Weinstock benutzen, um seinen wahren Zweck zu erklären (Joh 15,1.2). Er zeigt, dass der einzige Weg, auf dem jemand Frucht bringen kann, die Gemeinschaft mit Ihm ist (Joh 15,4). Das gilt sowohl persönlich als auch für Israel und die Gemeinde.
1 - 5 Das nutzlose Holz des Weinstocks
1 Und das Wort des HERRN erging an mich, indem er sprach: 2 Menschensohn, was hat das Holz des Weinstocks allem [anderen] Holz voraus, die Rebe, die unter den Bäumen des Waldes war? 3 Wird Holz davon genommen, um es zu einer Arbeit zu verwenden, oder nimmt man davon einen Pflock, um irgendein Gerät daran zu hängen? 4 Siehe, es wird dem Feuer zum Fraß gegeben. Hat das Feuer seine beiden Enden verzehrt und ist seine Mitte versengt, wird es zu einer Arbeit taugen? 5 Siehe, wenn es unversehrt ist, wird es zu keiner Arbeit verwendet; wie viel weniger, wenn das Feuer es verzehrt hat und es versengt ist, kann es noch zu einer Arbeit verwendet werden!
Das Wort ergeht wieder an Hesekiel (Vers 1). Hesekiel wird wieder als „Menschensohn“ angesprochen (Vers 2). Der HERR stellt ihm einige Fragen über das Holz des Weinstocks. Die erste Frage ist, was die Vorzüge dieses Holzes sind gegenüber anderem Holz, das eine Rebe ist. Die Bäume des Waldes stellen die Nationen dar (Jes 10,33.34). Im Vergleich zu den Nationen ist Israel nichts als nur ein Weinstock.
Die zweite Frage ist, ob aus dem Holz eines Weinstocks etwas gemacht werden kann, das jemandem nützt, z. B., um einen Pflock zu machen, an den man „irgendein Gerät“ hängen kann (Vers 3; vgl. Jes 22,23–25; Sach 10,4). Die Frage ist rhetorisch: Das Holz des Weinstocks ist nämlich unbrauchbar, man kann es nicht verwerten, um etwas Nützliches daraus zu machen.
Das Einzige, wozu das Holz des Weinstocks noch taugt, ist als Brennmaterial. Wenn das Feuer einen Weinstock auf beiden Seiten verzehrt hat und noch ein kleines Mittelstück übrig ist, ist dieses Mittelstück geschwärzt (Vers 4). Kann das noch für etwas Nützliches verwendet werden? Wenn das schlichte Holz schon zu nichts mehr zu gebrauchen ist, dann kann Holz, das im Feuer war, überhaupt nicht mehr zu etwas verwendet werden (Vers 5).
Der Wert des Weinstocks liegt in der Frucht, die an ihm sein sollte, aber davon ist hier nicht die Rede. Mit dem Weinstock ist, wie üblich, Israel gemeint (Ps 80,9–17; Jer 2,21; Hos 10,1; 14,8). Gott hat von Israel Frucht erwartet. Diese Frucht ist, dass sie Ihn als königliche Priesterschaft und heiliges Volk ehren (2Mo 19,5.6). Aber Israel hat sich geweigert, Ihm seine Frucht zu geben (Jes 5,1–7; Mt 21,33–41).
Für Gott hat Israel keinen Wert an sich. So wie das Holz des Weinstocks nicht mehr wert ist als anderes Holz, ist Israel nicht mehr wert als die anderen Völker. Er hat sie in seiner großzügigen Liebe auserwählt, sein Volk zu sein, um von ihnen und durch sie verherrlicht zu werden und seinen Namen auf der Erde groß zu machen (5Mo 7,7.8).
6 - 8 Die Anwendung des Gleichnisses
6 Darum, so spricht der Herr, HERR: Wie das Holz des Weinstocks unter den Bäumen des Waldes, das ich dem Feuer zum Fraß gebe, so gebe ich die Bewohner von Jerusalem hin; 7 und ich werde mein Angesicht gegen sie richten: Aus dem Feuer kommen sie heraus, und Feuer wird sie verzehren. Und ihr werdet wissen, dass ich der HERR bin, wenn ich mein Angesicht gegen sie richte. 8 Und ich werde das Land zur Wüste machen, weil sie Treulosigkeit begangen haben, spricht der Herr, HERR.
Der Wert des Weinstocks für den HERRN liegt darin, dass er für Ihn Frucht bringt, und Israel hat schuldhaft versagt, das zu tun. Deshalb gibt Er die Einwohner Jerusalems dem Feuer zum Fraß (Vers 6). Er hat bereits seine „beiden Enden“ (Vers 4) dem Feuer übergeben. Hier können wir an die Wegführung der zehn Stämme im Jahr 722 v. Chr. und an eine weitere, spätere, Wegführung einiger angesehener Leute aus den zwei Stämmen denken.
Der geschwärzte Mittelteil (Vers 3) sind die Bewohner, die in der Mitte Jerusalems geblieben sind. Sie sind dem einen Feuer entkommen, aber der HERR wendet sein Angesicht gegen sie und wird auch diesen mittleren Teil mit Feuer verbrennen (Vers 7). Daran werden sie erkennen, dass Er der HERR ist.
Dies wird geschehen, wenn Nebukadnezar die Stadt einnimmt und sie vollständig zerstört (Vers 8). Die Ursache für dieses Feuer ist ihre Treulosigkeit. Sie haben die feierlich versprochene Treue mit Füßen getreten, indem sie sagten, sie würden alles tun, was der HERR befohlen hat. Eheliche Untreue ist eines der am meisten schockierenden Dinge, die einem Menschen passieren können. Israel ist nicht nur einmal untreu gewesen, sondern ihre ganze Geschichte ist eine Geschichte der Untreue und des Betrugs.
Wir sind auch untreu, wenn unser ganzes Interesse der Welt und weltlichen Dingen gilt. Das ist ein geistlicher Treuebruch. Wir entsprechen dann nicht unserer Bestimmung, dass wir hier sind, um für Gott Frucht zu bringen. Wir sind nicht in dieser Welt, um nach unseren eigenen Wünschen und Vorstellungen zu leben. Der Sohn hat alle Dinge für sich selbst geschaffen (Kol 1,16), auch uns. Deshalb sollen wir nicht mehr für uns selbst leben, sondern für den, der für uns gestorben und auferstanden ist (2Kor 5,15). Der Herr Jesus sagt zu uns: „Ihr habt nicht mich auserwählt, sondern ich habe euch auserwählt und euch [dazu] bestimmt, dass ihr hingehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe“ (Joh 15,16a).