1 - 3 Der Himmel öffnet sich
1 Und es geschah im dreißigsten Jahr, im vierten [Monat], am Fünften des Monats, als ich inmitten der Weggeführten am Fluss Kebar war, da öffneten sich die Himmel, und ich sah Gesichte Gottes. 2 Am Fünften des Monats, das war das fünfte Jahr der Wegführung des Königs Jojakin, 3 erging das Wort des HERRN ausdrücklich an Hesekiel, den Sohn Busis, den Priester, im Land der Chaldäer, am Fluss Kebar; und dort kam die Hand des HERRN über ihn.
Das Buch beginnt mit „und es geschah“ (Vers 1). Damit wird eine Aktivität, das Handeln Gottes, betont. Bevor gesagt wird, was zustande kommt, was Gott tut, gibt es eine Zeitangabe*. Dies ist die Datierung von Hesekiels Berufung zum Propheten. Es ist ein unbestimmter Zeitbezug: „im vierten [Monat], am Fünften des Monats“. Es wird nicht gesagt, dass es z. B. das dreißigste Jahr eines Königs ist. Diese Zeitangabe ist auf verschiedene Weise erklärt worden. Die einfachste und naheliegendste Erklärung ist, dass sich das „dreißigste Jahr“ auf das Alter Hesekiels bezieht.
*Im Buch kommen 13 genaue Zeitangaben vor: Hes 1,1–3; 8,1; 20,1; 24,1; 26,1; 29,1; 29,17; 30,20; 31,1; 32,1; 32,17; 33,21; 40,1.
Diese Aussage wird durch die Tatsache unterstützt, dass dreißig Jahre ein Alter ist, in dem jemand den priesterlichen Dienst beginnen kann (4Mo 4,1–3.23). Hesekiel gehört zu einer priesterlichen Familie (Vers 3). Allerdings ist er nicht in Jerusalem, um das besondere Vorrecht des priesterlichen Dienstes im dortigen Tempel auszuüben, sondern in der Gefangenschaft außerhalb des Landes.
Das muss eine besondere Prüfung für ihn gewesen sein. Aus allem, was wir über ihn wissen, sehen wir seine enge Beziehung zu Gott. Denn in einem solchen Menschen lebt stark der Wunsch, den die Söhne Korahs äußerten: „Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als [sonst] tausend; ich will lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes, als wohnen in den Zelten der Gottlosen“ (Ps 84,11). Doch Gott hat andere Pläne mit ihm: Er beruft ihn zum Propheten.
Dann werden wir über den Ort der Handlung informiert. Der Schreiber des Buches sagt, dass er „inmitten der Weggeführten am Fluss Kebar“ ist. Vers 3 verdeutlicht, dass der Fluss Kebar „im Land der Chaldäer“ ist. Die Verwendung des Wortes „ich“ macht deutlich, dass der Schreiber des Buches kein anderer als der Prophet selbst ist, dem die Gesichte gezeigt werden.
Hesekiel ist dort, am Fluss Kebar, „inmitten der Weggeführten“. Er ist dort zusammen mit anderen Weggeführten. Er ist zwar ein Priester, aber sein Schicksal und seine Lebensumstände sind dadurch nicht anders. Er hat Anteil an den Folgen der totalen Untreue des Volkes. Gott legt keinen besonderen Schutz um treue Gläubige, wenn es um die Züchtigung geht, die Er über das ganze Volk bringt. Was Er aber wohl in diesen Umständen tut, ist, treue Gläubige mehr und mehr an sich zu binden. Er hilft ihnen, nicht zu erliegen, und benutzt sie als Zeugnis für ihre Nächsten, für Gläubige und Ungläubige gleichermaßen.
Am fünften Tag des vierten Monats des Jahres, in dem Hesekiel dreißig Jahre alt wurde – wenn die Annahme richtig ist, dass es sich um sein Alter handelt –, „öffneten sich [ihm] die Himmel“ in Babel (vgl. Mt 3,16; Apg 7,56; 10,11; Off 4,1; 19,11) und er sieht „Gesichte Gottes“. Sein Auge wird geöffnet für das, was ein natürlicher Mensch nicht sehen kann. Die unsichtbare Welt wird für ihn sichtbar, sodass er erkennen kann, was dort geschieht.
Das dreißigste Jahr entspricht „dem fünften Jahr der Wegführung des Königs Jojakin“ (Vers 2). Es ist also auch das fünfte Jahr der Wegführung Hesekiels. Jojakin wurde nach einer Regierungszeit von nur drei Monaten und zehn Tagen von Nebukadnezar nach Babel gebracht (2Chr 36,9.10). Dies ist die Wegführung, die um 597 v. Chr. stattfand.
Nachdem Hesekiel fünf Jahre in der Gefangenschaft ist, ergeht an dem noch einmal genau datierten Tag – „am Fünften des Monats“ (Verse 1.2) – „das Wort des HERRN ausdrücklich“ an ihn (Vers 3). Während ihm Gesichte Gottes gezeigt werden, spricht der HERR in klarer, unmissverständlicher Sprache zu ihm. Was ihm gesagt wird, unterstreicht, dass das, was er in den Gesichten sieht, Realität ist und keine Einbildung. Auch die Quelle von Hesekiels Dienst ist eindeutig festgelegt. Er hat überhaupt keinen Einfluss auf seine Berufung. Die Gesichte kommen von Gott, dem Allmächtigen (Vers 1). Das Wort kommt vom „HERRN“. Der Name „HERR“ (Hebräisch Jahwe) ist der Name Gottes in Verbindung mit dem Menschen und besonders mit seinem Volk.
Das Wort ergeht „an Hesekiel“. Hier erwähnt er zum ersten Mal seinen Namen, nachdem er in Vers 1 zweimal von „ich“ gesprochen hat. Im weiteren Verlauf des Buches wird sein Name nur noch in Hesekiel 24 erwähnt (Hes 24,24). Hesekiel erfährt, entsprechend der Bedeutung seines Namens, während seines Dienstes die Kraft Gottes durch den Geist in besonderer Weise.
Hesekiel ist „der Sohn Busis, der Priester“. Von Busi (bedeutet „verachtet“, „verschmäht“) ist nichts bekannt, sondern nur das, was hier von ihm geschrieben steht, nämlich sein Name und sein Dienst. Hier sehen wir, dass Hesekiel zu einem Priestergeschlecht gehört, wie auch sein Zeitgenosse Jeremia (Jer 1,1). Darin liegt zweifellos der Grund für die zentrale Rolle Jerusalems und alles, was mit dem Tempel und dem Opferdienst in seinem Buch zu tun hat. Er ist im Herzen ein Priester.
Während Hesekiel „im Land der Chaldäer, am Fluss Kebar“ ist, „kommt die Hand des HERRN über ihn“. Das Land der Chaldäer ist die Region um Babel. Die Chaldäer sind der Kern des babylonischen Reiches. In dem fremden Land kommt die Hand des HERRN über ihn, um ihn in seine Gedanken einzuführen. Er wird von dieser Hand ergriffen und kommt so unter die Macht und den Einfluss des Geistes Gottes (Hes 3,14.22; 8,1; 33,22; 37,1; 40,1). So wird er zu einem Werkzeug für die Weitergabe der Wahrheit Gottes und wird davon abgehalten, seine eigenen Gedanken weiterzugeben. Die Hand des HERRN kann auch über jemanden zum Gericht sein (Apg 13,11).
Es muss für Hesekiel eine große Ermutigung gewesen sein, nachdem er so lange in Babel war, einen Blick in und ein Wort vom Himmel zu bekommen. Er hätte das auch nicht erwartet, so vertraut wie er mit der Vorstellung ist, dass Gott im Tempel in Jerusalem wohnt. Von diesem Ort ist er weit entfernt. Aber Gott ist nicht an Ort und Zeit gebunden und gibt sich jedem zu erkennen, dessen Herz nach Ihm Ausschau hält. Er gibt Hesekiel Einblick in sein Werk, das trotz der Untreue seines Volkes weitergeht. Dadurch lernt Hesekiel, sich über die Umstände des Augenblicks zu erheben und die Dinge, die auf der Erde geschehen, aus Gottes Perspektive zu sehen.
Der Rest des Kapitels ist dem Gesicht gewidmet, das Hesekiel von der Herrlichkeit des HERRN sieht (Vers 28; vgl. Jes 6,1–3). Auf dieses Gesicht wird auch in Hesekiel 10–11 Bezug genommen (Hes 10,1–22; 11,22–24). Der Prophet versucht, das Gesicht zu beschreiben, durch das sein Amt als Prophet eingeweiht wird. Die Worte, die er verwendet, um zu beschreiben, was er sieht, machen deutlich, dass eine vollständige Beschreibung jenseits der Möglichkeiten der menschlichen Sprache liegt.
4 - 14 Die lebendigen Wesen
4 Und ich sah: Und siehe, ein Sturmwind kam von Norden her, eine große Wolke und ein Glanz rings um sie her und ein zusammengeballtes Feuer; und aus seiner Mitte, aus der Mitte des Feuers her, [strahlte es] wie der Anblick von glänzendem Metall. 5 Und aus seiner Mitte hervor [erschien] die Gestalt von vier lebendigen Wesen; und dies war ihr Aussehen: Sie hatten die Gestalt eines Menschen. 6 Und jedes hatte vier Angesichter, und jedes von ihnen hatte vier Flügel. 7 Und ihre Füße waren gerade Füße, und ihre Fußsohlen wie die Fußsohle eines Kalbes; und sie funkelten wie der Anblick von leuchtendem Kupfer. 8 Und Menschenhände waren unter ihren Flügeln an ihren vier Seiten; und die vier hatten ihre Angesichter und ihre Flügel. 9 Ihre Flügel waren einer mit dem anderen verbunden; sie wandten sich nicht um, wenn sie gingen: Sie gingen jeder gerade vor sich hin. 10 Und die Gestalt ihres Angesichts war das Angesicht eines Menschen; und rechts hatten die vier das Angesicht eines Löwen, und links hatten die vier das Angesicht eines Stieres, und das Angesicht eines Adlers hatten die vier. 11 Und ihre Angesichter und ihre Flügel waren oben getrennt; jedes hatte zwei [Flügel] miteinander verbunden und zwei, die ihre Leiber bedeckten. 12 Und sie gingen jedes gerade vor sich hin; wohin der Geist gehen wollte, gingen sie; sie wandten sich nicht um, wenn sie gingen. 13 Und die Gestalt der lebendigen Wesen: Ihr Aussehen war wie brennende Feuerkohlen, wie das Aussehen von Fackeln. Es fuhr zwischen den lebendigen Wesen umher, und das Feuer hatte einen Glanz, und aus dem Feuer gingen Blitze hervor. 14 Und die lebendigen Wesen liefen hin und her wie das Aussehen von Blitzstrahlen.
Die Gesichte beschreiben die Herrlichkeit des HERRN auf seinem Thron. Ein Thron ist das Zentrum der Regierung, was bedeutet, dass Hesekiel den HERRN in seiner Regierung sieht. Der Thron hat die Form eines Wagens, sodass wir vom Thronwagen Gottes sprechen können. Menschliche Worte reichen nicht aus, um Gott und seine Regierung zu beschreiben. Deshalb stellt Hesekiel immer wieder Vergleiche an, die er mit Ausdrücken wie „[etwas] wie“ oder „die Gestalt von“ oder „wie der Anblick eines“ einleitet. Sogar der Vergleich bleibt vage. Wie könnten Menschen auch die Herrlichkeit des ewigen, unendlichen Gottes vollständig beschreiben?
Gott reitet auf seinem Thronwagen durch die Geschichte. Er hält die Geschichte in seiner Hand, sowohl die seines Volkes als auch die von Babel und jeder anderen Nation. Wenn der Thronwagen so herrlich ist, wie groß ist dann die Herrlichkeit dessen, der auf ihm sitzt. Keine Macht kann diesen Wagen aufhalten. Gottes Geist bestimmt den Weg.
Die Beschreibung beginnt mit der Regierung Gottes, um Hesekiel und uns zu zeigen, dass Gott über allem steht und dass Er niemals die Kontrolle über die Ereignisse verliert. Alles liegt fest in seiner Hand, auch wenn wir, die wir oft nur „unter der Sonne“ schauen (Pred 1,9), manchmal von Zweifeln und Angst überwältigt werden. Diese Erkenntnis kann jeden trösten, der sich in schwierigen Umständen befindet.
Das Erste, was Hesekiel sieht, nachdem sich der Himmel geöffnet hat, ist ein Sturmwind, der von Norden her kommt (Vers 4). Der Sturmwind von Norden ist das Symbol für das Leid, das die Feinde von Norden her über Israel bringen (vgl. Jer 1,14), aber sie tun es als ein Gericht, das von Gott kommt (Hes 13,11–13). Durch den Sturmwind spricht Er zu seinem Volk (Ps 50,3).
Weil der Sturm von Gott kommt, ist er nicht nur ein richtender Sturmwind. Da ist auch „eine große Wolke“, die auf die Herrlichkeit des HERRN hinweist. Er ist in dem Gericht anwesend. Obwohl das Feuer des Gerichts ständig aus ihr hervorblitzt, ist „ein Glanz rings um sie her“. Dieser Glanz wird durch etwas verursacht, das an „glänzendes Metall“ in der Mitte eines Feuers erinnert (vgl. Vers 27; Hes 8,2).
Die Szene zeigt, dass das Gericht von Norden her von Gott kommt, dass es von Ihm ausgeht. Der Feind dient Gottes Plan und kann nichts anderes tun als das, was Gott will. Der „Glanz rings um sie her“ zeigt, dass Gott die Grenze des Gerichts setzt. Er versucht nicht über Vermögen (1Kor 10,13).
Der Ausdruck „glänzendes Metall“ kommt noch zwei weitere Male im Alten Testament vor, beide Male in diesem Buch (Hes 1,27; 8,2). Es ist die Beschreibung einer Eigenschaft dessen, der auf dem Thron sitzt und regiert und ein absolut reines, unnachgiebiges Gericht ausübt. Feuer ist ein Bild für Gottes Gericht. Feuer verzehrt alles, was nicht mit Gottes Gerechtigkeit übereinstimmt. Im Gericht glänzt seine Gerechtigkeit.
Wir sehen in der Beschreibung neben verschiedenen Merkmalen oder Eigenschaften Gottes auch, dass das eine aus dem anderen hervorgeht. Die Tatsache, dass der Glanz des Edelmetalls aus der Mitte des Feuers kommt, kann auch auf den Gläubigen angewendet werden. Gott will im Leben der Seinen wirken, damit seine Eigenschaften in ihnen sichtbar werden. In diesem Zusammenhang können wir sagen, dass Er die Seinen zu Edelmetall machen will, zu Menschen, die sein Bild widerspiegeln. Zu diesem Zweck kontrolliert Er alles. Er arbeitet daran, alles aus unserem Leben zu entfernen, was diesen Glanz verdeckt (Heb 12,10; 1Pet 1,6.7).
Dann erscheint aus der Mitte des Feuers „die Gestalt von vier lebendigen Wesen“ (Vers 5; vgl. Off 4,6–9; 5,6–11.14; 6,1–7; 7,11; 14,3; 15,7; 19,4). Es sind Cherubim (Hes 10,15.19), mächtige Wesen, deren Aufgabe es ist, über die Heiligkeit, Majestät und Herrschaft Gottes zu wachen (vgl. 1Mo 3,24; Ps 99,1; Heb 9,5).
Das allgemeine Bild der Wesen ist, dass sie „die Gestalt eines Menschen“ haben. Das zeigt zum einen, dass Gottes Regierung von einem Menschen, dem Menschensohn, ausgeübt wird (Joh 5,27). Andererseits ist Gottes Regierung auf den Menschen ausgerichtet, und Er tut, was dem Menschen angemessen ist, damit er seinem Ziel entspricht. Der Sohn, der Mensch wurde, hat das, was Gott vom Menschen erwartet, vollkommen erfüllt. Für uns Menschen ist das eine große Gnade. Wir dürfen wissen, dass wir von dem lebendigen Gott regiert werden, der uns als Mensch nicht näher kommen kann.
In unserer Zeit sind zwei Entwicklungen zu beobachten, die dem Menschen seiner Menschlichkeit berauben. Die erste Entwicklung ist die „Entmenschlichung“ des Menschen, das heißt, das Verhalten des Menschen wird immer bestialischer und immer mechanischer. Die zweite Entwicklung ist, dass der Computer immer mehr „menschlich“ wird. Gott hat uns gezeigt, welchen Wert der Mensch für Ihn hat, indem Er in Christus Mensch wurde. Er zeigt den Wert des Menschen auch in dem Gericht, das Er an ihm vollzieht.
Jedes der lebendigen Wesen hat „vier Angesichter“ (Vers 6). Beim Menschen ist das „Gesicht“ der wichtigste Teil des Körpers, denn daran kann man sich gegenseitig als Individuum erkennen. Außerdem kann man an bestimmten Gesichtsausdrücken oft Gefühle ablesen (1Mo 31,2). In den „vier Angesichtern“, die jedes der vier lebendigen Wesen hat, zeigt Gott, auf welche Weise Er regiert und welche Absichten Er damit hat.
Jeder von ihnen hat auch „vier Flügel“. Bei „Flügeln“ können wir uns die Bewegungsfreiheit vorstellen. Vögel benutzen ihre Flügel, um sich abseits und über der Erde zu bewegen. Flügel sprechen davon, dass Gottes Handeln erhaben ist und durch nichts auf der Erde aufgehalten werden kann. Flügel zeigen, dass die lebendigen Wesen in Gottes Gegenwart kommen können (vgl. 2Mo 19,4). Sie symbolisieren auch Schutz, Sicherheit, Geborgenheit (Ps 91,4; Off 12,14; Rt 2,12).
„Ihre Füße waren gerade Füße“, was bedeutet, dass ihr Wandel oder der Weg, den sie gehen, um Gottes Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten, niemals kurvig ist, sondern – anders als der Wandel des Menschen – immer gerade (Vers 7). Niemand kann Ihn von seinem Vorhaben abbringen. „Ihre Fußsohlen wie die Fußsohle eines Kalbes“ verweisen auf die Beharrlichkeit – wofür das Kalb ein Symbol ist –, mit der Gott seinen Weg geht.
Das „leuchtende Kupfer“ symbolisiert Gottes Gerechtigkeit. Das lässt sich aus der Geschichte des Gerichts über Korah, Dathan und Abiram in 4. Mose 16 und 17 ableiten. Die Rebellen kommen durch das Feuer des Gerichtes Gottes um, aber die bronzenen Gefäße werden davon nicht verzehrt (4Mo 17,2–4). So hält Gottes Gerechtigkeit seinen Gerichten stand. Seine Gerichte sind immer gerecht, und wenn Er richtet, leuchtet und glänzt seine Herrlichkeit.
„Unter ihren Flügeln“, die sie „an ihren vier Seiten“, d. h. nach allen Richtungen hin, haben, sind „Menschenhände“ (Vers 8). Hände bedeuten, dass sie arbeiten, etwas tun. Sie sind hier „Menschenhände“, woran wir sehen, dass ihre schnellen Handlungen auf eine für Menschen übliche Weise erfolgen. Es kann auch bedeuten, dass die lebendigen Wesen Menschen benutzen, um ihren Dienst zu verrichten.
Dann werden „ihre Angesichter und ihre Flügel“ näher beschrieben. Die Beschreibung gilt für „die vier“. „Ihre Flügel waren einer mit dem anderen verbunden“ (Vers 9) scheint darauf hinzuweisen, dass sie einen Kreis bilden, wie wir es tun, wenn vier Menschen Hand in Hand stehen und einen Kreis bilden. Es zeigt, dass sie eine Einheit sind. Sie zeigen diese Einheit auch in der Art, wie sie gehen. Ohne sich umzudrehen, gehen sie „jeder gerade vor sich hin“. Gottes Regierung geht also immer vorwärts und weicht nicht zurück, wenn die Dinge einmal ausgeführt sind. Er hat es nicht nötig, jemals etwas rückgängig zu machen oder zurückzunehmen, denn seine Regierung ist immer vollkommen. Wir werden immer anerkennen müssen, dass dem so ist (vgl. Hes 14,22.23).
Das Angesicht der lebendigen Wesen hat vier Merkmale (Vers 10; vgl. Off 4,7). Diese vier Merkmale entsprechen den vier Gruppen von lebendigen Wesen, die Gott in 1. Mose 1 erschaffen hat: Der Mensch, die wilden Tiere, das Vieh und die Vögel.
1. Das erste Merkmal ist, dass „die Gestalt ihres Angesichts … das Angesicht eines Menschen“ ist. Der Mensch wurde nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen (Ps 8,6–9). Die lebendigen Wesen haben die Gestalt eines Menschen (Vers 5), Hände eines Menschen (Vers 8) und hier lesen wir, dass ihr Angesicht dem Angesicht eines Menschen gleicht.
2. Das nächste Merkmal ist, dass die lebendigen Wesen, wenn sie von „rechts“ betrachtet werden, „das Angesicht eines Löwen“ haben. Das Alte Testament zeichnet den Löwen als ein Tier voller Kraft (2Sam 1,23) und mit einem tapferen Herzen (2Sam 17,10). Er erschreckt mit seinem Brüllen und zerreißt seine Gegner (Ps 22,14).
3. Das dritte Merkmal ist, dass, wenn man sie „von links“ betrachtet, „die vier das Angesicht eines Stieres [oder: Rind]“ haben. Der Ochse ist durch Hörner und gespaltene Hufe gekennzeichnet (vgl. Vers 7). Das Volk benutzt das Rind zum Tragen von Lasten und beim Pflügen. Wenn das Vieh aufgezählt wird, wird der Ochse gewöhnlich als Erstes erwähnt (5Mo 22,10; Ri 6,4; 1Sam 12,3; Jes 32,20), da er das wertvollste Tier auf dem Hof ist.
4. Schließlich haben die vier „das Angesicht eines Adlers“. Der Adler spricht von Schnelligkeit (2Sam 1,23; Hiob 9,26; Jer 4,13; Klgl 4,19) und der Fähigkeit, zum Himmel aufzusteigen (Hiob 39,27; Jes 40,31). Der Adler hat eine scharfe Sicht (Hiob 39,29).
Es ist erwähnenswert, was in einem alten rabbinischen Kommentar, dem sogenannten Midrasch, über die vier lebendigen Wesen gesagt wird:
1. Der Mensch ist erhaben über alle Geschöpfe.
2. Der Löwe ist erhaben über alle wilden Tiere.
3. Das Rind ist erhaben über alles Vieh.
4. Der Adler ist erhaben über alle Vögel.
Das unterstreicht, dass alle geschaffenen Dinge, wie erhaben sie auch sein mögen, Gott unterworfen sind.
Wir sehen diese vier Merkmale auch in den vier Beschreibungen, die wir von dem Herrn Jesus in den Evangelien haben.
1. Der Löwe weist auf den König hin, von dem Matthäus schreibt.
2. Das Rind erinnert uns an den ausdauernden Dienst, den wir im Herrn Jesus als dem wahren Diener sehen und von dem Markus schreibt.
3. Das Angesicht eines Menschen entspricht dem vollkommenen Menschen, der uns von Lukas vorgestellt wird.
4. Schließlich ist der Adler das Symbol für den Sohn Gottes, der vom Himmel kam, um uns den Vater zu erklären, und der kommen wird, um zu richten. Der Evangelist Johannes stellt uns den Herrn Jesus auf diese Weise in seinem Evangelium vor.
„Ihre Angesichter und ihre Flügel waren oben getrennt“ (Vers 11), was bedeutet, dass sie willig und bereit sind, ihre Befehle vom Himmel zu empfangen. Sie führen diese Befehle in Einheit aus, was sich darin zeigt, dass sich die lebendigen Wesen mit zwei Flügeln gegenseitig berühren. Es besteht eine ungestörte Zusammenarbeit. Bei der Ausführung ihrer Arbeit bedecken sie ihre Körper mit zwei Flügeln, denn es geht nicht um sie, sondern um ihre Arbeit.
Wenn sie gehen, geht „jedes gerade vor sich hin“ (Vers 12). Sie gehen einen geraden Weg, direkt zum gesetzten Ziel. In ihrem Gehen werden sie von „dem Geist“ geführt. Wo immer Er hin will, dorthin gehen sie. Jedes eigenständige Handeln ist ihnen fremd. Deshalb gehen sie, ohne sich umzudrehen, sie brauchen nicht abzubiegen, wenn sie gehen. Sie gehen den richtigen Weg und tun die richtigen Dinge. Sie müssen ihre Route an keiner Stelle „neu berechnen“. Es gibt nichts für sie zu überprüfen, weil sie es falsch gemacht hätten.
In den vorangegangenen Versen 4–12 wurden die Träger des Thrones, die Cherubim, beschrieben. In den Versen 13 und 14 folgt eine Beschreibung dessen, was sie charakterisiert. Diese Merkmale machen deutlich, dass der Thron ein Gerichtsthron ist (vgl. Dan 7,9.10). Ihre Gestalt ist nicht die von lieblichen Engeln, sondern „ihr Aussehen war wie brennende Feuerkohlen, wie das Aussehen von Fackeln“ (Vers 13). Dieses Feuer „fuhr zwischen den lebendigen Wesen umher“, was auf die Beweglichkeit des Gerichts hinweist, durch die die von ihnen ausgehende Bedrohung vergrößert wird.
Das Feuer hat zwei Eigenschaften. Es hat „einen Glanz“ und „Blitze“ gehen aus ihm hervor. Der Glanz offenbart alles; nichts kann verborgen werden. Der Blitz richtet alles, was durch den Glanz öffentlich gemacht wurde. Das Gericht findet im vollen Licht und mit der unnachahmlichen Geschwindigkeit und Unberechenbarkeit des Blitzes statt.
Auch die lebendigen Wesen selbst laufen „hin und her wie das Aussehen von Blitzstrahlen“ (Vers 14). Die lebendigen Wesen bewegen sich nicht nur geradeaus, sondern auch mit der Geschwindigkeit und Launenhaftigkeit eines Blitzes. Der Mensch kann das nicht fassen, sondern wird davon verzehrt, wenn er sich nicht der Regierung Gottes beugt.
15 - 21 Die Räder und ihre Bewegung
15 Und ich sah die lebendigen Wesen, und siehe, da war ein Rad auf der Erde neben den lebendigen Wesen, nach ihren vier Vorderseiten hin. 16 Das Aussehen der Räder und ihre Arbeit war wie der Anblick eines Chrysoliths, und die vier hatten dieselbe Gestalt; und ihr Aussehen und ihre Arbeit war, als wäre ein Rad inmitten eines Rades. 17 Wenn sie gingen, so gingen sie nach ihren vier Seiten hin: Sie wandten sich nicht um, wenn sie gingen. 18 Und ihre Felgen, sie waren hoch und furchtbar; und ihre Felgen waren voller Augen ringsum bei den vieren. 19 Und wenn die lebendigen Wesen gingen, gingen die Räder neben ihnen her; und wenn die lebendigen Wesen sich von der Erde erhoben, erhoben sich die Räder. 20 Wohin der Geist gehen wollte, gingen sie, dahin, wohin der Geist gehen wollte; und die Räder erhoben sich neben ihnen, denn der Geist des lebendigen Wesens war in den Rädern. 21 Wenn sie gingen, gingen [auch] sie, und wenn sie stehen blieben, blieben [auch] sie stehen; und wenn sie sich von der Erde erhoben, so erhoben sich [auch] die Räder neben ihnen; denn der Geist des lebendigen Wesens war in den Rädern.
Nach den Flügeln werden nun die Räder der lebendigen Wesen beschrieben. Die Flügel sind für den Himmel, die Räder für die Erde. Jedes lebendige Wesen hat „ein Rad auf der Erde neben“ sich (Vers 15). Die Räder verbinden den Thronwagen mit der Erde. Ein Rad zeigt an, dass der Thron Gottes nicht statisch, sondern dynamisch ist. Es gibt keinen Stillstand. Alles ist in Bewegung und Fortschritt auf dem Weg zu Gottes Ziel.
Die Räder sind „auf der Erde“. Das bedeutet, dass Gott seinen Weg auf der Erde macht. Er bestimmt den Lauf der Geschichte und der Ereignisse. Er ist derjenige, der war und ist, und auch derjenige, der kommen wird, in dem wir sein Handeln sehen (Off 1,8).
Die Räder weisen auf den Fortgang der Zeit hin, wobei Gott die Abläufe, hier im Drehen der Räder dargestellt, bestimmt. Gott ist der handelnde Gott. Er hat Himmel und Erde geschaffen, sie dann aber nicht sich selbst überlassen. Er trägt die Schöpfung seit ihrer Gründung ständig „durch das Wort seiner Macht“ (Heb 1,3). In dem Wort „tragen“ steckt Bewegung. Er trägt die Schöpfung und bringt sie zu seinem Ziel.
Das Aussehen der Räder war „wie der Anblick eines Chrysoliths“ (Vers 16). Ein Chrysolith ist ein Edelstein. Er ist der erste Stein der vierten Reihe von Edelsteinen auf dem Brustschild des Hohenpriesters (2Mo 28,20; 39,13). Die Farbe des Chrysoliths ist blaugrün. Dies erinnert an das Johannes-Evangelium, das vierte Evangelium. Darin sehen wir den himmlischen Menschen, Gott den Sohn, auf der Erde.
Hesekiel sieht „das Aussehen der Räder“, eine Ansicht, aber auch „ihre Arbeit“, wie sie gemacht wurden, die Konstruktion, die Zusammensetzung. Es sieht so aus, „als wäre ein Rad inmitten eines Rades“. Daher scheint es manchmal so, als ob die Räder gegeneinander laufen würden. Auch in unserem Leben kann es manchmal so aussehen. Aber die Räder greifen ineinander wie die Räder einer Uhr, in der es auch Rädchen gibt, die sich in entgegengesetzte Richtungen drehen, und doch arbeiten sie zusammen, damit die Zeiger sich vorwärts bewegen. So ist es auch mit den Wegen Gottes. Sie greifen immer ineinander und kommen sich nie in die Quere, sondern arbeiten immer zusammen, um Gottes Ziel in der Geschichte und auch in unserem Leben zu erreichen.
Die Räder von Gottes Thron können in alle Richtungen gehen, aber sie wenden sich nicht um (Vers 17). Das bedeutet nicht, dass Gott willkürlich oder beliebig wäre. Er bestimmt den Weg und kennt keine Grenzen in seinem Handeln. Er kennt für jeden und alles den besten Weg und das durch die Zeit hindurch. Auch die Zeit ist in seiner Hand. Wir sehen ein eindrucksvolles Beispiel für Gottes Regierung in der Geschichte Josephs (1. Mose 37–50): Alles, was mit Joseph geschah, wurde von Gott so gelenkt, um seinen Zweck mit ihm und seinem Volk zu erfüllen. So ist es auch in unserem Leben.
Wenn Gott handelt, muss Er nie einen Rückzieher machen (4Mo 23,19a). Sein Tun ist immer vollkommen, „denn alle seine Wege sind recht“ (5Mo 32,4a). Wir sehen eine Veranschaulichung dessen in den Wagen der Nationen, die nicht dorthin fahren können, wohin sie wollen, weil sie „zwischen zwei Bergen“ aus „Erz“ oder „Kupfer“ ausziehen (Sach 6,1). Gott bestimmt also den Kurs dieser Wagen.
Wir können Gott nicht kontrollieren. Seine Wege sind „hoch“ (Vers 18), wie der Himmel. Seine Wege sind im Heiligtum im Himmel und daher höher als unsere Wege (vgl. Jes 55,9). Wenn wir das sehen, sind Gottes Wege für uns „furchtbar“. Sie wecken in uns Furcht oder Ehrfurcht vor Ihm. Das ist auch gut und richtig so. Wir spüren unsere Nichtigkeit im Licht seiner Souveränität und Herrlichkeit.
Außerdem sehen wir, dass „ihre Felgen … voller Augen ringsum bei den vieren“ sind. Das deutet darauf hin, dass Gottes Regierung nicht blindlings ausgeführt wird oder von Zufällen abhängt, sondern dass Gott alle seine Regierungshandlungen mit Einsicht ausführt. Er weiß, wie Er alle seine Handlungen vollkommen miteinander verbinden kann, damit Er sein Ziel erreicht. Das gilt auch für alle Handlungen aller Menschen und aller Völker. Er ist allwissend, und seine Augen durchlaufen die ganze Erde, um nach seiner Weisheit zum Wohl der Seinen zu handeln (2Chr 16,9a; Spr 15,3).
Die Räder sind untrennbar mit den lebendigen Wesen verbunden (Vers 19). Es sind nicht die Räder, die den Weg bestimmen, sondern die lebendigen Wesen. Die Räder sind das Mittel, mit dem sich die lebendigen Wesen bewegen. Die lebendigen Wesen, die den Thron Gottes tragen, bestimmen den Weg. Die Räder zeigen den Weg an, den Gottes Regierung geht. Manchmal wird der Wagen der göttlichen Regierung von der Erde gehoben. Das deutet darauf hin, dass es Zeiten gibt, in denen Gott sich zurückzieht und den Menschen sich selbst überlässt (Jes 18,4; Hos 5,15), ohne jedoch die Kontrolle über die Erde auch nur im Geringsten zu verlieren. Er steht sozusagen darüber.
Die lebendigen Wesen werden durch den Geist Gottes geführt (Vers 20). Der Geist ist die aktive Person. Gott und Christus handeln immer durch den Geist. Das sehen wir schon am Anfang der Bibel (1Mo 1,2). Der Geist wirkt in den lebendigen Wesen, die dorthin gehen, wohin der Geist sie führen will. Da gibt es kein Zögern oder Zaudern. Alles ist gewiss.
Noch einmal wird die Einheit der lebendigen Wesen und der Räder betont (Vers 21). Beide gehen oder bleiben stehen. Diese völlige Einheit zwischen den lebendigen Wesen und den Rädern sehen wir auch, wenn die lebendigen Wesen sich von der Erde erheben, denn dann erheben „sich [auch] die Räder neben ihnen“. Das liegt daran, dass der Geist nicht nur die lebendigen Wesen, sondern auch die Räder führt. Alles in der Regierung Gottes, alles, was den Thron Gottes betrifft, ist vollkommen harmonisch, weil der Geist Gottes alles lenkt. Ihm stehen alle Mittel zur Verfügung und Er bestimmt, welche Er wann einsetzt.
22 - 25 Unter der Ausdehnung
22 Und über den Häuptern des lebendigen Wesens war das Gebilde einer Ausdehnung, wie der Anblick eines wundervollen Kristalls, ausgebreitet oben über ihren Häuptern. 23 Und unter der Ausdehnung waren ihre Flügel waagerecht [ausgerichtet], einer gegen den anderen; jedes von ihnen hatte zwei [Flügel], die ihre Leiber bedeckten. 24 Und wenn sie gingen, hörte ich das Rauschen ihrer Flügel wie das Rauschen großer Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen, das Rauschen eines Getümmels, wie das Rauschen eines Heerlagers. Wenn sie still standen, ließen sie ihre Flügel sinken. 25 Und es kam eine Stimme von oberhalb der Ausdehnung, die über ihren Häuptern war. Wenn sie still standen, ließen sie ihre Flügel sinken.
Dann sieht Hesekiel über den Häuptern der lebendigen Wesen das Gebilde einer Ausdehnung oder eines Gewölbes (Vers 22). Diese Ausdehnung erinnert an den zweiten Tag der Schöpfung, als Gott die Ausdehnung schuf (1Mo 1,6–8). Wir können uns diese Ausdehnung als den für uns sichtbaren Himmel vorstellen. Ihr Glanz erinnert Hesekiel an „den Anblick eines wundervollen Kristalls“ (vgl. Off 4,6a; 22,1). Er funkelt und glänzt und ist durchsichtig und fest. Es ist ein überwältigender Anblick von Gottes fester Herrschaft über die ganze Erde, eine Herrschaft, in der es keine Verunreinigung gibt. Wasser kann verunreinigt werden, aber nichts kann die Reinheit und den Glanz des Kristalls beeinträchtigen.
Wiederum beschreibt Hesekiel die Flügel der lebendigen Wesen (Vers 23), die hier in direkten Zusammenhang mit dieser Ausdehnung gebracht werden. Die Räder werden nicht erwähnt, denn wir befinden uns in der Nähe des Himmels, wo die Regierung ihren Ursprung hat. Die Flügel sind „waagerecht [ausgerichtet], einer gegen den anderen“; sie sind gerade, wie auch die Füße und der Weg, den sie gehen (Verse 7.12). Das zeigt, dass alle Wege Gottes im Himmel und seine Wege auf der Erde gerade sind. Gottes Regierung über die Engel im Himmel ist genauso geradlinig wie seine Regierung über die Menschen auf der Erde.
Sie haben nicht nur ihre Flügel waagerecht ausgerichtet, einer gegen den anderen, sondern sie bedecken damit auch ihre Leiber. Sie arbeiten harmonisch zusammen, um Gottes Recht aufrechtzuerhalten. Indem sie sich bedecken, zeigen sie, dass sie sich selbst für unwichtig halten (vgl. Jes 6,2).
In den vorherigen Versen hat Hesekiel bestimmte Dinge gesehen, aber nun hört er auch etwas (Vers 24). Wenn die lebendigen Wesen ihre Flügel benutzen, um zu gehen, hört es sich an „wie das Rauschen großer Wasser“ (vgl. Hes 43,2), in denen „die Stimme des Allmächtigen“ erklingt (vgl. Off 1,15b). Seine Stimme klingt wie Donner (Hiob 37,4; Ps 29,3.4). Der Klang erinnert an „Getümmel“ und an „das Rauschen eines Heerlagers“. Alle diese Vergleiche, die Hesekiel benutzt, um das Gehörte zu beschreiben, beschreiben Gottes Regierung.
Hesekiel hört das Geräusch, solange die lebendigen Wesen gehen und ihre Flügel benutzen. Wenn sie still stehen, benutzen sie ihre Flügel nicht und lassen sie sinken. Dann wird es still. Die lebendigen Wesen stehen in Ruhe, bereit, den nächsten Befehl zu empfangen und auszuführen.
In der Stille erklingt eine Stimme von oberhalb der Ausdehnung (Vers 25). Noch einmal wird auf die ruhige Haltung der lebendigen Wesen hingewiesen, durch die die Stille gekommen ist. Diese Haltung der Ruhe und Stille und auch der Ehrfurcht ist wichtig, um auf die Stimme hören zu können, die nun sprechen wird.
26 - 28 Oberhalb der Ausdehnung
26 Und oberhalb der Ausdehnung, die über ihren Häuptern war, war die Gestalt eines Thrones wie das Aussehen eines Saphirsteins; und auf der Gestalt des Thrones eine Gestalt wie das Aussehen eines Menschen oben darauf. 27 Und ich sah [etwas] wie den Anblick von glänzendem Metall, wie das Aussehen von Feuer innerhalb desselben ringsum; von seinen Lenden aufwärts und von seinen Lenden abwärts sah ich [etwas] wie das Aussehen von Feuer, und ein Glanz war rings um ihn. 28 Wie das Aussehen des Bogens, der am Regentag in der Wolke ist, so war das Aussehen des Glanzes ringsum. Das war das Aussehen des Bildes der Herrlichkeit des HERRN. Und als ich es sah, fiel ich nieder auf mein Angesicht; und ich hörte die Stimme eines Redenden.
In diesen Versen werden wir noch höher geführt: Wir befinden uns nun „oberhalb der Ausdehnung“ (Vers 26). Bevor Hesekiel die Stimme sprechen hört, sieht er etwas oberhalb der Ausdehnung, das über den Häuptern der lebendigen Wesen ist. Er hat bereits vage beschrieben, was er gesehen hat, aber jetzt wird er noch vager. Immer wieder tauchen die Worte „wie das Aussehen“ oder „[etwas] wie“ auf. Was und wen er sieht, ist Gott auf dem Thron seiner Herrlichkeit. Aber wie könnte ein Mensch das vollständig wahrnehmen und beschreiben?
Das Erste, was Hesekiel oberhalb der Ausdehnung vernimmt, ist etwas „wie das Aussehen eines Saphirsteins“. Saphirstein ist ein kostbarer, durchsichtiger, blauer Edelstein. Er ist einer der wertvollsten Edelsteine. Die Farbe Blau ist so charakteristisch für diesen Stein, dass in der Vergangenheit alle blauen Steine „Saphir“ genannt wurden. Der Saphir ist der zweite Stein der zweiten Reihe von Edelsteinen auf dem Brustschild des Hohenpriesters (2Mo 28,18; 39,11). Der blaue Saphir ist eine Anspielung auf himmlische Dinge. Von „der Gestalt eines Thrones“ strahlt diese glänzend blaue Farbe aus. Auf dem, was die Gestalt eines Thrones hat, nimmt er „eine Gestalt wie das Aussehen eines Menschen“ wahr. Wenn Gott erscheint, dann in der Gestalt eines Menschen.
Hier sehen wir, dass die Welt von einem Menschen in der Herrlichkeit regiert wird. Von dem, was Hesekiel nur vage sah, kennen wir die Realität. Wir wissen, dass dem Herrn Jesus als Mensch vom Vater das Gericht übertragen wurde (Joh 5,27; Apg 17,31) und dass Ihm „alle Gewalt … im Himmel und auf der Erde“ gegeben wurde (Mt 28,18). Er ist der Menschensohn, dem alle Dinge untertan sind, obwohl wir das jetzt nicht sehen. Aber wir sehen Ihn im Himmel, gekrönt mit Ehre und Herrlichkeit (Heb 2,8b.9a)!
Seine Regierung erinnert an „den Anblick von glänzendem Metall“ (Vers 27). Alle Ungerechtigkeit wird Er mit dem Feuer des Gerichts, das von Ihm ausgeht, vernichten. Seine ganze Gestalt, „von seinen Lenden aufwärts und von seinen Lenden abwärts“ sieht aus wie „Feuer, und ein Glanz war rings um ihn“. Er ist der Mensch, der mit dem Himmel in Verbindung steht („seine Lenden aufwärts“) und seinen Weg auf der Erde („seine Lenden abwärts“) in Gerechtigkeit geht. Die Lenden stehen für die Kraft, die zum Gehen benötigt wird. In Hesekiel geht Er seinen Weg im Gericht, so wie Er einst seinen Weg auf der Erde in Gnade und Demütigung ging.
Das Gesicht endet nicht mit dem Erscheinen von Christus als Richter der ganzen Erde, sondern mit dem Erscheinen des „Bogens“ (Vers 28). Dies weist eindrücklich auf Gottes Gnade hin, die sogar bei der Ausführung seiner gerechten Gerichte gegenwärtig ist (1Mo 9,12–17; Off 4,3). Er gedenkt im Zorn der Barmherzigkeit (Hab 3,2). Das ist ein großer Trost für uns, wenn wir in Gottes Wegen mit uns durch große Prüfungen gehen. Gottes Regierung für die Seinen ist immer mit Barmherzigkeit vermischt. Immer wird Christus seine Verheißung erfüllen, dass Er bei uns sein wird „alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Mt 28,20).
Dann wird es für Hesekiel ganz deutlich, dass „das Aussehen des Bildes“ die „Herrlichkeit des HERRN“ selbst ist. Der Anblick der Herrlichkeit Gottes in Gericht und Barmherzigkeit lässt ihn auf sein Angesicht fallen. Wir sehen eine solch ehrfurchtsvolle Reaktion auch bei Daniel und Johannes (Dan 8,17; 10,8.9; Off 1,17). Es wäre schön, wenn auch wir Momente kennen, in denen wir, überwältigt von der Größe und Majestät Gottes, auf unser Angesicht fallen und Ihn anbeten.
In dieser Haltung der Ehrfurcht und Anbetung kann Gott zu Hesekiel sprechen – und auch zu uns. Bis jetzt hat er nur Geräusche gehört; jetzt hört er eine Stimme, die Worte spricht, die er verstehen kann. Gottes Reden zu uns ist ein Beweis dafür, dass Er sich mit uns beschäftigt.