1 - 6 Die Berufung Abrams
1 Und der HERR hatte zu Abram gesprochen: Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde. 2 Und ich will dich zu einer großen Nation machen und dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen; und du sollst ein Segen sein! 3 Und ich will die segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde! 4 Und Abram ging hin, wie der HERR zu ihm geredet hatte, und Lot ging mit ihm; und Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog. 5 Und Abram nahm Sarai, seine Frau, und Lot, den Sohn seines Bruders, und alle ihre Habe, die sie erworben, und die Seelen, die sie in Haran gewonnen hatten, und sie zogen aus, um in das Land Kanaan zu gehen; und sie kamen in das Land Kanaan. 6 Und Abram durchzog das Land bis zum Ort Sichem, bis zur Terebinthe Mores. Und die Kanaaniter waren damals im Land.
„Der HERR hatte zu Abram gesprochen“, als er noch in Ur in Chaldäa war (Apg 7,2). Er musste aus seinem Land weggehen in das Land, das Gott ihm zeigen wollte. Er musste aus seiner Familie gehen, um eine neue Familie zu bilden. Er musste sogar aus dem Haus seines Vaters gehen, zu dem er noch gehörte, um selbst zu einem Vater vieler Nationen zu werden. Gottes Berufung ist immer persönlich. Gottes Weg ist immer mit dem Einzelnen. Gott rief Abram als Einzelnen (Jes 51,2).
Diese Berufung Abrams muss Israel später klarmachen, dass ihre Existenz als Volk ganz Gottes Werk ist und mit einem Mann begann, der im Glauben gehorsam tat, was Gott gesagt hatte. Dadurch sollte Israel von seiner göttlichen Berufung überzeugt werden und von der Notwendigkeit des Glaubens, wenn das Volk aus Ägypten ausziehen würde, um nach Kanaan zu gehen.
Wenn Gott ruft, verbindet Er damit immer Verheißungen. Abram bekommt in den Versen 2 und 3 eine siebenfache Verheißung. Das ist genug für ihn zu gehen. Er geht, ohne zu wissen, wohin er kommen wird. Dies bedeutet, dass er im Glauben geht. Wie bereits erwähnt, kostete es Abram Zeit und Mühe, sich von dem Haus seines Vaters zu lösen. Doch er geht! Hebräer 11 spricht von seinem Gehorsam (Heb 11,8). Gott sieht die Bereitwilligkeit in seinem Herzen und hat Geduld mit Abrams Überwindung der Hindernisse.
Abram gehorcht im Vertrauen auf das Wort des HERRN. Dieser Gehorsam im Glauben macht Abraham in der Schrift zu dem großen Vorbild des Glaubens (Gal 3,6–9). Die Charakteristik dessen ist das Aufgeben der sichtbaren Dinge für ein unsichtbares Ziel (2Kor 4,18).
Als Abram in das Land kommt, sind die Kanaaniter dort und beherrschen das Land. Das Land Kanaan ist für Israel buchstäblich das gelobte Land, in dem Gott volle Segnungen für das Volk bereitliegen hat. Voraussetzung ist, dass Israel dem HERRN treu bleibt und in der Kraft des HERRN den Kampf führt, um die Feinde daraus zu vertreiben.
Für den Christen stellt das Land Kanaan im Vorbild die himmlischen Örter dar, in denen er gesegnet ist „mit jeder geistlichen Segnung … in Christus“ (Eph 1,3). Aber auch der Christ kann den Segen nur genießen, wenn er bereit ist, dafür zu kämpfen. Davon lesen wir in Epheser 6. Glücklicherweise müssen wir nicht in eigener Kraft kämpfen (Eph 6,10). Gott stellt uns seine eigene Waffenrüstung zur Verfügung (Eph 6,11–18).
7 Der HERR erscheint Abram
7 Und der HERR erschien Abram und sprach: Deiner Nachkommenschaft will ich dieses Land geben. Und er baute dort dem HERRN, der ihm erschienen war, einen Altar.
In Kanaan angekommen, erscheint der HERR dem Abram. Das konnte Er in Haran nicht. Nach seiner Berufung und der Verheißung des Segens für ihn und seine Nachkommenschaft bekommt Abram hier die Verheißung, dass seine Nachkommen das Land erhalten sollen, in dem er jetzt angekommen ist. Nach dieser Zusage baut Abram dem HERRN einen Altar. Sein Herz ist so voll von Dank, dass er nicht anders kann, als den HERRN für seine Verheißungen anzubeten.
Der HERR war ihm erschienen – er hatte Ihn gesehen. Der HERR hatte zu ihm gesprochen – er hatte Ihn gehört. Abram glaubte dem, der ihm erschienen war, und glaubte an das, was der HERR ihm verheißen hatte. Das ist lebendiger Glaube. So erscheint der HERR auch uns, wenn wir sein Wort lesen. Dann sehen wir Ihn. Und wir hören Ihn sprechen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Er hält, was Er verspricht. Wenn das für uns lebendig ist, werden wir Ihn anbeten.
8 Abram: Zelt und Altar
8 Und er brach auf von dort in das Gebirge östlich von Bethel und schlug sein Zelt auf, Bethel im Westen und Ai im Osten; und er baute dort dem HERRN einen Altar und rief den Namen des HERRN an.
Das Leben Abrams ist gekennzeichnet durch Zelt und Altar. Er sucht das Gebirge auf, sucht die Nähe Gottes. Er schlägt sein Zelt auf zwischen Bethel und Ai. Sein Zelt ist ein Symbol für seine Pilgerschaft. Er ist ein „Hindurchziehender“, jemand, der keinen festen Wohn- und Aufenthaltsort hat. Er suchte keinen Platz auf der Erde. Er erwartete die Stadt Gottes (Heb 11,8–10).
Sein Altar steht für Anbetung. Ein Anbeter ist ein Pilger, und ein Pilger ist ein Anbeter. Der Altar ist für den HERRN und er ruft seinen Namen an (1Mo 21,33; 26,25). Den Namen des HERRN anrufen heißt, Ihn bei seinem Namen Jahwe nennen und auf diesem Grund sich Ihm im Gebet und in der Anbetung nähern. Abram ehrt den HERRN für das, was Er ist. Er wird Ihn angebetet haben für die Verheißungen, die er von Ihm erhalten hat und von denen er weiß, dass sie von Ihm erfüllt werden. Dadurch hat Gott in der Mitte der Kanaaniter, die im Land wohnten, einen Zeugen für seinen Namen.
„Bethel“ bedeutet „Haus Gottes“. So wird in unserer Zeit die Gemeinde Gottes genannt (1Tim 3,15). „Ai“ bedeutet „Trümmerhaufen“. Das ist der aktuelle Zustand des Hauses Gottes, der Gemeinde. Der Christ, der ein Pilger ist, lebt inmitten des Trümmerhaufens des christlichen Zeugnisses Gottes auf der Erde, während er auf der anderen Seite versucht, die Gedanken Gottes über seine Gemeinde zu verwirklichen.
9 - 20 Abram in Ägypten
9 Und Abram zog fort, immer weiter ziehend, in den Süden. 10 Es entstand aber eine Hungersnot im Land; und Abram zog nach Ägypten hinab, um sich dort aufzuhalten, denn die Hungersnot war schwer im Land. 11 Und es geschah, als er nahe daran war, nach Ägypten zu kommen, da sprach er zu Sarai, seiner Frau: Sieh doch, ich weiß, dass du eine Frau schön von Aussehen bist; 12 und es wird geschehen, wenn die Ägypter dich sehen, so werden sie sagen: Sie ist seine Frau; und sie werden mich erschlagen und dich leben lassen. 13 Sage doch, du seist meine Schwester, damit es mir wohl ergehe um deinetwillen und meine Seele am Leben bleibe deinetwegen. 14 Und es geschah, als Abram in Ägypten ankam, da sahen die Ägypter, dass die Frau sehr schön war. 15 Und die Fürsten des Pharaos sahen sie und priesen sie dem Pharao; und die Frau wurde in das Haus des Pharaos geholt. 16 Und er tat Abram Gutes um ihretwillen; und er bekam Kleinvieh und Rinder und Esel und Knechte und Mägde und Eselinnen und Kamele. 17 Und der HERR schlug den Pharao und sein Haus mit großen Plagen um Sarais willen, der Frau Abrams. 18 Und der Pharao ließ Abram rufen und sprach: Was hast du mir da getan? Warum hast du mir nicht mitgeteilt, dass sie deine Frau ist? 19 Warum hast du gesagt: Sie ist meine Schwester, so dass ich sie mir zur Frau nahm? Und nun siehe, da ist deine Frau, nimm sie und geh hin. 20 Und der Pharao entbot seinetwegen Männer, und sie geleiteten ihn und seine Frau und alles, was er hatte.
Mit dem Verlassen Bethels beginnt für Abram das Abweichen. Er sucht ein Grenzgebiet auf. Es ist immer gefährlich, wenn Gläubige in einem Grenzgebiet leben. Es ist das Gebiet, in dem der Gefahr des geistlichen Fallens standgehalten werden muss. In diesem Gebiet kommt es zu Hungersnot. In Bethel herrschte keine Hungersnot.
Dann überschreitet Abram die Grenze und zieht nach Ägypten hinab. Dazu hatte er vom HERRN keinen Auftrag bekommen. Er hat nicht vor, dort zu wohnen, sondern als Ausländer so lange dazubleiben, wie er es für richtig hält. Ägypten ist ein Bild der Welt. Wenn wir dieses Gebiet wieder aufsuchen, verlieren wir Gott immer mehr aus dem Auge.
Das Ergebnis ist, dass Abram fürchtet, dass ihm etwas geschehen wird. Sein Vertrauen auf Gott ist verschwunden. Er lässt sich eine Ausrede einfallen, um sich selbst auf Kosten seiner Frau Sicherheit zu verschaffen. Sein Egoismus bringt ihn dazu, dass er Sarai ihr wahres Verhältnis zu ihm leugnen lässt. Er stiftet seine Frau zum Lügen an. Hier sehen wir, wozu der am meisten gottesfürchtige Gläubige kommen kann, wenn er den Ort, den der HERR ihm gegeben hat, verlässt.
Aber es kommt anders, als er es sich gedacht hatte. Er hatte verhindern wollen, Sarai zu verlieren. Und gerade durch seine List verliert er sie. Ironischerweise wird ihm wegen Sarai Gutes getan, gerade das, was er als Motiv für seinen trügerischen Vorschlag der Dinge genannt hatte (Verse 13.16). Alle Geschenke, die er bekommt, ersetzen aber nicht den Verlust von Sarai. Auch verliert er seinen Altar und seinen Platz in dem Land, zu dem Gott ihn hatte hinziehen lassen. Damit hat er auch den Segen verloren, der mit dem Aufenthalt in diesem Land verbunden war.
Wer einmal von dem Weg abweicht, den Gott ihm gezeigt hat, verliert sehr viel. Auch für die Welt ist er kein Segen. Das sehen wir hier auch. Durch Abrams Verhalten muss Gott über den Pharao und sein Haus Plagen bringen. Zum Schluss wird er von dem Pharao – oder sagen wir, von der Welt – ermahnt. Etwas Ähnliches sehen wir in der Geschichte des Jona (Jona 1,6).
Alles in allem ist es eine sehr traurige Lage, in die Abram gekommen ist. Es ist Gottes große Gnade, dass Er Abram aus dieser Situation rettet. Keine Ehre für Abram – alle Ehre gebührt Gott.