Reaktionen
In diesem Kapitel finden wir drei Beispiele für Reaktionen in Verbindung mit eigenwilligen Kindern:
1. David. Wir haben David bereits als einen Vater gesehen, der versagte. Doch damit ist die Geschichte Davids als Vater nicht beendet. Es ist sehr lehrreich zu sehen, wie er auf sein eigenes Versagen reagiert und dadurch einen Weg zur Wiederherstellung geht.
2. Unsere eigenen Eltern. Manchmal ist es auch hilfreich, wenn es uns nicht gelingt, unsere Kinder zu korrigieren, daran zu denken, wie wir als Kinder auf das reagierten, was unsere Eltern von uns erwarteten.
3. Gott. In jedem Fall können wir von Gott lernen, wie Er mit seinen Kindern umgeht.
Der Weg zurück
Die Bibel beschreibt alles ehrlich, so, wie es sich menschlich zugetragen hat. Gerade dadurch ist die Bibel so aktuell. Die Bibel zeigt auch immer einen Weg der Vergebung und Wiederherstellung. David hatte als Vater gegenüber seinem Sohn Absalom versagt. Als er schließlich nichts mehr aktiv für ihn tun konnte, flüchtete er vor seinem Sohn. Welch eine Erniedrigung! Aber er bewies dadurch, dass er nicht krampfhaft an seinem Königtum festhielt. Er wählte diese unvorstellbare Erniedrigung und überließ Gott das Gericht. Das ist die einzig vernünftige Wahl für Menschen, die wissen, dass sie versagt haben und darüber aufrichtige Reue empfinden. David hatte es viel zu weit kommen lassen. Aber als er nichts mehr tun konnte, wurde er wieder der Mann, der abhängig war von Gott und sein Urteil akzeptierte. Er sah der Wirklichkeit ins Auge. Damit fängt jede Wiederherstellung an. Nachdem David sein Versagen eingesehen hatte, gab er sein Recht auf den Thron auf. Die Anwendung, die ich machen möchte, ist diese: Wenn ich als Vater meinen Kindern gegenüber versagt habe, muss ich von meinem Thron heruntersteigen. Das ist schwierig. Ich muss der Wirklichkeit ins Auge sehen und nicht vor der Realität flüchten, d. h. dass ich nicht mehr auf meinen Rechten bestehe, nicht mehr groß und stolz bin, sondern sage: „Ich habe versagt.“ Wird dann alles gut? Dafür haben wir keine Garantie. Aber Gott ist dann mit mir als Vater, mit uns als Eltern beschäftigt.
Wenn Eltern leiden ...
In 2. Samuel 18 wird beschrieben, wie die Sache mit Absalom zu einem schrecklichen Ende kam. Auch von dem, wie David sich danach verhielt, können wir lernen. Wir lesen in 2. Samuel 19: „Da wurde der König sehr bewegt, und er stieg hinauf in das Obergemach des Tores und weinte; und während er ging, sprach er also: Mein Sohn Absalom! mein Sohn, mein Sohn Absalom! wäre ich doch an deiner Statt gestorben! Absalom, mein Sohn, mein Sohn! Und es wurde Joab berichtet: Siehe, der König weint und trauert um Absalom. Und der Sieg wurde an jenem Tage zur Trauer für das ganze Volk; denn das Volk hörte an jenem Tage sagen: Der König ist betrübt um seinen Sohn. Und das Volk stahl sich in die Stadt hinein an jenem Tage, wie ein Volk sich wegstiehlt, das zu Schanden geworden, wenn es im Streit geflohen ist. Und der König hatte sein Angesicht verhüllt, und der König schrie mit lauter Stimme: Mein Sohn Absalom! Absalom, mein Sohn, mein Sohn! Da begab sich Joab zum König ins Haus und sprach: Du hast heute das Angesicht aller deiner Knechte beschämt, die heute dein Leben errettet haben und das Leben deiner Söhne und deiner Töchter, und das Leben deiner Weiber und das Leben deiner Nebenfrauen, indem du liebst die dich hassen, und hasst die dich lieben; denn du hast heute kundgetan, dass dir Oberste und Knechte nichts sind; denn heute erkenne ich, dass, wenn Absalom lebendig und wir alle heute tot wären, dass es dann recht wäre in deinen Augen“ (2Sam 19,1–7). Hier wird das Leid eines Vaters beschrieben, dem ein Kind entrissen wurde. Der Schmerz war so groß, dass alles andere unwichtig wurde. Wir sehen, wie sehr dieses Erlebnis David angriff. Schmerzt es uns nicht ebenfalls sehr, wenn eines unserer Kinder verkehrte Wege geht? Schmerzt es uns alle noch, wenn ein Kind unserer Mitgeschwister verkehrte Wege geht? Können wir darüber weinen?
Es gibt noch andere Kinder
Aber wir können hieraus auch lernen, dass, wenn ein Kind in der Familie einen eigenen Weg geht, wir als Eltern nicht vergessen dürfen, dass auch noch andere Kinder da sind. Denn auch das geschieht oft, dass alle Aufmerksamkeit und alle Zeit dem Kind zugewandt wird, das den Eltern Sorge bereitet, und die anderen Kinder dann sagen: „Vater, Mutter, wo seid ihr? Ich bin auch noch da!“ Ich kenne ein liebes Kind, das einmal sagte: „Vielleicht muss ich auch einmal einen falschen Weg gehen, damit ich mehr Aufmerksamkeit von meinem Vater oder meiner Mutter bekomme.“ Deshalb diese Warnung, dass wir die anderen Kinder nicht vernachlässigen! Die anderen Kinder sind auch unsere Kinder und brauchen genauso unsere Aufmerksamkeit, Liebe und Zuneigung. Joab sagte nach dieser Begebenheit zu David: „Denn heute erkenne ich, dass, wenn Absalom lebendig und wir alle heute tot wären, dass es dann recht wäre in deinen Augen.“ Das hat sich David dann zu Herzen genommen. In einer Familie, wo ein Kind einen falschen Weg geht, sollen die Eltern auch die anderen Kinder im Auge behalten und ihnen Zeit widmen. Das ist möglich, und Gott will, dass wir das tun. Wir müssen dahin kommen, unsere Kinder Gott zu übergeben, auch das Kind, das uns Sorgen bereitet. Wir müssen lernen, dass Gottes Sorge für dieses „Problemkind“ viel umfassender ist als unsere Sorge. Er geht mit dem Kind, das Er uns anvertraut hat, seinen Weg. Und wenn wir dahin kommen, es Ihm zu übergeben, dann kann Er mit diesem Kind weitergehen. Er kommt dann mit diesem Kind zu seinem Ziel. Wir müssen es lernen, Ihm unsere Kinder zu übergeben. Ich weiß, dass das sehr schwierig ist. Aber es ist Gottes Plan mit unseren Kindern.
Unrealistische Erwartungen
Als Eltern können wir erschütternde Entdeckungen machen: Unflätige Briefe, Drogenmissbrauch, Diebstahl aus der Geldbörse und in Geschäften, die Schule schwänzen, Inzest (Blutschande) in der eigenen Familie. All das kann in unseren christlichen Familien geschehen, denn unsere Kinder sind nicht besser als die Kinder von Ungläubigen. Wenn wir von solchen Dingen hören, kann es sein, dass wir mit Wutausbrüchen reagieren. Zweierlei Ursachen können für solche Wutausbrüche von Eltern genannt werden: Die eine Ursache hat mit unrealistischen Erwartungen an unsere Kinder zu tun und die andere damit, dass wir uns um das Verhalten der Kinder vorher fast nicht gekümmert haben. Erfüllen sich unsere Erwartungen nicht, werden wir böse. Doch wenn unsere Kinder eine Unart haben oder sich schlecht benehmen, können wir nicht erwarten, dass sich das nach der ersten Warnung ändert. Besser stellt man sich darauf ein, dass es eine gewisse Zeit dauert, bis die Kinder sich diese Unart abgewöhnt haben. Es kann hilfreich sein, daran zu denken, wie oft meine Eltern mich bitten mussten, mit etwas aufzuhören oder etwas zu tun, und ich auch nicht immer sofort gehorchte. Es geht nicht darum, Falsches gutzuheißen und eine Unart einfach zu übergehen. Es geht darum, dass wir nicht in einer Weise böse werden, dass wir unsere Selbstbeherrschung (die zu der Frucht des Geistes gehört – Gal 5,22–23a) verlieren und dadurch in Wut ausbrechen.
Unsere falschen Erwartungen können ihre Ursache in einem besonderen Ordnungsfimmel haben. Das Zimmer muss einfach immer nett und sauber sein. Zank mit Bruder oder Schwester darf nicht sein. Manchmal kommen unsere Erwartungen aus unserem Egoismus hervor und haben mit persönlichem Stolz und Befriedigung zu tun. Die Frage ist nicht nur, was wir erwarten, sondern auch, warum wir etwas erwarten. Als Eltern wollen wir die Dinge unter Kontrolle haben. Aber, wie gesagt, unsere Kinder sind kein lebloses Mobiliar, das wir jede Woche hin und her schieben, wie es uns gefällt. Unsere Kinder sind Menschen mit einem eigenen Willen und einer eigenen Verantwortung.
Mein Kind ist mein Stolz
Warum werden wir manchmal wütend? Weil mein Kind durch sein Benehmen meinen Namen befleckt. Meinem Namen wird durch das Verhalten meines Kindes geschadet. Geht es um Dinge wie mangelhaftes Benehmen oder Unarten, mag das nicht so gravierend sein. Wenn es aber um Dinge geht, wie wir sie von zwei Söhnen Jakobs lesen, ist das schlimmer. Jakob sagt: „Ihr habt mich in Trübsal gebracht, indem ihr mich stinkend macht unter den Bewohnern des Landes“ (1Mo 34,30). Sein Ruf war beschmutzt. Das war schmerzlicher für ihn als das, was seine Söhne getan hatten. Wutausbrüche kommen, wenn wir vergessen, wie wir selbst als Kinder waren. Erst wenn wir das bedenken, bekommen wir Verständnis für das Handeln unserer Kinder. Dann können wir verstehen, dass unser Kind so etwas getan hat, wenn wir es auch nicht gutheißen können. Es ist wichtig, das Kind zu akzeptieren und das Böse zu hassen. Wir müssen lernen, über die Sünde zu reden und sie abzuweisen, ohne das Kind abzuweisen. Wir wissen, dass Sünde auch in der Gemeinde etwas Schreckliches ist. Das ist für Gott so, das soll auch für uns so sein. Aber Hass gegenüber der Sünde darf nie auf Kosten der Liebe zu dem gehen, der sündigt.
Was Gott für mich ist, darf ich für mein Kind sein
Die Grundregel für Elternschaft ist: Das, was Gott für mich ist, darf ich für mein Kind sein. So wie Er mit mir handelt, soll auch ich mit meinen Kindern handeln. Alle seine Eigenschaften, die Er mir gezeigt hat, soll ich auch meinen Kindern zeigen. Denn für meine Kinder bin ich an Gottes Stelle. Immer dann, wenn wir als Eltern wirklich geistlich reagieren, zeigen wir etwas mehr davon, wie Gott ist. Ich habe einen Willen, der stärker sein kann als meine Schmerzen. Dadurch wird es möglich, mich selbst zu bezwingen, nach meinen Kindern zu sehen und mich an meine eigene Kindheit zu erinnern. Ich weiß, wie schwierig es sein kann, in bestimmten Situationen meine Gefühle und Reaktionen unter Kontrolle zu haben. Ich brauche mich nur daran zu erinnern, wie schwer ich bestimmten Versuchungen widerstehen konnte. Der Vater in Lukas 15 ließ den verlorenen Sohn gehen. So handelt Gott mit uns. Er könnte uns durchaus zu bestimmten Handlungen zwingen, aber Er weigert sich, es zu tun. Wenn wir nicht hören wollen, bekommen wir die Folgen unserer eigenen Wahl zu spüren. Wir können unsere Kinder nicht ständig korrigieren. Was wir als Eltern im Blick auf unsere Kinder und ihre Erziehung am besten tun können, ist, darüber nachzudenken, was Gott für uns, ja, für mich ist. So wie Er mit mir handelt, so will ich für meine Kinder da sein und mit ihnen handeln.
Wie habe ich Gott kennen gelernt?
Wie steht es um unseren Umgang mit Gott, unserem Vater? Welches Bild haben wir von Ihm? Was bedeutet Er für uns? Das Bild, das wir von Gott haben, überträgt sich unweigerlich auf unsere Kinder. Deshalb ist es nötig, dass wir uns ständig mit dem Wort Gottes beschäftigen, damit wir hören, was Er uns zu sagen hat. Wenn wir in dieser Weise mit Gott umgehen, Ihn wirklich als Vater kennen, als einen Gott, der jeden Menschen unter Verantwortung gestellt hat und ihn dafür auch zur Rechenschaft ziehen wird, dann wird sich das auch auf den Umgang mit unseren Kindern auswirken.
Gott ist Licht und Gott ist Liebe. Zweimal lesen wir in Gottes Wort: „Gott ist Liebe“ (1Joh 4,8.16), und einmal: „Gott ist Licht“ (1Joh 1,5). Wir dürfen das Böse in unserem Kind niemals gutheißen! Aber wir müssen das Kind lieben, so wie Gott uns liebt. Es kann sein, dass die Beziehung zu diesem Kind abgebrochen werden muss, weil es einen derart falschen Weg geht, dass der weitere Umgang zum Verderben der ganzen Familie führen würde. Das können wir nicht zulassen. Dann müssen wir sagen: „Wir können in dieser Situation nicht miteinander gehen.“ Gott ist Licht. Und dennoch bleibt Gott Liebe. Wir haben bereits in Lukas 15 gesehen, wie der Vater dem Sohn nachschaute, als dieser wegzog. Er hielt Ausschau, bis er wiederkam. Als der Sohn dann zu sich selbst kam und sich an seinen Vater erinnerte, stand er auf und nahm sich vor, zu ihm zu sagen: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen.“ Und dann ging er zurück zu seinem Vater!