Ein noch größerer Schock
Wenn unsere Kinder Dinge tun, die wir für unmöglich gehalten hatten, so sind solche Dinge ein Schock für uns. Es gibt aber etwas, was noch schwerer zu verstehen ist und einen noch größeren Schock für uns bedeutet, nämlich wenn wir Dinge von Gott erwarten und dann in unseren Erwartungen enttäuscht werden. Es geschehen Dinge unter Gottes Zulassung, die wir nicht für möglich gehalten hätten, so dass wir uns fragen: „Wie kann Gott so etwas zulassen?“ Wir lesen in der Bibel öfter von Verheißungen: „Wenn ihr dies oder das tut, wird das und das nicht geschehen oder werdet ihr das und das bekommen.“ Einen Vers in Verbindung mit der Kindererziehung finden wir in Sprüche 22: „Erziehe den Knaben seinem Wege gemäß; er wird nicht davon weichen, auch wenn er alt wird“ (Spr 22,6). Ist das nicht eine gute Verheißung? Voraussetzung dazu ist allerdings, dass wir als Eltern unsere Kinder ihrem „Wege gemäß“ erziehen, dann haben wir nach Gottes Wort die Zusage, dass sie nicht davon weichen werden, wenn sie alt geworden sind. Wie viele Eltern haben schon gesagt: „Genau das haben wir getan, und nun sieh dir doch an, was geschehen ist.“ Um diesen Enttäuschungen gegenüber Gott und seinem Wort vorzubeugen, ist es nötig zu verstehen, was wirklich da steht.
Eine allgemeine Regel und Ausnahmen
Wenn wir das Buch der Sprüche lesen, müssen wir wissen, dass dieses Buch zur Weisheitsliteratur gehört. Dieses Buch hat jemand geschrieben, der dadurch Weisheit erlangt hat, dass er seine Umgebung sehr genau beobachtet hat, und an Hand dieser Beobachtungen hat er sich Gedanken darüber gemacht, wie es im Alltag zugeht. Und er hat gesehen, dass gute Eltern im Allgemeinen auch gute Kinder haben und schlechte Eltern schlechte Kinder. Dennoch sehen wir, dass auch schlechte Eltern zuweilen gute Kinder haben. Wie kommt das? Vielleicht weil diese Kinder zu Hause viel Zank, Streit und Trunksucht miterlebt haben und für sich den Schluss daraus gezogen haben: „Das soll es in meinem Haus nicht geben!“ Und sie erziehen ihre Kinder gut. Ich kenne genauso Eltern, die viel Wärme und Liebe ausstrahlten, die standhaft, weise und selbstlos waren und doch mindestens ein Kind hatten, das viele Sorgen und Probleme verursachte. Natürlich macht es etwas aus, wie Eltern sind. Anders gesagt, es gibt allgemeine Regeln. Gute Eltern bekommen nicht so schnell Problemkinder wie schlechte Eltern. In stabilen Familien wird man mit größerer Wahrscheinlichkeit ausgeglichenere Kinder antreffen als in instabilen Familien. Aber weiter können wir nicht gehen. Es gibt kein Gesetz der Meder und Perser, das besagt: Gute Eltern bekommen immer gute Kinder und schlechte Eltern bekommen immer schlechte Kinder.
Ein guter Bekannter erzählte mir, wie seine Tochter eine Beziehung zu einem Mann angeknüpft hat, der mehr als zwanzig Jahre älter war als sie, zweimal geschieden war und eine Tochter von siebenundzwanzig Jahren hatte. Man kann sich nicht vorstellen, wie so etwas möglich ist. Aber die Tochter wollte nicht auf ihre Eltern hören, sondern machte ihnen nur Vorwürfe. Und ich weiß, wie viel Wärme und Liebe dieses Kind bei seinen Eltern empfangen hat. Wie kommt es dann, dass die Tochter einen solchen Weg einschlägt? Die Antwort ist: Weil das Kind persönlich seine Entscheidung trifft und für sein Tun verantwortlich ist. Für die Eltern bringt ein solcher Weg ihrer Kinder natürlich Leid und Schmerz mit sich.
Licht im dunklen Tal
Aber sind solche schweren Umstände nicht geeignet, Gott näher zu kommen? Benutzt Gott die Umstände, wenn unsere Kinder eigene Wege gehen, nicht dazu, uns Eltern näher zu sich zu ziehen? Er möchte, dass wir zu Ihm unsere Zuflucht nehmen. Oft haben Eltern aus eigenem Erleben gesagt: „Wenn ich dies oder jenes nicht durchlebt hätte, dann wäre Gott nicht so groß für mich geworden, wie Er es jetzt ist, denn ich habe in meinem Schmerz so viel Liebe und Trost von Ihm empfangen.“ In einem uns gut bekannten Lied heißt es: „Bist unser Licht im dunklen Tal.“ Nie strahlt das Licht heller, als wenn wir in solch dunklen Umständen sind. Dann sind wir am empfänglichsten für das, was Gott uns sagen und lehren will. So ist Er. Er geht mit unseren Kindern einen Weg, aber Er geht auch mit uns selbst seinen Weg.