Die Ursache?
Soviel vorweg: So einfach lässt sich die Schuldfrage bzw. die Ursachenfrage natürlich nicht lösen. Das wäre wahrlich zu billig, wenn wir zu dem Schluss kämen: Dass unsere Kinder eigene Wege gehen, war gar nicht anders möglich. Der Zustand unserer Gesellschaft ist dafür allein verantwortlich, und wir als christliche Eltern und unsere Kinder sind diesen Einflüssen gegenüber machtlos. Deshalb musste alles so kommen mit unseren Kindern. Nein, das wäre genau dasselbe, als würde man sagen, dass Gott die Ursache für den Sündenfall ist. Machte Er nicht einen Baum, der so schön war, dass Eva der Versuchung erliegen musste, davon zu essen? Gleichwohl sollten wir uns bewusst sein, dass wir in einer besonders schweren Zeit leben, in der die Erziehung unter besonders ungünstigen Vorzeichen steht.
Geschichte der Erziehung
Einige äußere Umstände, die Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben, sind das Milieu, in dem es aufwächst und worin ihm die Erziehung zuteil wird. Ich beschränke mich auf einige Hinweise auf die Erziehung. Im Allgemeinen können wir sagen, dass die Kindererziehung bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts in dem Sinn recht einfach war, dass die Tradition eine wesentliche Rolle spielte. Eltern hatten nicht so viele Schwierigkeiten wie heute, ihre Kinder zu erziehen, denn die Tradition schrieb vor, wie das zu geschehen hatte. Wenn Kinder falsche Wege gingen, waren Eltern geneigt, die Schuld den Kindern zuzuschreiben und nicht sich selbst. Dann kamen zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Verhaltenswissenschaftler und die Pädagogen und boten ihre Hilfe bei Erziehungsproblemen an. Diese Wissenschaftler meinten die Ursache zu den Problemen gefunden zu haben, wenn Kinder eigene Wege gingen. Die Schuld wurde nun vor allem bei den Eltern und Vorfahren gesucht und aus Verhaltensmustern der Vorfahren abgeleitet. Schade, dass die Wissenschaftler nur wenige Generationen zurückgingen und nicht bis zu der „Generation“, bei der sie tatsächlich Aufschluss über die Ursache auch dieser Probleme erhalten hätten, nämlich zu der ersten Generation, der Generation Adams. Dort liegt die wahre Ursache. Dass Kinder verkehrte Wege gehen können, liegt daran, dass wir als Eltern unseren Kinder eine Natur mitgegeben haben, die sie befähigt, verkehrte, gottlose Wege gehen zu können.
Methoden der Erziehung
Die Pädagogen boten nun ihre Methoden zur Kindererziehung an. Mit diesen scheinbar „wissenschaftlichen“ Methoden war allerdings eine große Unsicherheit verbunden. Die Pädagogen sagten: Ein Kind mit diesen Problemen musst du so behandeln. Aber wenige Monate oder Jahre später waren gerade diese „pädagogischen Lösungen“, die damals den Anschein hatten, gut zu sein, völlig überholt. Denn andere Pädagogen hatten andere „wissenschaftliche“ Erkenntnisse. Und so kann man heute unter einer Vielzahl unterschiedlicher pädagogischer Konzepte wählen. Wenn Menschen uns sagen, wie wir unsere Kinder erziehen müssen, geraten wir in Unsicherheit.
Die Tradition war zwar nicht alles. Da gab es manche, die zu streng waren, und andere, die zu tolerant waren. Aber sie hatte jedenfalls (und ich verherrliche keineswegs die Tradition) den Vorteil: sie war deutlich. Die Kinder wussten, woran sie waren. Die Eltern wussten, warum sie so oder so handelten; sie handelten aus Überzeugung. Kinder brauchen im positiven Sinn „selbstsichere“ Eltern. Wenn Eltern nicht mehr wissen, warum sie etwas tun, können sie nicht von ihren Kindern erwarten, dass sie ihnen in dieser Unsicherheit folgen. Diese Unsicherheit bei der Erziehung ist eine der Ursachen, dass unsere Kinder verkehrte Wege gehen.