Einleitung
Gideon ist kein Befreier, dem nur ein Vers gewidmet wird, wie Schamgar. Er ist auch kein Befreier, der von einer Frau überschattet wird, wie Barak. In Gideon wird uns ein Befreier vorgestellt, der von Gott selbst erweckt und ausgebildet wird. Anders als bei den zuvor erwähnten Richtern, werden wir bei Gideon in die Lage versetzt, seine persönlichen Übungen zu sehen und wie er dazu gebracht wird, mit Gottes Gedanken auf eine Linie zu kommen.
Gott geht mit Gideon an die Arbeit. Mit Weisheit und Geduld macht Gott aus Gideon ein Werkzeug, das Er zum Segen seines Volkes gebrauchen kann. Gottes Handlungsweise mit Gideon ist ein Vorbild davon, wie Gott jeden, der Ihn kennt, liebt und danach verlangt, Ihm zu dienen, auf den Dienst für Ihn vorbereitet. Der Dienst besteht dann nicht aus einer einmaligen Handlung, sondern aus einem ganzen Leben der Dienstbarkeit.
1 In der Hand der Midianiter
1 Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des HERRN; und der HERR gab sie sieben Jahre in die Hand Midians.
Nach vierzig Jahren Ruhe ist es wieder soweit. Es ist eine neue Generation in Israel aufgestanden. Für sie sind Gottes Bemühungen mit seinem Volk in der Vergangenheit nur Tradition. Dieses neue Geschlecht ist nicht besser als das ihrer Väter. Auch sie tun, was böse ist in den Augen des HERRN. Wieder muss Gott seine Zucht über das Volk kommen lassen. Er liebt sie zu sehr, um sie auf dem verkehrten Weg weitergehen zu lassen.
Gott will Umgang mit seinem Volk. Er will ihnen gerne mitteilen, was für sie in seinem Herzen ist. Er möchte auch gern, dass sie Ihm mitteilen, was für Ihn in ihrem Herzen ist. Wie muss es Gott traurig stimmen, wenn Er sehen muss, wie sein Volk so auf all seine Liebe reagiert. Er will sein Volk durch die Gemeinschaft mit Ihm lehren und unterweisen, doch wenn sie das nicht wollen, muss Er es durch die Hand eines Feindes belehren und unterweisen.
Diesmal gebraucht Gott Midian. Midian ist ein mit Israel verwandtes Volk. Sie sind über Abraham miteinander verbunden. Midian ist ein Sohn Abrahams und seiner Frau Ketura (1Mo 25,1.2). Sieben Jahre, das spricht von einem vollkommenen Zeitabschnitt, seufzen die Israeliten unter dieser Fremdherrschaft. Der Name Midian bedeutet „Zank“. Ist dieser Feind nicht im Leben vieler abgewichener Christen wiederzuerkennen? Ist er nicht auch in Glaubensgemeinschaften gegenwärtig, wo man im Widerspruch zueinander steht? In den folgenden Versen werden wir die Auswirkung davon sehen.
2 In den Klüften, Höhlen und Bergfestungen
2 Und die Hand Midians wurde stark über Israel. Vor Midian richteten sich die Kinder Israel die Klüfte zu, die in den Bergen sind, und die Höhlen und die Bergfestungen.
Noch nie waren die Israeliten so tief gesunken. Sie wurden dazu gezwungen, Vagabunden und Flüchtlinge in ihrem eigenen Land zu sein, und sie verloren ihre Freiheit. Das ist das Ergebnis, wenn Gottes Volk die Dinge Gottes nicht mehr schätzt. Das Volk wird zerstreut, jeder gräbt seinen eigenen Unterschlupf, es gibt keine Einheit mehr.
In einer Gemeinschaft von Christen, in der man sich nicht mehr gemeinsam mit den Segnungen, die Gott gegeben hat, beschäftigen kann, wo man nicht mehr gemeinsam auf die Bibel hört, gewinnen Zwist und Streit leicht die Überhand. Anstatt gemeinsam auf den Herrn Jesus zu blicken, blickt man aufeinander, wobei man dann nicht versucht, etwas vom Herrn Jesus aneinander zu entdecken, sondern aneinander Anstoß nimmt. Die Verhältnisse können dann so getrübt werden, dass man kein Vertrauen aufeinander mehr hat.
Anstatt Freundschaft, Offenheit, Vertrauen und Freiheit zu pflegen, hält man seinen Mund und weicht einander aus. Argwohn und Geflüster hinter der Hand entstehen. Man hat sich in seine eigenen Stellungen eingegraben, die Höhlen und Bergfestungen. Es wird ein Grabenkrieg. Das Ende vom Lied ist, dass man anfängt, einander zu beißen und zu fressen (Gal 5,15). So wird das Schöne der christlichen Gemeinschaft verdorben und werden langwierige Freundschaften zerbrochen. Manches Leben wird bitter, und Glaubensgemeinschaften brechen auseinander.
3 Wenn Israel gesät hat
3 Und es geschah, wenn Israel gesät hatte, so zogen Midian und Amalek und die Söhne des Ostens herauf, sie zogen herauf gegen sie.
Der Feind weiß genau, wann er kommen muss: im Augenblick, als gesät worden ist. Er wird alles tun, um zu verhindern, dass das Gesäte aufwächst, so dass es keine Nahrung für das Volk gibt und es kraftlos wird. Um den Gläubigen zu schwächen, tut Satan sein Äußerstes, damit er ihm seine Nahrung wegnehmen kann. Durch allerlei Mittel hält er ihn davon ab, die Bibel zu lesen oder die Zusammenkünfte zur Auferbauung zu besuchen. Er weiß dabei sehr gut, welches Mittel er bei dir gebrauchen kann; er kann aus einem gewaltigen Arsenal schöpfen.
Die Midianiter kommen nicht allein. Amalek ist auch dabei. Amalek ist ein Bild des Fleisches. Diese beiden Feinde gehen immer Hand in Hand. In Galater 5 wird als eines der Werke des Fleisches „Zank“ genannt (Gal 5,19.20). Ihm folgen eine Menge Erscheinungsformen des Bösen, die wir in den „Söhnen des Ostens“ vorgestellt sehen. Der Satan mobilisiert all seine Kräfte, um zu verhindern, dass ein Gläubiger auch nur etwas von den Früchten des Landes einsammelt.
4 - 5 Kleinvieh noch Rind, noch Esel
4 Und sie lagerten sich gegen sie und verdarben den Ertrag des Landes bis nach Gaza hin; und sie ließen keine Lebensmittel in Israel übrig, weder Kleinvieh noch Rind, noch Esel. 5 Denn sie zogen herauf mit ihren Herden und mit ihren Zelten, sie kamen wie die Heuschrecken an Menge; und sie und ihre Kamele waren ohne Zahl; und sie kamen in das Land, um es zu verderben.
Gaza ist eine Stadt der Philister. Die Philister machen sich hier, ebenso wie anderswo, mit den Feinden Israels eins. Gaza ist ein großer Lagerort für gestohlene Güter, die von den Midianitern dorthin gebracht wurden. Der Ertrag des Landes gelangt also schließlich in die Hände der Philister.
Wir haben schon früher gesehen, dass die Philister Namenschristen vorstellen. Es sind Menschen, die behaupten, zum Volk Gottes zu gehören, die jedoch in Wirklichkeit außerhalb stehen, weil sie kein Leben aus Gott haben. Sie beanspruchen die Frucht des Landes, den geistlichen Segen, für sich selbst, während sie ihn denjenigen rauben, die wirklich das Volk Gottes bilden. Dies kann allein durch die Untreue des Volkes Gottes, der Gemeinde, geschehen, weil sie nicht in dem leben, was Gott geschenkt hat. Die gemeinsamen Feinde sorgen dafür, dass kein Essen für Gottes Volk übrigbleibt. Die Folge davon ist, dass keine Kraft vorhanden ist.
Was ist von der Gemeinde übriggeblieben, wenn es um ihr Zeugnis in der Welt geht? Schau nur einmal im Buch Apostelgeschichte, wie kräftig ihr Zeugnis am Anfang war. Diese Kraft ist verschwunden. Eine der Ursachen dafür ist, dass in der Christenheit die Bibel nicht mehr als die wirkliche Nahrung den Menschen vorgehalten wird. Menschen, die den Geist nicht besitzen, haben die Bibel „erobert“ und legen sie nach ihren eigenen Einsichten aus. Eine andere Ursache besteht darin, dass Christen selbst nicht für das reine Wort Gottes offen sind. Paulus warnt Timotheus davor, dass eine Zeit kommen würde, „da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt“ (2Tim 4,3).
So bleiben „keine Lebensmittel in Israel übrig, weder Kleinvieh noch Rinder, noch Esel“. Wenn die Bibel keine Nahrung für den Christen mehr enthält, ist es auch um Opfer, wovon Kleinvieh und Rind sprechen, und den Dienst für den Herrn, wovon der Esel spricht, geschehen.
6 Sehr verarmt
6 Und Israel verarmte sehr wegen Midian; und die Kinder Israel schrien zu dem HERRN.
Das Land, von dem Gott gesagt hate „in dem du nicht in Dürftigkeit Brot essen wirst“ (5Mo 8,9), war in große Armut gekommen. Wenn die Bibel im Haus ist, haben wir damit alle Schätze des Himmels in greifbarer Nähe. Doch wenn wir nicht dazu kommen, die Bibel zu öffnen und sie betend zu lesen, haben wir nichts davon.
Wir können wissen, dass wir im Land wohnen, mit anderen Worten, dass wir „gesegnet“ sind „mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen [Örtern] in Christus“ (Eph 1,3), aber was haben wir davon, wenn unser Leben von Bitterkeit und Zank beherrscht wird? Wir sind dann trotz unseres Reichtums Armutssammler. Es wird Zeit, um zu Gott zu schreien, so wie es die Israeliten taten, damit Er einen Ausweg schenkt.
7 - 10 Ein Prophet und seine Botschaft
7 Und es geschah, als die Kinder Israel wegen Midian zu dem HERRN schrien, 8 da sandte der HERR einen Propheten zu den Kindern Israel; und er sprach zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe euch aus Ägypten heraufgeführt und euch herausgeführt aus dem Haus der Knechtschaft; 9 und ich habe euch errettet aus der Hand der Ägypter und aus der Hand all eurer Bedrücker, und ich habe sie vor euch vertrieben und euch ihr Land gegeben. 10 Und ich sprach zu euch: Ich bin der HERR, euer Gott; ihr sollt nicht die Götter der Amoriter fürchten, in deren Land ihr wohnt. Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht.
Das Geschrei der Israeliten wird von Gott beantwortet, allerdings nicht mit einer direkten Befreiung. Die Antwort Gottes ist nicht das, was sie erwartet hatten. Bevor Gott sein Volk zu befreien beginnt, muss erst etwas anderes geschehen. Um das zu bewirken, bedient Gott sich zum ersten Mal in diesem Buch eines Propheten. Gott will nämlich, dass sein Volk die Sünde in ihrem Gewissen zu fühlen beginnt.
Ihr Geschrei war offenkundig nur die Folge ihres Elends und wurde nicht durch dessen Ursprung verursacht. Gottes heilige Weisheit offenbart als Antwort auf ihr Geschrei, durch den Propheten, die Ursache ihres Elends, damit das Volk zu einer gründlichen Verurteilung dieser Ursache kommt. Allein dann kann von einer dauerhaften Wiederherstellung die Rede sein.
Der Prophet spricht durch den Geist Gottes, der das Gewissen des Volkes wachrüttelt und erkennen lässt, wo es abgewichen ist. Das ist keine Aufgabe, die mit Dank aufgenommen wird. Jeremia hat am eigenen Leib erfahren, wie man ihm wegen der Worte, die er im Namen Gottes sprach, nach dem Leben trachtete. Ja, solange Propheten Dinge sagen, die Menschen gerne hören, brauchen sie nichts Böses zu befürchten (Jes 30,10). Solche Propheten haben oft großen Erfolg, aber das Resultat wird nicht von langer Dauer sein.
Wenn Gott einen Propheten sendet, der das Volk auf sein Versagen hinweist, geschieht das, damit das Verkehrte eingesehen und bekannt wird, so dass für Gott der Weg wieder frei ist, sie zu segnen. Gottes Endziel ist immer Segen. Darum kann ein Bekenntnis keine flüchtige, oberflächliche Sache sein. Ein solches Bekenntnis bewirkt keine echte Bekehrung. Wenn im Leben eines Gläubigen etwas schiefgegangen ist, ist es notwendig, dass nicht allein der Fehler bekannt wird, sondern auch seine Ursache eingesehen wird. Jemand wird erst wiederhergestellt, wenn er zu der aufrichtigen Erkenntnis gekommen ist, dass seine Sünde aus seiner sündigen Natur hervorging.
Eine Sünde ist kein Schönheitsfehler, sondern sie ist eine Äußerung des sündigen Fleisches, das nicht an dem Ort gehalten worden ist, wo es hingehört, nämlich im Tod. Wer dies aufrichtig anerkennt, sucht keine Entschuldigungen für seine Handlungsweise mehr, er sucht auch nicht nach mildernden Umständen. Ehrliches Selbstgericht, ohne andere für schuldig oder mitschuldig zu erklären, ist der beste Beweis für die Wahrhaftigkeit des Bekenntnisses eines Menschen.
Der Name des Propheten wird nicht genannt, er tut nichts zur Sache. Bei einem Propheten geht es um seine Botschaft. Er zeugt von Gottes Taten zugunsten seines Volkes in der Vergangenheit. Aufseiten Gottes gibt es kein Versagen. Der Prophet stellt die Treue Gottes dem Ungehorsam des Volkes gegenüber. Das Gute, das Gott für sie getan hatte, hätte Anlass genug dafür sein müssen, Ihm treu zu bleiben. Außerdem hatte er sie gewarnt, keine anderen Götter zu verehren. Leider muss das Schlusswort, die Schlussfolgerung des Propheten sein: „Aber ihr habt meiner Stimme nicht gehorcht.“ Diese Aussage muss tief in das Gewissen des Volkes dringen und dort ihr heilsames Werk tun.
Inzwischen wird das Werkzeug für seine Aufgabe zubereitet. Ihn, Gideon, hat Gott dazu auserwählt, sein Volk zu erlösen.
11 Gideon
11 Und der Engel des HERRN kam und setzte sich unter die Terebinthe, die in Ophra war, das Joas, dem Abieseriter, gehörte. Und Gideon, sein Sohn, schlug gerade Weizen aus in der Kelter, um ihn vor Midian in Sicherheit zu bringen.
Der Engel des HERRN – das ist der Herr Jesus, wie wir früher gesehen haben – besucht Gideon. Dieser ist schwer mit dem Ertrag des Landes beschäftigt; den will er nicht in die Hände der Midianiter fallen lassen, sondern ihn selbst genießen.
Die Bedeutung der Namen in diesem Vers vermittelt uns einen Eindruck von der Geisteshaltung Gideons. Ophra bedeutet „Staub“. Jemand, der sich der Schande des Volkes Gottes, das der Welt unterworfen ist, wirklich bewusst ist, wird sich im Staub befinden. Dort gibt es kein Rühmen wegen einer bestimmten Position, sondern Demut. Joas heißt „der HERR ist Unterstützung“. Jemand, der die Schwachheit und Hoffnungslosigkeit der Lage, in der sich Gottes Volk befindet, kennt, wird seine Stütze im Herrn suchen und finden.
Bei dem Namen Abieser, der „mein Vater ist Hilfe“ bedeutet, können wir an dasselbe denken, während der Gedanke an eine Beziehung diesem Gedanken hinzugefügt wird. Wir dürfen Gott als Vater kennen. Gideon bedeutet „Niederhauer“. Alles, was sich selbst erhöht, muss niedergehauen werden. Bald wird er diesem Namen öffentlich Ehre bereiten, jetzt bereitet er diesem Namen Ehre, indem er sich selbst in den Staub (Ophra) niederwirft.
Bei Ophra steht eine Terebinthe oder Eiche. Das Wort Terebinthe bedeutet buchstäblich „ein starker Baum“. Wenn wir nun diese beiden, Terebinthe und Ophra, kombinieren, sehen wir das Zusammengehen von Kraft und Schwachheit zutage treten. Wir werden in der Geschichte Gideons sehen, wie die Kraft Gottes in der Schwachheit Gideons wirksam ist.
Gideon beschäftigt sich damit, Weizen in der Kelter, einem ungewöhnlichen Ort, auszuschlagen. Die Kelter war leer, das heißt, dass es keine Freude gab. Wein ist ein Bild der Freude (Ri 9,13). Die Kelter stellt auch Gericht vor (Jes 63,2.3). In Tagen von Zank und Streit – wenn Midian die Oberhand hat – können wir nur bei der Kelter Nahrung bekommen, das heißt in der Anerkennung des Gerichts, das Gott über uns bringen musste.
Wer sich wirklich unter dieses Gericht beugt, darf auf das Kreuz blicken. Das ist schließlich der Ort, wo das Gericht Gottes über unsere Untreue an dem Herrn Jesus vollzogen wurde. Für den Glauben gibt es dort allezeit Nahrung, und dort allein sind wir vor „Midian“, dem Geist des Zanks, sicher, denn der kann beim Kreuz nicht bestehen.
Gideon stellt einen Grundsatz vor: einen Geist oder eine Gesinnung, die das Volk vom Streit befreien kann. Er war unbewusst damit beschäftigt, sich dafür vorzubereiten, der Befreier des Volkes zu werden. Wer sich mit dem Herrn Jesus und mit seinem Werk am Kreuz, wie es im Wort Gottes beschrieben wird, beschäftigt, kann in einem bestimmten Augenblick von Gott dazu gebraucht werden, ein Führer, Hirte, Ältester oder Befreier zu sein.
12 Der HERR ist mit dir
12 Und der Engel des HERRN erschien ihm und sprach zu ihm: Der HERR ist mit dir, du tapferer Held!
Gideon wird erschrocken aufgeblickt haben, als er plötzlich eine Stimme hörte, die zu ihm sagte: „Der HERR ist mit dir.“ Dennoch wird er nicht ängstlich; das wird er erst in Vers 22, als es ihm bewusst wird, wer ihn gerade besucht. Und was sollen wir von dem Ausdruck „du tapferer Held“ denken? Von Tapferkeit ist auf den ersten Blick nichts bei diesem Mann zu sehen, der sich vor dem Feind versteckt. Aber für Gott zählt, dass Gideon fest entschlossen ist, sich selbst mit Nahrung zu versorgen. Trotz der Übermacht des Feindes, trotz der Angst bei den Israeliten, ist hier ein Mann, der sich mit der Frucht des Landes beschäftigt. Die persönliche Treue in einer Zeit, in der sich jeder zurückzieht, steht hier im Vordergrund. Das nennt Gott Tapferkeit. Dann sind wir in seinen Augen auch ein Held.
Wenn wir uns persönlich damit beschäftigen, Nahrung aus Gottes Wort aufzunehmen und uns nicht an dem „Zank“ in unserer Umgebung beteiligen und uns nicht damit abfinden, werden wir die besondere Nähe des Herrn erfahren und hören, dass der Herr mit uns ist. Diese Zusage gilt für jeden Moment, in dem wir uns mit der Bibel auf eine Weise beschäftigen, dass wir deutlich die Stimme Gottes hören können. Diese Zusage gilt auch für alle Aufträge, die wir von Ihm zu hören bekommen werden. So beginnt Gott sein Gespräch mit Gideon. Ist das nicht ein ermutigender Beginn?
13 Wo sind alle Wunder Gottes?
13 Und Gideon sprach zu ihm: Bitte, mein Herr, wenn der HERR mit uns ist, warum hat denn dies alles uns betroffen? Und wo sind alle seine Wunder, die unsere Väter uns erzählt haben, indem sie sprachen: Hat der HERR uns nicht aus Ägypten heraufgeführt? Und nun hat der HERR uns verlassen und uns in die Hand Midians gegeben.
Es entsteht ein Gespräch zwischen Gideon und dem HERRN. Es ist wunderschön zu sehen, wie Er Gideon allen Raum lässt, zu sagen, wie er die Dinge erlebt. Er geht jedes Mal auf die Fragen Gideons ein und beantwortet sie auf eine Weise, wie allein Er das kann.
Die Antworten sind voller Ermutigung für jeden, der von dem Herrn einen bestimmten Auftrag erhält. Wir werden sehen, dass hier viel über die Ausbildung des Knechtes gelernt werden kann – wie wir hoffentlich auch einer sein möchten –, der ein Werk für den Herrn tun darf. Ähnliche Gespräche kommen in der Bibel häufiger vor, wie zum Beispiel zwischen Mose und Gott (2Mo 3,11–22; 4,1–12) und zwischen Ananias und dem Herrn Jesus (Apg 9,10–19).
Wenn wir wissen, dass Gott uns dazu beruft, etwas für Ihn zu tun, dann dürfen wir darüber mit Ihm sprechen. Wir dürfen eventuelle Einwände vorbringen. Gott hört uns zu und nimmt unsere Einwände ernst. Er antwortet. Es gibt eine Bedingung: Gott bleibt mit uns im Gespräch, solange Er bei uns die Bereitschaft sieht, das zu tun, worum Er uns bittet. Wenn unsere Einwände aus Unglauben oder Eigenwillen hervorgehen, macht Gott nicht mit uns weiter.
Es ist noch ein wunderbarer Charakterzug bei Gideon zu sehen. Gott hat gesagt: „Gott ist mit dir, du tapferer Held.“ Was sagt Gideon? „Wenn der HERR mit uns ist.“ Er macht sich selbst mit dem ganzen Volk eins. Auch wenn er persönlich treu ist, beansprucht er Gott nicht für sich allein. Gott ist der Gott des ganzen Volkes. Das Wohl des ganzen Volkes geht ihm zu Herzen und nicht allein sein eigenes Wohl.
Dann kommen die Fragen. Gideon hat von allem gehört, was der HERR zugunsten seines Volkes getan hat, als Er sie aus Ägypten führte. Er zweifelt nicht an der Geschichte des Volkes und an dem, was Gott mit ihnen und für sie getan hat. Aber wo blieb Gott jetzt? War Er nicht mehr derselbe? Ja, Er wohl, aber das Volk nicht. Der HERR hatte sie verstoßen, wenigstens erfährt Gideon es so.
In Römer 11 wird diese Frage auch gestellt: „Hat Gott etwa sein Volk verstoßen?“ (Röm 11,1). Im nächsten Vers kommt die Antwort: „Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er zuvor erkannt hat“ (Röm 11,2). Gott hat sie wegen der Untreue des Volkes eine Zeit lang ihren Feinden preisgeben müssen, aber mit dem Ziel, sie wieder zu sich selbst zurückzubringen. So wird Gott sich auch in der Zukunft durch den großen Befreier, den Messias des Volkes, den Herrn Jesus Christus, über sein Volk erbarmen.
Auch hier, bei Midian, lässt Gott erkennen, dass Er sein Volk nicht verstoßen hat. Er bereitet einen Befreier für seine Aufgabe zu: Gideon. Wenn wir ihn in diesem Vers sprechen hören, dann sehen wir zwei Dinge, die bei jemandem, der von Gott zu einer Aufgabe inmitten seines Volkes berufen wird, immer zusammengehen: Er identifiziert sich mit Gottes Volk und er glaubt dem Wort Gottes, wie es ihm von den Vätern überliefert wurde.
14 Der Auftrag
14 Und der HERR wandte sich zu ihm und sprach: Geh hin in dieser deiner Kraft und rette Israel aus der Hand Midians! Habe ich dich nicht gesandt?
Gideon hat Gott berichtet, wie hoffnungslos die Lage ist. Nun bekommt er den Auftrag, sie zu verändern. Oft sind es die Dinge, die wir als eine Not zu Gott bringen, bei denen Er uns beauftragt, etwas daran zu ändern. Wir sind dann für Gott die am besten geeigneten Werkzeuge. Wenn wir sehen, dass ein Bedarf an Kinderarbeit besteht, können wir anfangen, dafür zu beten, ohne daran zu denken, dass es etwas für uns wäre. Dennoch deutet unsere Empfindung für die Not bereits darauf hin, dass wir in dieses Werk für den Herrn einbezogen sein könnten.
Dies können wir auf eine ganze Anzahl anderer Dinge beziehen. Es gilt übrigens ausschließlich für Menschen, die, genauso wie Gideon, in Gemeinschaft mit Gott leben; es geht nämlich um Menschen, die in ihrem Leben dem Herrn allen Raum geben. Im Leben solcher Menschen nehmen Bibellese und Gebet den zentralen Platz ein. Darum dreht sich ihr Leben, daraus schöpfen sie ihre Kraft.
Gott gibt Gideon für seinen Auftrag keine neue Kraft, sondern sagt: „Geh hin in dieser deiner Kraft.“ Welche Kraft ist das? Das ist die Kraft, mit der er sein Essen vor der Hand der Feinde bewahrt hat, um es selbst zu genießen. Dadurch hat er auch genügend Kraft, um Israel zu befreien.
Was der HERR weiter zu ihm sagt, muss allen Zweifel über seinen Auftrag wegnehmen. Gideon darf im Namen seines Senders gehen. Er hört Ihn sagen: „Habe ich dich nicht gesandt?“ Das ist alles, was nötig, aber auch notwendig ist, um ein Werk des Dienstes zu tun. Ohne dass Er dies zu uns sagt, können wir nicht gehen, dann richten wir Schaden an.
Noch eine wichtige Lektion in Verbindung mit der Berufung zu einem Werk des Dienstes ist, dass Gott jemanden ruft, der beschäftigt ist. Gideon war bei der Arbeit, als er berufen wurde. Dasselbe sehen wir bei der Berufung der Jünger (Mt 4,18–22). Gott sucht keine Menschen, die nichts zu tun haben, sondern Menschen, die bei der Erledigung gewöhnlicher, täglicher Dinge eifrig sind.
15 Ein neuer Einwand
15 Und er sprach zu ihm: Bitte, mein Herr, womit soll ich Israel retten? Siehe, mein Tausend ist das ärmste in Manasse, und ich bin der Jüngste im Haus meines Vaters.
Gideon führt nun ein Argument an, wodurch er meint, dass er Gottes Auftrag nicht genügen könne: Er fühlt sich nicht dazu in der Lage. Nun ist es immer gut, nicht hoch von sich selbst zu denken. Dazu wird jeder von uns in Römer 12 ermahnt, wo Paulus sagt, dass jeder „nicht höher von sich“ denken soll, „als zu denken sich gebührt“ (Röm 12,3). Doch dies darf niemals eine Entschuldigung dafür sein, sich dem zu entziehen, was Gott verlangt.
Gideon verweist auf seine geringe Herkunft und auf den Platz, den er in der Familie einnimmt, zu der er gehört. Manasse ist der Stamm, der als einziger geteilt ist. Die eine Hälfte wohnt im Land und die andere Hälfte wohnt außerhalb davon. Er wusste, was es bedeutete, sich in einer Situation der Uneinigkeit zu befinden. Oft hat man dann schon so viel Streit und Zank mit dem zusätzlichen Elend gesehen, dass man keine Lust zu noch mehr Kampf hat, auch wenn es sich um den guten handelt.
Seine Stellung in der Familie – er ist der Jüngste – scheint darauf hinzuweisen, dass er nie wirklich in das Familiengeschehen einbezogen wurde. Das ist auch David widerfahren (1Sam 16,4–11). Er wurde einfach vergessen, als Samuel die ganze Familie zusammengerufen hatte. Das kann einem ein Gefühl der Wert- und Nutzlosigkeit vermitteln. Gideon kann sich so gefühlt haben.
Vielleicht fühlen wir uns auch so. Doch wir dürfen sicher sein, dass Gott gerade dann etwas mit uns anfangen kann. Unsere Schwachheit und der Umstand, dass wir von anderen nicht besonders geschätzt werden, lässt uns als Werkzeug für Gott geeignet sein. Was Gott durch uns tun will, muss allein Ihm zugeschrieben werden und nicht uns. Ist es nicht großartig, dass Gott uns in unserer Geringfügigkeit und Schwachheit gebrauchen will?
Hören wir auf das, was Paulus in 2. Korinther 12 sagt. Als er dafür gebeten hat, von etwas befreit zu werden, das ihn schwach und verächtlich machte, sagt der Herr zunächst zu ihm: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2Kor 12,9a). Und Paulus antwortet: „Daher will ich mich am allerliebsten viel mehr meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft des Christus über mir wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten … für Christus; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2Kor 12,9b.10). Sehen wir, das ist der Punkt, an den wir kommen müssen. Wir sollen uns nicht in unserem eigenen Können stark fühlen, sondern uns schwach fühlen, dann kann Gott sein Werk mit uns ausführen.
Gideon sieht auf sich selbst und dann gibt es keine Kraft. Doch das kleine „Ich“ ist ein genauso großes Hindernis dafür, von Gott gebraucht zu werden, wie das große „Ich“. Wenn wir das erkennen, dürfen wir sagen, was Paulus sagt: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4,13).
16 Ich werde mit dir sein
16 Und der HERR sprach zu ihm: Ich werde mit dir sein, und du wirst Midian schlagen wie einen Mann.
Die Weise, wie der HERR auf das letzte Argument Gideons eingeht, ist sehr ermutigend. In Vers 14 wurde er in seinem Auftrag von dem Bewusstsein gestützt, dass es der HERR war, der ihn sandte. Das verlieh der Aufgabe, die er ausführen sollte, den Wert. In diesem Vers geht es noch einen Schritt weiter. Der HERR sagt, dass Er selbst mitgehe.
Diese Verheißung des Herrn gilt auch heute. Nach seiner Auferstehung gibt Er seinen Jüngern den Auftrag: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu bewahren, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19.20a). Dann fügt er hinzu, und damit schließt das Evangelium nach Matthäus ab, so dass diese Worte gleichsam in den Ohren der Jünger nachklingen: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Mt 28,20b).
In den vergangenen Jahrhunderten sind zahllose Gläubige durch diese Worte ermutigt worden und haben die Aufgabe ausgeführt, die ihnen aufgetragen worden war. Lassen auch wir uns ruhig zu den uns aufgetragenen Aufgaben ermutigen. Wenn wir auch ein Heer von Helfern um uns her haben mögen, aber den Herrn nicht haben, werden wir doch verlieren. Auch wenn wir ganz alleine sind, aber den Herrn an unserer Seite haben, dann können wir die größte feindliche Heeresmacht schlagen „wie einen Mann“. Dass dies wirklich die „Logik“ des Glaubens ist, wird uns die Geschichte Gideons weiter lehren.
17 Die Bitte um ein Zeichen
17 Und er sprach zu ihm: Wenn ich nun Gnade gefunden habe in deinen Augen, so gib mir ein Zeichen, dass du es bist, der mit mir redet.
Gideon ist nun von seinem Auftrag überzeugt und fasst durch die Zusagen des HERRN Mut. Er hat noch eine Bitte. Er will absolute Sicherheit, dass er es mit dem HERRN selbst zu tun hat. Diese Sicherheit empfindet er als von wesentlicher Bedeutung für das Vollbringen seines Auftrages. Darum bittet er um ein Zeichen.
Ein schönes Vorbild, das der Nachahmung wert ist, haben wir in der Weise, wie Gideon seine Frage stellt. Er tut das nicht aus einer Haltung heraus, die von dem Recht auf ein Zeichen ausgeht, sondern seine Haltung lässt erkennen, dass er keinen Anspruch darauf erhebt: „Wenn ich nun Gnade gefunden habe in deinen Augen.“
Die Bitte um ein Zeichen ist für einen Christen eigentlich nicht angebracht. Er benötigt kein Zeichen, weil er das ganz Wort Gottes und auch den Heiligen Geist hat, der in ihm wohnt. Wer Sicherheit über eine bestimmte Sache haben will, kann das Wort Gottes lesen und im Gebet Gott bitten, durch sein Wort und seinen Geist die Dinge deutlich zu machen. Gott kann dafür auch anderes gebrauchen: Zusammenkünfte, in denen das Wort Gottes verkündigt wird, oder persönliche Gespräche mit Gläubigen, die mit dem Herrn leben.
Gideon besaß nicht die volle Offenbarung Gottes, und er hatte den Heiligen Geist auch nicht in sich wohnend. Dazu kann noch angemerkt werden, dass auch im Alten Testament Gott am meisten durch bedingungslosen Glauben geehrt wurde. Auch damals war es nicht notwendig, um ein Zeichen zu bitten, um Gottes Willen kennenzulernen oder zur Bestätigung dessen, was Er gesagt hat.
Einen deutlichen Beweis dafür finden wir in Hebräer 11. Von den Gläubigen, die dort aufgezählt werden, wird immer wieder gesagt, dass sie „durch Glauben“ etwas getan haben, ohne dass sie dafür bestimmte sichtbare Zeichen empfangen hätten (Heb 11,1–40). Übrigens wird auch Gideon dort erwähnt. Er hat sich in erster Linie nicht durch Zeichen führen lassen, sondern durch den Glauben.
Ein Vers, der durch alle Jahrhunderte hindurch von großer Bedeutung bei der Suche nach dem Willen Gottes gewesen ist, ist: „Ich will dich unterweisen und dich den Weg lehren, den du wandeln sollst; mein Auge auf dich [richtend], will ich [dir] raten“ (Ps 32,8). Bei der Betrachtung der Verse 36–40 werden wir noch etwas mehr über die Bitte um ein Zeichen zum Kennenlernen des Willens Gottes sehen.
18 Ich will bleiben
18 Weiche doch nicht von hier, bis ich zu dir komme und meine Gabe herausbringe und dir vorsetze. Und er sprach: Ich will bleiben, bis du wiederkommst.
Es ist sehr treffend: Gott kommt der Bitte Gideons nach. Sie erscheint beinahe wie ein Befehl für Ihn, doch Er fügt sich ihr. Wie ist Er gnädig in seinem Handeln mit Gideon und mit uns, wenn er das aufrichtige Verlangen sieht, Ihn zu ehren. Er sieht dann über viel Unwissenheit hinweg. Gideon will dem HERRN etwas anbieten. Durch das Gespräch mit Ihm ist bei Gideon ein Verlangen entstanden, ein Opfer zu bringen. Das ist es, was Gott im Herzen Gideons sieht, und darauf will Er gerne warten.
Wenn wir mit dem Herrn Jesus gesprochen haben, bekommen wir dann auch ein Verlangen, Ihm ein Opfer zu bringen? Wir können es in Danksagung und im Aussprechen unserer Bewunderung für Ihn und für das, was Er getan hat, äußern.
19 - 20 Das Opfer
19 Da ging Gideon hinein und bereitete ein Ziegenböckchen zu und ungesäuerte [Kuchen] aus einem Epha Mehl; das Fleisch tat er in einen Korb, und die Brühe tat er in einen Topf; und er brachte es zu ihm heraus unter die Terebinthe und setzte es [ihm] vor. 20 Und der Engel Gottes sprach zu ihm: Nimm das Fleisch und die ungesäuerten [Kuchen] und lege es hin auf diesen Felsen da, und die Brühe gieße aus. Und er tat so.
Während Gideon sein Opfer zubereitet, wartet der HERR geduldig. Das Opfer, das er bringt, ist nicht gering, wenn wir bedenken, dass es eine Zeit großer Knappheit war (Vers 4).
Das Ziegenböckchen, das Gideon als Opfer zubereitet, wurde meistens für das Darbringen eines Sündopfers gebraucht (3Mo 4,23; 16,5). Durch dieses Opfer bringt Gideon im Bild etwas zum Ausdruck, wovon wir lernen können. Das Sündopfer ist ein Bild des Herrn Jesus in seinem Werk auf dem Kreuz, wo Er das Gericht über die Sünde erlitt. Gideon lässt, ohne es zu begreifen, erkennen, dass es für die Sünde des Volkes und für ihn persönlich allein durch das Rettung gibt, was der Herr Jesus auf dem Kreuz getan hat.
Das andere Opfer, das er bringt, die „ungesäuerten [Kuchen] aus einem Epha Mehl“, erinnert an das Speisopfer, das in 3. Mose 2 in verschiedenen Weisen beschrieben wird (3Mo 2,1–7). Dies ist ein unblutiges Opfer und spricht nicht so sehr vom Tod, sondern vom Leben des Herrn Jesus.
Es ist für Gott eine Freude, wenn wir Ihm erzählen, wer der Herr Jesus in seinem Leben auf der Erde und in seinem Werk auf dem Kreuz gewesen ist. Wir kommen nicht mit buchstäblichen, sondern mit geistlichen Opfern der Anbetung. Schau einmal, was der Herr Jesus darüber sagt: „Es kommt aber die Stunde und ist jetzt, da die wahrhaftigen Anbeter den Vater in Geist und Wahrheit anbeten werden; denn auch der Vater sucht solche als seine Anbeter“ (Joh 4,23). Wenn wir wirklich etwas von der Schönheit und Herrlichkeit des Sohnes Gottes gesehen haben, dann wird Gott, der Vater, sich darüber freuen, wenn wir das Ihm sagen.
Es steht jedoch noch etwas dahinter: „Gott ist [ein] Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24). Gott überlässt es nicht unserem Belieben, wie wir anbeten. Er verlangt danach, dass wir kommen, doch er gibt auch an, wie wir kommen müssen. Es muss „in Geist“ geschehen, das heißt geleitet durch den Heiligen Geist auf eine geistliche Weise und nicht nach menschlicher Programmierung. Und es muss „in Wahrheit“ geschehen, also gemäß der Offenbarung, die Er von sich selbst in der Bibel gegeben hat, und nicht so, wie wir meinen, über Gott denken zu können.
Bei Gideon ist dies auch so. In Vers 20 gibt Gott auch an, was er mit dem Opfer tun soll. Er muss es auf dem Felsen bringen (auch ein Bild Christi; Mt 16,18; 1Kor 10,4). Der Vers schließt so schön mit den Worten „und er tat so“. Der Vers gibt die wunderbare Gesinnung Gideons an. Es ist zu wünschen, dass dies auch unsere Gesinnung wäre.
21 Gott nimmt das Opfer an
21 Und der Engel des HERRN streckte das Ende des Stabes aus, der in seiner Hand war, und berührte das Fleisch und die ungesäuerten [Kuchen]; da stieg Feuer auf aus dem Felsen und verzehrte das Fleisch und die ungesäuerten [Kuchen]. Und der Engel des HERRN verschwand aus seinen Augen.
Die Weise, wie der HERR das Opfer behandelt, ist beeindruckend. Er berührt es mit dem Stab, den Er in der Hand hält. Dieser Stab ist ein Herrscherstab, ein Zepter. Solch ein Stab wird von vornehmen Personen getragen, die Befehlsgewalt über andere haben. Er ist ein Zeichen königlicher Würde (Est 4,11; 5,2). Der HERR in seiner Erhabenheit und Majestät nimmt das Opfer an, das Gideon in seiner Schwachheit bringt.
Es kommt Feuer, ein Bild der untersuchenden und prüfenden Heiligkeit Gottes, aus dem Felsen und verzehrt das Opfer. Nachdem er das Opfer Gideons auf diese Weise angenommen hat, verschwindet der HERR von der Bildfläche.
Durch dieses Opfer nimmt Gideon seinen wahren Platz vor Gott ein. Allein auf der Grundlage des Opfers Christi ist jemand vor Gott angenehm und kann Gott ihn akzeptieren. Damit ist die Basis für Gideons weiteren Dienst gelegt.
22 Wehe mir
22 Da sah Gideon, dass es der Engel des HERRN war, und Gideon sprach: Ach, Herr, HERR, da ich ja den Engel des HERRN gesehen habe von Angesicht zu Angesicht!
Und dann ertönt das „Ach“, im Sinn von „Wehe mir!“ Gideon ist sich nämlich dessen bewusst geworden, dass er dem HERRN Auge in Auge gegenübergestanden hat. Plötzlich wird er sich in vollem Maße bewusst, mit wem er es zu tun hatte. Dieses Bewusstsein zerbricht ihn völlig. Jeder Gedanke an sich selbst und an sein eigenes Können verschwindet. Allein der HERR bleibt in seiner Größe und Herrlichkeit übrig, und das ist der richtige Ausgangspunkt für den kommenden Kampf. Es macht klein, und zugleich gibt es Vertrauen.
Bei Jesaja sehen wir dieselbe Reaktion, als er von Gott berufen wird. Er sieht den HERRN auf einem hohen und erhabenen Thron, während er die Seraphim einander zurufen hört: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen … Und ich sprach: Wehe mir! Denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen wohne ich“ (Jes 6,1–6). Jesaja kommt zu diesem persönlichen Ausruf, nachdem er im vorausgegangenen Kapitel bis zu sechsmal das „wehe denen“ (Jes 5,8–23) über verschiedene Gruppen von Menschen und die verschiedenen Sünden, die sie betrieben, ausgesprochen hat.
Bevor er zu ihnen gesandt werden kann, muss er zuerst erkennen, dass er selbst nicht besser ist. Gott bringt ihn dazu, indem er ihn Auge in Auge Ihm selbst und seiner Herrlichkeit gegenüberstellt. Das lässt ihn dann zum siebten Mal ein „wehe“ ausrufen, doch nun über sich selbst. Dann gibt Gott Jesaja den Beweis der Versöhnung, und er ist bereit, dorthin zu gehen, wohin Gott ihn senden wird und das zu tun, was Er von ihm verlangt: „Hier bin ich, sende mich“ (Verse 6–8).
Dies ist die beste und gründlichste Weise der Vorbereitung zum Dienst. Sie deutet einerseits auf einen tiefen Eindruck über das Wesen des Menschen hin und zeigt die eigene Unwürdigkeit und Unfähigkeit. Andererseits wird dieser Eindruck in der Gegenwart Gottes, des Allmächtigen, gewonnen, und das ist eine enorme Ermutigung dafür, das zu tun, was Er von uns verlangt. Er sendet aus und ist mit jedem, der auf der Grundlage des Opfers seines Sohnes steht (Ri 6,14.16.21).
23 - 24 Friede
23 Und der HERR sprach zu ihm: Friede dir! Fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben. 24 Und Gideon baute dort dem HERRN einen Altar und nannte ihn: „Der HERR ist Frieden.“ Bis auf diesen Tag ist er noch in Ophra der Abieseriter.
Dann hört Gideon das „Friede dir“ aus dem Mund des HERRN. Er brauchte sich nicht zu fürchten, weil er dem HERRN Auge in Auge gegenübergestanden hat. Er ist durch das Opfer doch von Gott angenommen worden. Er kann jetzt in Frieden gehen. Viele haben diesen Frieden ihres Gewissens bekommen, nachdem sie im Glauben das Werk des Herrn Jesus angenommen haben: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott“ (Röm 5,1). Das ist der Frieden, über den der Herr Jesus spricht, als Er sagt: „Frieden lasse ich euch“ (Joh 14,27a).
Durch den Frieden mit Gott, der durch den Herrn Jesus auf dem Kreuz bewirkt worden ist, ist kein Platz mehr für Angst vor Gott. Wenn man vor Gott Angst hat, wird man dem Werk des Herrn Jesus nicht gerecht. Gott hat das Werk seines Sohnes angenommen und den Beweis dafür gegeben, indem er Ihn aus den Toten auferweckte und Ihm einen Platz an seiner Rechten im Himmel gab.
Die Furcht bei Gideon ist weg, und er baut einen Altar mit dem schönen Namen: „Der HERR ist Frieden.“ Dies lässt erkennen, dass Gideon kein Problem mit der Angst mehr hat. Er nimmt nicht länger seine Gefühle zum Ausgangspunkt, sondern den HERRN selbst. Der Friede, den er jetzt besitzt, ist nicht die Folge eines guten Gefühls, sondern erwächst aus der Erkenntnis der Person des HERRN. Er hat diesen Frieden gemacht. Das macht Gideon zu einem Anbeter, wovon der Altar, den er baut, spricht. Hier sehen wir die erste Auswirkung, die der empfangene Friede hat: Gott wird dafür angebetet.
Dieser Friede wirkt sich im Leben Gideons auch praktisch aus; das sollte auch in unserem Leben so sein. Den inneren Frieden, den er jetzt besitzt, hat er in der Erfüllung der Aufgabe gezeigt, die ihm aufgetragen worden war. Dieser Friede ist ein Zeugnis in der Umgebung geblieben, in der er wohnt. Es ist kein vergänglicher Friede. Er hat in diesem Frieden gelebt und so die Feinde bekämpft.
Das ist der Friede, über den der Herr Jesus spricht, als Er sagt: „Meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27b). Dieser Frieden ist sein eigener Frieden, den Er auf dem Weg hatte, weil der Vater Ihn beauftragt hat, diesen Weg zu gehen. Dieser Friede darf das Teil jedes Menschen sein, der im Auftrag Gottes einen Dienst zu verrichten hat. Es ist dieser Friede, der am Anfang vieler Briefe des Neuen Testaments den Lesern gewünscht wird.
25 Der erste Auftrag: Niederreißen und umhauen
25 Und es geschah in jener Nacht, da sprach der HERR zu ihm: Nimm den Stier deines Vaters, und zwar den zweiten, siebenjährigen Stier; und reiße den Altar des Baal nieder, der deinem Vater gehört, und die Aschera, die daneben ist, haue um;
Gideon erhält seinen ersten Auftrag erst, nachdem er von Gott in das richtige Verhältnis zu Ihm gebracht worden ist. Nun kann Gott ihn gebrauchen. Doch bevor er Gideon in der Öffentlichkeit auftreten lässt, muss er zuerst in seiner Familie anfangen. Er muss daheim beginnen. Dasselbe macht der Herr Jesus seinen Jüngern deutlich, als er ihnen aufträgt, „angefangen von Jerusalem“ von Ihm zu zeugen (Lk 24,47), das heißt in ihrer direkten Umgebung, so nahe wie möglich an der Heimat. Danach konnten sie weitergehen nach „ganz Judäa und Samaria und bis an [das] Ende der Erde“ (Apg 1,8).
Der Auftrag, den Gideon erhält, ist deutlich. Er hat gerade eben einen Altar für den HERRN gebaut, und zu Hause steht noch ein Altar für Baal. Es kann keine zwei Altäre geben. Wer einen Altar für den Herrn baut, wird dahin kommen müssen, jeden anderen Altar abzubrechen. Erst dann kann ein Zeugnis im Kampf für den Herrn gegeben werden. Zuerst muss Baal weggetan werden, anders würde ihm vielleicht der Sieg zugeschrieben. Auch das Holz der Aschera, das dabeistand, musste umgehauen werden. Das Holz der Aschera schien eine Art Schutz für den Altar darzustellen. Sowohl der Altar als auch das Holz mussten umgehauen werden. Hier erhält der Name Gideon („Niederhauer“) seine praktische Bedeutung.
Im Altar Baals können wir die Ehrerbietung sehen, die Menschen für allerlei Dinge in ihrem Leben haben können, ohne dass Gott seinen Platz darin hat. Baal bedeutet „Herr“. So kann es Dinge in unserem Leben geben, die Gewalt über uns haben, von denen wir uns beherrschen lassen. Wir machen uns selbst mit sehr plausiblen Gründen weis, dass diese Dinge in unserem Leben vorhanden sein müssen, wir erfahren Nutzen davon.
Ein Beispiel. Ein bestimmter Sport kann in unserem Leben eine solche Bedeutung einnehmen, dass wir alles dafür übrig haben. Wir machen uns selbst weis, dass er für unseren Leib nützlich sei. Um vom Herrn gebraucht werden zu können, werden wir sowohl unsere Haltung zu diesem Sport als auch unsere Nützlichkeitserwägungen verurteilen müssen. Hiermit will ich nicht sagen, dass es verkehrt sei, Sport zu treiben. Ich möchte nur darauf hindeuten, dass der Sport ein „Altar“ in unserem Leben sein kann, der umgehauen werden muss, zusammen mit den verkehrten Ideen, mit denen wir diesen „Altar“ beschützen.
26 Der zweite Auftrag: Bauen und Opfern
26 und baue dem HERRN, deinem Gott, einen Altar auf dem Gipfel dieser Bergfestung mit der Zurüstung; und nimm den zweiten Stier und opfere ein Brandopfer mit dem Holz der Aschera, die du umhauen wirst.
Das Niederhauen des Verkehrten ist nicht der einzige Auftrag, den Gideon bekommt. Er muss auch einen neuen Altar bauen. Darauf muss er den zweiten Stier seines Vaters mit dem Holz der Aschera opfern. Was hat das alles zu bedeuten? Etwas Neues musste den Platz des Alten einnehmen. Das Alte hatte mit Baal zu tun, das Neue mit dem HERRN.
In Vers 24 baut Gideon spontan einen Altar, um der Anbetung Ausdruck zu verleihen, die in seinem Herzen für den HERRN ist. Nun erhält er von Gott den Auftrag, einen neuen Altar zu bauen. Man könnte ihn den Altar seines Zeugnisses für Gott nennen. Er muss ihn auf einem Platz bauen, wo er für jeden sichtbar ist. Hiermit bringt er öffentlich zum Ausdruck, dass er sich für Gott und gegen Baal entscheidet.
Zusammen mit dem zweiten Jungstier muss das Holz der Aschera geopfert werden. Das bedeutet, dass alle Argumentationen, die wir bislang bereit hatten, um unseren Dienst für „Baal“ zu rechtfertigen, ihr Ende im Opfertod Christi finden. Wir erkennen, dass in dem Tod Christi alle Gedanken, die aus unserem Fleisch hervorkommen, gerichtet sind.
Der zweite Stier redet von dem Herrn Jesus. Der zweite bekommt den Vorzug vor dem ersten. Dies erinnert an den „ersten Menschen“ und den „zweiten Menschen“ (1Kor 15,47). Der erste Mensch, Adam, hat versagt; der zweite Mensch, das ist Christus, hat in allem Gottes Wünschen entsprochen. Gideon musste den zweiten Stier nehmen, weil dieser eine schöne Widerspiegelung des Herrn Jesus ist, der Gott allezeit in völliger Hingabe gedient hat, im Gegensatz zu einem immer wieder versagenden Volk.
27 Er tat es bei Nacht
27 Und Gideon nahm zehn Männer von seinen Knechten und tat, wie der HERR zu ihm geredet hatte. Und es geschah, weil er sich vor dem Haus seines Vaters und vor den Leuten der Stadt fürchtete, es am Tag zu tun, so tat er es bei Nacht.
In Begleitung von zehn Knechten begibt er sich auf den Weg, um seinen Auftrag auszuführen. In Ruth 4 treffen wir auch zehn Männer an (Rt 4,2). Sie stellen ein hinreichendes Zeugnis nach dem Gesetz der zehn Gebote vor. Was Gideon tut, kann von diesen Männern bestätigt werden, sie können bezeugen, was geschehen ist und wie es geschehen ist. Wenn es auf das Handeln ankommt, ist Gideon kein „Einzelgänger“, jemand, der alles allein tut. Er sorgt dafür, dass er von Zeugen unterstützt wird. Dennoch hat er nicht den Mut, sein Zeugnis am helllichten Tag abzulegen. Er tut es bei Nacht.
Wer wird ihm das übel nehmen? Ich weiß noch gut, wie ich zum ersten Mal Traktate mit einer evangelistischen Botschaft in der Gegend, wo ich damals wohnte, verteilen ging. Das tat ich damals auch erst, nachdem es dunkel geworden war. Nikodemus war auch so ein Mensch. Auch er wagte es zunächst nicht, öffentlich dazu zu stehen, dass er Interesse am Herrn Jesus hatte (Joh 3,1.2). Doch das änderte sich. In Johannes 7 ergreift er seinen pharisäischen Kollegen gegenüber für den Herrn Jesus Partei (Joh 7,50). Wieder etwas später, in Johannes 19 erweist sich seine Liebe zum Herrn Jesus, wenn er „eine Mischung von Myrrhe und Aloe“ zu seinem Begräbnis bringt (Joh 19,38–42). Sowohl in Johannes 7 als auch in Johannes 19 wird daran erinnert, dass er „zuerst bei Nacht zu Jesus gekommen war“.
Wie auch immer, Gideon handelt im Gehorsam, und wo Gehorsam vorhanden ist, können die Folgen Gott überlassen werden. Wenn wir tun, was Gott von uns verlangt, tut Gott das für uns, was wir nicht können. Gott ergreift für Gideon Partei gegen seine Feinde.
28 - 32 Der Widerstand abgewendet
28 Und als die Leute der Stadt frühmorgens aufstanden, siehe, da war der Altar des Baal umgerissen, und die Aschera, die daneben war, umgehauen, und der zweite Stier war als Brandopfer auf dem erbauten Altar geopfert. 29 Und sie sprachen einer zum anderen: Wer hat das getan? Und sie forschten und fragten nach, und man sprach: Gideon, der Sohn des Joas, hat das getan. 30 Da sprachen die Leute der Stadt zu Joas: Gib deinen Sohn heraus, dass er sterbe, weil er den Altar des Baal umgerissen hat und weil er die Aschera, die daneben war, umgehauen hat! 31 Und Joas sprach zu allen, die bei ihm standen: Wollt ihr für den Baal rechten, oder wollt ihr ihn retten? Wer für ihn rechtet, soll getötet werden bis zum Morgen. Wenn er ein Gott ist, so rechte er für sich selbst, weil man seinen Altar umgerissen hat. 32 Und man nannte ihn an jenem Tag Jerub-Baal, indem man sprach: Der Baal rechte mit ihm, weil er seinen Altar umgerissen hat.
Als die Einwohner der Stadt am folgenden Tag entdecken, was geschehen ist, ist die Bestürzung groß. Aufgrund der Nachforschungen zeigt sich, dass Gideon der Täter ist. Sein Leben wird gefordert.
Es gibt nichts, was so viel Feindschaft hervorruft, als wenn jemandes Religion verachtet wird. Man lädt sich die Wut der Fans auf den Hals, wenn man etwas Negatives über ihren Verein zu sagen wagt. Sport, in den Niederlanden vor allem Fußball, ist zur Religion geworden. Biblische Ausdrücke werden dazu gebraucht, Fußballstars zu verherrlichen. Sie werden „Göttersöhne“ genannt.
Und was soll man von der Macht des Islam denken? Zeugnisse von bekehrten Moslems erwähnen, dass sie mit dem Tod bedroht worden sind, weil ihr Glaube an den Herrn Jesus bedeutet, dass sie dem Islam abgeschworen haben. Damit wird vor Gott gezeigt, dass ihre frühere Religion wertlos für sie war. Für einen bekehrten Juden gilt häufig dasselbe. Wer in einer Umgebung, in der Menschen sich Götter nach ihrer eigenen Einbildung gemacht haben, sich für den wahren Gott entscheidet und öffentlich dafür eintritt, wird mit sehr heftigem Widerstand rechnen müssen.
Dieses öffentliche Eintreten für Gott ist der Moment, in dem Er eine Wende in die Ereignisse bringt. Hinter den Kulissen ergreift Er für Gideon Partei. Dafür gebraucht Er den Vater Gideons. Die Freimütigkeit Gideons in der Nacht macht seinen Vater tagsüber freimütig. Gideons Vater spricht mit einer einfachen Geschichte den Verstand der Einwohner der Stadt an. Er behauptet einfach: Wenn Baal ein Gott ist, dann soll er sich für die ihm erwiesene Respektlosigkeit ruhig rächen. Dies erinnert an die Herausforderung, die Elia bei seiner Konfrontation mit den Baalspriestern über die Frage, wer wirklich Gott ist, ausspricht (1Kön 18,24–29).
Die Männer der Stadt haben keine Widerworte. Sie geben ihm nur den Namen „Jerub-Baal“, womit sie zum Ausdruck bringen, dass sie von Baal erwarten, dass er sich wohl an Gideon rächen werde. Dieser Name scheint ein Ehrenname geworden zu sein, als sich zeigt, dass nichts mit Gideon geschieht.
In dem, was Gideon getan hat, wird offenbar, was in den Herzen der Menschen ist. Sie bekennen deutlich, dass sie Baal als ihren Gott anerkennen. Das öffentliche Eintreten für Gott und seine Wahrheit macht auch heute deutlich, was im Herzen der Menschen ist. Wenn wir uns in Wort und Tat dazu bekennen, dass wir uns für den Herrn Jesus entschieden haben, werden wir Widerstand erleben. Der meiste Widerstand kommt vielleicht von denen, die uns am nächsten stehen, aber kein Teil am Herrn Jesus haben, während sie von sich selbst denken, dass sie religiös seien. Wenn wir als Kinder Gottes das Verkehrte in unserem eigenen Leben sehen und es aus unserem Leben entfernen, ist es schmerzhaft, wenn es dann nicht die Welt ist, die Bemerkungen dazu macht, sondern dass es gerade die Mitgläubigen sind, die negativ reagieren.
Wenn wir uns für Gott und gegen das Verkehrte entscheiden, dürfen wir damit rechnen, dass Gott für uns eintritt. Er steht an unserer Seite. Auf welche Weise Er das merken lässt, ist bei jedem wieder anders. Aber sicher ist, dass Er von unerwarteter Seite aus Rettung bringen wird, wenn wir treu und gehorsam tun, was Er von uns verlangt, genauso, wie Er das bei Gideon getan hat.
33 - 35 Der Geist erfüllt Gideon
33 Und ganz Midian und Amalek und die Söhne des Ostens versammelten sich allesamt, und sie setzten über [den Jordan] und lagerten im Tal Jisreel. 34 Und der Geist des HERRN kam über Gideon; und er stieß in die Posaune, und die Abieseriter wurden zusammengerufen, ihm nach. 35 Und er sandte Boten durch ganz Manasse, und auch sie wurden zusammengerufen, ihm nach.
Der Feind wird immer aktiv, wenn im Volk Gottes Dinge geschehen, die von einem erneuerten Bewusstsein der Gegenwart Gottes und seines alleinigen Anrechts auf sein Volk zeugen. Wir sahen diese Aktivität bei den Feinden auch in Richter 4 (Ri 4,12). Sie machen sich bereit, um ihren Anspruch auf das Land zu bestätigen und zu verstärken. Das ist der Augenblick, in dem der Geist des HERRN Gideon erfüllt. Wörtlich steht dort, dass der Geist des HERRN sich mit Gideon bekleidet (vgl. 1Chr 12,18).
Der Geist war natürlich schon länger in diesem Kapitel wirksam, aber jetzt kommt Er in Gideon, um durch ihn zu wirken und die Feinde zu verjagen. Es ist eine Sache, zu wissen, dass der Geist in deinem Leben wirksam ist; es ist eine andere Sache, dich tatsächlich vom Geist gebrauchen zu lassen, um in deinem Leben Siege zu erringen.
Was in den vorausgegangenen Versen über Gideon erwähnt wird, stellte eine Vorbereitung dafür dar, ihn zu einem Gefäß zu machen, das der Heilige Geist gebrauchen kann. In dieser Vorbereitung hat Gideon seine Treue zum HERRN und seinen Gehorsam Ihm gegenüber gezeigt. Dies ist der fruchtbare Boden, auf den der Heilige Geist weiter bauen kann. Zu uns wird gesagt: „Werdet mit [dem] Geist erfüllt“ (Eph 5,18). Der Auftrag (denn das ist es) mit dem Geist erfüllt zu werden, folgt einer Anzahl Dinge, die in einem christlichen Lebenswandel vorhanden bzw. nicht vorhanden sein sollen (Eph 5,1–17). Wer mit dem Heiligen Geist erfüllt ist, kann sich im selben Moment nicht durch das Fleisch leiten lassen.
In Epheser 5 folgt dann: „Redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern“ (Eph 5,19). Ein wunderbares Ergebnis des Erfülltseins mit dem Heiligen Geist. Was wir einander zu sagen haben, wird dann auf eine wohllautende Weise geäußert, unabhängig davon, ob es um Ermunterung, Trost oder Ermahnung geht. Wir können es damit vergleichen, dass Gideon in die Posaune stößt. Das Ergebnis ist, dass die Abieseriter zu ihm kommen; das ist seine Verwandtschaft.
Wenn der Geist Gottes die Gelegenheit bekommt, die Herzen zu erfüllen, dann ist das der Anfang vom Ende des Streits inmitten der Gläubigen. Midian bedeutet ja „Zank“. Durch die Posaune – ein Bild des Wortes Gottes, auf das wir hören – wird das Volk versammelt, und Einheit entsteht. Wenn wir uns befleißigen, „die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“ (Eph 4,3), wird der Streit aufhören.
Gideon sendet auch Boten zu seinem eigenen Stamm, Manasse, und zu anderen, nördlich gelegenen Stämmen. Sie alle schließen sich ihm an. Manasse ist der einzige Stamm, der in zwei Gebiete geteilt ist; eine Hälfte im Land, die andere außerhalb davon. Hierdurch weiß Gideon aus eigener Erfahrung, was Uneinigkeit bedeutet. Vielleicht ist dies sogar ein besonderer Ansporn für ihn gewesen, alles dafür zu tun, die Einheit unter Gottes Volk zu bewirken.
Wer weiß, was Uneinigkeit ist, die durch Streit innerhalb der eigenen Reihen mit seinen unglückseligen Folgen verursacht worden ist, wird dafür kämpfen, Gottes Volk wieder zusammenzubringen und zu halten. Jede Trennung unter dem Volk Gottes verursacht viel Leid unter Gläubigen und ist zur Unehre des Herrn.
Damit ist nicht gesagt, dass die Einheit um jeden Preis bewirkt oder bewahrt werden müsste. Die Einheit, die bewahrt werden muss, ist die des Geistes, nicht die des Fleisches oder eine anderweitig von Menschen gemachte Einheit. Das nimmt jedoch den Schmerz und die Schande eines solchen Geschehens nicht weg. Es ist zu wünschen, dass der Geist die Gelegenheit bekommt, in unserem Leben zu bewirken, was zur Förderung des Wohls der Gemeinde dient und dazu, ihre Einheit sichtbar zu machen.
36 - 40 Das Vlies
36 Und er sandte Boten durch Aser und durch Sebulon und durch Naphtali. Und sie zogen herauf, ihnen entgegen. Und Gideon sprach zu Gott: Wenn du Israel durch meine Hand retten willst, so wie du geredet hast – 37 siehe, ich lege ein Woll-Vlies auf die Tenne; wenn Tau auf dem Vlies allein sein wird und auf dem ganzen Boden Trockenheit, so werde ich erkennen, dass du Israel durch meine Hand retten wirst, so wie du geredet hast. 38 Und es geschah so. Und er stand am anderen Morgen früh auf, und er drückte das Vlies aus und presste Tau aus dem Vlies, eine Schale voll Wasser. 39 Und Gideon sprach zu Gott: Dein Zorn entbrenne nicht gegen mich, und ich will nur noch diesmal reden! Lass es mich doch nur noch diesmal mit dem Vlies versuchen: Möge doch Trockenheit sein auf dem Vlies allein, und auf dem ganzen Boden sei Tau. 40 Und Gott tat so in jener Nacht; und es war Trockenheit auf dem Vlies allein, und auf dem ganzen Boden war Tau.
Außer zu seinem eigenen Stamm, Manasse, sendet Gideon auch Boten zu anderen, nördlich gelegenen Stämmen. Auch sie schließen sich ihm an. Dann fragt Gideon Gott. Es ist bemerkenswert, wie sehr Gott allen Fragen Gideons mit Bezug auf seinen Auftrag entgegenkommt. Gott hat bereits sonnenklar mitgeteilt, was er von Gideon will (Verse 14–16). Als Gideon ein Zeichen erbat, hat Er das gegeben (Vers 17). Jetzt erbittet Gideon noch eine Bestätigung seines Auftrages, sogar zweimal. Er bekommt keinen Vorwurf zu hören, sondern Gott gibt ihm das, worum er bittet, auch zweimal.
Das „Auslegen eines Vlieses“ ist beinahe sprichwörtlich geworden, wenn es darum geht, den Willen Gottes in einer bestimmten Angelegenheit zu erfahren. Es ist die Bitte um ein Zeichen zur Bestätigung der Erfüllung einer Aufgabe, die wir auf uns nehmen wollen. An und für sich ist es nicht verkehrt, wenn wir Sicherheit über das haben wollen, was wir für den Herrn tun wollen.
Über diese Bitte um ein Zeichen ist bereits etwas bei der Betrachtung von Vers 17 gesagt. Dazu kann im Zusammenhang mit dem „Vlies“ folgendes hinzugefügt werden. Gott kann seinen Willen auch durch Umstände, in denen wir uns befinden oder in die wir kommen, deutlich machen oder bestätigen. Du wirst wahrscheinlich schon einmal von Joni gehört haben. Diese Frau ist als Folge eines Kopfsprungs in flaches Wasser, wodurch sie ihren Nacken gebrochen hat, völlig Invalide geworden. Sie wird von Gott aber noch immer auf eine besondere Weise gebraucht.
Nun brauchen sich unsere Umstände nicht so drastisch zu verändern. Es geht darum, anzudeuten, dass Dinge in unserem Leben geschehen können, durch die wir wissen: Dies ist es, was Gott von mir verlangt. Das werden übrigens niemals Dinge sein, die seinem Wort widersprechen. Wenn beispielsweise ein Gläubiger um einen Ehepartner bittet, und die Umstände scheinen ihm jemand auf seinen Weg zu bringen, doch dieser erweist sich als ein Ungläubiger, dann kann dies niemals die Leitung Gottes sein. Er verbietet nämlich in seinem Wort, dass ein Gläubiger einen Ungläubigen heiratet (2Kor 6,14).
Jetzt noch etwas über die geistliche Bedeutung des Vlieses mit Bezug auf den Boden und den Tau. Ein Zeichen „bezeichnet“ etwas, gibt etwas wieder, stellt etwas vor, lässt etwas erkennen. Tau spricht von Erfrischung, Erquickung. Er ist die Frische eines neuen Tages. Tau wird im Alten Testament mehrere Male als ein Segen des Himmels für das Land Gottes beschrieben. Als Gideon beim ersten Zeichen um Tau auf dem Vlies und Trockenheit auf dem ganzen Boden bittet, scheint das eine Vorstellung des Segens Gottes für sein irdisches Volk Israel zu sein, während die Völker der Umgebung kein Teil daran haben. Israel hat durch die Verwerfung seines Messias den Segen jedoch verspielt, aber dieser wird für später aufbewahrt.
Das zweite Zeichen stellt das Gegenteil vor, denn jetzt bleibt das Vlies trocken und der ganze Boden wird durch den Tau nass. Dies will sagen, dass Gott nach der Verwerfung des Messias durch Israel sein Volk beiseitegesetzt und die Nationen zu segnen begonnen hat.
Beide „Zeichen“ finden wir in dem Brief an die Römer wieder. Wir lesen dort im Blick auf Israel über „ihren Fall“, „ihren Verlust“, „ihre Verwerfung“. Diese Ausdrücke zeigen an, dass sie von Gott beiseitegesetzt worden sind. Durch „ihren Fall [ist] den Nationen das Heil geworden“ und dadurch ist die Rede von dem „Reichtum [der] Welt“, dem „Reichtum [der] Nationen“ und der „Versöhnung [der] Welt“ (Röm 11,11–15).
Doch damit ist Israel nicht endgültig verstoßen. Es kommt eine Zeit, die „ihre Vollzahl“ (Röm 11,12) und „Annahme“ (Röm 11,15)genannt wird. Dann wird Israel nachträglich den Segen empfangen. In beiden Zeichen ist deutlich, dass Gott es tut. Gideon trägt nichts dazu bei. Allein in Gottes Macht steht es, den Segen zu geben, sowohl Israel als auch den Nationen.
Der Ort, wo Gideon das Vlies niederlegt, ist auch von Bedeutung. Er wählt dafür die Tenne. Das erinnert an den Kelter, wo er zum ersten Mal dem HERRN begegnet ist und wo er seine Wertschätzung für Gottes Segen gezeigt hat (Vers 11). Er ist dort mit der Frucht des Landes beschäftigt gewesen. Von diesem Ort aus, der von dem Gericht spricht, das der Herr Jesus auf dem Kreuz erlitt, kommt alle Erquickung und Kraft, das uns aufgetragene Werk zu tun.
Wie gesagt, braucht Gideon nichts zu tun. Was er wohl tut, ist, früh aufzustehen, wodurch er sein Verlangen nach dem Ergebnis erkennen lässt. Die Weise, wie Gideon sich hier an den Herrn wendet, ähnelt der von Abraham in seiner Fürbitte für Sodom um Lots willen (1Mo 18,23–33; 19,29).