Einleitung
Der Schluss der Geschichte Jephtas ist nicht sehr erhaben und nachahmenswert. Jephta führt sich hier nicht sanftmütig auf, sondern hart. Viele kommen dadurch ums Leben. Er lässt sich nicht durch die Liebe leiten, sondern sucht seine eigene Ehre.
1 Der Anlass zum Konflikt
1 Und die Männer von Ephraim wurden zusammengerufen und zogen hinüber nach Norden, und sie sprachen zu Jephta: Warum bist du durchgezogen, um gegen die Kinder Ammon zu kämpfen, und hast uns nicht gerufen, dass wir mit dir gingen? Wir werden dein Haus über dir mit Feuer verbrennen!
Die Männer von Ephraim haben sich nach den Ereignissen am Anfang von Richter 8 absolut nicht verändert. Gideon ist dort den Ephraimitern sanftmütig entgegengekommen (Ri 8,1–3). Leider ist es nicht zu ihnen durchgedrungen, wie selbstsüchtig sie beschäftigt waren. Daraus zeigt sich, dass eine gute Behandlung nicht zu einer besseren Selbsterkenntnis zu führen braucht. Ihre stolze Haltung, die aus einer Position hervorgeht, wodurch sie ein Recht auf einen Ehrenplatz zu haben meinten, war noch immer vorhanden.
Sie beklagen sich hier wieder, weil sie meinen, nicht mit der geziemenden Achtung behandelt worden zu sein. Eine Sünde, die nicht aufrichtig bekannt wird, taucht früher oder später wieder auf. Es zeigt sich, dass sie hier sogar noch tiefer gesunken sind. In Richter 8 hatten sie zumindest noch etwas getan (Ri 8,2), hier nichts. Sie drohen, Jephta zu verbrennen. Sie können es noch immer nicht haben, dass andere zwar gebraucht werden, sie selbst jedoch nicht. Dies steht in enormem Gegensatz zu der Gesinnung von Paulus (Phil 1,15–18).
2 - 3 Jephtas Reaktion
2 Und Jephta sprach zu ihnen: Einen heftigen Streit haben wir gehabt, ich und mein Volk, mit den Kindern Ammon; und ich rief euch, aber ihr habt mich nicht aus ihrer Hand gerettet. 3 Und als ich sah, dass du nicht helfen wolltest, da setzte ich mein Leben aufs Spiel und zog hin gegen die Kinder Ammon; und der HERR gab sie in meine Hand. Warum seid ihr denn an diesem Tag gegen mich heraufgezogen, um gegen mich zu kämpfen?
Jephta reagiert nicht wie Gideon, sondern macht ihnen Vorwürfe. Auf ihn ist der zweite Teil von Sprüche 15,1 zutreffend, so wie der erste Teil jenes Verses auf Gideon zutreffend war: „Eine milde Antwort wendet Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn“ (Spr 15,1). Es ist auffällig, wie oft er in seiner Rede zu den Ephraimitern das Wort „ich“ gebraucht. Das „ich und mein Volk“, das heißt Gilead, deutet auf parteiisches, sektiererisches Handeln hin. Er hat keinen Blick mehr für das ganze Volk Gottes. Jephta äußert sich so, weil er sich persönlich beleidigt fühlt.
Wenn das eigene „Ich“ in den Vordergrund tritt, wird es ein Trachten nach dem eigenen Interesse und ein Eintreten für die eigene Ehre. Das sind die Dinge, die bei Menschen gefunden werden, die sich durch das Gesetz leiten lassen. Wer ein Eiferer für das Gesetz sein will, kommt nicht umhin, sich selbst wichtig zu finden und seine eigene Ehre zu suchen.
Das Gesetz ist dem Menschen gegeben, damit er durch das Halten dieses Gesetz zeigt, dass er nach der Norm Gottes lebt. Doch es gibt niemand, der das Gesetz gehalten hat oder halten kann. Das liegt nicht am Gesetz, sondern am Menschen. Wer aufrichtig das Gesetz halten will, gelangt zur Entdeckung, dass er es nicht halten kann. So jemand bestätigt das Ziel des Gesetzes, das gegeben worden ist, um den Menschen erkennen zu lassen, wer er von Natur ist. Deshalb steht denn auch: „Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn jemand es gesetzmäßig gebraucht, indem er dies weiß, dass für einen Gerechten [das] Gesetz nicht bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Zügellose,“ usw. (1Tim 1,8–10). Durch das Gesetz lernt der Mensch seine Sündhaftigkeit kennen. Das wird ihn zu Christus gehen lassen, bei welchem Erlösung durch sein Werk am Kreuz zu finden ist.
Wer seine Zuflucht zu Christus genommen hat, ist frei von dem Fluch des Gesetzes. Wir lesen dies in Galater 3: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist (denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!“)“ (Gal 3,13). Es steht sogar, dass der Gläubige überhaupt nichts mehr mit dem Gesetz zu tun hat: „Denn Christus ist [das] Ende [des] Gesetzes, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit“ (Röm 10,4).
Wer als Christ doch noch das Gesetz halten will, auch wenn es nur darum geht, dies aus Dankbarkeit zu tun, stellt sich wieder unter den Fluch des Gesetzes. Das Gesetz kann nichts anderes zuwege bringen. Das Gesetz kann nicht anders als verurteilen und den Tod bringen, weil es für den natürlichen Menschen bestimmt ist.
Wenn ein Gläubiger wieder das Gesetz zu halten beginnt, dann tut er etwas, was Paulus in seinem Brief an die Galater scharf an den Pranger stellt. Die Folgen dieser Haltung im Umgang untereinander beschreibt er so: „Wenn ihr aber einander beißt und fresst, [so] seht zu, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet“ (Gal 5,15) und: „Lasst uns nicht voll eitler Ruhmsucht sein, indem wir einander herausfordern, einander beneiden“ (Gal 5,26).
Dies finden wir im Leben Jephtas wieder, und das werden wir auch im Leben von Christen wiederfinden, die das Gesetz als Lebensregel annehmen. Wenn die eigene Ehre gekränkt wird und die Lebensregel das Gesetz ist, dann ist die Reaktion eine der Vergeltung, des Eintretens für die eigene Ehre. Das Ergebnis ist, dass keine Frucht für Gott mehr da ist. Ephraim bedeutet doch „fruchtbar“?
Das bedeutet nicht, dass Ephraim zu entschuldigen sei. Sie verhielten sich am allerwenigsten ihres Namens würdig. Sie sind die Anstifter der Haltung, die Jephta annimmt. Aber wie viel Blutvergießen hätte verhindert werden können, wenn Jephta anders reagiert hätte? Wie viel Zank und Zwietracht und geistlicher Totschlag wäre in den örtlichen Gemeinden verhindert worden, wenn die eigene Ehre und das eigene Interesse auf die Seite gesetzt worden wären und die Bruderliebe in die Praxis umgesetzt worden wäre?
4 Der Anlass zum Bruderstreit
4 Und Jephta versammelte alle Männer von Gilead und kämpfte mit Ephraim; und die Männer von Gilead schlugen Ephraim, weil sie gesagt hatten: Flüchtlinge Ephraims seid ihr, ihr Gileaditer, inmitten Ephraims [und] inmitten Manasses!
Der direkte Anlass zum Bruderstreit ist eine ordinäre Schimpferei, die vom anderen nicht geschluckt wird. Die Männer von Gilead sind von den Ephraimitern beleidigt worden, sie sind tief gekränkt. Sie sind wohlgemerkt als weggelaufene Ephraimiter beschimpft worden. Was für eine Beleidigung! Das konnten sie nicht auf sich sitzen lassen. So kommt es zu einem Treffen zwischen den beiden Parteien.
Es ist eine gute Sache, dass wir keinen Zollbreit nachgeben, wenn dem Herrn Jesus oder dem Wort Gottes Unrecht getan oder sie angegriffen werden, aber wenn wir selbst angegriffen werden, liegt die Sache anders. Im letzten Fall können wir das Böse durch das Gute überwinden und nicht, indem wir Böses mit Bösem vergelten (Röm 12,21.17). Dann handelt es sich gar nicht um göttliche Grundsätze. Wir werden sehen, dass in Richter 20 durchaus eine Situation vorhanden ist, die einen Bruderkrieg rechtfertigt, weil dort sehr wohl göttliche Grundsätze auf dem Spiel stehen.
Jephta widmet dem Feind viel Zeit und hat auch viel Geduld mit ihm, aber Gottes Volk gegenüber ist er kurz angebunden.
5 - 6 Die Furten
5 Und Gilead nahm Ephraim die Furten des Jordan. Und es geschah, wenn ein Flüchtling von Ephraim sprach: Lass mich hinübergehen!, so sprachen die Männer von Gilead zu ihm: Bist du ein Ephraimiter? Und sagte er: Nein!, 6 so sprachen sie zu ihm: Sage doch: Schibboleth! Und sagte er: Sibboleth, und brachte es nicht fertig, richtig zu sprechen, dann ergriffen sie ihn und schlachteten ihn an den Furten des Jordan. Und es fielen in jener Zeit von Ephraim 42.000.
Die Stämme, die durch den Jordan voneinander getrennt sind, können einander über die Furten erreichen. Und gerade dort findet die Schlachtung statt. Der Jordan spricht vom Tod und der Auferstehung Christi und davon, dass wir mit Christus gestorben und auferstanden sind. Er ist also eigentlich ein Ort, wo die Einheit des Volkes Gottes und seine Verbindung mit Ihm am sichtbarsten werden soll.
Wir können dies auf den Platz anwenden, an dem die Einheit der Gemeinde am sichtbarsten werden soll, nämlich am Tisch des Herrn. Dort wird sein Tod verkündigt: „Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1Kor 11,27). Der Kelch spricht von dem Blut Christi und das Brot spricht von dem Leib Christi. Die Gemeinde hat diesem Werk alle ihre Segnungen zu verdanken, auch den Segen ihrer Einheit. Bei der Feier des Abendmahles am Tisch des Herrn darf sie diese Einheit erkennen lassen. „Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot“ (1Kor 10,17).
Aber was ist in der Praxis daraus gemacht worden? Von dieser Einheit ist nicht mehr viel zu sehen, weil jede Gruppe so ihre eigenen Gedanken und Ideen über dieses „Einssein“ hat. Das können zu weite Gedanken sein, wodurch jeder, der nur sagt, dass er ein Gläubiger sei, ohne jegliche Nachforschung und allein aufgrund seines eigenen Bekenntnisses am Abendmahl teilnehmen kann. Diese unbiblische Einheit ist in der ökumenischen Bewegung zu finden, sowohl in etablierten Kirchen als auch in dem breiten Strom der evangelikalen Bewegung. Weil dieser Aspekt in dieser Geschichte nicht hervortritt, lassen wir dies weiter ruhen.
Bei der Haltung, die Jephta hier annimmt, können wir an die andere Gefahr denken, das Gegenteil der zu großen Weite, nämlich die zu große Enge. Sie ist dann festzustellen, wenn Gläubigen das Abendmahl verweigert wird, die aufgrund der Schrift durchaus ebenfalls daran teilnehmen können. Die Schrift lehrt, dass jemand, der ein Gläubiger ist, am Abendmahl teilnehmen kann, wenn er
1. nicht in der Sünde lebt (1Kor 5,1–13);
2. keine falsche Lehre über den Herrn Jesus und die Schrift hat (Gal 5,1–10);
3. keiner Kirche oder Gruppe angehört, von der er weiß, dass die gerade erwähnten Dinge dort vorhanden sind, aber nicht verurteilt und weggetan werden (2Tim 2,16–21; 2Joh 1,9–11; 1Kor 10,18; Off 18,1–5; 2Kor 6,14–17; Heb 13,9–13).
Aus all diesen Schriftstellen tritt deutlich zutage, dass Gott und die Sünde sich nicht verbinden können. Kurz gesagt, läuft es darauf hinaus, dass jemand persönlich rein ist in Lehre und Leben und keine Gemeinschaft mit Gläubigen hat, die das nicht sind.
Andere Bedingungen für die Teilnahme am Abendmahl gibt die Schrift nicht an, und wir dürfen sie somit auch nicht stellen. Wenn wir zum Beispiel von jemandem fordern, exakt dasselbe über die Zukunft Israels zu denken wie wir, bevor er zum Abendmahl zugelassen wird, machen wir aus der „Zukunft Israels“ ein „Schibboleth“. Wir machen dann Einsicht in die Prophetie zu einer Bedingung für die Zulassung. Es kann durchaus sein, dass jemand darin nicht die richtige Einsicht hat. Er kann darin unterwiesen werden. Aber so etwas zu einer Bedingung für Zulassung zu machen, ist eine unbiblische Einschränkung oder Verengung der Gemeinschaft.
Es ist wichtig, nach den Furten zu suchen, das heißt, danach zu schauen, was an gemeinsamem Glaubensgut vorhanden ist, um das miteinander zu teilen. Aus dieser Position heraus kann ein Aufbau auf unserem „allerheiligsten Glauben“ (Jud 1,20) stattfinden. Es geht also nicht um das, was Trennung verursacht, sondern um das, was vereinigt, was bindet.
Schibboleth oder Sibboleth (Vers 6)
Das Wort Schibboleth bedeutet „Kornähre“ oder „Flut“. Wer dieses Wort nicht so aussprach, wie die Gileaditer es für richtig hielten, wurde geschlachtet. Dieses Wort diente dazu, eine deutliche Sortierung zwischen den Männern von Gilead und den Ephraimitern vorzunehmen. Dieses Wort erinnert also an den Vollzug einer Trennung.
Es ist eine Gefahr, die wir auch heute erkennen können, vielleicht in unserem eigenen Herzen, vielleicht in unserer Umgebung. Wir denken oder hören sagen, dass es doch wohl wichtig wäre, zu wissen, was die eigene Glaubensgemeinschaft von anderen Glaubensgemeinschaften unterscheidet. Was bei anderen alles nichts taugt, wird ausführlich erörtert, während die eigenen Erkenntnisse für richtig gehalten werden.
Das bedeutet nicht, dass wir nicht für uns selbst von dem richtigen Platz überzeugt sein sollten, den wir inmitten einer verworrenen Christenheit einnehmen. Wenn es gut ist, werden wir einer örtlichen Gemeinde angehören und dort Verantwortung tragen, die nach biblischen Normen zusammenkommt. Es kann sein, dass wir diesen Platz gefunden haben, nachdem wir zuvor verschiedene Kirchen und/oder Glaubensgemeinschaften kennengelernt haben. Wir können dann in der Tat angeben, warum wir an einem bestimmten Platz nicht bleiben konnten. Es wird in der Regel damit zu tun haben, was Gottes Wort über die Gemeinde Gottes sagt, wie die Dinge dort laufen sollen, was erlaubt sein soll und was nicht.
Wir dürfen nicht aus einer Gemeinschaft weggehen, weil man dort einmal unfreundlich gegen uns gewesen ist. Unsere persönliche Erfahrung mag wichtig sein, aber ein Grund zum Weggehen kann nur dann bestehen, wenn dort Dinge vorhanden sind oder geschehen, die nachweisbar im Widerspruch zur Bibel stehen, und wenn man nicht beabsichtigt, dort anhand des Wortes Gottes eine Veränderung herbeizubringen. Jeder Test, der in dieser Hinsicht das Volk Gottes voneinander trennt und nicht von ihren Feinden, ist ein neues „Schibboleth“.
7 Jephtas Ende
7 Und Jephta richtete Israel sechs Jahre; und Jephta, der Gileaditer, starb und wurde in einer der Städte Gileads begraben.
Gottes Wort erwähnt, dass Jephta Israel sechs Jahre gerichtet hat. Damit erhält Jephta den Stempel Gottes, dass er jemand ist, der von Ihm angestellt worden ist, trotz seines Versagens Ephraim gegenüber. Aus 1. Samuel 12 wird deutlich, dass Jephta ebenso sehr von Gott gesandt war wie Gideon, Barak und Samuel (1Sam 12,11). Wir erinnern uns auch, dass Jephta ein Mann war, der in der Liste der Glaubenshelden genannt wird (Heb 11,32). Er wusste, was Gott mit seinem Volk getan hatte. Er kannte sozusagen die Bibel. Davon ging er bei der Erfüllung der Aufträge, die Gott ihm gab, aus.
Das Leben wurde ihm schwer gemacht. In unseren Augen kann er falsche Entscheidungen getroffen haben. Wir haben versucht, die daraus erwachsenden Lektionen zu ziehen. Dennoch ist es letztlich Gott, der den Maßstab völlig gerecht an dem Leben Jephtas anlegen wird. Jephta gehört zu den Gerechten, die noch nicht empfangen haben, was verheißen ist (Heb 11,39). Doch dieser Augenblick wird kommen. Dann wird Gott auch Jephta für die Treue belohnen, die er auf der Erde in dem Dienst für Gottes Volk erwiesen hat. Im Blick darauf wird er begraben.
8 - 10 Ibzan
8 Und nach ihm richtete Israel Ibzan aus Bethlehem. 9 Und er hatte dreißig Söhne; und dreißig Töchter entließ er aus dem Haus, und dreißig Töchter brachte er von außen für seine Söhne herein. Und er richtete Israel sieben Jahre. 10 Und Ibzan starb und wurde in Bethlehem begraben.
Nach Jephta erscheinen wiederum einige Richter, über die nicht viel gesagt wird, genauso wie nach der Regierung Abimelechs (Ri 10,1–5). Zusammen stehen sie für 25 Jahre Ruhe. Wenn wir eine Zeit der Ruhe kennen dürfen, ist das ein Geschenk Gottes. Er gibt uns diese als eine Gelegenheit, uns geistlich zu stärken, und nicht zum Einschlafen.
Die Richter, die erwähnt werden, stehen im Gegensatz zu Jephtas Versagen. Der Erste heißt Ibzan, was „Reinheit“ bedeutet. Über Reinheit in unserem persönlichen Leben und in der Gemeinschaft der Gläubigen, zu der wir gehören, ist bereits einiges geschrieben. Jakobus spricht in seinem Brief über den Ursprung der Reinheit und den Platz, den sie darin einnimmt: „Die Weisheit von oben aber ist erstens rein“ (Jak 3,17). Hier sehen wir, dass Reinheit aus einer Weisheit hervorgeht, die ihre Quelle in dem Himmel, in Gott, hat und dass diese Weisheit auf der Erde zuallererst „Reinheit“ bewirkt. Das kommt daher, dass die Weisheit einen Blick für das Verderben hat, das in der Welt ist und wovon sie umgeben ist.
Wer in Reinheit lebt, das bedeutet also in Gemeinschaft mit Gott, wird Frieden in seiner Seele erfahren, und Frieden wird von ihm ausstrahlen. Daher steht dabei, dass sie „dann friedsam“ ist. Was darauf folgt, bezieht sich alles auf das Leben in einer vollkommen unreinen Welt. Die Weisheit, die von oben ist, darf inmitten dieser Welt erkennen lassen, was in Gott gefunden wird. Aber, wie gesagt, es beginnt mit Reinheit, der Bedeutung des Namens Ibzan.
Ibzan kommt aus Bethlehem, das „Brothaus“ bedeutet. Das sollte jede Glaubensgemeinschaft sein müssen. Eine örtliche Gemeinde wird ein „Brothaus“ für die hungrige Seele sein, wenn vor allem die Aufseher auf die Reinheit und Heiligkeit Rücksicht nehmen, die dafür notwendig sind, mit der Gegenwart Gottes rechnen zu können.
Der Gegensatz zu Jephta zeigt sich aus dem, was Ibzan tut. Anstatt seine eigene Tochter zu opfern und seine Brüder zu töten, findet sich bei ihm Wachstum und Vermehrung. All seine dreißig Töchter lässt er heiraten. Sie nehmen die Reinheit, die sie bei ihrem Vater gesehen haben, in ihre neue Umgebung mit. So gibt er den Grundsatz der Reinheit, dem er selbst huldigt, weiter.
Für seine Söhne gilt dasselbe, sei es, dass diese seine persönliche Position unterstützen. Das können wir aus der Tatsache schließen, dass sie bei ihm in der Nähe bleiben. So kann jeder Aufseher, der treu handelt, also nach den Grundsätzen des Wortes Gottes, mit der Verbreitung und Unterstützung dieser Grundsätze durch andere rechnen.
Alle seine Söhne und alle seine Töchter heirateten. Ibzan muss eine Familie gehabt haben, in die jeder Junge und jedes Mädchen gern aufgenommen wurden, indem er/es eines seiner Kinder heiratete. Es tut Eltern gut, zu sehen, dass sich ihre Kinder in Gläubige aus anderen örtlichen Gemeinden verlieben und sie heiraten, um mit ihnen den Weg des Herrn zu gehen und Ihm in ihrem Leben zu dienen. Ibzan blieb nicht zu Hause sitzen, sondern zog für seine Kinder hinaus. Er ließ seine Kinder auch ruhig ziehen, als er einen guten Platz für sie gefunden hatte.
Sein guter Einfluss auf Israel dauerte sieben Jahre. Die Zahl sieben weist auf Vollkommenheit hin, wie wir schon zuvor sahen. Die Zeit, in der er richtete, muss eine Wohltat für das Volk gewesen sein. Der Ort, woher er kam, wurde der Ort seines Begräbnisses.
11 - 12 Elon
11 Und nach ihm richtete Israel Elon, der Sebuloniter; und er richtete Israel zehn Jahre. 12 Und Elon, der Sebuloniter, starb und wurde in Ajjalon im Land Sebulon begraben.
Elon bedeutet „stark“. Er ist ein Nachkomme Sebulons, dessen Name „Wohnung“ bedeutet. Sebulon erhält seinen Namen von seiner Mutter Lea, die bei seiner Geburt sagt: „Diesmal wird mein Mann bei mir wohnen“ (1Mo 30,20). Sie dachte, dass sie durch den sechsten Sohn, den sie Jakob gebar, seine Zuneigung gewonnen hätte. Hierdurch tritt der Gedanke an eine Versöhnung zwischen Jakob und Lea zutage.
Woran können wir nun denken, wenn wir über Elon, den Sebuloniter, lesen? Dass jemand ein starker Mann genannt wird, wenn er Versöhnung dort zustande bringt, wo Streit ist. Es ist jemand, der seine Hände auf die Schultern zweier zankender Brüder oder Schwestern legt. In Philipper 4 ist Paulus solch ein starker Mann (Phil 4,3). Wir können auch unsere Kraft erkennen lassen, indem wir zankende Brüder oder Schwestern zusammenführen.
Elon wird in Ajjalon begraben. Eine der Bedeutungen dieses Namens ist „Platz der Eichen“. Die Eiche ist ein Sinnbild der Kraft und Beständigkeit. Mit seinem Tod ist sein Leben nicht vorbei und vergessen. Dieselbe Kraft, die er in seinem Leben zeigt, ist mit seinem Tod verbunden. Elon lässt etwas von der Art Führer erkennen, von denen wir in Hebräer 13 lesen. Es geht dort um Führer, die bereits verstorben sind: „Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach“ (Heb 13,7).
13 - 15 Abdon
13 Und nach ihm richtete Israel Abdon, der Sohn Hillels, der Pirhatoniter. 14 Und er hatte vierzig Söhne und dreißig Enkel, die auf siebzig Eseln ritten. Und er richtete Israel acht Jahre. 15 Und Abdon, der Sohn Hillels, der Pirhatoniter, starb und wurde in Pirhaton begraben im Land Ephraim, im Gebirge der Amalekiter.
Auch hier können wir wieder das eine oder andere aus der Bedeutung der Namen lernen. Abdon bedeutet „Dienst“; Hillel „Lobgesang“; Pirhaton „Freiheit“, „fürstlich“, „Höhepunkt“ oder „Vergeltung“. Wenn der Dienst eines Aufsehers aus einem Herzen voller Lobpreis hervorgeht und in Freiheit ausgeübt werden kann, dann ist das eine Wohltat für die Gemeinde. Solch ein Aufseher oder Führer wird sein Werk mit Freude tun.
Viel hängt dabei von den Gläubigen ab, inmitten derer er seinen Dienst ausübt. Er darf ihm nicht schwer gemacht werden. Die Ermahnung ist hier zutreffend: „Gehorcht euren Führern und seid fügsam; denn sie wachen über eure Seelen (als solche, die Rechenschaft geben werden), damit sie dies mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn dies [wäre] euch nicht nützlich“ (Heb 13,17). So besteht in jeder örtlichen Gemeinde eine Wechselwirkung zwischen den Aufsehern oder Führern und denen, die geführt werden.
Wenn ein Aufseher sein Werk gut tun kann, dann werden seine (geistlichen) Söhne und Enkel den Dienst und den Lobpreis ihres (geistlichen) Vaters und Großvaters weiterhin bringen. Ältere und Jüngere folgen ihm nach. Auch das dritte Geschlecht (meistens die Generation, die weggeht) nimmt hieran teil.
Das Geheimnis seines Erfolges wird durch seinen Sieg über die Amalekiter sichtbar. Er hat während seines Lebens ein Stück Boden von ihnen erobert. Amalek ist ein Bild des Fleisches. Abdon zeigt uns im Bild eine Person, die in der Praxis verwirklicht hat, was wir in Galater 5 lesen: „Die aber des Christus sind, haben das Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und den Begierden“ (Gal 5,24).
Sein Grab wird zu einem Monument davon. Abdon hatte sich durch seinen Sieg über das Fleisch (die Amalekiter) einen Weg nach oben (in das Gebirge) gebahnt. Auf seinem Grab könnte stehen: „Er hat das Fleisch überwunden“.