Einleitung
Ein neuer Abschnitt in diesem Buch beginnt mit Prediger 7. Das können wir sehen, wenn wir uns die Form anschauen, in der der Prediger seine Beobachtungen im ersten Teil dieses Kapitels ausdrückt (Pred 7,1–14). Er tut dies in Form von sogenannten „besser … als“-Sprüchen, eine Form, die wir auch im Buch der Sprüche finden (Spr 12,9; 15,16.17; 17,1).
Wir müssen lernen, worum es im Leben geht. Das bedeutet, dass wir wissen, wie wir das Bessere oder Ausgezeichnete von dem unterscheiden können, was zwar gut sein kann, aber immer noch von minderwertigerer Qualität ist als das Bessere (Phil 1,10). Diese Unterscheidung zeigt sich am besten, wenn wir uns das Ende eines Falls ansehen. Deshalb ist es ratsam, das Ende all unserer Handlungen im Auge zu behalten, sowohl bei uns selbst als auch bei anderen (Heb 13,7).
Schauen wir zum Beispiel auf das Ende des reichen Mannes und des armen Lazarus‘ (Lk 16,19–31). Ebenso zeigt das gegenwärtige, schöne Babylon, das ist die römisch-katholische Kirche, nicht seine wahre Natur, aber wir werden seine wahre Natur am Ende erkennen, wenn das Gericht gegen sie ergeht (Offenbarung 17 und 18). Im Hinblick darauf und auch auf uns selbst darf unser Gebet sein: „Tu mir kund, Herr, mein Ende und das Maß meiner Tage, welches es ist, damit ich weiß, wie vergänglich ich bin!“ (Ps 39,5).
1 - 6 „Besser … als“-Beobachtungen
1 Besser ein guter Name als gutes Salböl, und der Tag des Todes als der Tag, an dem einer geboren wird. 2 Besser, in das Haus der Trauer zu gehen, als in das Haus des Festmahls zu gehen, weil jenes das Ende aller Menschen ist; und der Lebende nimmt es zu Herzen. – 3 Besser Bekümmernis als Lachen; denn bei traurigem Angesicht ist es dem Herzen wohl. – 4 Das Herz der Weisen ist im Haus der Trauer, und das Herz der Toren im Haus der Freude. 5 Besser, das Schelten der Weisen zu hören, als dass einer den Gesang der Toren hört. 6 Denn wie das Geknister der Dornen unter dem Topf, so [ist] das Lachen des Toren. Auch das ist Eitelkeit.
In Israel ist ein Name viel mehr als ein Namensschild oder ein Label. Ein Name drückt die Persönlichkeit und den Charakter einer Person aus. „Ein guter Name“ (Vers 1) wird dir im Lauf der Zeit gegeben und basiert auf einem bestimmten Verhalten. Dieser gute Name bleibt auch nach dem Tod erhalten. Der Geruch von „gutem Salböl“ ist nur vorübergehend, obwohl der Geruch für die kurze Dauer, die es in der Luft bleibt, angenehm ist. Es geht nicht um Gut gegenüber Böse, sondern um Besser gegenüber Gut. Besser bedeutet hier mehr Nutzen, dass es mehr Vorteil bringt.
Der Name des Herrn Jesus ist „ein ausgegossenes Salböl“, dessen Duft für immer erhalten bleibt. Der gute Name Marias bleibt im Zusammenhang mit ihrer Tat des Salbens des Erlösers bestehen (Mt 26,13).
Dass der Todestag eines Menschen besser ist als der Geburtstag, ist nur wahr, wenn Christus nicht beteiligt ist. Für diejenigen, die Christus kennen, ist das Sein mit Christus oder das Entschlafen „weit besser“ (Phil 1,23), aber auch das Leben mit und für Ihn ist von großer Bedeutung. Der Prediger spricht diese Wahrnehmung aus, als ob sie unter der Sonne geschehen würde, ohne hinter den Horizont zu schauen. Er betrachtet das Leben auf der Erde, ohne die Wahrheit zu berücksichtigen, dass „es den Menschen gesetzt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ über die begangenen Sünden (Heb 9,27).
Die Konfrontation mit dem Tod, die eine Beerdigung immer mit sich bringt, ist nützlich, denn gerade dann wird die Realität der zerbrechlichen und vergänglichen Existenz des Menschen offenbar (Vers 2). Der Tod führt uns dazu, über das Leben nachzudenken. Eine Beerdigung lässt uns auch an unsere eigene Beerdigung denken. Wir können mehr aus dem Tag des Todes eines Menschen lernen als aus dem Tag seiner Geburt.
Ein Geburtsfest und die Feste im Leben sind nicht unbedingt falsch, aber sie machen uns nicht nachdenklich. Festliche Anlässe sind nicht der perfekte Ort, um über den Ernst des Lebens nachzudenken. Der Überschwang überwiegt. Bei traurigen Ereignissen ist die Stimmung nachdenklich und man ist eher geneigt, über den Sinn des Lebens nachzudenken. Dann werden wir dazu kommen, mit Mose zu beten: „So lehre uns denn zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen!“ (Ps 90,12).
Bei einer Beerdigung wird uns die unausweichliche Realität gezeigt, dass der Tod „das Ende aller Menschen“ in ihrer Existenz auf der Erde ist. Früher oder später wird sich jeder Mensch unwiderruflich damit befassen müssen. Es ist extrem dumm, die Augen davor zu schließen. Der Prediger weist darauf hin, dass die Lebenden es sich zu Herzen nehmen müssen. Tue etwas mit dieser Realität, die auch dich eines Tages treffen wird. Der Mensch soll nicht gedankenlos leben, als ob sein Leben auf der Erde nie enden würde. Er soll seine Gedanken darauf konzentrieren, solange er lebt.
Traurigkeit, nicht Lachen, gehört zum Haus der Trauer und zum Tod (Vers 3). Es geht um den richtigen Gemütszustand beim Gedanken an die Zerbrechlichkeit der Existenz. Die Menschen wollen nicht traurig sein. Das Leben soll fröhlich sein. Die Menschen wollen nicht mit der Melancholie konfrontiert werden. Alles soll strahlend sein. Es ist die Maskerade des Menschen, der der Trauer keinen Raum geben will, denn das dämpft das gehegte Glücksgefühl.
Was wirklich im Herzen vor sich geht, ist in einem traurigen Gesicht infolge innerer Trauer deutlicher zu sehen als in der Maske des Lächelns, die oft viel Elend verbirgt. Dass es dem Herzen wohl ist, bedeutet, dass Trauer das innere Leben besser befähigt, das richtige Urteil über das Leben zu fällen. Das ist das Ergebnis, wenn man dem Tod in die Augen schaut.
Äußere Traurigkeit und innere Freude können im Leben des Gläubigen zusammengehen. Paulus sagt: „als Traurige, aber allezeit uns freuend“ (2Kor 6,10). Er ist traurig wegen der äußeren Umstände, aber er freut sich, weil der Herr dabei ist. Das bedeutet, dass Gott kein Gegner der Freude ist. Er ruft die Seinen auf, sich zu freuen, aber in Ihm (Phil 4,4) und vor Ihm (5Mo 12,12).
Ohne Ihn gibt es keine wirkliche Freude unter der Sonne, sondern nur einen Ersatz davon. Die Menschen liegen flach vor Lachen wegen der Wortwitze eines Komikers oder auch wegen der beißenden Verhöhnung der heiligsten Dinge durch den Komiker. Wie schlimm steht es doch um die Herzen dieser Menschen.
Der Weise versteht, dass Trauer einen Segen in sich hat (Vers 4). Deshalb ist sein Herz „im Haus der Trauer“. Er muss dort nicht physisch präsent sein, sondern er lebt im Bewusstsein der Endlichkeit der Existenz des Menschen auf der Erde. Das Herz ist das Zentrum der eigenen Existenz, der Ort, an dem die Überlegungen stattfinden. Der Weise wird über den Tod nachdenken. Er lässt diese Gedanken und Sorgen zu, er läuft nicht vor ihnen davon.
Der Tor sucht nur Vergnügen, das beschäftigt sein Herz, und nur das ist es, was sein Herz möchte. Das ist es, wonach er sucht. Du kannst ihn an allen möglichen Orten finden, wo es etwas zu feiern gibt, wo es Spaß macht, dabei zu sein, wo es kein trauriges, nachdenkliches Reden gibt. Er lacht sich tot wegen der Witze, die erzählt werden. Er ist blind für geistliche Sachen. Die Freude der Welt hat zur Folge, dass Gott vergessen oder sogar abgelehnt wird.
Die bisherigen Beobachtungen von Trauer wegen des Todes und von Freude, die die Trauer leugnet, bedeuten faktisch ein „Schelten der Weisen“ (Vers 5). Der weise Prediger hat weitergegeben, worum es im Leben wirklich geht, und das ist der Tod. Wenn wir auf seine Worte hören und sie uns zu Herzen nehmen, wird es uns von großem Nutzen sein. Es ist besser, dass wir uns jetzt erniedrigen und mit dem Herzen in das „Haus der Trauer“ gehen, um rechtzeitig erhöht zu werden, als umgekehrt.
Wenn wir den Plan Gottes in unserem Leben ernst nehmen wollen, müssen wir uns mit weisen Menschen auseinandersetzen, die uns helfen wollen, unser Leben auf die wertvollste Weise zu leben. Sie können nicht alle unsere Trauer lindern und auch nicht alle unsere Fragen und Probleme lösen, aber sie können uns Hinweise geben, wie wir damit umgehen sollen.
Der Gesang der Toren hat die Absicht, die Trauer und den Tod zu übertönen. Der Tor spricht nicht von solchen melancholischen Dingen, und wenn er überhaupt davon spricht, dann nur, um sie zu verspotten. Die Komiker können einen Moment der Zerstreuung und des Lachens anbieten, um die Traurigkeit für einen Moment zu vergessen, aber ihr Gerede macht keinen Sinn und gibt keine Unterstützung für das Leben.
Was Toren zu bieten haben, ist wie das Geknister der Dornen: Man hört einen Moment knisternde Geräusche, man sieht einen Moment das Feuer und man spürt einen kurzen Anfall von Wärme, aber es ist alles extrem kurzlebig (Vers 6). Das Feuer entfacht sich für einige Sekunden und ist wieder gelöscht. Das Geknister der Dornen hat keinen Einfluss auf den darüber hängenden Topf. Es ist töricht zu denken, dass dieser Topf kochen wird, denn das erfordert ein gutes und langanhaltend brennendes Feuer. Die Dornen erwärmen den Topf nicht einmal.
So ist es auch mit dem Lachen des Toren. Es ist heftig und kurz und verblasst, ohne Eindruck zu hinterlassen. Jeder, der denkt, er könne den Tod durch Lachen auf Abstand halten, ist wirklich ein Tor. Der Prediger kommt zu dem Schluss, dass das Lachen des Toren „Eitelkeit“, leer, ohne Folgen ist. Wie viele Menschen gibt es, die als Toren bezeichnet werden sollten, weil sie hauptsächlich Dinge verfolgen, die nur ein äußerliches Lachen hervorbringen, während sie für die wesentlichen Dinge des Lebens blind sind? Der Mensch ist ein schlechter Prüfer des tatsächlichen und dauerhaften Wertes der Dinge.
7 - 10 Beachte das Ende einer Sache
7 Denn die Erpressung macht den Weisen toll, und das Bestechungsgeschenk richtet das Herz zugrunde. 8 Besser das Ende einer Sache als ihr Anfang; besser der Langmütige als der Hochmütige. 9 Sei nicht vorschnell in deinem Geist zum Unwillen, denn der Unwille ruht im Innern der Toren. 10 Sprich nicht: Wie kommt es, dass die früheren Tage besser waren als diese? Denn nicht aus Weisheit fragst du danach.
In Vers 7 geht es bei dem Unterricht darum zu beurteilen, was dem Leben wirklich einen Sinn gibt. Das Wort „denn“ scheint darauf hinzudeuten. Hinzu kommt der Aspekt des Machtmissbrauchs. Ein Weiser, der Macht ausübt, indem er jemand anderen zu seinem persönlichen Vorteil erpresst, wird ein Narr oder ein Verrückter. Er verliert den Blick für die Realität und beschäftigt sich nur mit dem Leben hier und jetzt. Er denkt nicht an die Zukunft und schon gar nicht an den Tod.
Neben der Erpressung ist die Annahme oder Abgabe von Bestechung auch ein bewährtes Mittel, um sich selbst zu bereichern. Das Herz des Weisen, der sich zu einer solchen Praxis herablässt, wird verdorben. Sein Herz ist nicht im Haus der Trauer, sondern im Festhaus. Der Weise, der seine Macht missbraucht oder sich bestechen lässt oder sogar andere besticht, handelt wie ein gottloser Mensch (Spr 17,23). Er schätzt den Wert materieller Güter in einer Weise ein, die ihn dazu bringt, selbst Ungerechtigkeiten zu nutzen, um in den Besitz dieser Güter zu gelangen. Dafür opfert er seinen guten Namen als Weiser.
Am „Anfang“ einer Sache ist nicht klar, wie sich die Sache entwickeln wird (Vers 8). Erst am „Ende einer Sache“ kann festgestellt werden, was ihr Nutzen und Wert waren. Daher ist es wichtig, vor der Beurteilung einer Sache zu warten, bis das Ende einer Sache bekannt ist, um dann den Wert zu bestimmen.
„Der Langmütige“ wird warten und sehen, wie sich eine Sache entwickelt, während „der Hochmütige“ voller Prahlerei behauptet, genau zu wissen, wie sie sich entwickelt. Der Hochmütige vergisst das Ende und maßt sich alles an. Der eine ist geprägt von Geduld, der andere von Ungeduld. Geduld ist ein Aspekt der Demut, und Ungeduld zeigt den stolzen Ärger über Gottes Wege mit dem Menschen.
Im Zusammenhang mit Vers 7 können wir sagen, dass derjenige, der Geduld hat, geduldig auf das Ende oder das Ergebnis einer Prüfung warten wird. Er wird dies nicht durch Erpressung oder durch ein Bestechungsgeschenk beeinflussen.
Das Lebensende liefert echt zuverlässige Informationen über den Wert des Lebens. Wenn das Ende des Lebens gut ist, ist das ganze Leben gut, auch wenn es kein „schönes“ Leben war. Wenn das Ende schlecht ist, ist auch das erfolgreichste Leben schlecht geworden.
Vers 9 verbindet sich direkt mit Vers 8. Der Prediger warnt vor Unwillen über den Verlauf einer Sache. Geduld kann auf die Probe gestellt werden, und dann besteht die Gefahr, dass im Geist Unwille entsteht. Dies geschieht, wenn wir menschliche Faktoren verantwortlich machen für die Verzögerung der Entwicklung einer Sache. Wenn wir zu Unrecht erpresst werden oder feststellen, dass wir zu Unrecht vor Gericht gestellt werden, kann in unserem Geist Unwille entstehen. Vielleicht drücken wir es nicht einmal aus, aber im Inneren werden wir vom Unwillen aufgefressen.
Der Prediger sagt, dass im Inneren der Toren die Ruhestätte des Unwillens ist. Wer zulässt, dass Unwille in seinem innersten Wesen einen Ort der Ruhe findet, sodass er Teil seiner Persönlichkeit wird, wird zum Toren. Unwille kann auch entstehen, wenn wir unverdiente Behandlung erhalten oder Opfer unangemessenen Verhaltens werden. In diesem Zusammenhang geht es um ungerechte Unterdrückung oder Erprobung.
Man ist unwillig (Vers 9), wenn man weder geduldig noch zufrieden mit seinen Umständen ist. Die Frage, die der Unwillige in Vers 10 stellt, entsteht nicht aus Neugierde, sondern aus Frustration. Er ist daran interessiert, seine Tage, die Umstände, unter denen er lebt, mit denen der Vergangenheit zu vergleichen und sich zu fragen, warum sie besser waren. Es offenbart Unwillen, Gott zur Rechenschaft zu ziehen und eine Erklärung seines Handelns mit dem Menschen zu fordern. Solche Menschen sind „Murrende, mit ihrem Los Unzufriedene, die nach ihren Begierden wandeln“ (Jud 1,16).
Es spricht nicht für Weisheit, solche Fragen zu stellen; es bezeugt die Unwissenheit über die Vergangenheit und über den Menschen, der damals so sündhaft war wie heute. Der Prediger hat bereits am Anfang des Buches gesagt, dass das, was da war, wieder da sein wird, also gibt es nichts Neues unter der Sonne (Pred 1,9). Die Tage waren immer böse wegen der Sünde des Menschen (Eph 5,16). Es hat auch keinen Sinn, näher darauf einzugehen. Die Israeliten sehnten sich danach, aus Unzufriedenheit mit ihrem Aufenthalt in der Wüste nach Ägypten zurückzukehren. Sie fanden ihren Aufenthalt in der Sklaverei in Ägypten besser als ihren Aufenthalt in der Wüste bei Gott, weil sie annahmen, dass Gott wollte, dass sie sterben.
Wer die Frage „wie kommt es“ stellt, übersieht die Tatsache, dass es früher das Böse gab, wenn auch in anderen Erscheinungsformen. Die Verherrlichung der Vergangenheit ist Torheit, denn dann wird auch übersehen, dass sich Gott nicht ändert (Mal 3,6) und dass für den Gläubigen die Unterstützung des Herrn jederzeit verfügbar bleibt (Heb 13,8). Paulus vergaß, was hinter ihm lag und streckte sich aus nach dem, was vor ihm war, weil Christus sein Blickfeld füllte (Phil 3,13.14). Es geht um die Gegenwart und das Hören auf die Stimme des Herrn.
11 - 12 Der Vorteil der Weisheit
11 Weisheit ist gut wie ein Erbbesitz und ein Vorteil für die, welche die Sonne sehen. 12 Denn im Schatten ist, wer Weisheit hat, im Schatten, wer Geld hat; aber der Gewinn der Erkenntnis ist dieser, dass die Weisheit ihren Besitzern Leben gibt.
In Vers 11 spricht der Prediger von einem guten Gebrauch der Weisheit gegenüber dem Mangel an Weisheit in Vers 10. Der Prediger verbindet daher „einen Erbbesitz“ mit Weisheit, denn Weisheit zeigt sich besonders deutlich in der Art und Weise, wie Erbbesitz verwaltet wird.
Zur Kombination von „Weisheit“ und „Erbbesitz“ kommt in Vers 12 ein weiterer Aspekt hinzu: Weisheit und Geld bieten „Schatten“, also Schutz (Ps 91,1; Jes 30,2). Doch der Besitz von Erkenntnis, die zur Natur der Weisheit gehört, geht über den Besitz von Geld hinaus. Geld bringt den Menschen weder in die Gunst Gottes, noch gibt es dem Menschen Leben. Deshalb geht die Erkenntnis der Weisheit weit über den Besitz von Geld hinaus, denn Erkenntnis ist mit „Weisheit“ verbunden, „die ihren Besitzern Leben gibt“.
Es gibt keine andere Erkenntnis, die uns Leben gibt, als die Erkenntnis des Vaters und des Sohnes (Joh 17,3). Die Weisheit, der Herr Jesus, gibt Leben. Wer Ihn findet, hat das Leben; wer Ihn hat, hat das Leben (Spr 8,35; 1Joh 5,12a).
13 - 14 Schau das Werk Gottes an
13 Schau das Werk Gottes an; denn wer kann gerade machen, was er gekrümmt hat? 14 Am Tag des Wohlergehens sei guter Dinge; aber am Tag des Unglücks bedenke: Auch diesen wie jenen hat Gott gemacht, damit der Mensch nicht irgendetwas nach sich finde
Wer unter der Sonne weise ist, wird „das Werk Gottes“ anschauen (Vers 13). Er wird dann bemerken, dass es unmöglich ist, das, was Er bestimmt hat, zu ändern. In den Tagen der Vergangenheit (Vers 10) handelte Er nach den gleichen Prinzipien wie heute. Insbesondere weist der Prediger darauf hin, dass niemand das, was Gott „gekrümmt hat“, gerade machen kann. Alles unterliegt dem Willen Gottes, auch die Dinge, die er gekrümmt hat.
Hier geht es darum, dass Er in seiner Souveränität Konsequenzen an die Sünde geknüpft hat und dass Er sie nicht ungeschehen macht. Es ist wichtig, alles aus Gottes Hand zu nehmen, wie es zu uns kommt, denn daran können wir nichts ändern (Pred 1,15). So lesen wir auch: „Er krümmt den Weg der Gottlosen“ (Ps 146,9). Ein Gottloser kann keinen geraden Weg gehen. Ein Weg der Sünde ist immer ein gekrümmter Weg. So hat Gott es bestimmt, und wir werden es sehen, wenn wir uns Gottes Werk genau anschauen.
Wer ein Auge für das Werk Gottes hat (Vers 13), wird sehen, dass Gott sowohl das Glück als auch Unglück gibt (Vers 14; Hiob 2,10; Jes 45,7). An einem „Tag des Wohlergehens“ können wir das Gute dieses Tages genießen. Wenn wir jedoch mit einem „Tag des Unglücks“ konfrontiert werden, sollten wir uns daran erinnern, dass dieser Tag uns auch von Gott gegeben wird.
Wir haben bereits in den vorherigen Versen gesehen, dass wir uns nicht aufregen sollten, wenn unser Leben nicht so verläuft, wie wir es uns wünschen. Wir können Ruhe finden in dem Gedanken, dass alles aus derselben väterlichen Hand Gottes kommt und dass er damit einen Zweck hat. Sowohl Wohlergehen als auch Unglück sind nützlich. Wenn wir das im Gedächtnis behalten, werden wir nicht mehr meckern und Gott kritisieren.
Der ständige Wechsel von Tagen des Wohlergehens und des Unglücks bewahrt uns, in der Abhängigkeit von Ihm zu leben. Wir wissen nicht, welche Art von Tagen in der Zukunft kommen werden. Gott hat es so bestimmt, „damit der Mensch nicht irgendetwas nach sich finde“, denn der Mensch ist nur der Mensch und nicht Gott. Wir wissen nicht, was in Zukunft passieren wird, und deshalb haben wir keine Macht darüber.
Es ist gut, dass wir nicht wissen, was morgen passieren wird. Das Bewusstsein und die Akzeptanz dessen hängen mit unserem Vertrauen in Gott zusammen. Wenn wir Ihm vertrauen, vertrauen wir auf das Wort des Herrn Jesus, der uns sagt, dass wir „nicht besorgt für den morgigen Tag“ sein sollen, „denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Jeder Tag hat an seinem Übel genug“ (Mt 6,34).
Es macht überhaupt keinen Sinn, uns über das, was morgen kommen könnte, aufzuregen. Das Unglück des Tages, den wir jetzt erleben, genügt uns. Wir brauchen die Sorgen, die sich morgen ergeben könnten, nicht schon jetzt durchdenken. Wenn der Morgen da ist, ist die Sorge vielleicht schon verschwunden. Und wenn die Sorge noch da ist, dann ist auch Gott da.
15 - 18 Gerecht und gottlos
15 Allerlei habe ich gesehen in den Tagen meiner Eitelkeit: Da ist ein Gerechter, der bei seiner Gerechtigkeit umkommt, und da ist ein Gottloser, der bei seiner Bosheit seine Tage verlängert. 16 Sei nicht allzu gerecht und erzeige dich nicht übermäßig weise: Warum willst du dich zugrunde richten? 17 Sei nicht allzu gottlos und sei nicht töricht: Warum willst du sterben, ehe deine Zeit da ist? 18 Es ist gut, dass du an diesem festhältst und auch von jenem deine Hand nicht abziehst; denn der Gottesfürchtige entgeht dem allen.
Mit Vers 15 beginnt ein Abschnitt über Gerechtigkeit und Gottlosigkeit, die beide von dem Prediger wahrgenommen werden und über die er uns seine Erkenntnisse mitteilt. Was er gesehen hat, führt ihn dazu, von seinem Leben als „in den Tagen meiner Eitelkeit“ zu sprechen (Vers 15). Es führt ihn wieder einmal dazu, die Zerbrechlichkeit seiner Existenz zu sehen.
Er spricht von einem „Gerechten“, mit dem etwas passiert, was man überhaupt nicht erwarten würde. Man würde erwarten, dass er lang leben würde, aber das Gegenteil geschieht: Er kommt „bei seiner Gerechtigkeit“ um. Er spricht auch von einem gottlosen Menschen, mit dem etwas passiert, was man überhaupt nicht erwarten würde. Man würde erwarten, dass er in seiner Bosheit stirbt, aber das Gegenteil geschieht: „Bei seiner Bosheit“ verlängert er seine Tage. Das ist es, was man „krumm“ nennt (Vers 13).
Was der Prediger sagt, ist repräsentativ für eine Reihe ähnlicher Fälle. Es geht darum, trotz Gerechtigkeit zu sterben und trotz Bosheit am Leben zu bleiben. Die Regel ist, dass Gerechtigkeit die Verheißung eines langen Lebens hat, und dass Bosheit zu einem kurzen Leben führt. Es gibt jedoch Ausnahmen. Das hat mit der Art und Weise zu tun, wie Gott regiert. In seiner Regierung kann es so sein, dass auf der Erde das Böse durchhält und das Gute bestraft wird. Aber am Ende wird das Gute durchhalten und das Böse bestraft werden. Dies sind Übungen, um einen geduldigen Geist zu erhalten (Vers 8).
Der Gerechte kann mit dieser „Krümmung“ ringen (Hiob 21,7; Ps 73,2–16; Hab 1,4.13). Man kann sich auch darüber aufregen, dass es den Bösen oft gelingt, sich durch Täuschung und Gewalt gegen das Schwert der Gerechtigkeit zu schützen. Manchmal erhalten sie sogar Schutz von ihrer eigenen Regierung, wenn es keinen Auslieferungsvertrag mit dem Land gibt, in dem die Verbrechen begangen wurden. Die Nachrichten geben regelmäßig Beispiele dafür. Mehrere Kriegsverbrecher sind somit auf freiem Fuß geblieben und haben dadurch ein hohes Alter erreicht.
Naboth war ein Gerechter, der starb, während eine böse Frau wie Isebel weiterlebte (1Kön 21,1–26). Dasselbe sehen wir auch bei Abel und Kain (1Mo 4,1–16). Und was ist mit den vielen, die im Lauf der Kirchengeschichte mitten in der Blüte ihres Lebens wegen ihrer Treue zu Gott und seinem Wort getötet wurden. Vor allem sehen wir es bei dem Herrn Jesus, dem beispielslosen Gerechten. Er wurde mitten in seinen Leben ermordet, während Er nichts als Gerechtigkeit ausübte.
Der Gläubige muss lernen, das Leben aus der Hand Gottes anzunehmen, so wie es ist. Er versucht nicht, das Rätsel des Lebens selbst zu lösen. Er findet Ruhe, wenn er das Werk Gottes betrachtet. Auf diese Weise erfährt er, dass die Katastrophen, die den Gerechten getroffen haben, ihn für das zukünftige Königreich formen, während der Wohlstand des Gottlosen ihn auf das zukünftige Gericht vorbereitet.
Die Beobachtung von Vers 15 führt zum Schluss von Vers 16, der wie ein Rat klingt. Wir dürfen uns daran erinnern, dass an Gott nicht gedacht wird. Es ist das Ergebnis des nüchternen Denkens des Menschen in dieser Welt, der aus eigener Überzeugung leben will. Von diesem Standpunkt aus ist es klug, nicht allzu gerecht zu sein, nicht den Moralapostel zu spielen, denn dann hassen die Menschen dich nur, und es ist deine eigene Schuld, wenn du alle Freude am Leben verlierst.
Du musst auch mit eingebildeter Weisheit vorsichtig sein. Darum geht es, wie das Wort „übermäßig“ zeigt. Gib nicht vor, dass du die Weisheit gepachtet hast. Das lassen die Menschen, mit denen du täglich zu tun hast, sich nicht gefallen. Du wirst im Handumdrehen raus sein. Deine Umgebung durchschaut sehr leicht deine eingebildete Weisheit und du wirst links liegen gelassen. Es hat eine verheerende Wirkung auf dein Funktionieren und du wirst rausgeschoben, in eine Sackgasse gebracht.
Es geht in diesem Vers darum, wie jemand sich selbst sieht, wie er in seinen eigenen Augen ist und wie er sich präsentiert. Die Pharisäer sind ein Beispiel für diese Art von Menschen. Sie haben sich so präsentiert. Sie waren in ihren eigenen Augen sehr rechtschaffen und wollten den Menschen als solche begegnen. Weil sie so gerecht waren, kam die Verwüstung über sie, die der Herr auch über sie verkündet hat (Mt 23,28; Mt 5,20).
Obwohl Vers 16 kein Rat für den Gerechten ist – er verlangt gerade danach, gerecht und weise zu sein, aber dann so, wie Gott es will –, gibt es für ihn eine allgemeine Warnung, und zwar, dass er es vermeiden muss, in Extreme zu fallen. Wir können so von unserer Richtigkeit überzeugt sein und uns von unserem Gerechtigkeitssinn mitreißen lassen, dass wir uns in unserem Urteil überschätzen und uns dadurch selbst zerstören. Das kann bedeuten, dass wir ganz allein stehen werden, außerhalb der Gemeinschaft. Es kann auch bedeuten, dass wir mit unseren Ansichten uns selbst ins Abseits führen, oder dass andere uns dahin bringen, weil sie von unserer Anmaßung verärgert wurden.
In diesem Vers geht es darum, einen Platz einzunehmen, der unangemessen ist. Es ist eine Anmaßung, ein Vortäuschen (vgl. 4Mo 16,18; 2Sam 13,5). Man täuscht anderen etwas vor, wenn man sich als gerecht darstellt, sich mit der eigenen Gerechtigkeit brüstet, während man es doch nicht ist (Mt 23,7). Wir können vorgeben, heiliger zu sein als wir sind, z. B. indem wir fasten und uns selbst züchtigen oder auf Pilgerreise gehen. Wenn unser äußeres Verhalten andere von unserer Frömmigkeit überzeugen soll und wir uns darauf fokussieren, zerstören wir uns selbst. Es ist eine Anmaßung, sich bei der Beurteilung der Dinge als allein richtig darzustellen.
Zu dem uns angemessenen Verhalten passt Bescheidenheit. Wir sollten nicht über das hinaus denken, als was geschrieben steht (Röm 12,3.16; 1Kor 4,6). Diese Warnung sollte nicht als Relativierung dessen angesehen werden, was gerecht und weise ist. Es ist eine Warnung für uns, dass wir nicht denken und anderen weismachen wollen, dass wir die Norm für Gerechtigkeit und Weisheit sind. Wir können und müssen davon überzeugt sein, was richtig ist, aber wir müssen vorsichtig damit umgehen.
Es geht nicht darum, in unserem Handeln schwach zu werden und auf Kosten von Wahrheit und Recht Kompromisse einzugehen. Wir müssen jedoch nicht jedem Übel nachjagen und unsere Meinung zu allem sagen. Wir sollten uns nicht zum Kritiker machen und alles, was gesagt und getan wird, verurteilen. Außerdem sollten wir uns nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen, als ob wir alles wissen und alles tun könnten. Wenn wir das tun, erzeugen wir eine Karikatur von Gerechtigkeit und Weisheit.
Vers 17 ist das Gegenteil von Vers 16. Vers 16 ist eine Warnung vor Selbsterhöhung, Vers 17 warnt davor, sich auf die Ebene der Welt hinabzubegeben. Der Prediger sagt nicht, dass ein wenig Gottlosigkeit oder Torheit nicht schlimm ist, aber er weist auf die Kapitulation vor dem Bösen hin. Es ist die Annahme jeder Bosheit und Torheit, solange sie innerhalb der für die meisten Menschen akzeptablen Grenzen bleibt. Wenn sich beide Parteien einigen, sollte dies möglich sein.
Was böse und töricht ist, wird in der Gesellschaft immer mehr zur Norm. Die allgemeine Einstellung lautet: Du solltest es nicht zu bunt treiben und dich nicht allzu gottlos und töricht verhalten. So kommt man am weitesten. Diese Lebenseinstellung zeigt sich in der Mischung von etwas Gutem mit etwas Bösem sowie in dem Finden von Kompromissen. Auf diese Weise kannst du es lange aushalten und mit jedem gut befreundet bleiben. Doch diese Lebenseinstellung ist zweigleisig, man führt zwei Lebensstile und arrangiert sich damit.
Gehst du ganz anders vor und handelst gottlos und töricht, dann besteht eine gute Chance, dass du vor deiner Zeit stirbst, d. h., dass du nicht an Altersschwäche stirbst, sondern in einem Alter, wo du es nicht erwarten würdest. Wenn wir Gott einbeziehen, wissen wir, dass die Zeit zum Sterben von Ihm bestimmt wird (Hiob 14,5). Wir können unser Leben nicht verlängern (Mt 6,27).
Gleichzeitig weiß Gott, wie Er dem gottlosen und törichten Handeln des Menschen einen Platz in seinem Vorhaben einräumen kann. Er kann uns schnell vernichten und unser Leben verkürzen, wenn wir gottlos und töricht leben (Ps 55,23). Dies kann zum Beispiel durch einen Lebensstil geschehen, der unsere Gesundheit beeinträchtigt, wie Drogen, Sex außerhalb der Ehe oder durch die Begehung eines Mordes, der zur Todesstrafe führt.
Der Rat von Vers 18 folgt den Ratschlägen der beiden vorangegangenen Verse. Es ist eine Art zusammenfassender Ratschlag, das zu tun, was „gut“ ist. Es ist gut, „an diesem“ festzuhalten, d. h., sich an der Warnung festzuhalten, nicht in Extreme zu fallen. Es ist auch gut, die Hand nicht „von jenem“ abzuziehen, das ist, was die letzte Zeile von Vers 18 sagt: Gott zu fürchten.
Gott zu fürchten bedeutet, in Respekt und Ehrfurcht vor Ihm zu leben. Derjenige, der diesem „guten“ Rat folgt, „entgeht dem allen“. Das bedeutet, dass wir nur dann davor bewahrt werden, in Extreme zu geraten, wenn wir Gott fürchten. Dadurch bleiben wir auch vor den Konsequenzen bewahrt, die sich daraus ergeben und die in den beiden vorangegangenen Versen erwähnt werden: Zerstörung von uns selbst und Sterben vor der Zeit.
Der Weise geht auf dem mittleren Weg zwischen den beiden Extremen: nicht in seiner eigenen Gerechtigkeit und nicht in der Gottlosigkeit. Er weiß, wie er den Weg zwischen Gesetzlichkeit und Gleichgültigkeit gehen muss. Dies kann nur erreicht werden, wenn Gott gefürchtet wird. Die Gottesfurcht bewahrt vor den Extremen der eigenen Gerechtigkeit auf der einen Seite und der Gottlosigkeit auf der anderen Seite (Spr 3,7). Die Gottesfurcht ist der Anfang der Weisheit. Die Gottesfurcht bewirkt Demut und Misstrauen gegenüber der eigenen Weisheit. Wer Gott fürchtet, hat Angst vor der Sünde und meidet Torheit.
19 - 22 Weisheit gibt Kraft und führt zu Selbsterkenntnis
19 Die Weisheit macht den Weisen stärker als zehn Machthaber, die in der Stadt sind. 20 Denn unter den Menschen ist kein Gerechter auf der Erde, der Gutes tut und nicht sündigt. 21 Auch richte dein Herz nicht auf alle Worte, die man redet, damit du nicht deinen Knecht dir fluchen hörst; 22 denn auch viele Male, dein Herz weiß es, hast auch du anderen geflucht.
Nach der Warnung davor, „übermäßig weise“ sein zu wollen (Vers 16), weist der Prediger in Vers 19 auf den Wert der wahren Weisheit hin. Weisheit macht stark, in der Stadt zu leben, trotz all der Probleme und Gefahren, die das Leben in einer Stadt mit sich bringen kann. Weisheit gibt mehr Macht als die kollektive Macht von zehn Herrschern. Diese Menschen haben Macht, aber wenn es keine Weisheit gibt, zerstören sie die Stadt, denn sie sind sündige Menschen und suchen nur ihren eigenen Vorteil.
Der Wert der Weisheit liegt in dem Bewusstsein, dass Gott alles beherrscht. Der Weise lässt sich nicht von den Umständen führen. Er hat damit zu tun, aber er weiß, dass sie in der Hand Gottes sind. Machthaber verlassen sich auf ihre eigene Weisheit und Stärke, um die Stadt vor dem Bösen – das von innen und von außen kommen kann – zu schützen, mit ihren eigenen Interessen als Motiv. Deshalb werden sie am Ende keinen Erfolg haben und den Kampf verlieren. Ein Mann der Weisheit ist für die Verteidigung einer Stadt nützlicher als zehn Herrscher ohne Weisheit (Spr 21,22; 24,5).
Für den Gläubigen ist Christus sowohl die Weisheit als auch die Kraft Gottes (1Kor 1,24). Diejenigen, die mit Ihm leben, lernen, sich in den Umständen, in denen sie sind, „zu begnügen“, wie Paulus das gelernt hat (Phil 4,11.12). So kann er sagen: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4,13).
Salomo sagte in seinem Gebet bei der Einweihung des Tempels, was er in Vers 20 sagt (1Kön 8,46; Spr 20,9). Nun, da er eine bittere Erfahrung gewonnen hat, kommt er zu dem gleichen Schluss. Er betont hier im Zusammenhang mit dem vorherigen Vers den sündigen Zustand der Herrscher, verallgemeinert ihn aber gleichzeitig, indem er von „den Menschen … auf der Erde“ spricht.
Niemand ist in der Praxis seines Lebens so gerecht, dass er nur Gutes tut, ohne dass etwas von der Sünde an dem hängt, was er tut. Die einzige Ausnahme ist der Herr Jesus. Er hat Gutes getan, ohne zu sündigen. Petrus, Paulus und Johannes bezeugen in ihren Briefen das absolute Fehlen der Sünde bei Ihm: „Der keine Sünde tat“, „der Sünde nicht kannte“, „und Sünde ist nicht in ihm“ (1Pet 2,22; 2Kor 5,21; 1Joh 3,5).
Der Prediger erinnert uns auch mit dieser Bemerkung daran, dass wir unsere Leistung nicht überbewerten und uns nicht abwertend über die Leistungen anderer äußern sollen. Wir müssen uns daran erinnern, dass wir nicht vollkommen gerecht leben und nicht ganz selbstlos sind. Es ist unmöglich für einen Menschen, etwas zu tun, ohne sich selbst einigermaßen zu ehren. Nur wenn der Gläubige vom Geist geleitet wird, kann er Gutes tun, ohne zu sündigen.
Die Sündhaftigkeit des Menschen, die im vorherigen Vers festgestellt ist, kommt besonders in dem zum Ausdruck, was er sagt (Vers 21; Jak 3,2). Der Prediger weist darauf hin, dass wir nicht „auf alle Worte, die man“ – also der Mensch im Allgemeinen – „redet“, unser Herz richten sollten. Damit meint er, dass wir nicht darauf aus sein sollten, alles wissen zu wollen, was die Menschen über uns sagen (Ps 38,13.14; 1Sam 24,10). Wenn man von uns gut spricht, werden wir stolz; wenn man von uns schlecht spricht, werden wir wütend und möglicherweise rachsüchtig.
Auch sollten wir nicht alles glauben, was wir hören. Wenn wir es überhaupt hören, ist es ratsam, das was jemand anderes sagt, nicht immer ernst zu nehmen. Wenn man immer alles ernst nimmt, was die Leute sagen, dann wird man enttäuscht und ernüchtert. Deutliche Beispiele dafür gibt es in der Politik. In der Wahlzeit wollen sich die Menschen von anderen unterscheiden und sagen, dass es undenkbar ist, mit einer bestimmten politischen Partei zu regieren. Wenn es wirklich um das Herrschen geht, wird diesen Worten eine Wendung gegeben und es stellt sich heraus, dass es immer noch möglich ist, mit einer Partei zu regieren, die man vorher als nicht qualifiziert angeprangert hat.
Wir schützen uns vor nicht schmeichelhaften Aussagen anderer über uns, wenn wir nicht allzu neugierig sind, was „man“ von uns hält. Ein Chef muss keine Mikrofone aufhängen, um zu wissen, was seine Mitarbeiter über ihn denken. Er soll sich bewusst sein, dass er nicht ohne Sünde ist und dass es ab und zu wirklich etwas über ihn zu sagen geben wird. Der krankhafte Drang, „alles wissen zu wollen“, auch die Dinge, die man nicht wissen muss, sind in Wirklichkeit Stolz und mangelnde Selbsterkenntnis. Lasst uns sicherstellen, dass wir die Zustimmung von Gott und unserem Gewissen haben, dann brauchen wir keine Angst davor zu haben, was die Leute über uns sagen.
Wenn andere zu Recht oder zu Unrecht schlecht von uns sprechen, wird uns die Weisheit an unsere eigenen Fehler und Mängel erinnern (Vers 22). Was würde mit uns geschehen, wenn wir die gerechte Strafe für jedes ungerechte Wort über einen anderen bekämen? Wir müssen erkennen, dass wir selbst aufgrund dessen, was wir gesagt haben, manchmal andere verletzt haben. Ich habe die gleichen oder ähnliche Sünden begangen, die ich bei anderen verurteile (Röm 2,1; Tit 3,2.3; Mt 7,1–3; Jak 3,1.2).
Wenn wir uns in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir jemanden verflucht haben, d. h., ihm das Böse gewünscht haben und es noch nicht bekannt haben, müssen wir es bekennen. Es ist nicht nötig, es der Person zu bekennen, über die wir unsere Abscheu geäußert haben, sondern dass wir es vor dem Herrn und vor den Menschen, vor denen wir über diese Person schlecht geredet haben, bekennen.
Wenn die Leute über uns reden, müssen wir nicht wütend oder traurig werden. Es ist besser, dass wir uns selbst demütigen und klein werden, weil wir es oft selbst getan haben, entweder in unseren Herzen, in Gedanken, oder mit unserer Zunge. Wie bereits erwähnt, wenn alles gut ist, werden wir es verurteilt und beseitigt haben (1Pet 2,1; Kol 3,8).
23 - 25 Wahre Weisheit bleibt fern
23 Das alles habe ich mit Weisheit geprüft. Ich sprach: Ich will weise werden; aber sie blieb fern von mir. 24 Fern ist das, was ist, und tief, tief – wer kann es erreichen? 25 Ich wandte mich, und mein Herz [richtete sich] darauf, Weisheit und ein richtiges Urteil zu erkennen und zu erkunden und zu suchen, und zu erkennen, dass die Gottlosigkeit Torheit ist und die Narrheit Tollheit.
Der Prediger gibt zu, dass seine Weisheit zu mangelhaft ist, um weise zu werden. Er erkennt es ehrlich an: Die Suche nach wahrer Weisheit hat nichts gebracht. Mit all seiner Weisheit – er ist der weiseste Mensch auf der Erde – hat er „alles … mit Weisheit geprüft“ (Vers 23; Pred 1,13). Dieses „alles“ ist alles, was er uns im vorhergehenden Abschnitt (Prediger 2,1–7,22) mitgeteilt hat. Seine Forschung zielte darauf ab, Einblicke in die wahre Bedeutung zu gewinnen und den bleibenden Wert aller Mühen des Menschen auf der Erde festzustellen.
Er konnte nur in seiner Weisheit entdecken, dass die Welt voller Eitelkeit ist und dass dieses Wissen seinem Herzen keinen Frieden und keine Freude gibt. Weiter kam er nicht. Wahre Weisheit, so erkennt er, ist weit außerhalb seiner Reichweite geblieben. Viele Menschen suchen nicht nach Weisheit, weil sie nicht weise sind. Deshalb werden sie es auch nie. Salomo ist weise und hat danach gründlich gesucht, aber er hat sie auch nicht gefunden. Weisheit liegt weit entfernt von dem Wissen des Menschen.
„Was ist“ (Vers 24), ist nicht nur das, was existiert, sondern auch die Art und Weise, wie es von Gott geformt ist. Wer war bei der Schöpfung dabei? Wer kann verstehen, was Gott geschaffen hat, und wer kann verstehen, wie Er alles, was Er geschaffen hat, aufrechterhält? Es ist nicht möglich, dies durch menschliche Forschung zu verstehen, denn die Weisheit, die in allem liegt, was Gott getan hat, ist „tief, tief“, oder unergründlich tief. Jeder ehrliche Philosoph und Wissenschaftler wird zugeben, dass niemand „es erreichen“ kann.
Der Prediger konnte die Weisheit nicht erreichen. Er kommt zu dem Schluss, dass er nichts weiß und dass er, je mehr er weiß von dem, was es zu wissen gibt, sich umso mehr bewusst ist, wie wenig er weiß. Er ist mit den Geheimnissen Gottes konfrontiert. Sie können nicht verstanden werden (Hiob 11,7.8; 28,12–22).
Gott erzählt uns, was „fern“, in einer fernen Vergangenheit, geschah als Er Himmel und Erde erschuf. Das ist es, was Er uns in seinem Wort sagt. Darin können wir es „erreichen“ (1Mo 1,1; Heb 11,3) und nicht bei den Wissenschaftlern, die uns vormachen wollen, dass sie die Lösung in der Evolutionstheorie gefunden haben. Für uns ist das Wort nahe (5Mo 30,14) und der Geist erklärt es uns (1Kor 2,13). Gleichzeitig bleibt auch uns vieles unverständlich, denn wer kann Gott vollständig ergründen (Röm 11,33)?
Der Prediger sehnte sich nicht nur danach, weise zu werden (Vers 23), er hat auch nichts ausgelassen, um weise zu werden (Vers 25). Er versuchte alles und suchte überall. Er war schon weiser als jeder andere Mensch. Aber das machte ihn nicht faul, sondern umso eifriger, wahre Weisheit zu lernen. Er wollte nicht nur die Essenz der Dinge, die auf der Oberfläche liegen, erkennen, sondern auch herausfinden, was jenseits der Beobachtungsmöglichkeiten liegt, nämlich die Beweggründe. Sein Engagement wird auf verschiedene Weise beschrieben und zeigt, wie sehr er damit befasst war.
Die einzige Schlussfolgerung, zu der ihn seine intensive Forschung geführt hat, ist, dass alles von „Gottlosigkeit“ und „Narrheit“ durchdrungen ist, was letztendlich zu „Tollheit“ führt. Dies hält den Menschen vom Plan Gottes fern und bringt nichts von echtem und bleibendem Wert hervor.
Unsere „Nachforschung“ sollte sich auf Christus richten. In unserem Leben muss es darum gehen, Ihn von allen Seiten zu betrachten und Ihn in all seinen Handlungen und Wegen zu untersuchen. Dann sehen wir auch die Gottlosigkeit und Narrheit des Menschen – denn Christus wirft Licht auf jeden Menschen – wovor wir dann auch bewahrt bleiben. Wir kommen zu einem ganz anderen Schluss, nämlich dass in Christus „verborgen sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“ (Kol 2,3).
26 - 29 Gefunden und nicht gefunden
26 Und ich fand, was bitterer ist als der Tod: Die Frau, die Netzen gleicht und deren Herz Fanggarne, deren Hände Fesseln sind. Wer Gott wohlgefällig ist, wird ihr entkommen; aber der Sünder wird durch sie gefangen werden. 27 Siehe, dies habe ich gefunden, spricht der Prediger, [indem ich] eines zum anderen [fügte], um ein richtiges Urteil zu finden: 28 Was meine Seele immerfort gesucht und ich nicht gefunden habe, [ist dies]: Einen Mann aus Tausenden habe ich gefunden, aber eine Frau unter diesen allen habe ich nicht gefunden. 29 Allein, siehe, dies habe ich gefunden, dass Gott den Menschen aufrichtig geschaffen hat; sie aber haben viele Ränke gesucht.
Der Prediger hat erkannt, dass Gottlosigkeit Torheit ist und dass Narrheit Tollheit ist (Vers 25). Er nimmt dies nicht nur wahr, sondern Salomo erlebte es auch selbst, weil er mit seinen vielen Frauen falsche Verbindungen eingegangen ist. Er spricht darüber mit einem tiefen Bewusstsein der Bitterkeit. Der Tod als der Lohn der Sünde ist bitter (1Sam 15,32), aber die Sünde der Unzucht ist sogar „bitterer … als der Tod“ (Vers 26; Spr 5,9.11).
Der Prediger spricht nicht über jede Frau, über Frauen im Allgemeinen, sondern über „die Frau, die Netzen gleicht“ und zur Untreue verführen will (vgl. Pred 9,9; Spr 18,22). Sein eigenes Beispiel zeigt, dass nicht nur die Frau den Mann irreführen kann, sondern auch der Mann von seinen Wünschen so erfasst werden kann, dass die Frau für ihn ein Netz ist. Er ist gefangen von seinen Begierden (Spr 5,22.23) und gefangen von ihr, weil er Gott nicht mehr wohlgefällig ist, d. h., dass er nicht mehr mit Ihm wandelt.
Salomo setzt alles daran, mit Worten den verdächtigen Charakter einer solchen Frau zu beschreiben. Er vergleicht „die Frau“ selbst mit „Netzen“; ihr „Herz“, ihr Inneres, vergleicht er mit „einem Fanggarn“; ihre „Hände“ sind „Fesseln“, was darauf hindeutet, dass sie den fesselt, den sie mit ihren Händen mit einem Griff erfasst, aus dem es keine Befreiung mehr gibt.
Die Verführung zur unerlaubten Sexualität ist für zahllose Männer die größte Verführung, die es geben kann, groß im Umfang und groß in der Tiefe. Wer davon erfasst wird, ist der erbärmlichste Mensch. „Jede Sünde, die ein Mensch begehen mag, ist außerhalb des Leibes; wer aber hurt, sündigt gegen seinen eigenen Leib“ (1Kor 6,18).
Unter dem, der „Gott wohlgefällig ist“, versteht man den Menschen, der Gott in Christus sieht und mit Ihm wandelt. Ein solcher Mensch gefällt Gott, wie Henoch (Heb 11,5), und er entkommt den Verführungen dieser Frau. Dies ist wirklich der einzige Weg, um ihr zu entkommen. Die Gefahr, der Verführung dieser Frau zum Opfer zu fallen, ist so groß, dass man nur durch die Güte und Gnade Gottes davor bewahrt wird. Wer sich außerhalb der Güte Gottes aufhält, wird unwiderruflich in ihre Hände fallen.
Das zeigt sehr deutlich, dass niemand den törichten Gedanken haben sollte, dass ihm das nicht passieren wird. Das Urteil über die Nichtigkeit des Menschen wird hier noch einmal bekräftigt. Wer bewahrt wird, soll erkennen, dass Gott ihn davor bewahrt hat. Gleichzeitig bewahrt Gott nur diejenigen, die mit Herzensentschluss das Böse fernhalten. Ein solcher war Joseph (1Mo 39,2.3). Er lebte in Gemeinschaft mit Gott und weigerte sich, gegen Ihn zu sündigen (1Mo 39,9).
Der Anfang von Vers 27 schließt an den vorherigen Vers an, gilt aber auch für alles, was der Prediger untersucht hat. Bei all seiner Suche nach Weisheit, bei der er die Dinge kombinierte – „[indem ich] eines zum anderen [fügte]“ –, landete Salomo bei der Verdorbenheit der menschlichen Natur, sowohl der des Mannes als auch der der Frau. Er machte diese Entdeckung, er hat es „gefunden“. Er sagt das als „Prediger“ und unterstreicht damit die Wahrheit dessen, was er sagt.
Er hat alles getan, „um ein richtiges Urteil zu finden“, um zu einer abschließenden Schlussfolgerung zu kommen, die das Geheimnis eines sinnvollen Lebens enthält. In Vers 28 sagt er, dass er diese Schlussfolgerung noch nicht gefunden hat. Es interessiert ihn nicht, was er gefunden hat, sondern was er nicht gefunden hat und was er noch sucht.
Aber es gibt auch etwas, was er bei den Menschen gefunden hat: „einen Mann aus Tausenden“. Im Licht der korrupten Natur des Menschen, die er in Vers 26 beschrieben hat, wird hier gemeint sein, dass ein aufrichtiger Mensch eine Seltenheit ist (vgl. Ps 12,2). Im Licht des Neuen Testaments sehen wir, dass der eine Mann, der anders ist, der die Ausnahme unter Tausenden bildet, kein anderer als Christus ist (Hiob 33,23).
Unter diesen Tausenden ist es mit der Anwesenheit von Frauen ganz schlecht bestellt: Er konnte keine finden. Salomo fand unter seinen tausend Frauen keine Frau, in der sein Herz Befriedigung fand.
Nach dem Urteil des Predigers über das menschliche Geschlecht in Vers 28, unter dem er nicht fand, was er suchte, fügt er etwas hinzu, was er gefunden hat (Vers 29). Durch das „Siehe“ wird die Aufmerksamkeit auf das gelenkt, was er gefunden hat, und er lädt alle ein, daran teilzuhaben. Salomo kommt zur Quelle des ursprünglichen Verderbens: Die Sünde kommt durch den Sündenfall und nicht von Gott, denn Er hat den Menschen „aufrichtig geschaffen“.
Die Schuld der allgemeinen Verdorbenheit liegt nicht bei Gott, sondern bei den Menschen. Gott hat den Menschen „aufrichtig geschaffen“, aber der Mensch ist den falschen Weg gegangen. „Aufrichtig“ ist nicht sündig oder neutral, sondern beschreibt den Zustand des Herzens, das treu und gehorsam ist. Der Mensch ist nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen, aber in die Sünde gefallen (1Mo 3,1–7; Röm 5,12).
Der Mensch will davon nichts wissen und sucht seit Adam und Eva nach Ausreden für seine Sünde. „Gesucht“ hat die Bedeutung des Nachdenkens. Es gibt kein Eingeständnis, wohl aber gibt es die Suche nach Ausreden, die Weitergabe der Schuld an andere, die unmittelbar nach dem Fall begann (1Mo 3,12.13). Die Probleme werden manchmal erkannt, aber die Lösung wird durch die Verbesserung des Verhaltens durch Kurse, Schulungen und dergleichen gesucht. Auf diese Weise werden die Probleme nie gelöst, und Gottes Lösung für dieses Problem wird ignoriert: die Gabe seines Sohnes.