1 - 6 Arbeite fleißig und beharrlich weiter
1 Wirf dein Brot hin auf die Fläche der Wasser, denn nach vielen Tagen wirst du es finden. 2 Gib einen Teil an sieben, ja, sogar an acht; denn du weißt nicht, was für Unglück sich auf der Erde ereignen wird. 3 Wenn die Wolken voll Regen sind, so entleeren sie sich auf die Erde. Und wenn ein Baum nach Süden oder nach Norden fällt: An dem Ort, wo der Baum fällt, da bleibt er liegen. 4 Wer auf den Wind achtet, wird nicht säen, und wer auf die Wolken sieht, wird nicht ernten. 5 Wie du nicht weißt, welches der Weg des Windes ist, wie die Gebeine im Leib der Schwangeren [sich bilden], ebenso weißt du das Werk Gottes nicht, der alles wirkt. 6 Am Morgen säe deinen Samen und am Abend zieh deine Hand nicht ab; denn du weißt nicht, welches gedeihen wird: ob dieses oder jenes, oder ob beides zugleich gut werden wird.
Mit Kapitel 11 beginnt der Prediger seine Abschlussrede. Er hat sein Thema, dass die menschliche Arbeit auf der Erde keinen bleibenden Wert hat, beendet und ist bereit für ein paar praktische Schlussfolgerungen. Eine von ihnen ist, dass trotz des Fehlens des dauerhaften Wertes der harten Arbeit doch in der Tat mit harter Arbeit ein Lohn verbunden und Befriedigung darin zu finden ist. Deshalb ermutigt er schlussendlich doch zu harter und beharrlicher Arbeit.
In Vers 1 ruft der Prediger zu einer Handlung auf, die auf den ersten Blick unlogisch und sogar verschwenderisch erscheint. Wir sollen unsere Mittel, „Brot“, mit Kraft, „wirf“, einsetzen, ohne ein sofortiges Ergebnis zu sehen, aber doch in der Erwartung, dass dies kommen wird, „nach vielen Tagen wirst du es finden“. Dieser Vers bedeutet, dass zunächst Kosten erbracht werden müssen, bevor daraus ein Gewinn erzielt werden kann. Du musst zuerst investieren, um auf Ergebnisse zu hoffen. Wenn du es nicht wagst, wirst du auch nichts gewinnen.
Das Ergebnis einer Aktion oder Handlung kann ungewiss sein, aber es ist sicherlich kein Glücksspiel. So kann beispielsweise Kapital im Handel verwendet werden, aber es muss vernünftig geschehen. Wir müssen unsere Kapazitäten einsetzen und dürfen auf zukünftige Belohnungen zählen. Doch wir müssen dabei auch berücksichtigen, dass es Geduld brauchen wird, „nach vielen Tagen“. In allen Fällen ist es wichtig, dass Gott Rechenschaft von unserem Handeln verlangt.
Wer weise ist, vertraut auf den Schöpfer und Lenker aller Dinge und rechnet mit der Zukunft und dem Jenseits. Deshalb verwendet Salomo das Bild des Sämannes, der sich nicht um das Hier und Jetzt, sondern um die Zukunft kümmert. Der Sämann sät im Glauben die Körner und erwartet, dass sie zu einer Ernte heranwachsen werden, mit Brot als Endergebnis. Er behält die Körner nicht für sich.
Der Tor sieht, wie unsicher alles ist, und versucht, so viel wie möglich von seinem Eigentum sicherzustellen und abzusichern. Der Weise sieht das Gleiche, und das führt ihn dazu, entgegengesetzt zu handeln. Er setzt seine Hoffnung nicht auf die Ungewissheit des Reichtums. Er verschenkt (1Tim 6,17), anstatt zu horten, was er ohnehin nicht behalten kann.
Geistlich angewandt können wir sagen, dass wir Nahrung für diese Welt haben: den Herrn Jesus als das Brot des Lebens (Joh 6,22–59). Streue es aus. Wirf das Brot einfach auf das Wasser, kostenlos erhältlich für jeden (Jes 55,1). Säe den Samen des Evangeliums. Das Wasser repräsentiert die Völker (Off 17,15). Wir können hungrige Menschen ernähren, ohne darüber nachzudenken, ob es Erfolg haben wird. Wir werden es nach vielen Tagen finden. Wir säen im Glauben.
Das Brot, das ausgeworfen wird, ist der Weizen (Hiob 28,5; Jes 28,28). Wenn die Felder durch den Regen nass werden, wird der Weizen auf sie gesät. Das Brot kann auch alles darstellen, was der Mensch zum Leben braucht. Was der Herr uns anvertraut hat, hat Er uns in erster Linie anvertraut, damit wir es ausstreuen (2Kor 9,10). Wir müssen erst ausstreuen; dann bekommen wir, was wir brauchen. Wir dürfen von dem, was wir haben, an die Armen austeilen (5Mo 15,10.11). Alles, was wir im Namen des Herrn für andere tun, wird in der Auferstehung der Gerechten vergolten werden (Lk 14,14; Mt 10,42; Gal 6,9).
Es geht auch darum, dass großzügig und an vielen Orten ausgestreut wird, das heißt in viele Herzen und Leben. Wir müssen unsere Herzen und unseren Besitz für diejenigen öffnen, die materiell oder geistlich bedürftig sind. Wir sollten nicht sparsam säen, denn die Ernte verläuft proportional zur Menge des ausgesäten Samens (2Kor 9,6).
In Vers 2 steht, dass wir mit Vorsicht vorgehen sollen. Der Prediger rät, nicht alles auf eine Karte zu setzen oder nicht alles an einen Nagel zu hängen. Er schlägt vor mehr Eisen ins Feuer zu tun, oder das, was man investieren will, auf verschiedene Projekte zu verteilen. Verteile deine Risiken, denn du weißt nie, „was für Unglück sich auf der Erde ereignen wird“, was bedeutet, dass du nie weißt, welche Art von Rückschlägen dich treffen können.
Sieben ist die Zahl der Vollkommenheit. Vielleicht richtest du deine Aufmerksamkeit ungeteilt auf ein bestimmtes Werk oder eine Gruppe von Personen. Du kannst dich ihnen ganz widmen. Aber habe keine Angst vor einem Neuanfang, z. B. eine neue Gruppe zu beginnen oder einen neuen Job anzufangen. Die Zahl Acht spricht davon. Acht weist auf einen Neuanfang hin, nachdem eine komplette Periode zu Ende gegangen ist. Eine Woche hat sieben Tage. Wenn die Woche zu Ende ist, beginnt eine neue Woche, aber man kann auch sagen, dass ein achter Tag folgt.
Der Prediger wusste nicht, „was für Unglück sich auf der Erde ereignen wird“, aber wir wissen es. Wir wissen, dass ein Gericht unmittelbar bevorsteht. Das Gericht kommt über die Welt, denn „die ganze Welt“ liegt „im Bösen“ (1Joh 5,19). Deshalb wird Christus bald kommen, um die Welt zu richten. „Siehe, der Richter steht vor der Tür“ (Jak 5,9b).
Dieser Vers enthält einen Aspekt der Begeisterung. Das Geben „an sieben“ oder „sogar an acht“ geschieht nicht ängstlich, sondern voller Zuversicht und gespannter Erwartungen in Bezug auf den Ertrag. Es geht um eine möglichst breite Investition, je nach den Mitteln, die dazu zur Verfügung stehen. Diese Sache drängt: „Die Zeit ist gedrängt“ (1Kor 7,29), denn wir wissen nicht, was die Zukunft bringt und ob diese Handlungsmöglichkeiten auf der Erde morgen noch bestehen werden.
Vers 3 schließt sich an die letzten Worte von Vers 2 an. Mit seinen Beispielen der von Gott gegebenen Naturgesetze zeigt der Prediger, dass wir berücksichtigen müssen, dass das Böse eines Tages kommen wird. So sicher wie die mit Wasser gefüllten Wolken Regen auf die Erde ausgießen (Vers 3), so sicher ist Gottes Gericht, wenn das Maß der Ungerechtigkeit voll ist.
Wir wissen auch nicht, wann das Leben von jemandem abgeschnitten wird. Was wir wissen, ist, dass es in dem Moment, wo es abgeschnitten wird, keine Möglichkeit mehr gibt, die entstandene Situation zu ändern. Es ist wie bei einem Baum, der gefällt wurde und umgestürzt ist. Der Baum ist von der Quelle des Lebens abgeschnitten, von seinen Wurzeln, die die Säfte aus dem Boden ziehen. An der Stelle, an die der Baum fällt, da bleibt er liegen. Das Leben ist vorbei und Veränderungen sind nicht mehr möglich.
In Vers 4 weist der Prediger darauf hin, dass wir seinen Rat bzgl. der Vorsicht, wenn wir Risiken auf uns nehmen, auch nicht überbewerten sollten (Vers 2). Wir sollten nicht mit verschränkten Armen sitzen, um endlos über Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten nachzudenken und uns damit auseinandersetzen. Die idealen Umstände, die unserer Meinung nach zum Handeln notwendig sind, werden fast nie eintreten. Der Landwirt, der auf die idealen Wetterbedingungen wartet, wird nie säen oder ernten.
Wir können dies geistlich auf das anwenden, was Paulus zu Timotheus sagt, wenn es um die Verkündigung des Wortes geht: „Halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit“ (2Tim 4,2). Das gilt auch für uns: Ob es uns passt oder nicht, ob es dem anderen passt oder nicht, lasst uns weiterhin das Wort predigen. Wir müssen oft arbeiten, ohne zu wissen, was es in Zukunft bringt. Dieser Mangel an Klarheit sollte uns nicht davon abhalten zu arbeiten.
Ein Christ, der keine Seelen für Christus gewinnen will, sei es die Seelen der Ungläubigen oder die der Gläubigen, vernachlässigt seine Aufgabe. Ebenso vernachlässigt auch eine Ortsgemeinde ihre Aufgabe, wenn es ihr nicht darum geht, Seelen für Christus zu gewinnen und Seelen mit Christus zu verbinden. In beiden Fällen wird die Selbstprüfung im Licht des Wortes Gottes nützlich sein. Es kann auch überprüft werden, ob und wie die Verkündigung des Evangeliums im weitesten Sinn des Wortes in das persönliche und gemeinschaftliche Gebet mit einbezogen wird.
Es ist eine der Aufgaben, für die wir auf der Erde zurückgelassen wurden. Lasst es uns auf der Erde nicht zu bequem machen. Wir sind von Luxus umgeben und sitzen mit verschränkten Armen inmitten aller Vorteile, während so viele Menschen um uns herum auf dem Weg zum Ort des ewigen Leidens sind.
Durch die Beispiele, die der Prediger in Vers 5 verwendet, möchte er, dass wir verstehen, dass wir Gott in seinem Werk nicht nachvollziehen können und es schon gar nicht steuern können. Wenn es um „das Werk Gottes …, der alles wirkt“ geht, können wir nur die Ergebnisse sehen, aber nicht sehen, wie Er gewirkt hat. Dieses Bewusstsein sollte uns ermutigen, hart und beharrlich in dem Vertrauen zu arbeiten, dass Gott das Ergebnis liefern wird. Es wird uns auch davor bewahren, die abwartende, passive Haltung von Vers 4 einzunehmen.
Der Prediger verbindet den Wind und die Entwicklung eines Kindes im Mutterleib miteinander. Wir können den Wind in seinen Bewegungen nicht kontrollieren. Wir wissen auch nicht, wie eine Geburt zustande kommt. Der Herr Jesus verwendet dieses Bild im Zusammenhang mit der Neugeburt. Er sagt zu Nikodemus: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht“ (Joh 3,8). Der Herr verbindet damit das Werk des Geistes, eine neue Geburt in einem Ungläubigen zustande zu bringen (Joh 3,7.9).
Wir sehen nur das Ergebnis. Wir wissen nicht, wie Gott das, was wir tun, gebrauchen wird; wir wissen nicht, wie Er in den Seelen der Menschen wirkt, die wir in Bezug auf Christus ansprechen. Gott, „der alles wirkt“, bringt diese neue Schöpfung hervor. Alles kommt von Gott. Der Samen des Wortes Gottes bewirkt die neue Geburt (1Pet 1,23).
Das Leben eines Babys beginnt heimlich mit seiner Empfängnis, dann folgt sein pränatales Wachstum und setzt sich fort mit dem Geheimnis des Wirkens des Gesamtplans Gottes im Mutterleib. Das ist genau die Anwendung des Lehrers von dem Plan Gottes in Johannes 3 (Joh 3,3–9). Es ist sogar eine Veranschaulichung des ganzen Themas dieses Buches des Predigers. Wir können nicht alle Wege verstehen, die Gott nach seinem Plan geht, aber wir können die Regeln Gottes auf das tägliche Leben anwenden und auf diese Weise helfen, seinen Zweck mit einer neuen Geburt zu erfüllen.
In Vers 6 kommt er zu dem Schluss, dass wir fleißig und beharrlich in unserer Arbeit sein müssen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Gerade weil wir über die Zukunft völlig unsicher sind, müssen wir unsere ganze Energie für unsere Aufgabe einsetzen. Wir wissen einfach nicht, ob die eine oder andere Arbeit erfolgreich sein wird. Vielleicht sind beide Arbeiten erfolgreich. Wir dürfen arbeiten und das Ergebnis Gott überlassen.
Wenn wir sagen „säe deinen Samen und am Abend zieh deine Hand nicht ab“, können wir in der geistlichen Anwendung daran denken, dass wir von früh morgens bis spät abends ein Evangelist sein können, den ganzen Tag lang. Ob in der Schule, bei der Arbeit oder zu Hause, unsere ganze Einstellung sollte sein: Christus ausleben in allem, was wir tun. Welch ein Zeugnis wird davon ausgehen, oft ohne Worte.
„Am Morgen“ und „am Abend“ können wir auch auf unsere Lebensjahre beziehen. Der Morgen des Lebens weist dann auf die Zeit unserer Jugend hin und der Abend auf die Zeit, in der wir alt geworden sind. Diese Arbeit muss fortgesetzt werden, unabhängig von unserem Alter. Es gibt keinen Ruhestand für den Diener Gottes. Seine Arbeit mag im Lauf der Jahre etwas anders sein, aber „zieh deine Hand nicht ab“. Säen, weitermachen, das ist die Aufgabe. Paulus ist tief davon durchdrungen und sagt: „Denn wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte“ (1Kor 9,16).
Im letzten Teil des Verses, „denn du weißt nicht, welches gedeihen wird: ob dieses oder jenes, oder ob beides zugleich gut werden wird“, ist eine große Ermutigung enthalten. Dieser Vers sagt nicht, dass etwas nicht gut ist. Im Gegenteil, es ist so: Entweder wird dieses gedeihen, oder jenes wird gedeihen, oder beides wird zugleich gut werden. Es wird hier so gesehen, dass wir alle auf unsere eigene Weise in unserem Leben diese „Sä-Arbeit“ leisten können. Darin liegt die Ermutigung für uns. Wenn wir es auf diese Weise machen, machen wir es gut. Das Ergebnis liegt in Gottes Hand und Er wird es uns zu seiner Zeit zeigen.
7 - 10 Auch der Jüngling kommt ins Gericht
7 Und süß ist das Licht, und wohltuend den Augen, die Sonne zu sehen. 8 Denn wenn der Mensch auch viele Jahre lebt, möge er in ihnen allen sich freuen und der Tage der Finsternis gedenken, dass es viele sein werden: Alles, was kommt, ist Eitelkeit. 9 Freue dich, Jüngling, in deiner Jugend, und dein Herz mache dich fröhlich in den Tagen deiner Jugendzeit, und wandle in den Wegen deines Herzens und im Anschauen deiner Augen; doch wisse, dass für dies alles Gott dich ins Gericht bringen wird. 10 Und entferne den Unmut aus deinem Herzen, und tu das Böse von deinem Leib weg; denn die Jugend und das Mannesalter sind Eitelkeit.
In den Versen 1–6 sprach der Prediger von der Notwendigkeit, fleißig und beharrlich zu arbeiten, auch wenn wir erkennen, dass all unsere irdische Arbeit keinen dauerhaften Wert hat. Wir sollen die Chancen nutzen und unsere Pläne so umsetzen, dass wir nicht aus der Fassung gebracht werden, wenn etwas Unerwartetes passiert. Gleichzeitig kann das Bewusstsein da sein, dass unsere Mühe zumindest einen temporären Wert hat. Er wird dies in den kommenden Versen zeigen.
Dazu kommt, dass, auch wenn die irdische Mühsal keinen dauerhaften Wert hat, dies nicht bedeutet, dass es überhaupt keine Dinge gibt, die wohl einen dauerhaften Wert haben. Es gibt Dinge, die tatsächlich einen bleibenden Wert haben, und die der Prediger am Ende seines Buches in den Vordergrund stellt. Das Ziel ist es, dass er mit all seinen Beobachtungen, an denen er uns hat teilhaben lassen, uns erreichen lassen möchte.
Die Feststellung der Nutzlosigkeit des Lebens, wenn wir es nur unter der Sonne betrachten, sollte uns zur Frage führen, ob es auch etwas über der Sonne gibt. Mit anderen Worten, er hat mit uns über das heutige Leben als solches gesprochen, aber jetzt wird er das Leben der Welt als Vorbereitung auf das Leben nach diesem Leben betrachten.
Zunächst möchte er uns eine Reihe von Beobachtungen mitteilen, die wir in diesem Leben als Gewissheit akzeptieren können und die wir bis zu einem gewissen Grad auch genießen können. Deshalb wird er ab Vers 7 über die Sicherheit des Erwachsenwerdens und Älterwerdens sprechen.
„Licht“ und „die Sonne zu sehen“ charakterisieren das Leben hier (Vers 7; vgl. Hiob 3,16.20; Ps 49,20). Im Licht zu leben, bedeutet nicht nur zu leben, sondern mit Freude zu leben, das Gegenteil von dem Leben in Bitterkeit. Das Leben ist „süß“. Süß bedeutet, dass das Leben geschmeckt und mit Begeisterung genossen wird, wie Honig geschmeckt und genossen wird.
Wir können uns darüber freuen, wenn wir ein langes Leben, „viele Jahre“, erhalten (Vers 8). Wir können diese Lebensfreude „in ihnen allen“ so intensiv wie möglich genießen. Wenn wir jung sind, lacht das Leben uns entgegen. Es ist eine Zeit in unserem Leben, in der es viel Lebensfreude und Vitalität gibt, in der alle Dinge möglich erscheinen und die Sonne ständig scheint (Vers 7; vgl. Pred 12,2).
Wir müssen aber auch die unvermeidlichen Einschränkungen des Alters berücksichtigen (Vers 8). Der Prediger beschreibt diese Tage als „die Tage der Finsternis“, der Abwesenheit der Sonne. Auf diese Weise mindert er die Freude am Sehen des Lichts und des Guten nicht, sondern stellt sie in die richtige Perspektive. Er wird die Grenzen des Alters im nächsten Kapitel in Bildsprache beschreiben. Es ist mit dem Leben des älteren Menschen wie mit der Sonne, die wir gegen Abend untergehen und schließlich verschwinden sehen, worauf die Finsternis der Nacht folgt.
Was er jetzt schon hervorheben möchte, ist, dass wir weiterhin erkennen müssen, dass das Leben in einer Welt der Leere und Eitelkeit gelebt wird. Ein Teil dieser Eitelkeit ist der Alterungsprozess. Dieser Prozess wurde an dem Tag in Gang gesetzt, an dem Adam und Eva Gott ungehorsam wurden. Dann begannen ihre Körper zu sterben (1Mo 2,17; 3,19).
Wenn wir an „die Tage der Finsternis“ denken, sollen wir nicht an den Tod denken, sondern an die Folgen des Alters (Pred 12,2.3). Die von Gott gegebene Lebensfreude und Vitalität sind gut und sollen genutzt und genossen werden. Allerdings muss jedes Alter erkennen, dass sich die aufeinanderfolgenden Veränderungen des Tagesrhythmus‘ – Sonnenaufgang, Vormittag, Mittag, Nachmittag, Abend und Nacht – den Rhythmus des Lebens widerspiegeln.
Im Alter können der Tage „viele“ sein, doch gleichzeitig werden sie als „Eitelkeit“ oder als „ein Seufzer“ erlebt. Diese letzte Bemerkung unterstreicht, dass mit den vielen Tagen und „allem, was kommt“, nicht der Tod gemeint sein kann, denn der Tod ist keine Eitelkeit oder ein Seufzer, sondern eine endlose Situation.
Der Prediger hat sich orientiert. Er kommt zu dem Schluss von Vers 9. Der Jüngling wird aufgerufen, nach dem wahren Glück zu streben, und zwar während der Zeit seiner „Jugend“, des „Jungseins“. Sich zu freuen wird nicht nur erlaubt, sondern befohlen.
Er darf „wandeln in den Wegen deines Herzens“. Es werden gute Wege sein, wenn in seinem Herzen „gebahnte Wege sind“ (Ps 84,6), d. h., dass er seine Kraft in Gott findet. Das Herz ist das Zentrum des Lebens, die Quelle von Gedanken, Gefühlen, Entscheidungen und Charakter. Die Augen sind das Instrument des Herzens (Hiob 31,7). Orientierung geschieht durch das, was wir sehen. Was wir betrachten und wie wir etwas betrachten, wird durch unseren Glauben bestimmt (1Mo 3,6; 2Sam 11,2; Jos 7,21). Was wir sehen, kann zur Freude für uns werden.
Glück ist ein Ziel im Leben. Die einzige Frage ist nur, von welcher Art von Freude der Prediger spricht. Um tiefe Freude zu haben, muss sie durch das Bewusstsein des Gerichts Gottes reguliert werden. Dies unterstreicht die Beteiligung, Souveränität und Kraft Gottes im Leben des Menschen.
Die Warnung „doch wisse“ verbindet mit dem Handeln des Menschen und seiner Freude direkt das Bewusstsein, dass jemand über ihm steht. „Doch wisse“ geht weiter, als mit dem Verstand dem zuzustimmen, was man gelernt hat. Es ist das Verstehen einer Wahrheit, die das Leben korrigiert und gestaltet, es modelliert. Es hat mit Erkenntnis zu tun, aber auch mit dem Umsetzen des Willens Gottes.
Für ältere Menschen kann es riskant erscheinen, einem jungen Menschen zu raten, auf den Wegen seines Herzens zu gehen und dem zu folgen, was seine Augen sehen. Aber, wie gerade erwähnt, ist der Rat mit einer Erinnerung an die Verantwortung gegenüber Gott verbunden. Genießen bedeutet nicht, die innere Bestie rauszulassen, zügellos einen zeitlichen Genuss der Sünde zu genießen (Heb 11,25b). Es gibt Grenzen, die Gott gesetzt hat, um das, was Er gegeben hat, wirklich und sinnvoll zu genießen.
Der Prediger sagt dies, um nicht mit der anderen Hand das wegzunehmen, was er mit der einen Hand gegeben hat, sondern um deutlich zu machen, dass Verantwortungsbewusstsein bei den Jugendlichen ebenso selbstverständlich ist wie Lebensfreude. Darüber hat er bereits in seinem „Unterricht“ gesprochen (Pred 3,17; 8,12.13). Dieses Verantwortungsbewusstsein sollte es geben, wie auch immer es in der Gesellschaft oder in der gesamten Menschheit zerstört oder verzerrt worden sein mag. Es ist etwas, was wir alle in irgendeinem Moment haben, sobald wir etwas sagen oder tun, oder es gerade nicht sagen oder tun.
Junge Menschen werden persönlich angesprochen. Sie gehören dazu. Gerade die Tatsache, dass er sie an ihre Verantwortung erinnert, beweist, dass er sie ernst nimmt. Der alte und weise Prediger schätzt das Jungsein. Es ist nach Gottes Willen, dass Ältere und Jüngere Ihn gemeinsam ehren und Ihm dienen.
In mehreren Briefen des Neuen Testaments werden die Kinder und Jugendlichen auch separat angesprochen (Eph 6,1–3; Kol 3,20; 1Joh 2,13.14). Jung zu sein ist nicht immer nur eine Frage des Alters. Jemand kann auch im Herzen jung sein. Dies gilt sicherlich für diejenigen, die den Herrn erwarten (Ps 103,5; Jes 40,31).
Der Prediger weist den Jüngling darauf hin, dass es Räuber gibt, die ihm seine Freude nehmen wollen (Vers 10). Es handelt sich dabei um Probleme, die Herz und Leib überfallen und sie daran hindern können, das Leben mit Freude zu leben, die aber abgewehrt oder beseitigt werden können. Das Herz ist das Innere, der Leib ist das Äußere. Diese beiden Aspekte machen unser menschliches Leben aus.
Das erste ist „Unmut“, oder Irritation im „Herzen“. Dieser Unmut kann durch Angst oder Trauer als Folge der Sünde in oder um uns herum vorhanden sein. Die Ursache kann auch Stress in der Schule, bei der Arbeit oder in einer Freundschaft sein. Auch die Spielsucht kann eine Ursache sein. Die Gefahr besteht darin, dass Unmut durch die Fragen und Irritationen des Lebens unser Herz beherrschen, gefolgt von Ernüchterung und Zynismus. Hüte dich vor einer Wurzel der Bitterkeit, aus welchem Grund auch immer diese aufkommen sollte. Der Aufruf des Predigers ist es, den Unmut aus unseren Herzen zu entfernen und ihm den Zugang zu unseren Herzen zu verwehren. Er soll durch Dankbarkeit ersetzt werden.
Das zweite Problem ist „das Böse“, das unseren „Leib“ angreift. Was unsere körperliche Glückseligkeit verhindert, muss als böse angesehen werden. Wir können unseren Leib missbrauchen, indem wir zum Beispiel damit Hurerei betreiben. Hurerei ist eine Sünde, an der unser Leib auf extrem unangebrachte Weise direkt beteiligt ist (1Kor 6,18). Wenn das bei uns der Fall ist, dann ist es aus und vorbei mit der Freude. Es geht um ein Leben in Reinheit, nicht um das Leben in Exzessen jeglicher Art (Röm 13,13.14).
Es ist klar, dass ein junger Mensch mit starken Versuchungen konfrontiert wird. Wenn er sich diesen nicht widersetzt, wird er erkennen, dass Leere und Frustration genauso Teil der Jugend sind wie Lebenslust und Vitalität. Jeder Jugendliche muss lernen, Ja und Nein zu sagen und zu entfernen, was den Geist oder Leib schädigt (vgl. Kol 3,8–14; 2Kor 7,1). Dann wird er „die Jugend und das Mannesalter“, die Morgenröte des Lebens, genießen können.
Die jungen Jahre „sind Eitelkeit“, die Jugendzeit fliegt dahin (vgl. Ps 90,10). Eines der Anzeichen dafür, dass die jungen Jahre vorbei sind, ist das Auftauchen der ersten grauen Haare. Das kann nicht gestoppt werden, auch nicht durch das Färben der Haare.
Jeder, der durch „den Unmut“ und „das Böse“ diese wunderbare Zeit der jungen Jahre verdirbt, hat nichts, worüber er glücklich sein könnte. Deshalb: Genieße das Leben jetzt und lebe für Christus. Der Prediger wird dies im nächsten Kapitel näher erläutern.